Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.03.2014, Az. XI B 127/13

11. Senat | REWIS RS 2014, 6807

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Gegenstand

Beiladung einer Organgesellschaft zur Ermöglichung einer Folgeänderung


Leitsatz

1. NV: Beantragt der Organträger die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen dahingehend, dass bei seiner Besteuerung die Umsätze und Leistungsbezüge der Organgesellschaft außer Ansatz bleiben, da die Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft nicht erfüllt seien, kann die Organgesellschaft im finanzgerichtlichen Verfahren beigeladen werden .

2. NV: Eine Beiladung kommt nur dann nicht in Betracht, wenn die Interessen der Organgesellschaft durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können .

Tatbestand

1

I. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), nunmehr in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, wurden durch die gegen sie ergangenen [X.] für die Jahre 2004 bis 2007 (Streitjahre) als Organträgerin die Umsätze und Leistungsbezüge der Beigeladenen (GmbH) als Organgesellschaft zugerechnet. Sie beantragte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) die Änderung der [X.] für die Streitjahre dahingehend, dass bei ihrer Besteuerung die Umsätze und Leistungsbezüge der GmbH außer Ansatz bleiben, da die Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt seien. Der Antrag und der Einspruch der Klägerin blieben erfolglos.

2

Im Klageverfahren beantragte das [X.] am 29. Juli 2011 die Beiladung der GmbH, "um im Falle des Erfolgs der Klage die Umsatzbesteuerung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen dieser Organgesellschaft über § 174 Abs. 4 Abgabenordnung [AO] sicherstellen zu können".

3

Mit Beschluss vom 25. Oktober 2013 hat das Finanzgericht ([X.]) die GmbH zum Verfahren beigeladen. Gegen diesen Beiladungsbeschluss hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

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Sie beantragt sinngemäß, den Beiladungsbeschluss des [X.] vom 25. Oktober 2013 aufzuheben.

5

Das [X.] tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 [X.] zu Recht angenommen.

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1. § 174 Abs. 5 Satz 2 [X.] enthält einen selbständigen Beiladungsgrund; danach ist eine Beiladung unabhängig davon zulässig, ob auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 [X.]O erfüllt sind (vgl. z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 10. Februar 2010 IX B 176/09, [X.], 832; vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, [X.], 404, m.w.N.).

8

2. Für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 [X.] ist lediglich erforderlich, dass ein Steuerbescheid wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts möglicherweise aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem [X.] zu ziehen sind ([X.] vom 17. Mai 1994 IV B 84/93, [X.] 1995, 87; vom 22. Oktober 2001 XI B 16/00, [X.] 2002, 308; vom 14. Dezember 2004 I B 137/04, [X.] 2005, 835). Denn die Möglichkeit zur Korrektur von Steuerbescheiden wegen irriger Beurteilung von bestimmten Sachverhalten besteht nicht nur gegenüber dem Steuerpflichtigen, aufgrund dessen Antrag der ursprünglich ergangene Steuerbescheid aufgehoben oder geändert wird, sondern gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 [X.] auch gegenüber [X.]. Um diese Korrekturmöglichkeit zu gewährleisten, kann das [X.] die Beiladung des [X.] in dem gegen den ursprünglich ergangenen Bescheid angestrengten Klageverfahren beantragen. Für diese Beiladung genügt es, dass die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht (z.B. [X.] in [X.] 2005, 835; vom 24. November 2010 II B 48/10, [X.], 408). Voraussetzung einer solchen Beiladung ist insbesondere nicht, dass der [X.] bereits zum Einspruchsverfahren gemäß § 360 [X.] hinzugezogen war (vgl. [X.]-Urteil vom 5. Mai 1993 [X.], [X.], 400, [X.] 1993, 817, unter 3.a; von [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 174 [X.] Rz 310).

9

a) Im Streitfall besteht die Möglichkeit, dass die Klägerin mit ihrer Klage durchdringt, dass die Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht erfüllt und damit ihr die Umsätze und Leistungsbezüge der GmbH nicht zuzurechnen seien. Entsprechende Folgerungen wären dann ggf. bei der Besteuerung der GmbH zu ziehen.

b) Eine Beiladung des [X.] i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 4 [X.] kann nur dann unterbleiben, wenn dessen Interessen durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (z.B. [X.] in [X.], 832; in [X.], 404). Mit Blick auf den erhobenen Verjährungseinwand käme eine Beiladung mithin nur dann nicht in Betracht, wenn dem Erlass auf § 174 Abs. 5 Satz 1 [X.] gestützter neuerlicher Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 sowie eines erstmaligen Umsatzsteuerbescheides für 2007 gegenüber der GmbH zweifelsfrei der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenstünde. Dies ist hier im Hinblick auf die Vorschriften von § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 174 Abs. 4 Satz 3 [X.] (vgl. hierzu [X.]-Beschluss in [X.] 1995, 87) nicht der Fall. Zudem darf die Beiladung die Entscheidung über eine etwaige Verjährung des Steueranspruchs nicht vorwegnehmen; diese Frage ist nicht im Beiladungsverfahren, sondern ggf. in einem Folgeänderungsverfahren zu entscheiden ([X.] vom 20. April 1989 V B 153/88, [X.]E 156, 389, [X.] 1989, 539; in [X.], 832; in [X.], 404).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Von einer Kostenentscheidung ist lediglich dann abzusehen, wenn über einen Beiladungsbeschluss im Beschwerdeverfahren im Sinne des [X.] entschieden wird. Für ein erfolgloses Beschwerdeverfahren ist indes eine Kostenentscheidung zu treffen (z.B. [X.]-Beschluss vom 11. Juli 2012 IV B 1/11, [X.] 2012, 1929).

Meta

XI B 127/13

25.03.2014

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 25. Oktober 2013, Az: 3 K 657/11, Beschluss

§ 2 Abs 2 Nr 2 UStG 1999, § 174 Abs 5 S 1 AO, § 174 Abs 5 S 2 AO, § 174 Abs 4 AO, § 169 Abs 2 S 1 Nr 2 AO, § 170 Abs 2 S 1 Nr 1 AO, § 60 FGO, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007, § 360 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.03.2014, Az. XI B 127/13 (REWIS RS 2014, 6807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6807

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