Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2015, Az. XII ZB 56/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8528

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII ZB 56/14
Verkündet am:

8. Juli 2015

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
SGB XII §§ 43 Abs. 3, 94
BGB §§ 1602, 1606 Abs. 3 Satz 1
a)
Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er-werbsminderung (§§
41
ff. SGB
XII); eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Leis-tungen führen.
b)
Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er-werbsminderung ist gemäß §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII schon dann insge-samt ausgeschlossen, wenn bei einer
Mehrzahl von unterhaltspflichtigen Kindern des Leistungsberechtigten nur eines der Kinder über steuerliche Gesamteinkünfte in Höhe von 100.000

an BSG [X.], 385).
-
2
-

c)
Erhält der Unterhaltsberechtigte aus diesem Grund nachrangige Hilfe zum Lebensunterhalt (§
19 Abs.
2 Satz
2, 27
ff. SGB
XII) und haften mehrere unterhaltspflichtige Kinder gemäß §
1606 Abs.
3 Satz
1 BGB anteilig für den Elternunterhalt, stellt der gesetzliche Übergang des [X.] auf den Sozialhilfeträger für ein privilegiertes Kind mit einem unter 100.000

rte im Sinne von §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 SGB
XII dar, wenn und soweit dieses Kind den unterhaltsberechtigten Elternteil nur wegen des Vorhandenseins nicht privilegierter Geschwister nicht auf die bedarfsdeckende Inanspruch-nahme von Grundsicherungsleistungen verweisen kann.
d)
In diesem Fall kann das privilegierte Kind der Geltendmachung des [X.] durch den unterhaltsberechtigten Elternteil den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§
242 BGB) entgegenhalten, und zwar so-wohl wegen vergangener als auch wegen zukünftiger Unterhaltszeiträume.
[X.], Beschluss vom 8. Juli 2015 -
XII ZB 56/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
3
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
Juli
2015
durch den Vorsitzenden Richter Dose,
die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Günter
und Dr.
Botur

für Recht erkannt:
Die
Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7.
Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts [X.]
vom 17.
Dezem-ber
2013 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
A.
Die Beteiligten streiten um
Elternunterhalt für die
Zeit
seit August 2011.
Die 1934 geborene Antragstellerin ist verwitwet und lebt im eigenen Haushalt. Sie hat in den hier streitigen Unterhaltszeiträumen einen durch [X.] und Eigenverdienst
nicht gedeckten Unterhaltsbedarf in wechseln-der Höhe zwischen 647

Der
Antragsgegner ist der [X.] der An-tragstellerin.
Er
bezieht ein jährliches Bruttoeinkommen
in Höhe von rund
76.500

Die
Antragstellerin
hat einen weiteren [X.]
und eine Tochter.
Der
Bruder des Antragsgegners erzielt
jährliche Bruttoeinkünfte
in Höhe von mehr als
150.000

Seine
Schwester ist bei einem Bruttojahreseinkommen in Höhe 1
2
-
4
-

von rund 21.000

unstreitig für die Zahlung von Elternunterhalt an die Antrag-stellerin nicht leistungsfähig.
Wegen ihres ungedeckten [X.] hatte die Antragstellerin die Bewilligung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des [X.] (im Folgenden: Grundsicherungsleistungen)
beantragt. Die Stadt
I. lehnte diesen
Antrag wegen der über der Einkommensgrenze des §
43 Abs.
3 Satz
1
SGB
XII liegenden Einkünfte des Bruders des Antragsgegners ab und gewährte der Antragstellerin statt dessen Leistungen nach dem [X.] (Hilfe zum Lebensunterhalt)
unter Rückübertragung
der auf sie übergegangenen
Unterhaltsansprüche zum [X.] der gerichtlichen Geltendmachung gegen den Antragsgegner und seinen Bruder.
Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin zunächst darauf [X.], den Antragsgegner zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands in Höhe
von 3.117,75

von August 2011 bis Oktober 2012 und eines lau-fenden Unterhalts in Höhe von monatlich 207,85

r-pflichten. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Ent-scheidung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie hat ihren Antrag im Beschwerdeverfahren
teilweise erweitert und zuletzt von dem Antragsgegner die Zahlung eines Unterhaltsrückstands für den Zeitraum von August 2011 bis August 2013 in Höhe von 7.779,50

nebst Zinsen und einen laufenden Unter-halt in Höhe von monatlich 346,71

Das Ober-landesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antrag-stellerin, mit der sie ihre Anträge noch wegen eines Unterhaltsrückstands in Höhe von 3.725

en
Zeitraum
von August 2011 bis August 2013 sowie 3
4
5
-
5
-

wegen eines laufenden Unterhalts in Höhe von 180

ember 2013 bzw. in Höhe von 182

B.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in [X.], 1710 veröffentlicht ist,
hat die für den Elternunterhalt relevanten Einkünfte
und Ver-bindlichkeiten des Antragsgegners ermittelt und nach einer, die unterhaltsrele-vanten Einkünfte des Bruders einbeziehenden
Haftungsanteilsberechnung fest-gestellt, dass der Antragsgegner aufgrund seiner Leistungsfähigkeit im [X.] rechnerisch monatliche Beträge in wechselnder Höhe zwischen 109

für den
Elternunterhalt schulden würde. Insoweit nimmt die Rechtsbeschwerde die Ausführungen
des Be-schwerdegerichts hin.
Indessen geht das Beschwerdegericht mit folgender Begründung davon aus, dass die Antragstellerin in Höhe des rechnerisch auf den Antragsgegner entfallenden Haftungsanteils nicht unterhaltsbedürftig sei und insoweit auf vor-rangige Grundsicherungsleistungen
verwiesen werden könne:
Der Anspruch der Antragstellerin auf Grundsicherungsleistungen
sei nur in Höhe des [X.] des Bruders des Antragsgegners ausgeschlossen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus §
43 Abs.
3 Satz
1 und 6 SGB
XII. §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII könne trotz seines vermeintlich eindeutigen Wortlauts auch da-6
7
8
-
6
-

hin ausgelegt werden, dass der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen
nur so weit ausgeschlossen sei, als die auf den einzelnen Unterhaltsschuldner be-zogene Einkommensvermutung widerlegt sei. Dieses Ergebnis werde durch die rechtssystematische Auslegung des §
43 Abs.
3 SGB
XII im Zusammenhang mit dem Unterhaltsrecht und dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungs-grundsatz gestützt. Unterhaltsforderungen gegen zwei Schuldner seien stets unterschiedliche Ansprüche. Eine gemeinschaftliche Haftung auf Unterhalt, die unabhängig von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen durch jeden einzelnen Schuldner eintrete, sei dem Unterhaltsrecht fremd. Diesem Prinzip liefe die unter Verweis auf §
43 Abs.
3 SGB
XII begründete Inanspruchnahme des Antragsgegners zuwider. Er würde nur deshalb unterhaltspflichtig, weil er einen Bruder habe, dessen Einkünfte oberhalb der Einkommensgrenze liegen. Geriete der Bruder in Vermögensverfall, bestünde ein Anspruch der Antragstel-lerin auf Grundsicherung und der Antragsgegner wäre nach §
43 Abs.
3 SGB
XII privilegiert. Ein abweichendes Verständnis der Norm führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung des Antragsgegners mit einem [X.]. Zudem solle durch die Vorschrift des §
43 Abs.
3 SGB
XII die Furcht des Bedürftigen vor dem Unterhaltsrückgriff auf seine Kinder und damit einer
der Hauptgründe für die verschämte Altersarmut beseitigt werden. Die Ein-kommensgrenze von 100.000

sei nur deswegen eingeführt worden, weil es eine Privilegierung gut verdienender Unterhaltsschuldner zu Lasten der [X.] nicht geben solle. Der angestrebte Zweck des Gesetzes würde aber nicht erreicht, wenn der Berechtigte gezwungen wäre, neben dem wohlhaben-den Kind seine deutlich geringer verdienenden Kinder auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen.
Dies hält rechtlicher Überprüfung zwar
im Ergebnis, nicht jedoch
in der Begründung stand.
9
-
7
-

II.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des [X.], dass der Antragstellerin fiktive Grundsicherungsleistungen
bedarfsdeckend zuge-rechnet werden könnten und ihre Unterhaltsbedürftigkeit aus diesem Grunde entfällt.
1. Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt
des Beschwerde-gerichts. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von
Grundsicherungs-leistungen nach den §§
41
ff. SGB
XII vor, werden diese
unabhängig von etwa-igen Unterhaltsansprüchen gegen Eltern und Kinder gewährt (vgl. [X.], 44 Rn.
16). Sie sind daher dem Unterhaltsanspruch gegenüber nicht nachrangig, sondern gelten als Einkommen
und reduzieren dadurch den unter-haltsrechtlichen Bedarf des Leistungsempfängers, ohne dass es darauf an-kommt, ob sie zu Recht oder
zu Unrecht
bewilligt worden sind (Senatsurteil vom 20.
Dezember 2006

XII
ZR
84/04

FamRZ 2007, 1158
Rn.
14).
Nach allge-meiner Ansicht besteht daher für den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich die
Obliegenheit zur Inanspruchnahme
von Grundsicherungsleistungen;
eine Ver-letzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen
Grundsicherung führen ([X.] Urteil vom 23.
Januar 2008

5
UF
146/07
juris Rn.
19; [X.] FamRZ 2004, 1988; OLG Saarbrücken
MittBayNot 2005, 436, 437; [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis 9.
Aufl. §
1 Rn.
706; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9.
Aufl. §
8 Rn.
161; [X.]/[X.]ermann BGB 14.
Aufl. §
1602 Rn.
49; Soergel/[X.] BGB 13.
Aufl. §
1602 Rn.
27; [X.]/[X.] Handbuch des Unterhaltsrechts 12.
Aufl. Rn.
6048
a; Botur in [X.]/Poppen/[X.] Unterhaltsrecht 3.
Aufl. §
1602 BGB Rn.
30; [X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1602 Rn.
21; [X.], 461, 464; [X.] FamRZ 2007, 1160, 1161; vgl. auch Senatsbeschluss vom 17.
Juni 10
11
-
8
-

2015

XII
ZB
458/14

zur [X.] bestimmt, dort zur Obliegenheit zum Abschluss einer Pflegeversicherung).
2. Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen hatte die Antragstellerin rechtzeitig Grundsicherungsleistungen
beantragt
und den Antragsgegner erst nach Ablehnung dieses Antrages durch die Stadt
I. auf [X.] von Elternunterhalt in Anspruch genommen. Eine unterhaltsrechtliche Ver-pflichtung, von sich aus mit Rechtsbehelfen gegen die Versagung von
bedarfs-deckenden Grundsicherungsleistungen vorzugehen, kann
den Unterhaltsbe-rechtigten von vornherein nur beim Vorliegen
hinreichender
Erfolgsaussichten
treffen ([X.] FamRZ 2007, 1160, 1161). Solche bestanden
unter den hier obwaltenden Umständen
nicht.
Entgegen der Ansicht des [X.] hat die Antragstellerin wegen §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII keinen
Anspruch auf Leistungen der
Grund-sicherung im Alter, weil
eines ihrer unterhaltspflichtigen Kinder (der Bruder des Antragsgegners)
unstreitig über steuerrechtliche
Bruttoeinkünfte in Höhe von mehr als
150.000

.
a) Gemäß §
43 Abs.
3 Satz
1 SGB
XII bleiben Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er-werbsminderung gegenüber ihren Kindern und Eltern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne von §
16 SGB
IV unter einem Betrag von 100.000

liegt. Es wird nach §
43 Abs.
3 Satz
2 SGB
XII vermutet, dass das Einkommen der Unterhaltspflichtigen diese
Grenze nicht überschrei-tet. Zur Widerlegung dieser Vermutung kann der Träger der Grundsicherung von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen zulassen, §
43 Abs.
3 Satz
3 SGB
XII. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Erreichen der Einkommensgrenze von 100.000

vor, sind die Unterhaltspflichtigen
gegen-12
13
14
-
9
-

über dem
Träger der Grundsicherung verpflichtet, in einem für die Durchführung der Vorschriften über die Grundsicherung
erforderlichen Umfang über ihre [X.] Auskunft zu geben, was auch die Verpflichtung um-schließt, [X.] vorzulegen oder deren Vorlage zuzustimmen (§
43 Abs.
3 Satz
4 und 5 SGB
XII). Gemäß §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII haben [X.] keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen, wenn
die nach §
43 Abs.
3 Satz
2 SGB
XII
geltende Vermutung durch den Träger der Grundsicherung nach §
43 Abs.
3 Satz
4 und 5 SGB
XII widerlegt ist.
b) Unterschiedliche Auffassungen werden zu der Frage vertreten, ob Grundsicherungsleistungen
gemäß §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII auch dann ins-gesamt ausgeschlossen sind, wenn der Träger der Grundsicherung bei einer Mehrzahl von Kindern des Leistungsberechtigten nicht für alle Kinder den [X.] eines steuerrechtlichen Bruttoeinkommens in Höhe von 100.000

mehr führen kann.
Die Ansicht
des [X.], dass in solchen Fällen des Zusam-mentreffens von privilegierten und nicht privilegierten Kindern die Vorschrift des §
43 Abs.
3
Satz
6 SGB
XII nicht als vollständiger Ausschluss der Grundsiche-rung verstanden
werden könne, wird in Teilen des unterhaltsrechtlichen Schrift-tums geteilt. Weil
im Unterhaltsrecht keine gesamtschuldnerische Haftung [X.], sondern
jedes Kind nur mit einem individuell nach §
1606 Abs.
3 Satz
1 BGB bemessenen Haftungsanteil für den Unterhalt des Leistungsberechtigten einzustehen habe, greife die Grundsicherung in reduzierter Höhe weiter ein, soweit der Leistungsberechtigte seinen Bedarf nicht durch die haftungsanteili-gen Unterhaltszahlungen seiner nicht privilegierten Kinder decken könne (vgl. [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis 9.
Aufl. §
1 Rn.
707; BeckOGK/[X.] BGB [Stand: Oktober 2014] §
1602 Rn.
64; [X.] 2014, 222, 224
f.).
15
16
-
10
-

Demgegenüber geht
die wohl überwiegende
Ansicht davon aus, dass nach §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen
schon dann insgesamt ausgeschlossen ist,
wenn nur
eines der Kinder des [X.]n ein Einkommen erzielt, welches
die
Einkommensgrenze von 100.000

erreicht (vgl. [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der fami-liengerichtlichen Praxis 9.
Aufl. §
8 Rn.
160;
[X.]/[X.] Handbuch des [X.]srechts 12.
Aufl. Rn.
6049; [X.]
in [X.]/[X.]/[X.] Der Unterhaltsprozess 6.
Aufl. Kap.
2 Rn.
1266; [X.], 461, 463; [X.] FamRZ 2015, 330; [X.] juris-PR/[X.]/2014 Anm.
1; [X.] in
[X.]/[X.]/[X.] SGB
XII 18.
Aufl. §
43 Rn.
15; [X.] in [X.]/[X.], SGB
XII [Bearbeitungsstand:
2013] §
43 Rn.
57).

Die letztgenannte
Auffassung
ist

was auch die Rechtsbeschwerdeerwi-derung nicht anders sieht -
zutreffend.
aa)
Bereits die grammatikalische Auslegung steht
einem
anderen
Auslegungsergebnis
entgegen. Nach §
43 Abs.
3 Satz
1 SGB
XII bleiben [X.] der Leistungsberechtigten gegenüber ihren
Eltern und [X.] unberücksichtigt, sofern (und nicht "soweit") deren jährliches Gesamtein-kommen
unter einem Betrag von 100.000

liegt. Im Hinblick auf die Verwen-dung des Plurals (Kinder und Eltern) ist
die Vorschrift jedenfalls insoweit
ein-deutig, als die von ihr angeordnete
Rechtsfolge (Nichtberücksichtigung von [X.]n
des Leistungsberechtigten) bei einer Mehrzahl von unter-haltspflichtigen Kindern oder Elternteilen nur dann eintritt, wenn keines der
Kin-der oder Elternteile
des Leistungsberechtigten ein jährliches Gesamteinkom-men von 100.000

erzielt. Die darauf bezogene Vermutung des §
43 Abs.
3 Satz
2 SGB
XII, wonach das Einkommen "der Unterhaltspflichtigen"
die Einkommensgrenze von 100.000

teige,
ist begrifflich schon 17
18
19
-
11
-

dann widerlegt, wenn der Träger der Grundsicherung nachweisen kann, dass zumindest
eines von mehreren unterhaltspflichtigen Kindern
oder Elternteilen
über ein jährliches Gesamteinkommen in Höhe von mindestens 100.000

r-fügt. Nach §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII ist der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, wenn (und nicht "soweit") dem Träger der Grundsicherung dieser Nachweis gelingt.
[X.])
Der Senat vermag die vom Beschwerdegericht gegen dieses [X.] geltend gemachten systematischen und
teleologischen [X.] nicht zu teilen.
(1) §
43 Abs.
3 SGB
XII kommt allein in dem auf die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen
gerichteten Verwaltungsverfahren zur Anwendung. Systematisch regelt §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII somit auf [X.] des sozial-rechtlichen Leistungsrechts die Frage, ob der Leistungsberechtigte
Grundsiche-rung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des [X.] oder die ansonsten nachrangige Hilfe zum Lebens-unterhalt nach dessen
Dritten Kapitel erhalten kann.
Das Gesetz schließt einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen
aus und verweist den Anspruchsteller
auf die Hilfe zum Lebensunterhalt, wenn er wenigstens ein unterhaltspflichtiges Kind oder einen unterhaltspflichtigen Elternteil mit einem Einkommen in Höhe von 100.000

(2) Bei der Fassung des §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII hat sich
der Gesetz-geber erkennbar von der Vorstellung leiten lassen, dass der Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten in vollem Umfang vorrangig vor der Grundsicherung durch Verwandtenunterhalt sichergestellt werden kann, wenn (mindestens) ein Kind oder Elternteil vorhanden ist, das über ein besonders hohes Einkommen verfügt (vgl. [X.] in [X.]/[X.], SGB
XII [Bearbeitungsstand: 2013] §
43 Rn.
55).
20
21
22
-
12
-

Richtig
ist freilich, dass
dies
in mehrfacher Hinsicht im
Widerspruch
zu
den Wertungen des
materiellen
Unterhaltsrechts
steht
(vgl. dazu eingehend [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis 9.
Aufl. §
8 Rn.
160). Die
typisierende
Annahme, dass der Bedarf des [X.]n bei einem gewissen (steuerrechtlichen) Bruttoeinkommen eines unterhaltspflichtigen Kindes oder Elternteils in vollem Umfang durch des-sen Unterhaltszahlungen
gedeckt werden könne, kann sich bei unterhaltsrecht-licher Betrachtungsweise

insbesondere beim Bestehen hoher
Verbindlichkei-ten oder im Falle
vorrangiger Unterhaltspflichten aufseiten des Unterhaltspflich-tigen

im Einzelfall als nicht tragfähig erweisen. Zudem werden in vielen Fällen die nach §
43 Abs.
3 Satz
1 SGB
XII privilegierten Kinder oder Elternteile

wie im vorliegenden Fall der Antragsgegner

aus der Sicht des Unterhaltsrechts
in der Lage sein, mit ihrem unterhalb des Grenzbetrages
von 100.000

Bruttoeinkommen zum Unterhalt des Leistungsberechtigten beizutragen, so dass sich die zivilrechtliche Unterhaltspflicht des nicht privilegierten Kindes oder Elternteils bei einer Mehrzahl von leistungsfähigen Unterhaltspflichtigen der Höhe nach von vornherein auf einen nach §
1606 Abs.
3 Satz
1 BGB bemesse-nen Haftungsanteil am gesamten Bedarf des Leistungsberechtigten beschränkt.
(3) Diese Widersprüche lassen sich
allerdings aus der Binnenlogik der
für die
Bewilligung von Grundsicherungsleistungen maßgeblichen [X.] heraus erklären. In diesem Verwaltungsverfahren soll
bei
der
Prü-fung der Bewilligungsvoraussetzungen nur sehr behutsam in die informationel-len Selbstbestimmungsrechte des Leistungsberechtigten und seiner unterhalts-pflichtigen Eltern und Kinder eingegriffen werden, damit der Leistungsberechtig-te
nicht aus
Furcht vor umfassender
behördlicher
Ausforschung der wirtschaftli-chen Verhältnisse seiner unterhaltspflichtigen
Eltern und Kinder von der Bean-tragung
der Grundsicherung Abstand nimmt (vgl. [X.] in LPK-SGB
XII 9.
Aufl. §
43 Rn.
10).
Der Leistungsberechtigte ist deshalb

über allgemein ge-23
24
-
13
-

haltene Angaben hinaus

nicht verpflichtet, dem Grundsicherungsträger umfas-sende Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der unterhaltspflichti-gen Eltern und Kinder zu offenbaren. Der
in
§
43 Abs.
3 Satz
4 SGB
XII nor-mierte
Auskunftsanspruch des Grundsicherungsträgers
gegen die unterhalts-pflichtigen Kinder und Eltern richtet sich
in persönlicher
Hinsicht nur gegen die-jenigen Unterhaltspflichtigen, für
deren Person
der Grundsicherungsträger
be-reits hinreichende Anhaltspunkte für ein den Grenzbetrag von 100.000

errei-chendes
Einkommen darlegen kann
(vgl. [X.] in Oestreicher
SGB
II/SGB
XII [Stand: Oktober 2013] §
43 SGB
XII Rn.
14).
§
43 Abs.
3 Satz
4 SGB
XII verdrängt in seinem Anwendungsbereich den allgemeinen sozial-hilferechtlichen
Auskunftsanspruch aus §
117 SGB
XII ([X.] Urteil vom 29.
Juli 2014

L
8
SO
126/11

juris Rn.
15; [X.], 461, 463; [X.] FPR 2004, 534, 540). Gegenüber anderen Kindern und Elternteilen besteht daher sozialhilferechtlich kein Auskunftsanspruch, wenn es für diese Unterhaltspflichtigen keine Anhaltspunkte für ein Einkommen von 100.000

gibt. Inhaltlich ist
der Auskunftsanspruch nach §
43 Abs.
3 Satz
4 SGB
XII auf Angaben zum steuerlichen Bruttoeinkommen
des Unterhaltspflichtigen
beschränkt
([X.] in [X.]/[X.], SGB
XII [[X.]: 2013] §
43 Rn.
52; vgl. auch Senatsurteil [X.]Z 169, 59 =
[X.], 1511, 1515). Demgegenüber
kann (und soll) der Träger der Grundsiche-rung im Bewilligungsverfahren keine
weitergehenden Informationen
zu den sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen
des
Unterhaltspflichtigen erlangen, auch wenn diese

wie beispielsweise Angaben zu Wohnvorteilen
oder zum Einkommen des
Ehegatten des Unterhaltspflichtigen

für die Beurteilung seiner
unterhaltsrechtlichen
Leistungsfähigkeit unmittelbar von Bedeutung
sind.
(4) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII (bis zum 31.
Dezember 2012: §
43 Abs.
2 Satz
6 SGB
XII)
inhaltlich dem [X.] §
2 Abs.
3 Satz
1 GSiG
entspricht. Dessen
Regelungsgehalt ist im Jahre 25
-
14
-

2005 nach der Eingliederung
der [X.] Grundsicherung in das System der Sozialhilfe unverändert übernommen worden, was ebenfalls dafür spricht, dass der Gesetzgeber die bestehenden [X.] zum Unterhaltsrecht bewusst hingenommen hat.
[X.]) Bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage sieht sich der Senat im [X.] mit der Rechtsprechung des [X.].
Dessen Entscheidung vom 25.
April 2013 (BSG [X.], 385) stützt
die vom Beschwerdegericht vertretene Auslegung des §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII nicht.
Das [X.] hat im Rahmen der Auslegung von
§
43 Abs.
2
Satz
1 SGB
XII
aF (jetzt: §
43 Abs.
3 Satz
1 SGB
XII) zwar die Individualität der Unterhaltsansprüche betont und darauf hingewiesen, dass sich der [X.] (im dortigen Streitfall ein volljähriges be-hindertes Kind) zivilrechtlich nicht gegen seine Eltern zusammen, sondern

abhängig von der individuellen Leistungsfähigkeit

nur gegen den einzelnen Elternteil gesondert richten könne
(vgl. BSG [X.], 385 Rn.
22). [X.] stehen diese Äußerungen ausschließlich im Zusammenhang mit der Erörte-rung der in der sozialrechtlichen Literatur bis dahin streitig gewesenen Frage, ob die Einkünfte von Eltern

wegen der gemeinsamen steuerlichen Veranla-gung

in Ansehung des Grenzbetrages von 100.000

sein könnten. Dies hat das [X.] verneint, andererseits aber dem Wortlaut des §
43 Abs.
2
Satz
6 SGB
XII aF (jetzt: §
43 Abs.
3 Satz
6 SGB
XII) entsprechend darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Grundsicherungsleis-tungen dann ausscheidet, wenn "mindestens einer der beiden Elternteile (allein) ein Gesamteinkommen von 100.000
Euro jährlich hat"
(BSG [X.], 385 Rn.
19). Folgerichtig hat das [X.], das
die vorinstanzliche Ent-scheidung im Streitfall aufgehoben hat, in seinen Hinweisen zum weiteren Ver-fahren ausdrücklich ausgeführt, dass dann, wenn "das Einkommen eines der 26
27
-
15
-

über 100.000
Euro"
liegt, der Anspruch des Leistungsberechtigten auf Hilfe zum Lebensunterhalt zu prüfen sein wird (BSG [X.], 385 Rn.
25).

III.
Die angefochtene Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§
74 Abs.
2 FamFG). Die Antragstellerin ist nach [X.] (§
242 BGB) an der Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche gegen den [X.] gehindert.
1. Die Antragstellerin ist bezüglich der verfahrensgegenständlichen [X.] in materieller
Hinsicht
aktiv legitimiert.
Dies bedarf wegen
des Unterhaltszeitraums
seit Januar
2014, der
nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht liegt, keiner näheren Erörterung. Aber auch in Ansehung der im Zeitraum
von August 2011 bis Dezember 2013
durchgehend gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt ist die Antragstellerin Inhaberin des gegen den Antragsgegner gerichteten
Anspruchs
auf Elternunterhalt geblieben. Ihre Unterhaltsansprüche gegen den Antrags-gegner sind nicht
nach §
94 Abs.
1 Satz
1 SGB
XII auf die Stadt
I. übergegan-gen;
die
gleichwohl vorgenommene Rückabtretung geht ins Leere.
a) Der Ausschluss des [X.] ergibt sich allerdings nicht aus §
94 Abs.
1 Satz
3 Halbs.
2 SGB
XII.
Nach dieser Vorschrift ist der Über-gang bürgerlich-rechtlicher
Unterhaltsansprüche
eines Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des [X.] gegen dessen Eltern und Kinder ausgeschlossen. Die Frage, ob "[X.]"
im Sinne des §
94 Abs.
1 Satz
3 Halbs.
2 SGB
XII nur derjenige ist, der tatsächlich 28
29
30
31
-
16
-

Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel bezieht oder ob es im Falle des
Bezuges anderer Sozialhilfeleistungen

insbesondere von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel

ausreicht, dass tatsächlich
die [X.] für die Bewilligung von Grundsicherung erfüllt gewesen wären
(vgl. dazu [X.] Urteil vom 16.
Mai 2013

L
9
SO
212/12

juris Rn.
50; [X.] in [X.]/[X.], SGB
XII [Bearbeitungsstand: 2015] §
94 Rn.
146), braucht nicht erörtert zu werden, weil die Antragstellerin im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Bruders des Antragsgegners keinen [X.] auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel gehabt hätte.
b) Der [X.] ist allerdings nach §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2
SGB
XII wegen unbilliger Härte ausgeschlossen. Erhält der Unterhaltsberech-tigte nachrangige Hilfe zum Lebensunterhalt, stellt der gesetzliche Anspruchs-übergang für ein unterhaltspflichtiges Kind mit einem unter dem Grenzbetrag
des §
43 Abs.
3 Satz
1 SGB
XII liegenden Gesamteinkommen eine unbillige Härte dar, wenn und soweit das Kind
den unterhaltsberechtigten
Elternteil nur wegen des Vorhandenseins einkommensstärkerer Geschwister nicht auf die Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen
verweisen kann
(ebenso
[X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9.
Aufl. §
8 Rn.
160; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Der [X.]sprozess 6.
Aufl. Kap.
2 Rn.
1268; [X.] juris-PR/[X.]/2014 Anm.
1).
aa) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein [X.] nach §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 SGB
XII wegen unbilliger Härte ausgeschlossen ist, beurteilt
sich grundsätzlich nach öffentlich-rechtlichen Kriterien. Ent-scheidend
ist daher, ob aus Sicht des [X.] durch den Anspruchs-übergang [X.] Belange berührt werden, was notwendigerweise voraussetzt, dass der den Härtegrund rechtfertigende Lebenssachverhalt einen erkennbaren 32
33
-
17
-

Bezug
zum Sozialhilferecht oder zu einem sonstigen Handeln des Staates
und seiner Organe aufweist
(vgl. Senatsurteil vom 15.
September 2010

XII
ZR
148/09

FamRZ 2010, 1888 Rn.
45).
Die Härte kann in materieller oder immaterieller Hinsicht bestehen und entweder in der Person des Unterhaltspflichtigen oder in derjenigen des [X.] vorliegen. Bei der Auslegung der Härteklausel ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen, daneben sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe zu beachten. Eine unbillige Härte liegt danach insbesondere
vor, wenn und soweit der öffentlich-rechtliche Grundsatz der familiengerechten
Hilfe, nach dem unter anderem
auf die Belange und [X.] in der Familie Rücksicht zu nehmen ist, einer Heranziehung entgegen-steht
(Senatsurteil vom 15.
September 2010

XII
ZR
148/09
FamRZ 2010, 1888 Rn.
46 und Senatsbeschluss vom 17.
Juni 2015

XII
ZB
458/14

zur Ver-öffentlichung bestimmt).
Eine unbillige Härte kann ebenfalls
darin bestehen, dass ein Sozialhilfeträger einen übergegangenen Unterhaltsanspruch auch in-soweit geltend macht, als eine Sozialhilfebedürftigkeit hätte vermieden werden können und dies der Gesetzgebung oder einem sonstigen
Handeln des Staates und seiner Organe
zuzurechnen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17.
Juni 2015

XII
ZB
458/14

zur [X.] bestimmt). Im Gegensatz dazu genügt eine rein zivilrechtlich einzuordnende und keinen Bezug zum staatlichen Han-deln
aufweisende Störung familiärer Beziehungen grundsätzlich nicht, um eine
unbillige Härte im Sinne des §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 SGB
XII zu begründen und damit einen [X.] auf den Träger der Sozialhilfe [X.]
(Senatsurteil vom 15.
September 2010

XII
ZR
148/09

FamRZ 2010, 1888 Rn.
44).
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35
-
18
-

[X.])
Gemessen daran
ist der Übergang der gegen den Antragsgegner ge-richteten Unterhaltsansprüche der Antragstellerin auf den
Träger der Sozialhilfe ausgeschlossen.
Als Einzelkind könnte der unter der Einkommensgrenze von 100.000

liegende Antragsgegner vom Träger der Sozialhilfe nicht auf Unterhalt in [X.] genommen werden, weil er die Antragstellerin auf bedarfsdeckende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des [X.] verweisen und sich gegenüber dem Unterhaltsrückgriff des Sozialhilfeträgers auf das Privileg des §
94 Abs.
1 Satz
3, Halbs.
2
SGB
XII berufen könnte. Mit den Regelungen, welche die Bewilligung
von Grundsicherungsleistungen von den Einkommensverhältnissen unterhaltspflichtiger Kinder und Eltern abhängig machen, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass "hohe Einkommen nicht vom Unterhaltsrückgriff befreit
werden"
(vgl. Plenarprotokoll 14/168 S.
16430).
Hier
würde der Antragsgegner einem Unterhaltsrückgriff aber nicht wegen der Höhe seines
Einkommens, sondern allein deswegen ausgesetzt werden, weil er einen einkommensstärkeren Bruder hat. Dafür ist eine
sachliche Rechtfertigung nicht ersichtlich (vgl. [X.] in [X.]/[X.], SGB
XII [Bearbeitungsstand: 2013] §
43 Rn.
57).
Zudem wird
das
Phänomen
der verschämten Altersarmut, dem
durch die Einführung der Grundsicherung im Alter begegnet werden
sollte, nach der Vor-stellung des Gesetzgebers maßgeblich dadurch verursacht, dass ältere Men-schen aus Furcht vor einem Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder keine Sozialhilfe beantragen (vgl. BT-Drucks. 14/4595 S.
43). Gerade
aus Sicht des Sozialhilfe-rechts wäre es deshalb verfehlt, wenn die Antragstellerin befürchten müsste, dass selbst
ihre einkommensschwächeren Kinder bei einer Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe
mit einem Unterhaltsrückgriff durch den
Hilfeträger zu rechnen hätten.
36
37
-
19
-

[X.]) Freilich darf
die Anwendung der Härteklausel des §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 SGB
XII bei vergleichbaren
Sachverhaltskonstellationen nicht dazu füh-ren, dass der Unterhaltspflichtige
dadurch besser steht, als wenn der Unter-haltsberechtigte
tatsächlich bedarfsdeckende Grundsicherungsleistungen
be-ziehen würde.
Die
dem Unterhaltspflichtigen
nach §
94 Abs.
1 Satz
3, Halbs.
2
SGB
XII
zugutekommende Haftungsprivilegierung
gilt
nur für die Leistungen der Grund-sicherung nach dem Vierten Kapitel des [X.], dagegen nicht für die Sozialhilfeleistungen, die nach dem Dritten oder
Fünften bis [X.] Kapitel des [X.] für den grundsiche-rungsberechtigten Personenkreis ergänzend erbracht werden
(vgl. [X.]/[X.] [Stand: Februar 2015] §
94 Rn.
138). Übersteigt der gesamte Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten seinen
Grundsicherungsbedarf

was insbesondere bei stationärer Pflege sehr häufig
der Fall sein wird

geht der [X.]sanspruch des Berechtigten auch bei bewilligten Grundsicherungsleis-tungen bis zur Höhe der sonstigen Hilfen nach §
94 Abs.
1 Satz
1 SGB
XII auf den Sozialhilfeträger über
(vgl. [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9.
Aufl. §
8 Rn.
166).
Soweit aber der [X.] des Berechtigten von der (fiktiven) Bewilligung von Grundsicherungsleis-tungen ohnehin nicht gedeckt gewesen wäre, bedeutet der [X.] für das unterhaltspflichtige Kind nicht deshalb eine unbillige Härte
nach §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 SGB
XII, weil es den Unterhaltsberechtigten wegen des ho-hen Einkommens von
Geschwisterkindern
nicht auf die Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen verweisen kann.
Im vorliegenden Fall geht das
Be-schwerdegericht
ersichtlich davon aus, dass der gesamte Unterhaltsbedarf der im eigenen Haushalt lebenden Antragstellerin im Falle der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen gedeckt gewesen wäre. Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.
38
39
-
20
-

2. Der Antragsgegner kann dem Unterhaltsbegehren der Antragstellerin indessen den Einwand der
unzulässigen Rechtsausübung (§
242 BGB) entge-genhalten
(anders noch [X.] FamRZ 2002, 997,
1003; [X.], 461, 463).
a) Der allgemeine Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des [X.]es
(§§
27
ff. SGB
XII) nachrangig erbracht wird, gilt im Ausgangspunkt allerdings
auch in den Fällen, in denen ausnahmsweise der nach §
94 Abs.
1 Satz
1 SGB
XII vorgesehene Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Sozialhilfe ausge-schlossen ist.
§
2 Abs.
2 Satz
1 SGB
XII bestimmt, dass Verpflichtungen anderer, ins-besondere Unterhaltspflichtiger (oder der Träger anderer Sozialleistungen) nicht berührt werden. Damit ist klargestellt, dass der Träger der Sozialhilfe dem Zweck der Hilfe zum Lebensunterhalt entsprechend häufig zur Vorleistung ver-pflichtet ist, wenn ein im Sinne von §
2 Abs.
2 Satz
1 SGB
XII Unterhaltspflichti-ger
seiner Leistungspflicht nicht nachkommt. Die Gewährung der Hilfe zum Le-bensunterhalt hat aber generell keinen Einfluss auf den Inhalt und den Umfang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs und der Unterhaltsverpflichtung. Der in §
2 SGB
XII verankerte Grundsatz der Subsidiarität wird deshalb auch nicht davon berührt, ob und in welchem Umfang im Einzelfall ein Unterhaltsanspruch nach Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Sozialhilfeträger über-geht. Hilfe zum Lebensunterhalt kann demgemäß auch in den Fällen eines ausnahmsweise ausgeschlossenen [X.] grundsätzlich nicht als unterhaltsrechtlich bedarfsdeckende Leistung mit der Folge behandelt
wer-den, dass der Unterhaltsberechtigte zur Behebung seiner
Unterhaltsbedürftig-keit auf deren Inanspruchnahme verwiesen werden
könnte (vgl. Senatsurteile 40
41
42
-
21
-

vom 17.
März 1999

XII
ZR
139/97

FamRZ 1999, 843, 845
f. und vom 31.
Mai 2000

XII
ZR
119/98

FamRZ 2000, 1358, 1359, jeweils zu §
91 BSHG).

b) Allerdings kann dem
Unterhaltsbegehren des Unterhaltsberechtigten der auch im Unterhaltsrecht geltende Grundsatz von [X.] entge-genstehen, wenn ihm nachrangige Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, ohne dass es zu
einem Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfe-träger kommt.
aa) Dabei gibt es aber keine allgemeine, aus §
242 BGB herzuleitende Treuepflicht des Unterhaltsberechtigten dahingehend, von einer Geltendma-chung des [X.] gegen den Unterhaltspflichtigen abzusehen, wenn dieser Unterhaltsanspruch bei Gewährung nachrangiger Sozialhilfeleis-tungen aufgrund einer Ausnahmevorschrift abweichend von §
94 Abs.
1 Satz
1 SGB
XII nicht auf den Sozialhilfeträger übergeht. Denn dies würde bedeuten, die gesetzlich gewollte Subsidiarität der nachrangig gewährten
Sozialhilfe mit Hilfe zivilrechtlicher Generalklauseln außer [X.] zu setzen. Vielmehr bedarf es für die Heranziehung des §
242 BGB einer Abwägung der Interessen des [X.] und des Unterhaltsgläubigers im Einzelfall (vgl. Senatsurteile
vom 17.
März 1999

XII
ZR
139/97

FamRZ 1999, 843, 846
f.; vom 31.
Mai 2000

XII
ZR
119/98

FamRZ 2000, 1358, 1359 und vom 27.
September 2000

XII
ZR
174/98

FamRZ 2001, 619, 620).
[X.]) Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt hat es der Senat in den Fäl-len des §
94 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 SGB
XII (Ausschluss des [X.] bei drohender eigener Hilfebedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen
infolge Zu-rechnung fiktiver Einkünfte) nicht in Erwägung gezogen, dass der Berechtigte
vor der Inanspruchnahme des Pflichtigen zunächst Sozialhilfe beantragen 43
44
45
-
22
-

müsste, deren an sich nachrangige Leistungen dann im Falle ihrer Gewährung
eine

de facto

bedarfsdeckende Wirkung entfalten.
Ein Anwendungsbereich für §
242 BGB war für den Senat insoweit
nur für vergangene Unterhaltszeit-räume eröffnet, in denen der Unterhaltsberechtigte bereits nicht rückzahlbare Sozialhilfe vereinnahmt hat. Nur in diesen Fällen
hat es der Senat für möglich
gehalten, unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Rechtsgedanken der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung freiwilliger Leistungen Dritter eine (Teil-) Anrechnung der bereits gezahlten Sozialhilfe auf den Unterhaltsanspruch vor-zunehmen, wenn andernfalls die Gefahr für den Unterhaltspflichtigen
bestünde, mit derartig hohen Forderungen aus der Vergangenheit belastet zu werden, dass
es ihm voraussichtlich auf Dauer unmöglich gemacht würde, diese Schul-den zu tilgen und daneben noch seinen laufenden Verpflichtungen nachzu-kommen.
Für die Zukunft sollte sich demgegenüber der Subsidiaritätsgrundsatz uneingeschränkt durchsetzen, zumal die rechtliche Betrachtungsweise darauf abzustellen hat, dass
der Schuldner in der Zukunft seiner Unterhaltsverpflich-tung nachkommen und die Gewährung von Sozialhilfe an den Berechtigten [X.] insoweit entbehrlich machen werde
(Senatsurteile
vom 17.
März 1999

XII
ZR
139/97

FamRZ 1999, 843, 847 und vom 31.
Mai 2000

XII
ZR
119/98

FamRZ 2000, 1358, 1359, jeweils zu §
91 Abs.
2 Satz
1 BSHG).
In vergleichbarer
Weise werden generell auch andere Fälle des ausge-schlossenen [X.], z.B. nach §
94 Abs.
1 Satz
3, Halbs.
1, 2.
Alt. SGB
XII (Ausschluss des [X.] bei Unterhaltsansprüchen gegen Verwandte zweiten Grades) gelöst werden können.
[X.]) An den vorgenannten Grundsätzen hält der Senat fest. Im Streitfall liegen indessen besondere Umstände vor, welche es hier gebieten, über die dargestellten Grundsätze hinaus die
Möglichkeit einer Korrektur der gesetzli-chen Regelung gemäß §
242 BGB ausnahmsweise nicht nur auf die [X.]
-
23
-

rückstände zu beschränken, sondern auch auf den künftig fällig werdenden [X.] zu erstrecken.
(1) Zwar ist im vorliegenden Fall die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§
27
ff. SGB
XII unmittelbar dadurch veranlasst
worden, dass der Antragsgegner freiwillig keinen Elternunterhalt zahlt,
während die Antragstellerin bei Erfüllung der zivilrechtlichen Unterhaltspflichten nicht auf nachrangige Leistungen der Sozialhilfe angewiesen wäre. Diese Erkenntnis allein greift allerdings zu kurz. Denn dass die Antragstellerin zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen ist, be-ruht nicht allein auf den ausbleibenden Unterhaltszahlungen ihrer Söhne, son-dern auch darauf, dass sie keinen Zugang zu den gemäß §
19 Abs.
2 Satz
2 SGB
XII vorrangigen und unabhängig vom Bestehen von
Unterhaltsansprüchen bedarfsdeckend gezahlten Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapi-tel des [X.] hat. Der Antragsgegner kann die Antragstellerin nur deshalb nicht auf diese Grundsicherungsleistungen verwei-sen, weil er einen einkommensstärkeren Bruder hat, dessen Bruttoeinkünfte den Grenzbetrag nach §
43 Abs.
3 Satz
1 SGB
XII überschreiten. Darin liegt nicht nur aus dem Blickwinkel des [X.] eine systemwidrige Härte. Auch das Unterhaltsrecht kann sich insoweit der Beurteilung nicht verschließen, dass die Heranziehung des Antragsgegners zum Unterhalt unter den gegebe-nen Umständen eine besondere Belastung darstellt, weil der Bruder
des [X.]s aufgrund seines Einkommens die Antragstellerin von einer an-derweitigen Bedarfsdeckung durch Grundsicherungsleistungen ausschließt. Es ist der Antragstellerin daher im vorliegenden Fall nach [X.]

auch unter Berücksichtigung
des Gebots der familiären Rücksichtnahme (§
1618
a BGB)

zuzumuten, von einer Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner abzusehen.
47
-
24
-

(2) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil der [X.] auf die Inanspruchnahme des Antragsgegners zu einer höheren Belastung des Bruders des Antragsgegners führen würde. Die Unterhaltspflicht gegen den Bruder des Antragsgegners ist

was auch aus dem Rechtsgedanken des ge-störten Gesamtschuldnerausgleichs hergeleitet werden kann

in jedem Fall auf die sich aus dem Verhältnis der unterhaltsrelevanten Einkünfte beider Kinder ergebende anteilige Haftung (§
1606 Abs.
3 Satz
1 BGB) beschränkt ([X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9.
Aufl. §
1 Rn.
707; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9.
Aufl. §
8 Rn.
160).

Dose

[X.]

Schilling

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2013 -
10 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.12.2013 -
II-7 [X.] -

48

Meta

XII ZB 56/14

08.07.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2015, Az. XII ZB 56/14 (REWIS RS 2015, 8528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8528

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 56/14

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