Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.07.2019, Az. 2 B 25/19

2. Senat | REWIS RS 2019, 5234

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Gegenstand

Einreichung der Berufungsbegründung im Disziplinargerichtsverfahren beim Berufungsgericht; unzureichende Beschwerdebegründung bei mehrfacher selbstständig tragender Begründung des Berufungsurteils


Gründe

1

1. Der ... geborene [X.]eklagte ist Polizeihauptkommissar im Landesdienst. Er wurde im Jahr 2015 durch amtsgerichtliches Urteil wegen [X.] kinderpornografischer Schriften und [X.]esitzes jugendpornografischer Schriften zu einer zur [X.]ewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Auf seine [X.]erufung hin hob das [X.] die erstinstanzliche Entscheidung auf und verurteilte den [X.]eklagten wegen des [X.]esitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit dem [X.]esitz jugendpornografischer Schriften zu einer zur [X.]ewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den [X.]eklagten aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. In der Rechtsmittelbelehrung ist u.a. ausgeführt, dass die [X.]erufung bei dem Verwaltungsgericht einzulegen und zu begründen ist.

2

Gegen das ihm am 14. November 2018 zugestellte Urteil hat der [X.]eklagte am 14. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht [X.]erufung eingelegt. Mit Verfügung vom 2. Januar 2019 hat der [X.]svorsitzende des [X.] die Frist zur [X.]erufungsbegründung bis zum Ablauf des 14. Januar 2019 verlängert; ergänzend wurde auf die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil und auf § 64 Abs. 1 Satz 2 [X.] NRW aufmerksam gemacht. Am 14. Januar 2019 (nach Dienstschluss) ging die [X.]erufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht ein.

3

Das Oberverwaltungsgericht (vgl. DV[X.]l. 2019, 1011) hat die [X.]erufung als unzulässig verworfen. Die [X.]erufung sei unzulässig, weil die [X.]erufungsbegründung innerhalb der [X.]egründungsfrist entgegen der Vorgabe in § 64 Abs. 1 Satz 2 [X.] NRW nicht beim Verwaltungsgericht, sondern stattdessen beim Oberverwaltungsgericht eingegangen sei. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und lasse keine Auslegung dahingehend zu, dass allein die Einlegung, nicht aber die [X.]egründung beim Verwaltungsgericht erfolgen müsse. Eine Möglichkeit, die [X.]erufung fristwahrend auch beim Oberverwaltungsgericht einzulegen oder zu begründen, habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dies gelte auch nach Auffassung des [X.]. Die im Streitfall erfolgte Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist ändere hieran nichts; auch für diesen Fall sei keine Ausnahme vorgesehen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ebenfalls nicht zu gewähren. Die Fristversäumnis sei verschuldet, zumal es keine einheitliche Rechtsprechung dahingehend gebe, dass die [X.]erufungsbegründung im Falle einer Fristverlängerung durch den [X.]svorsitzenden des [X.] statt beim Verwaltungsgericht beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden könne; vielmehr sei nach gefestigter [X.]srechtsprechung die [X.]erufungsbegründung auch in einem solchen Fall beim Verwaltungsgericht einzureichen. Ungeachtet ihrer Unzulässigkeit sei die [X.]erufung auch unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe den [X.]eklagten zu Recht wegen eines schweren Dienstvergehens aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt.

4

2. Die allein auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Frage, ob eine fristgerechte Übersendung der [X.]erufungsbegründung auch an das [X.]erufungsgericht rechtswirksam möglich sei, gestützte [X.]eschwerde ist unbegründet.

5

[X.]ei einem [X.]erufungsurteil, das auf mehrere selbstständig tragende [X.]egründungen gestützt ist, ist eine Zulassung der Revision nur dann möglich, wenn die [X.]eschwerde hinsichtlich jeder der selbstständig tragenden [X.]egründungen einen durchgreifenden [X.] vorträgt (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 [X.] - [X.] 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11 f., vom 2. März 2016 - 2 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 62 Rn. 6 und vom 23. Mai 2017 - 2 [X.] 51.16 - [X.] 235.1 § 64 [X.]DG Nr. 3 Rn. 7).

6

Im vorliegenden Fall hat das Oberverwaltungsgericht die [X.]erufung als unzulässig verworfen und sie zugleich - selbstständig tragend, nicht lediglich als ergänzenden Hinweis - als unbegründet angesehen. Deshalb hätte die [X.]eschwerde die Ausführungen zur [X.]egründetheit in den [X.]lick nehmen und auch insoweit einen [X.] vortragen müssen. Dies gilt ungeachtet dessen, ob es verfahrensfehlerfrei ist, eine Klage als unzulässig und außerdem als unbegründet abzuweisen (vgl. hierzu [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 14. Dezember 2018 - 6 [X.] 133.18 - NVwZ 2019, 649 Rn. 20 ff.).

7

Deshalb kann die [X.]eschwerde keinen Erfolg haben, ohne dass es einer Prüfung bedarf, ob für die [X.]eantwortung der als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Frage die Durchführung eines Revisionsverfahrens nötig ist und wie diese Frage zu beantworten ist. Ausnahmsweise sieht sich der [X.] gleichwohl zu folgenden Anmerkungen veranlasst:

8

Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass auch nach einer Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist durch den [X.]svorsitzenden beim Oberverwaltungsgericht die [X.]erufungsbegründung nur beim Verwaltungsgericht, nicht aber beim [X.]erufungsgericht eingelegt werden könne. Dies ist unzutreffend; Stand der Rechtsprechung des [X.] ist das Gegenteil (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 30. Dezember 2010 - 2 [X.] 66.10 - [X.] 235.2 LDisziplinarG Nr. 15 Rn. 7 ff. und vom 23. Mai 2017 - 2 [X.] 51.16 - [X.] 235.1 § 64 [X.]DG Nr. 3 Rn. 13). Danach sprechen an Systematik und Normzweck der Regelungen orientierte prozessökonomische Erwägungen für die ausnahmsweise gegebene Möglichkeit der fristwahrenden Einreichung der [X.]erufungsbegründung auch beim Oberverwaltungsgericht in dem Fall, dass der Vorsitzende des für die [X.]erufung zuständigen [X.]s die [X.]erufungsbegründungsfrist verlängert hat.

9

Rechtsfehler der Ausführungen des [X.] zur Entfernung des [X.]eklagten aus dem [X.]eamtenverhältnis sind hingegen nicht erkennbar.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 [X.] NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 [X.] NRW erhoben werden.

Meta

2 B 25/19

22.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. März 2019, Az: 3d A 4888/18.O, Urteil

§ 64 Abs 1 S 2 DG NW

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.07.2019, Az. 2 B 25/19 (REWIS RS 2019, 5234)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5234

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