Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2012, Az. KZR 65/10

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 9614

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF

IM NAM[X.]N D[X.]S VOLK[X.]S

URT[X.]IL
KZR
65/10
Verkündet am:
31. Januar 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 8.
November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richter [X.], Dr.
[X.], Dr.
Bacher und Dr.
Löffler

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.], 3.
Zivilsenat, vom 6.
Mai 2010 auf-gehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und [X.]ntscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die insbesondere auch in Telefonbü-chern und Branchenverzeichnissen Werbetexte platziert. Die [X.] verlegt Telefonbücher ("Das Örtliche", "Das Telefonbuch") und Branchenverzeichnisse ("Gelbe Seiten") für den norddeutschen Raum. Die Werbekunden können ihre Werbeanzeigen direkt bei der [X.] oder über deren Handelsvertreter schalten. Außerdem konnten die Werbeanzeigen traditionell auch über externe Werbeagenturen in Auftrag gegeben werden.
1
-
3
-

Im Jahr 2003 begann die [X.] mit der Umstellung ihres [X.], weil sie Werbeanzeigen nur noch direkt oder durch ihre Handelsvertreter akquirieren wollte. [X.]s wurden aber weiterhin auch von bestimmten Werbeagen-turen, zu denen die Klägerin gehörte, Anzeigenaufträge angenommen. Die [X.] überließ ihren Handelsvertretern nunmehr allerdings [X.] ("Grundpreislisten") deutlich früher als der Klägerin die für sie bestimmten "[X.]n". Auch die Werbeagentur T.

, die zum Unternehmens-
verbund der [X.] gehört, konnte Anzeigenaufträge für mindestens einen Anzeigenkunden schon vermitteln, bevor die Klägerin die entsprechende Preis-liste erhalten hatte. Mit Schreiben vom 16.
September 2005 führte die [X.] gegenüber der Klägerin aus, dass sie nur noch ausnahmsweise und nur im Rahmen einer Übergangsfrist mit Werbeagenturen zusammenarbeite. Daher werde auch die inhaltliche Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen "im Sinne einer Nichtmehrzusammenarbeit"
heruntergefahren. Unter dem 27.
März 2007 teilte der [X.] der [X.] der Klägerin mit, dass sie keinen Anspruch darauf habe, "bezüglich des Zeitpunktes der Herausgabe der [X.]"; die [X.] bitte darum, "von [X.], die früher als zwei Monate

in [X.]: drei Monate

vor dem Anzeigen-annahmeschluss des jeweiligen Telefonbuchs versandt werden".

Die Klägerin sieht in der späteren Übermittlung der Anzeigenpreise einen [X.]nachteil bei der [X.]. Sie möchte erreichen, dass ihr die [X.]n unverzüglich zur Verfügung gestellt werden, nachdem die [X.] mit dem Anzeigenvertrieb für die jeweilige Telefonbuchauflage be-gonnen hat. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. [X.] (OLG [X.], [X.] 2011, 148) hat die [X.] nach Maßgabe der von der Klägerin in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge dazu verurteilt,

2
3
-
4
-
der Klägerin die [X.]n für jedes der von ihr verlegten Tele-fon-
und Branchenbücher auszuhändigen, nachdem sie die [X.] hierzu für die Bücher einer jeden Auflage (nach [X.]rscheinen der Vorauf-lage) aufgefordert hat und nachdem die [X.] mit dem Vertrieb von Anzeigen zum Abdruck in dem jeweiligen von ihr verlegten Telefon-
und Branchenbuch
begonnen hat, und zwar entweder durch

a)
Direktvertrieb oder
b)
Vertrieb durch ihre Handelsvertreter oder
c)
Vertrieb durch die Werbeagentur T.

;

werden von einer [X.] mehrere Telefon-
und Branchenbü-cher erfasst, so ist auf den [X.] ... für das erste Verzeichnis aus der gemeinsamen [X.] abzustellen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die [X.] weiterhin die Abweisung der Klage.

[X.]ntscheidungsgründe:

[X.] [X.] hat zur Begründung seiner [X.]ntscheidung ausge-führt:

Die [X.] sei auf dem jeweiligen Markt für Werbeanzeigen in örtlichen Telefon-
und Branchenverzeichnissen marktbeherrschend und deshalb Norm-adressatin des §
20 Abs.
1 [X.]. Die Werbeagentur T.

, die mit der Beklag-
ten eine unternehmerische [X.]inheit bilde, und die Handelsvertreter der [X.]n seien zwar mit der Klägerin nicht gleichartig. Gleichartige Unternehmen [X.] jedoch die Anzeigenkunden, die von der Werbeagentur T.

oder den
Handelsvertretern akquiriert würden oder Anzeigen direkt bei der [X.] schalteten. Gegenüber diesen Kunden behindere die Klägerin die [X.] un-billig, indem sie ihr wesentliche Preisinformationen deutlich später zur Verfü-gung stelle. Zwar sei auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht grund-4
5
6
-
5
-
sätzlich gehindert, sein Absatzsystem so zu gestalten, wie es dies für wirt-schaftlich richtig und sinnvoll halte. [X.]ine Umstellung des Vertriebssystems, die zum Abbruch der bestehenden Lieferbeziehungen mit einer Gruppe von [X.] führe, könne jedoch unbillig sein, wenn den bisher belieferten [X.] keine angemessene Umstellungsfrist eingeräumt werde. [X.]ine entsprechende Umstellungsfrist für die Klägerin habe die [X.] nicht in Gang gesetzt. [X.] sei es einem Normadressaten verwehrt, die Lieferbeziehungen zu einer Nachfragergruppe schon während der Umstellungsfrist auf eine Weise zu redu-zieren, die nicht den Anforderungen an ein behinderung und diskriminierungs-freies Vertriebssystem Rechnung trage.

Darüber hinaus
behandele die Klägerin die [X.] gemäß §
20 Abs.
1 2.
Altern. [X.] durch spätere Übermittlung von Preisinformationen gegenüber denjenigen Kunden ungleich, die ihre Anzeigen direkt bei der [X.] schal-teten oder ihr über Handelsvertreter oder die Werbeagentur T.

vermittelt
würden. Zwar übermittelte die
[X.]
diesen Kunden
überhaupt keine Preis-listen. Sie erhielten jedoch die für sie jeweils relevanten Preisinformationen, sobald die [X.] den Direktvertrieb aufnehme. Für die Klägerin seien hinge-gen nicht nur einzelne, sondern die Preise aller verfügbaren Leistungen, mithin die [X.]n, relevant, da ihre Kunden potentielle Abnehmer jeder An-zeigenart und -größe seien; diese für sie entscheidenden Preisinformationen erhalte die Klägerin
ohne sachlichen Grund später als die übrigen [X.].

I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.] führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. [X.]in Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des §
20 Abs.
1 2.
Altern. [X.] liegt nicht vor. Auch eine unbillige Behinderung (§
20 Abs.
1 1.
Altern. [X.]) kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht bejaht werden. Nach den bisherigen Feststellungen kann jedoch 7
8
-
6
-
nicht ausgeschlossen werden, dass auf der Grundlage der gebotenen umfas-senden Interessenabwägung eine unbillige Behinderung mit anderer [X.] anzunehmen
i[X.]

1. [X.] hat die [X.] im Hinblick auf ihre [X.] Stellung auf dem jeweiligen Markt für Werbeanzeigen in örtlichen Telefon-
und Branchenverzeichnissen als Normadressatin des §
20 Abs.
1 [X.] angesehen. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. das zwischen den Parteien ergangene Urteil des Senats vom 24.
September
2002

KZR
38/99, [X.]/[X.] 1051, 1052
Vorleistungspflicht) und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

2. Maßgeblicher Geschäftsverkehr ist die Vermittlung von Werbeanzei-gen für die Telefonbücher der [X.]. Dieser Geschäftsverkehr ist mit der Klägerin gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich, da die [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach wie vor Anzeigenaufträge auch noch von anderen, mit ihr nicht verbundenen Werbeagenturen annimmt.

3. [X.]ntgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird die Klägerin gegen-über gleichartigen Unternehmen aber nicht unterschiedlich behandelt.

a) An das [X.]rfordernis der Gleichartigkeit dürfen zwar keine zu hohen An-forderungen gestellt werden. [X.]s ist erfüllt, wenn die zum Vergleich herangezo-genen Unternehmen im Verhältnis zum Normadressaten oder zu Unternehmen auf der [X.], die dem Normadressaten vergleichbar sind, im [X.] die gleichen Aufgaben erfüllen (vgl. [X.], Urteil vom 4.
November 2003
KZR
2/02, [X.]/[X.] 1203, 1204
Depotkosmetik im [X.]; [X.], [X.]/[X.] 1051, 1053
Vorleistungspflicht, [X.] Rspr.).
9
10
11
12
-
7
-

b) Auch bei Anwendung dieses großzügigen Maßstabs sind aber, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, weder die Werbeagentur T.

noch die für die [X.] tätigen Handelsvertreter mit der Klägerin gleich-
artig.

aa) Die Werbeagentur T.

ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin
und bildet mit dieser eine wirtschaftliche [X.]inheit. Sie kann deshalb gegenüber der Klägerin nicht als gleichartiges Unternehmen angesehen werden (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Februar 1987
KZR
6/86, [X.]/[X.] [X.] 2360, 2365
Freund-schaftswerbung; Urteil vom 24.
September 2002
KZR
4/01, [X.]/[X.] 1003, 1004
Kommunaler Schilderprägebetrieb; Urteil
vom 24.
Oktober 2011

KZR
7/10, [X.]/[X.] 3446

Grossistenkündigung).

bb) Auch die für die [X.] tätigen Handelsvertreter, die im Namen und auf Rechnung der [X.] Anzeigenaufträge vermitteln, sind nicht mit der Klägerin gleichartig, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung [X.] für ihre Kunden schaltet. Im Hinblick auf die von ihnen vermittelten Geschäfte sind (typische) Handelsvertreter ein in die Betriebsorganisation ihres Prinzipals eingegliedertes Hilfsorgan. Sie bilden insoweit mit
ihm eine wirt-schaftliche [X.]inheit (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Dezember 2006

C
217/05, [X.]. 2006, 987 Rn.
40
ff. =
[X.]/[X.] [X.]uR 1215
Cepsa; [X.], Urteil vom 15.
September 2005
T
325/01, [X.]. 2005, II19 Rn.
85
f. =
[X.]/[X.] [X.]uR 933

[X.]; [X.] in [X.], Handbuch des Kartellrechts, 2.
Aufl., §
10 Rn.
13). Da alle Risiken aus dem vermittelten [X.] den Geschäftsherrn treffen, entspricht der Vertrieb über Handelsvertreter wirtschaft-lich und funktional dem Direktvertrieb über Tochtergesellschaften.

13
14
15
-
8
-
c) [X.] hat die Klägerin jedoch als gleichartig mit den Kunden angesehen, die von der Werbeagentur T.

oder den Handelsvertre-
tern der [X.] akquiriert werden oder die direkt bei der [X.] Anzeigen schalten. Die Klägerin werde ungerechtfertigt ungleich behandelt, indem diesen Kunden die für sie relevanten Preisinformationen früher als der Klägerin zur Verfügung gestellt würden und sie deshalb auch früher als die Klägerin [X.] schalten könnten. Dieser
Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.

Die Klägerin begehrt eine frühere Aushändigung der [X.]n nicht als Vertragspartner der [X.] für Werbeanzeigen, sondern um ihr als Absatzmittler Anzeigenaufträge zu vermitteln. Die Klägerin hat sich der [X.]n gegenüber also nicht als Anzeigenkunde auf [X.] des [X.]ndkunden be-geben, sondern tritt ihr in ihrer [X.]igenschaft als Werbeagentur gegenüber. Inso-weit befindet sich die Klägerin auf derselben Handelsstufe wie die anderen Ab-satzmittler
der [X.], so dass diese
und nicht die [X.]ndkunden der [X.]n

die relevante Bezugsgruppe bei der Prüfung des [X.] bilden (vgl. [X.], [X.]/[X.] 1051, 1052
Vorleistungspflicht). Für diese Bezugsgruppe gilt indessen, dass die anderen Absatzmittler entweder als zu vergleichende Unternehmen nicht in Betracht kommen, weil sie mit der [X.]n wie ausgeführt eine wirtschaftliche [X.]inheit bilden, oder
wie die übrigen Werbeagenturen

nicht besser behandelt werden als die Klägerin.

d) Dass die Klägerin, wenn sie wie ein unmittelbarer Anzeigenkunde der [X.]
eine konkrete Werbeanzeige
für einen Kunden
bei der [X.] schalten will, keine Preisauskunft erhält, hat das Berufungsgericht nicht [X.], und von der [X.] wird auch kein diesbezüglicher Vortrag als übergangen gerügt. Soweit das Berufungsgericht auf unterschiedliche Zeit-punkte abstellt, zu denen die Klägerin und Anzeigenendkunden die "für sie rele-vanten Preisinformationen"
erhielten, vergleicht es die insoweit in der Funktion des Absatzmittlers tätige
Klägerin mit den Anzeigenkunden der [X.], die 16
17
18
-
9
-
dieser gegenüber eine andere wirtschaftliche Funktion ausüben. Damit kann keine Ungleichbehandlung im Sinne des §
20 Abs.
1 [X.] begründet werden.

4. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage auch nicht auf eine unbillige Behinderung (§
20 Abs.
1 1.
Altern. [X.]) gestützt werden.

a) Die Klägerin wird zwar dadurch im Wettbewerb behindert, dass die [X.] ihr die [X.]n erst deutlich später zur Verfügung stellt, als der Werbeagentur T.

und ihren Handelsvertretern die für diese relevanten
Preisinformationen.

b) Diese Behinderung ist aber entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts nicht schon deshalb unbillig, weil die [X.] mit dieser Praxis begonnen hat, ohne der Klägerin eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen.

aa) Allerdings kann es, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, grundsätzlich eine unbillige Behinderung im Sinne des §
20 Abs.
1 [X.] darstellen, wenn ein Normadressat dazu übergeht, seine Waren oder Dienst-leistungen ausschließlich im Direktvertrieb abzusetzen, ohne den bisher für ihn tätigen unabhängigen [X.] eine angemessene Umstellungsfrist zu gewähren (vgl. [X.], [X.]/[X.] [X.] 2360, 2366
Freundschaftswerbung; [X.], Urteil vom 21.
Februar 1995
KZR
33/93, [X.]/[X.] [X.] 2983, 2988

Kfz-Ver-tragshändler). Auch in einem Fall, in dem ein Normadressat die Bezugskonditi-onen für einen Händler von Presseerzeugnissen auf S-
und U-Bahnhöfen deut-lich verschlechtert hatte, ohne dies im gesamten Bahnhofsbuchhandel zu tun, ist vom Senat eine Umstellungsfrist für erforderlich gehalten worden (vgl.
[X.], [X.]/[X.] [X.] D[X.]-R 134, 138

Bahnhofsbuchhandel, zum Übergang von Direkt-belieferung auf
Bezug beim Großhandel).

19
20
21
22
-
10
-
bb)
Im Streitfall ist jedoch bereits fraglich, ob der Klägerin nach diesen Grundsätzen eine Umstellungsfrist vor Änderung der Übersendungspraxis für die [X.]n einzuräumen war. Feststellungen zu einer Abhängigkeit der Klägerin von der [X.] für die [X.] hat das Berufungsge-richt nicht getroffen. In den letzten Jahren betrug das Umsatzvolumen der Klä-gerin mit Anzeigen bei der [X.] 11.800

, mit dem ein [X.]rlös in Höhe von 1.770

erzielt wurde. Außerdem hat die [X.] die Geschäftsverbindung mit der Klägerin bisher nicht vollständig abgebrochen, sondern nur ihre [X.] verschlechtert.

cc) Jedenfalls war aber eine etwa erforderliche Umstellungsfrist schon vor dem

für die Begründetheit des von der Klägerin allein geltend gemachten, in die Zukunft gerichteten Leistungsanspruchs maßgeblichen

Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz am 18.
Februar 2010 abgelaufen.

Bereits mit Schreiben vom 16.
September 2005
hatte die [X.] der Klägerin mitgeteilt, nur noch im Rahmen einer Übergangsfrist mit [X.] zusammenzuarbeiten und daher die inhaltliche Ausgestaltung der Ge-schäftsbeziehungen "im Sinne einer Nichtmehrzusammenarbeit"
herunterzufah-ren. Zwar war in diesem Schreiben kein [X.]nde der Übergangsfrist genannt. Der Klägerin musste aber klar sein, dass die [X.] die bisherige Zusammenar-beit nur noch für begrenzte Zeit fortsetzen werde. Unter dem 27.
März 2007 ließ die [X.] der Klägerin mitteilen, dass sie keinen Anspruch darauf habe, "[X.] Kunden gleichbehandelt zu werden",
und darum bitte, "von [X.] abzusehen, die früher als zwei Monate
in
Ham-burg: drei Monate

vor dem Anzeigenannahmeschluss des jeweiligen Telefon-buchs versandt werden". Damit hatte die [X.] eindeutig erklärt, die von ihr bereits zuvor begonnene und von der Klägerin beanstandete Praxis der späte-23
24
25
-
11
-
ren Versendung der [X.]n dauerhaft beizubehalten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann insoweit auch die
etwa erforderliche

Übergangsfrist zu laufen.

Bis zur mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht am 18.
Fe-bruar 2010, also fast drei Jahre später, war sie dann jedenfalls lange abgelau-fen. Der Senat hat bei [X.], die ausschließlich an ei-nen Automobilhersteller gebunden sind, eine Frist von zwölf
Monaten für die vollständige [X.]instellung der Geschäftsverbindung als ausreichend
angesehen ([X.], Urteil vom 21.
Februar 1995
KZR
33/93, [X.]/[X.] 2983, 2989

Kfz-Ver-tragshändler). Die [X.]inräumung einer
längeren
Frist war im vorliegenden Fall, in dem die Geschäftsverbindung
wenn auch unter schlechteren Bedingungen

fortgesetzt wird, und eine einem exklusiv gebundenen Kraftfahrzeugvertrags-händler vergleichbare Abhängigkeit der Klägerin nicht ersichtlich ist, nicht gebo-ten
(vgl. auch
[X.], [X.]/[X.] [X.] D[X.]-R 134, 137
Bahnhofsbuchhandel).

Im Hinblick auf den von der Klägerin ausschließlich verfolgten Leistungs-anspruch ist
es im Streitfall unerheblich, dass gegen einen Normadressaten Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, wenn er vor Ablauf der [X.] Übergangsfrist sein Vertriebssystem umstellt.

5. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat nicht in der Sa-che selbst zu entscheiden vermag. [X.] hat die für die Beurtei-lung des [X.] des §
20 Abs.
1 [X.] erforderliche umfas-sende Interessenabwägung bisher nicht vorgenommen. Sie kann in der [X.] auch nicht nachgeholt werden. Somit ist derzeit nicht auszuschlie-ßen, dass sich die Klage im [X.]rgebnis der Interessenabwägung als begründet erweisen könnte.

26
27
28
-
12
-
a) Ob eine Behinderung unbillig ist, bestimmt sich aufgrund einer umfas-senden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des [X.] gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen [X.]beschränkungen ([X.] Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 8.
Mai 2007

KZR
9/06, [X.]/[X.] 1984 Rn.
13
[X.], mwN). [X.] dieser Abwägung ist bei vertriebsbezogenen Sachverhalten der aus der unternehmerischen Handlungsfreiheit abzuleitende Grundsatz, dass das [X.] des §
20 Abs.
1 [X.] den Normadressaten grundsätzlich nicht daran hindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem [X.]rmessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet. Das umfasst
das Recht des Normadressaten, seine Waren statt wie bisher über unabhängige Absatzmittler künftig über Tochtergesellschaften zu vertreiben (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 2004
KZR
17/03, [X.] D[X.]-R 1377, 1378
f.
Sparberaterin
I).

[X.]s ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich aufgrund besonderer Um-stände das Interesse eines Geschäftspartners auf Weiterbelieferung zu [X.] Konditionen im [X.]inzelfall als vorrangig gegenüber der [X.] des Normadressaten erweist, so dass eine unbillige Behinde-rung zu bejahen ist (vgl. [X.], [X.]/[X.] 3446
Rn.
40
Grossistenkündi-gung). Denn die Freiheit des Normadressaten zur Gestaltung seines Absatzsys-tems besteht nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen. Sie ist ausgeschlossen, wo sie missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des [X.] führt, die mit der auf die Freiheit des [X.] gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar i[X.] Je stärker die Stellung des Norm-adressaten auf dem relevanten Markt und je größer die Abhängigkeit der [X.] von seinem Angebot ist, desto höhere Anforderungen sind an die Schutzwürdigkeit der von einem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen verfolgten Belange zu stellen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
April 1999

KZR
35/97, [X.]/[X.] 357, 359
Feuerwehrgeräte).
29
30
-
13
-

b) Nach diesen Grundsätzen tritt die Vertriebsgestaltungsfreiheit zwar regelmäßig nicht schon dann hinter dem Belieferungsinteresse eines Abneh-mers zurück, wenn dieser seine Tätigkeit als Absatzmittler für den Normadres-saten nicht mehr oder nur noch unter nicht mehr wettbewerbsfähigen Bedin-gungen ausüben kann. Denn insoweit wird den berechtigten Interessen des Abnehmers gegebenenfalls durch Gewährung einer angemessenen Über-gangsfrist ausreichend Rechnung getragen. Anders kann es aber liegen, wenn die vom Normadressaten beabsichtigte Vertriebsumstellung ihm ein Monopol auf einem nachgelagerten Markt verschafft, auf dem bisher von ihm [X.] aufgrund eigener, erheblicher Wertschöpfung ein eigenes Leistungsergebnis anbieten, für das die bisher vom Normadressaten bezogene Ware oder Dienstleistung Voraussetzung i[X.] Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Hersteller den gesamten [X.]rsatzteilvertrieb und alle Reparaturleistungen für seine Produkte selbst übernehmen will und deshalb freie Werkstätten nicht (mehr) mit [X.]rsatzteilen beliefert. [X.]ine derartige Vertriebsbeschränkung, die auf die Begründung eines Monopols auch auf dem Markt für Wartungs-
und Repa-raturleistungen hinausläuft, ist mit der auf die Freiheit des [X.] gerich-teten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ([X.], [X.]/[X.] 357, 359

Feuerwehrgeräte; vgl. auch [X.], [X.] D[X.]-R 1377, 1379
Sparberaterin
I).

c) [X.]
hat, worauf das [X.] in der mündli-chen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, den Streitfall nur unter dem Ge-sichtspunkt betrachtet, dass die Klägerin darin behindert werde, entsprechend einem Handelsvertreter Anzeigenaufträge entgegenzunehmen und diese in ei-genem Namen und auf eigene Rechnung bei der [X.]
gegebenenfalls unter Verwendung von dieser bereitgestellter Formulare

aufzugeben. [X.]s hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich die Tätigkeit der Klägerin hierin erschöpft. Davon kann auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Anzeigenkunden müssen einen um 15% höheren Preis zahlen, wenn 31
32
-
14
-
sie ihre Anzeigen bei der Klägerin und nicht direkt bei der [X.] oder deren Handelsvertretern aufgeben. [X.]s liegt nicht fern anzunehmen, dass [X.] zur Zahlung dieses
Mehrpreises nur bereit sein werden, wenn sie dafür zusätzliche, eigenständige
Leistungen
der Klägerin
erhalten, etwa eine Bera-tung zur Anzeigengestaltung,
zur Minderung der Anzeigenkosten
oder zur Aus-wahl der geeigneten Werbeträger. Da dem Senat mithin eine umfassende Ab-wägung der wettbewerblichen Interessen der Parteien nicht möglich ist, bedarf es der Zurückverweisung der Sache.

6. [X.] wird bei seiner neuen [X.]ntscheidung Folgendes zu berücksichtigen haben:

a) Gegen die Bestimmtheit des Klageantrags bestehen, wie das [X.] zu Recht angenommen hat, keine Bedenken. Da die Klägerin am [X.]nde eines Jahres pauschal für alle Branchen-
und Telefonverzeichnisse des kommenden Jahres die Preislisten anfordern kann, ist unerheblich, dass es für diese keinen einheitlichen [X.]rscheinungszeitpunkt gibt.

b) Sollte sich die Tätigkeit der Klägerin nicht auf den typischen [X.]vertrieb beschränken, sondern (auch) einem eigenständigen, nachgelager-ten [X.] zuzuordnen sein, wird insbesondere zu prüfen sein, ob die Klägerin und die anderen unabhängigen Werbeagenturen durch die späte [X.]r-hältlichkeit der [X.]n ihre [X.]fähigkeit auf dem Werbebe-ratungsmarkt gegenüber der Werbeagentur T.

verlieren
oder in ihrer Wett-
bewerbsfähigkeit zumindest wesentlich beeinträchtigt werden. In diesem [X.] wird den Parteien auch Gelegenheit zu geben sein, dazu vorzu-tragen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Werbeagenturen Nachteile, die ihnen aus der späten Übermittlung der [X.] erwachsen, in [X.] Weise kompensieren können, etwa dadurch, dass sie für von ihren Kun-den beabsichtigte konkrete Anzeigen kurzfristig eine Preisauskunft der Beklag-33
34
35
-
15
-
ten erhalten und den Kunden in der Zwischenzeit den Vorjahrespreis zur Orien-tierung nennen können.

Gegebenenfalls wird in diesem Zusammenhang bei der Abwägung auch zu berücksichtigen
sein, ob und gegebenenfalls inwieweit die von der [X.] unabhängigen Werbeagenturen [X.]nachteile gegenüber T.

da-
durch
ausgleichen können, dass
sie
für die Nachfrager erkennbar anders als die Agentur T.

eine Werbeberatung bei der Schaltung von Anzeigen in
Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen anbieten, die von geschäftlichen Interessen der [X.] unabhängig
ist
und daher einen Anreiz für [X.] bilden kann, wegen der hierdurch erzielbaren [X.]insparungen mit ihrem Auftrag zu warten, bis die Werbeagentur über vollständige
Preisinformationen verfügt.

c) Sollte das Berufungsgericht eine unbillige Behinderung nach §
20 Abs.
1 [X.] verneinen, käme auch keine gezielte Behinderung der Klägerin gemäß §
4 Nr.
10 UWG in Betracht. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beur-teilung sind insoweit die gleichen Kriterien wie bei §
20 [X.] maßgebend (vgl.
36
37
-
16
-
[X.], Urteil vom 14.
Juli 1998
KZR
1/97, [X.]/[X.]01, 205
Schilderprä-ger im Landratsamt; Urteil vom 21.
Februar 1989
KZR
7/88, [X.]Z 107, 40, 41

Krankentransportbestellung; Urteil vom 10.
Dezember 1985
KZR
22/85, [X.]Z 337, 346

Abwehrblatt
II).

Meier-Beck
Strohn
[X.]

Bacher
Löffler
Vorinstanzen:
LG [X.], [X.]ntscheidung vom 15.07.2008 -
407 [X.]/07 -

OLG [X.], [X.]ntscheidung vom 06.05.2010 -
3 U 140/08 -

Meta

KZR 65/10

31.01.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2012, Az. KZR 65/10 (REWIS RS 2012, 9614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9614

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

KZR 65/10 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsbeschränkung durch marktbeherrschendes Unternehmen: Unbillige Behinderung von Absatzmittlern bei Vertriebsumstellung auf Direktvertrieb


KZR 17/03 (Bundesgerichtshof)


VI-U (Kart) 3/03 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


KZR 2/04 (Bundesgerichtshof)


KZR 38/99 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.