Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2018, Az. 1 StR 88/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11190

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:060418B1STR88.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/18

vom
6. April
2018
in der Strafsache
gegen

wegen
Untreue u.a.

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2
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Der 1. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 6. April
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
Oktober 2017 mit den der [X.] zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Einzelstrafe im
Fall III.
1 der Urteilsgründe ([X.]

) und im Ausspruch über die [X.] aufgehoben.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.].

3.
Die weitergehende Revision
wird mit der Maßgabe verworfen, dass unter Aufhebung des Ausspruchs über einen [X.] in Höhe von sechs Monaten weitere drei Mona-te als vollstreckt gelten.

Gründe:
Der Angeklagte war im ersten Rechtsgang wegen vorsätzlicher Insol-venzverschleppung, Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue, sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit
mit vorsätzlichem Bankrott, zu einer [X.]
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strafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Davon hatte das [X.] drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt.
Dieses Urteil hatte der [X.] auf die Revision des Angeklagten mit Be-schluss vom 19. August 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, verurteilt worden war, sowie im Ausspruch über die Ge-samtfreiheitsstrafe.
Die nunmehr zuständige [X.] hat die Betrugsstraftaten nach §§
154, 154a StPO behandelt und den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insol-venzverschleppung, Untreue in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und davon (insgesamt) sechs Monate als vollstreckt erklärt.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revi-sion des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbe-gründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Angeklagte beanstandet zutreffend, dass die [X.] im
Fall III.
1 der Urteilsgründe ([X.]

) einen Beweisantrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat.

a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

[X.] vom 19. Oktober 2017 hat der Angeklagte beantragt,

[X.] als Zeugen zu vernehmen. Dieser werde in seiner Eigen-schaft als (vormaliger) Aufsichtsratsvorsitzender bestätigen, dass die aus der 2
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Versteigerung der Immobilie mit dem vormaligen Restaurant P. erzielten Erlöse vollständig an die Gläubiger der J.

AG geflossen seien, somit aus dem Erlös keine Beträge oder Teilbeträge beim Angeklagten persönlich verblieben seien. Weiter werde er bestätigen, dass der Geschädigte H.

aus dem r-halten
habe.

Diesen Antrag hat die [X.] mit der Begründung zurückgewie-sen, es handele sich nur scheinbar um einen förmlichen Beweisantrag, da die insoweit unter Beweis gestellte Tatsache ohne jede tatsächliche Grundlage aufs Geratewohl ins Blaue hinein
behauptet worden sei. Auch unter Berück-sichtigung der Aktenlage und des bisherigen Beweisergebnisses bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Geschädigte H.

aus der Versteigerung r-nehmung vielmehr ausdrücklich und glaubhaft dargelegt, aus der [X.] des Restaurants letztlich faktisch nichts erhalten zu haben. Auch unter [X.] sehe die Kammer keine Veranlassung,
dem Antrag nachzugehen.

b) Die Verfahrensrüge
ist begründet. Bei dem gegenständlichen Beweis-begehren handelt es sich um einen Beweisantrag, nicht nur um einen [X.]ermittlungsantrag.

Zwar muss einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweis-begehren ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der [X.] nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tat-sächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs [X.] hinein aufgestellt wurde, so dass es sich nur um einen nicht 8
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ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Für die Beur-teilung, ob ein aufs Geratewohl gestellter Antrag vorliegt, ist die Sichtweise ei-nes verständigen Antragstellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (vgl. [X.], Beschluss vom 11. April 2013

2 [X.] mwN, NStZ
2013, 536, 537).

Nach diesem Maßstab lässt sich die
Beweisbehauptung nicht als aufs Geratewohl aufgestellt ansehen. Die Beweisbehauptung hatte einen tatsächli-chen Anhaltspunkt, da die Eheleute H.

jedenfalls einen nicht konkret bezifferten Betrag aus der Versteigerung des Restaurants erhalten hae-RB S. 3). Sie konnte deshalb ungeachtet der Gründe, die die [X.] in ihrem Beschluss nach Würdigung des gesamten Beweisergebnisses gegen die Zahlung von 40.000

aus der Versteigerung des Restaurants angeführt hat, nicht als nicht ernstlich gemeint gewertet wer-den. Jedenfalls hat das [X.] mit seiner Erwägung, dass die unter [X.] gestellte Tatsache ohne jede tatsächliche
Grundlage behauptet worden sei, die Grenzen der vorgenannten Rechtsprechung missachtet. Danach kann es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit er lediglich vermutet oder für möglich hält (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 11. April 2013

2 [X.]
mwN, NStZ
2013, 536, 537).

c) Auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags kann der Strafausspruch im
Fall III.
1 (Eheleute H.

) beruhen. Das [X.] hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Schaden in Höhe von [X.] nachträglich vermindert worden ist. Der [X.] kann daher 11
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nicht ausschließen, dass die [X.] eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es den beantragten Beweis erhoben und sich die [X.], die Geschädigten H.

s-gleich erhalten, bestätigt hätte.

Mit der Aufhebung dieser Einzelstrafe ist auch dem Gesamtstraf-ausspruch die Grundlage entzogen.

2. Die Entscheidung des [X.]s über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung enthält keine dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler, bedarf aber der aus der Entscheidungsformel er-sichtlichen Neufassung.

Die [X.] hat zwar nicht übersehen, dass sie lediglich über eine Kompensation für eine nach dem Urteil im ersten Rechtsgang eingetretene Ver-fahrensverzögerung zu entscheiden hatte, hat aber dennoch eine einheitliche, auf die gesamte Verfahrensdauer bezogene

den Angeklagten aber nicht be-lastende

Entscheidung über die Kompensation der Verfahrensverzögerung getroffen.

Der Ausspruch im landgerichtlichen Urteil vom 19. März 2015, dass drei Monate der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten, war bereits in Rechtskraft erwachsen. Der Aufhebungsbeschluss des [X.]s betraf lediglich den Schuld-
und Strafausspruch hinsichtlich der Betrugsstraftaten nebst der hiermit in Tateinheit stehenden Untreuedelikte und der zugehörigen Feststellungen. Dazu gehört die Entscheidung über die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung durch die Anordnung, dass ein Teil der Strafe als vollstreckt gilt, nicht ([X.], Urteile vom 9. August 2016

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1 StR 121/16, wistra
2016, 486, 487 f. und vom 27. August 2009

3 [X.], [X.]St 54, 135; Beschlüsse vom 18. Februar 2014

3 StR 381/13 und vom 25. November 2015

1 [X.], [X.], 428, 429). Daher konnte das [X.] lediglich noch über die zusätzliche Kompensation für die [X.] eingetretene Verzögerung entscheiden. Hierfür hat die [X.] eine Kompensation von drei Monaten für erforderlich erachtet. Sie hätte daher eine weitere Kompensation von drei Monaten anordnen müssen. Der Anregung des [X.] folgend hat der [X.] eine entsprechende Klarstellung des Tenors des angefochtenen Urteils vorgenommen.
Raum

Graf Jäger

Fischer Hohoff

Meta

1 StR 88/18

06.04.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2018, Az. 1 StR 88/18 (REWIS RS 2018, 11190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11190

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 88/18

2 StR 504/12

1 StR 121/16

1 StR 79/15

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