Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.08.2015, Az. 1 StR 334/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 6441

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 334/15

vom
19. August
2015
in der Strafsache
gegen

wegen Betrugs u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 19.
August 2015 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 19.
März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzver-schleppung, wegen Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in
1
-
3
-
einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheits-strafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revi-sion des Angeklagten hat
mit der Sachrüge
in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] offensichtlich unbegründet (§
349 Abs.
2 StPO).
1.
Der Schuldspruch wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen da-von in Tateinheit mit Untreue, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a)
[X.] hat bei der Schadensfeststellung im Wege der gebo-tenen Gesamtsaldierung (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18.
Februar 2009 -
1
StR 731/08, [X.], 199, 201
und vom 29.
Januar 2013 -
2
StR
422/12, [X.], 711) zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass für die Schadensbe-rechnung der Wert der von den Geschädigten an die J.

AG abgetretenen Forderungen im [X.]punkt der Abtretung entscheidend ist, weil die Zahlungsan-sprüche der
Geschädigten objektiv wertlos waren; denn die von dem Angeklag-ten vertretene J.

AG war von Anfang an nicht bereit, den Kaufpreis für die Forderungen zu entrichten. Den Wert der jeweils abgetretenen Forderung
hat das [X.] aber nicht tragfähig
bestimmt.
b)
Ein Vermögensschaden im Sinne des §
263 StGB tritt nur ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungs-weise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen [X.] seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsal-dierung, vgl. [X.] aaO). Bei der hier vorgenommenen Wertberechnung hat die 2
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-
4
-
Strafkammer zu Unrecht die Grundkaufpreise der Forderungen als Schaden angesetzt. Dieser errechnete sich aus einem Prozentsatz von 20
bis 25
% des [X.] damit auf eine
typisierte
Durchschnittsbetrachtung
zurückgeführt
und stellen
schon deshalb keine ge-eignete Basis für die Schadensbestimmung im Sinne des §
263 StGB
dar. Demnach
sind die verfahrensgegenständlichen [X.] auch keine Verträge, in denen die Vertragsparteien in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System den Wert eines häufig verkauften
oder gehandelten Gegenstandes festsetzen, und deshalb bei der Darlegung des Schadens auf nähere Ausführungen verzichtet werden könnte.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte für die völlig überschuldete J.

AG die [X.] zwar schnell erwerben und verwerten wollte, er von vorneherein jedoch nie vorhatte, den
Kaufpreis zu zahlen. Deshalb lässt sich aus dem Kaufpreis kein tragfähiges Indiz für den objektiven Wert der abgetretenen Forderung [X.].
Die Berechnung des wirtschaftlichen Werts der durch die Forderungsab-tretung aus dem Vermögen der Geschädigten ohne werthaltigen Gegen-anspruch ausgeschiedenen Forderungen hätte das [X.] deshalb -
ge-gebenenfalls im Wege der Schätzung oder mit sachverständiger Hilfe
-
anhand der insoweit maßgeblichen Wertkriterien (etwa: materiell-rechtliche Begründet-heit des
Anspruchs nebst Anspruchsgrundlage und -höhe, Beweisbarkeit im Gerichtsverfahren, Bonität des Schuldners, Vergleichsbereitschaft des Schuld-ners -
Einwendungen/Einreden) ermitteln müssen. Für diese Wertermittlung kann als Indiz auch relevant sein, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden konnte.

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-
5
-
c)
Vor dem Hintergrund, dass in der Mehrzahl der hier abgeurteilten Fälle die Forderungseintreibung erfolglos blieb, kann der [X.] nicht ausschließen, dass die abgetretenen Forderungen im Einzelfall wirtschaftlich wertlos waren und den [X.] deshalb im Ergebnis kein Schaden entstanden ist. Der Rechtsfehler betrifft deshalb nicht nur den Schuldumfang, sondern in jedem Fall auch den Schuldspruch des Betrugs.
d)
Von dem Rechtsfehler sind auch die zugehörigen Feststellungen be-troffen (vgl. §
353 Abs.
2 StPO). Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der [X.] sämtliche Feststellungen zu den genannten Taten auf.
2.
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs zieht auch die [X.] der [X.] nach sich (vgl. zum Verhältnis Betrug und Untreue RG, Urteil vom 6.
Juli 1933
-
III
598/33,
RGSt 67, 273
ff.; [X.], Urteile vom 22.
April 1954 -
4
StR
807/53, [X.]St 6, 67, 68 und vom 22.
Juli 1970 -
3
StR
237/69, [X.]St 23, 304, 306; Beschluss vom 20.
September 2000
-
3
StR
19/00, NStZ
2001, 195, 196; Urteil vom 16.
Dezember 2010
-
4
StR
492/10, NStZ
2011, 280, 281).
3.
Unberührt von der Entscheidung des [X.]s bleibt der Ausspruch des [X.]s zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen [X.] ([X.], Beschluss vom
8.
Januar 2013 -
1
StR
641/12 mwN). Der neue
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6
-
Tatrichter wird aber zu prüfen haben,
ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene [X.] zu erhöhen sein wird.
Raum
Graf
Jäger

Mosbacher
Fischer

Meta

1 StR 334/15

19.08.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.08.2015, Az. 1 StR 334/15 (REWIS RS 2015, 6441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6441

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