Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2005, Az. KZR 2/04

Kartellsenat | REWIS RS 2005, 4869

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 22. Februar 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja
Sparberaterin II
GWB § 20 Abs. 2; UWG § 1 a.F. (UWG § 4 Nr. 7 n.F.)

Eine Werbeagentur, die eine auf Kosteneinsparung bei der [X.] gerichtete Beratung anbietet, setzt die Kundenberater der [X.] nicht in unlauterer Weise herab, wenn sie in ihrer Werbung Kunden [X.], die "sich schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen". Ein [X.], von dem die Werbeagentur i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB ab-hängig ist, darf die Annahme von Insertionsaufträgen dieser Werbeagentur [X.] nicht unter Hinweis auf eine pauschale Herabsetzung seiner Kundenberater verweigern.

[X.], Urteil vom 22. Februar 2005 - [X.] - OLG [X.]

LG [X.]

- 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 22. Februar 2005 durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. [X.] und [X.] Dr. Goette, Prof. [X.], Dr. Raum und Prof. Dr. Meier- [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 18. Dezember 2003 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die [X.], ein Telefonbuchverlag, gibt zusammen mit der [X.] GmbH Telefonverzeichnisse heraus, wozu "Das Telefonbuch", das den Regionalbereich abdeckende "Das Örtliche", sowie das nach Branchen gegliederte Verzeichnis "Gelbe Seiten" zählen. Die Telefonbücher enthalten neben den kostenfreien Standardeinträgen vergütungspflichtige Anzeigen. [X.] wirbt die [X.] überwiegend durch ihr eigenes Handelsvertreternetz ein. Ein Teil der Anzeigen wird aber auch durch Werbeagenturen vermittelt, die [X.] Aufträge im eigenen Namen an die [X.] erteilen. Hierfür erhalten die Werbeagenturen eine Provision, die aus dem höheren [X.] finanziert wird, den die über eine Agentur vermittelten Werbekunden bezahlen müssen. Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die sich auf die Betreuung von [X.] spezialisiert hat. Zwischen den Parteien kam es zu gerichtlichen - 3 - Auseinandersetzungen, nachdem sich die Klägerin von ihren Kunden Vollmach-ten des Inhalts hatte unterschreiben lassen, daß diese keine Besuche mehr von Vertretern der Telefonbuchverlage wünschten. Die [X.] lehnte daraufhin die Annahme von [X.] der Klägerin ab. Die Klägerin erstrebte im Wege der einstweiligen Verfügung, daß die [X.] die von ihr akquirierten Anzeigen bearbeitet. Im Berufungsverfahren kam es vor dem Oberlandesge-richt zum Abschluß eines Vergleichs, der folgenden Wortlaut hatte: "Die Verfügungsbeklagte erklärt, daß die Sperre für die Annahme von [X.]n für "amtliche" und örtliche Telefonbücher ab [X.] aufgehoben worden ist. Ferner verpflichtet sich die Verfügungsbeklagte, bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe von 20.000 DM, es zu unterlassen, eine erneute Sperre einzurichten ..." In der Folgezeit warb die Klägerin im [X.] mit dem Text: "Beratung zur Kostenoptimierung von Telefonbucheinträgen. Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich von den Telefonbuchvertretern schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen. Aber auch Kunden, welche relativ hohe Insertionskosten aufwenden, können ihre Ausgaben bei uns auf den Prüfstand stellen –" Nach einer Abmahnung durch die [X.] änderte die Klägerin den Text wie folgt ab: "Beratung zur Kostenoptimierung von Telefonbucheinträgen. Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich bisher schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen ..." - 4 - Unter Berufung auf die ihrer Meinung nach wettbewerbswidrige Werbung der Klägerin sprach die [X.] die Kündigung des im Vergleich enthaltenen Unterwerfungsvertrags aus wichtigem Grund aus. In der Folgezeit weigerte sich die [X.], von der Klägerin akquirierte Anzeigenaufträge für die [X.] und die [X.] zu bearbeiten. Die Klägerin sieht wegen der [X.] die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Vertragsstrafe als verwirkt an. Sie macht die [X.] in Höhe von 10.225,83 • abzüglich einer der [X.] unstreitig zustehen-den Forderung von 3.951,89 •, mithin also 6.273,94 •, mit ihrer Klage geltend und begehrt zudem die Feststellung, daß die Kündigung des gerichtlichen Ver-gleichs durch die [X.] unwirksam sei. Das [X.] hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die [X.] mit ihrer vom Be-rufungsgericht zugelassenen Revision. Entscheidungsgründe: Die Revision der [X.] ist unbegründet. [X.] Das Berufungsgericht hat die im Vergleich vereinbarte Unterlassungs-verpflichtung als weiterhin wirksam angesehen. Ein Kündigungsrecht der [X.] habe nicht bestanden. Die von der [X.] beanstandete [X.] sei nicht pauschal herabsetzend und damit auch nicht unlauter. Im übrigen stelle die Erklärung eine einmalige Fehlleistung dar, weil sich die Klägerin in einem anderen Verfahren zur Unterlassung entsprechender Äußerungen ver-pflichtet habe. Das Marktverhalten der Klägerin rechtfertige gleichfalls keine Kündigung der im Vergleich enthaltenen Unterwerfungserklärung. Als markt-mächtiger Telefonbuchverlag, dessen Telefonbücher durch andere Werbemittel - 5 - nicht ersetzt werden könnten, dürfe die [X.] nicht die Geschäftsbeziehun-gen zu Werbeagenturen aufgrund deren Beratungsleistungen abbrechen, selbst wenn diese Umsatzminderungen bei der [X.] bewirkten. Ob die Bonität der Klägerin zweifelhaft sei, läßt das Berufungsgericht dahinstehen, weil sich die [X.] jedenfalls durch die Vereinbarung von Vorkasse ausreichend absi-chern könne. I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. 1. Das Berufungsgericht hat den gerichtlichen Vergleich zu Recht als wirksam behandelt. Er ist als Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinreichend bestimmt, weil er für das hierzu berufene [X.] aus sich heraus verständlich ist (vgl. [X.], Urt. v. 31.3.1993 - XII ZR 234/91, NJW 1993, 1995, 1996). Die in dem Vergleich verwandte Formulierung ist eindeutig und auch vollstreckungsfähig. Der von der Revisionsbegründung als unbe-stimmt bezeichnete Begriff der Aufhebung der "Sperre" kann im Rahmen des Vergleichs nur in dem Sinne verstanden werden, daß die [X.] von der Klä-gerin akquirierte Inserate nicht allein deshalb ablehnen darf, weil sie von der Klägerin eingeworben wurden. Vielmehr muß die [X.] diese Inserate zu den allgemeinen Bedingungen bearbeiten, die sie auch anderen Werbeagentu-ren gewährt. Insoweit bedeutet "Sperre" die Verweigerung des typischen Ge-schäftskontakts zwischen einer Werbeagentur und einem Telefonbuchverlag, der darin besteht, daß die von der Werbeagentur akquirierten Inserate in den Telefonbüchern geschaltet werden. Die Annahme der von der Klägerin einge-worbenen Inserate hat die [X.] vor dem [X.] abgelehnt. Durch den Vergleich sollte diese Verweigerung der Zusammenarbeit beseitigt werden. Das von der [X.] verlangte zukünftige Verhalten ist deshalb zwei-felsfrei gekennzeichnet. - 6 - Entgegen der Auffassung der Revision kommt dem Begriff der "Sperre" nicht der Sinngehalt zu, daß die Annahmeverweigerung bereits für eine gewisse Dauer bestanden haben muß. Vielmehr erfaßt der Vergleich - wovon das [X.] rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - schon den ersten Verstoß gegen die dort begründete Verpflichtung der [X.]. Die Ablehnung der Annahme der von der Klägerin eingeworbenen Anzeigen ihrer Kunden [X.] und [X.] stellt deshalb eine Zuwiderhand- lung der [X.] im Sinne des Vergleichs dar. 2. Die im Vergleich enthaltene vertragsstrafenbewehrte Verpflichtung der [X.], [X.] der Klägerin zu bearbeiten, ist auch nicht durch eine wirksame Kündigung der [X.] erloschen. Zwar können solche in die Zukunft gerichteten Unterlassungsverpflichtungen von dem Schuldner bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden ([X.] 133, 316, 320 - Altunterwerfung I, m.w.N.). Ein solcher Grund, der für die [X.] ein Fest-halten an der Vereinbarung unzumutbar machen würde, ist hier jedoch nicht ersichtlich. a) Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht davon aus, daß die von der Klägerin im [X.] verwandten Werbetexte nicht gegen § 1 UWG a.F. verstießen. Entgegen der Auffassung der Revision stellt der ersichtlich auf das Akquisitionsverhalten der Telefonbuchverlage bezogene Werbetext, wonach die Klägerin ihre Dienstleistung allen Anzeigenkunden anbietet, "welche sich schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen", lauterkeitsrechtlich keine Mit-bewerber herabsetzende Werbung dar (jetzt § 4 Nr. 7 UWG - vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.], UWG, 23. Aufl. § 4 Rdn. 7.13). Ob in einer [X.] eine Herabsetzung von Mitbewerbern zu sehen ist, bestimmt sich auf-grund einer Gesamtwürdigung, bei der die Umstände des Einzelfalls, insbeson-dere Inhalt und Form der Äußerung, ihr Anlaß und der gesamte [X.] 7 - menhang sowie die Verständnismöglichkeit der angesprochenen [X.], zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Werbung an (vgl. [X.], Urt. v. 25.4.2002 - I ZR 272/99, [X.], 982, 984 - DIE "[X.]" IST VORBEI!). Für einen verständigen Adressaten dieser Werbung wird deutlich, daß die Klägerin mit dieser Aussage den strukturellen Unterschied zwischen ihrer Beratung und derjenigen der Handelsvertreter der [X.] hervorheben will. Ein solcher Hinweis auf die unterschiedliche Zielrichtung der Beratung stellt ebensowenig eine Herabsetzung der [X.] dar, wie die darin liegende An-spielung auf die tatsächlich bestehende Interessenverflechtung zwischen der [X.] und ihren Handelsvertretern. Jeder verständige Adressat dieser Werbung wird davon ausgehen, daß die Handelsvertreter der [X.] - auch in Verfolgung ihrer eigenen legitimen Provisionsinteressen - die Einwerbung möglichst gewinnbringender Anzeigen anstreben. Als Kernpunkt ihrer Werbung wird deshalb auch nicht eine negative Aussage über das Vertriebssystem der [X.] angesehen werden. Entscheidend ist vielmehr der auf die Klägerin selbst hinweisende Teil ihrer Werbetexte. Darin empfiehlt sie sich dem Publi-kum in Fragen der Telefonbuchwerbung als kompetent und als dem Interesse ihrer Kunden verpflichtete Beraterin. Da die Werbung der Klägerin auch in der Form nicht unangemessen war, ist sie nicht wettbewerbsrechtlich unzulässig und vermag schon deshalb keinen wichtigen Grund für die Kündigung der [X.] aus dem gerichtlichen Vergleich zu begründen. b) Entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung rechtfertigt das Marktverhalten der Klägerin gleichfalls keine Kündigung. Ersichtlich meint die Revisionsbegründung damit die Tätigkeit der Klägerin als sogenannte Sparbe-raterin, die bei der [X.] zu Umsatzeinbußen führt. Der [X.] kann dabei - 8 - dahinstehen lassen, ob dieser den Parteien damals schon bekannte Aspekt nicht in die vergleichsweise Regelung bereits einbezogen war. Jedenfalls [X.] die Tätigkeit der Klägerin kein Kündigungsrecht der [X.]. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, daß die [X.] marktmäch-tig ist, weil es zu den von ihr verlegten Telefonbüchern keine gleichwertige Alternative gibt, um Adressen und Telefonnummern festzustellen. Für [X.] ist deshalb auch die Möglichkeit, in den Telefonbüchern der [X.] Anzeigen schalten zu können, von ganz entscheidender Bedeutung. Inso-weit ist die Klägerin von der [X.] abhängig im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB. Potentielle Kunden werden die Klägerin nur dann beauftragen, wenn die Klägerin auch die Schaltung von Anzeigen in den von der [X.] herausge-gebenen Telefonbüchern bewirken kann. Damit ist die [X.] jedenfalls Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB ([X.], Urt. v. 13.7.2004 - [X.], [X.]/[X.] 1377, 1378 - Sparberaterin). Ein Telefonbuchverlag darf als Normadressat des § 20 Abs. 2 GWB eine Sparberatung durchführende Werbe-agentur im Verhältnis zu anderen Werbeagenturen nicht ungleich behandeln. Der Umstand, daß die Klägerin im Interesse der Werbetreibenden, die sie [X.] haben, möglichst kostengünstige Anzeigen zusammenstellt, rechtfertigt keine Ungleichbehandlung, die in der Ablehnung der von der Klägerin nach ihrem Sparberatungskonzept eingeworbenen Inserate liegt. Die [X.] als Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB darf ihre Gewinninteressen nicht [X.] durchsetzen, daß sie die von ihr abhängigen Werbeagenturen zu einer Verletzung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber deren eigenen Kun-den veranlaßt ([X.] [X.]/[X.] 1377, 1379 f. - Sparberaterin). c) Zu Recht hat das Berufungsgericht offengelassen, ob die Klägerin sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet oder ihre Bonität zweifelhaft ist. Der [X.] ist es als Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB zuzumuten, sich ge-gen entsprechende Risiken dadurch zu schützen, daß sie Vorkasse verlangt. - 9 - Ein wichtiger Grund für eine Kündigung der [X.] durch die [X.] ist in der möglicherweise angespannten finanziellen Situation der Klägerin jedenfalls nicht zu sehen. [X.] [X.]
Raum Meier-[X.]

Meta

KZR 2/04

22.02.2005

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2005, Az. KZR 2/04 (REWIS RS 2005, 4869)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4869

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