Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.05.2015, Az. 7 ABR 26/13

7. Senat | REWIS RS 2015, 10561

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Gegenstand

Betriebsratsschulung - Freistellung des Betriebsratsmitglieds von Übernachtungskosten - nachträgliche Änderung der für die kostenauslösende Entscheidung maßgeblichen Umstände


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 21. Februar 2013 - 6 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, Übernachtungskosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme des zu 3. beteiligten Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstanden sind.

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin unterhält am [X.] einen Betrieb, in dem der zu 1. beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Die Beteiligte zu 3. ist Mitglied dieses Betriebsrats.

3

Im Rahmen wöchentlich stattfindender Gespräche zwischen dem Leiter der Abteilung „Arbeit und Soziales“ und dem Betriebsratsvorsitzenden wurde über die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an einer Grundlagenschulung zum Betriebsverfassungsrecht Einvernehmen erzielt. Der Leiter der Abteilung „Arbeit und Soziales“ bat zur Vermeidung von Übernachtungskosten um Buchung eines Seminars im Raum [X.] Der Betriebsrat meldete die Beteiligte zu 3. nach einer entsprechenden Beschlussfassung am 29. Oktober 2010 zum Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil I“ des Veranstalters „W“ in der [X.] vom 7. bis 10. Dezember 2010 in [X.] an. Dabei wurde die Beteiligte zu 3., deren Wohnort 44 km von [X.] entfernt liegt, als sogenannter Tagesgast angemeldet. Am 4. November 2010 buchte die Sekretärin des Betriebsrats beim Seminarveranstalter für die Beteiligte zu 3. auf deren Veranlassung ein Einzelzimmer mit [X.] für die Dauer der Schulungsveranstaltung nach. Während der Schulung übernachtete die Beteiligte zu 3. in dem gebuchten [X.]otelzimmer. Der Seminarveranstalter stellte die [X.]osten für die Übernachtungen in [X.]öhe von 264,00 [X.] nebst Mehrwertsteuer, insgesamt 314,16 [X.], zunächst der Arbeitgeberin in Rechnung. Nachdem die Arbeitgeberin die Begleichung dieser Rechnung vom 10. Dezember 2010 abgelehnt hatte, nahm der Seminarveranstalter die Beteiligte zu 3. in Anspruch.

4

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Arbeitgeberin habe die Beteiligte zu 3. von der Verpflichtung zur Zahlung der [X.]otelkosten freizustellen. Die Übernachtungen im [X.] seien notwendig gewesen. Der Nutzen einer Betriebsratsschulung bestehe nicht nur in der Wissensvermittlung, sondern auch in dem abendlichen Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern und Referenten. Zudem sei der Beteiligten zu 3. die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort wegen der seinerzeit herrschenden ungünstigen winterlichen Witterungsbedingungen und der damit verbundenen Verkehrsbehinderungen aufgrund von Schnee- und Eisglätte nicht zumutbar gewesen.

5

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, das Betriebsratsmitglied V von der Inanspruchnahme durch die Firma W, aus deren Rechnung vom 10. Dezember 2010, [X.]., in [X.]öhe von 314,16 [X.] freizustellen.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Übernachtungen seien angesichts der kurzen Distanz zwischen Wohn- und Schulungsort nicht notwendig gewesen. Es treffe nicht zu, dass im [X.]raum vom 7. bis 10. Dezember 2010 außergewöhnliche Witterungs- und Straßenverhältnisse geherrscht hätten. Jedenfalls habe die Entscheidung zur Übernachtung im [X.] nicht auf widrigen Verkehrsverhältnissen beruht. Bei der [X.]otelbuchung seien diese nicht absehbar gewesen. Während des Seminars habe die Beteiligte zu 3. nicht geprüft, ob die Übernachtungen im [X.] erforderlich seien.

7

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das [X.] hat nach Einholung einer Auskunft des [X.] dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Die Arbeitgeberin begehrt mit der Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

8

B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das [X.] hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben.

9

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

1. Der Betriebsrat ist [X.]. Dem steht nicht entgegen, dass nicht der Betriebsrat, sondern das zu 3. beteiligte Betriebsratsmitglied von dem Schulungsveranstalter in Anspruch genommen wurde. Zu den [X.]osten des Betriebsrats gehören auch die Schulungskosten seiner Mitglieder. Soweit einzelne Betriebsratsmitglieder für den Besuch betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsveranstaltungen Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind, ist der Betriebsrat als Gremium berechtigt, den Arbeitgeber auf Freistellung des Betriebsratsmitglieds von der Zahlungsverpflichtung in Anspruch zu nehmen (vgl. etwa [X.] 28. Juni 1995 - 7 ABR 55/94 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 80, 236).

2. Einer Sachentscheidung durch den Senat steht nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 3. von den Vorinstanzen nicht am Verfahren beteiligt wurde. Dies konnte in der [X.] nachgeholt werden.

a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben im Beschlussverfahren die Stellen ein Recht auf Anhörung, die im Einzelfall beteiligt sind. Beteiligt in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Das ist von Amts wegen noch in der [X.] zu prüfen. Ist die Anhörung in den Tatsacheninstanzen unterblieben, stellt dies einen Verfahrensfehler dar. Einer darauf gestützten Zurückverweisung bedarf es nicht, wenn die Anhörung in der [X.] nachgeholt wird und der Beteiligte Gelegenheit erhält, sich in tatsächlicher und rechtlicher [X.]insicht zu äußern (vgl. [X.] 15. Oktober 2014 - 7 [X.] - Rn. 21; 17. April 2012 - 1 [X.] - Rn. 15).

b) Danach war neben dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin auch die Beteiligte zu 3. anzuhören. Diese ist wegen ihres vom Betriebsrat abgeleiteten Rechts unmittelbar von der begehrten Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, da der Betriebsrat geltend macht, sie sei Inhaberin eines [X.] nach § 40 Abs. 1 BetrVG (vgl. [X.] 17. November 2010 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN). Der Senat hat der Beteiligten zu 3. deshalb Gelegenheit gegeben, sich in tatsächlicher und rechtlicher [X.]insicht zu äußern.

II. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG verpflichtet, die Beteiligte zu 3. von der Verpflichtung zur Zahlung der Übernachtungskosten freizustellen, die anlässlich der Teilnahme an dem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil I“ in der [X.] vom 7. bis 10. Dezember 2010 entstanden sind.

1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden [X.]osten zu tragen. Dazu gehören die [X.]osten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist ([X.] 20. August 2014 - 7 [X.] - Rn. 14). Neben den eigentlichen Seminargebühren hat der Arbeitgeber auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds zu tragen ([X.] 17. November 2010 - 7 [X.] - Rn. 21).

Allerdings steht die Pflicht des Arbeitgebers zur [X.]ostentragung nach § 40 Abs. 1 BetrVG unter dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (vgl. [X.] 23. Juni 2010 - 7 [X.] -
Rn. 18, [X.]E 135, 48; 16. Januar 2008 - 7 [X.] - Rn. 13, [X.]E 125, 242; 25. Mai 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 4 a der Gründe). Der Betriebsrat ist daher verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit [X.]osten zu belasten, die er der Sache nach für angemessen halten darf. Er hat darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten [X.]osten auf das notwendige Maß zu beschränken. Diese Pflicht gilt auch für das einzelne Betriebsratsmitglied ([X.] 25. Mai 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 5 der Gründe).

Bei dem Begriff der Erforderlichkeit in § 40 Abs. 1 BetrVG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Würdigung des [X.], ob die vom Betriebsrat oder einem Betriebsratsmitglied verursachten [X.]osten für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich waren, unterliegt in der [X.] nur einer eingeschränkten Nachprüfung darauf, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen wurden (st. Rspr., vgl. [X.] 20. August 2014 - 7 [X.] - Rn. 17; 25. Mai 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 4 a der Gründe).

2. Danach hat das [X.] rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die Übernachtungskosten zu tragen.

a) Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass der Betriebsrat die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an der Schulungsveranstaltung „Betriebsverfassungsrecht Teil I“ in der [X.] vom 7. bis 10. Dezember 2010 in [X.] für erforderlich halten durfte und dass die Schulungsteilnahme der Beteiligten zu 3. auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss beruht.

b) Die Würdigung des [X.]s, die Beteiligte zu 3. habe die Übernachtung am Schulungsort für erforderlich halten dürfen, weil ihr die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort aufgrund der Witterungs- und Straßenverhältnisse nicht zumutbar gewesen sei, ist [X.] nicht zu beanstanden. Das [X.] ist von dem zutreffenden Begriff der Erforderlichkeit ausgegangen und hat alle maßgeblichen Umstände widerspruchsfrei gewürdigt.

aa) Das [X.] hat den Begriff der Erforderlichkeit nicht deshalb verkannt, weil es bei der Beurteilung der Erforderlichkeit nicht auf den [X.]punkt der Beschlussfassung des Betriebsrats oder der Buchung der Übernachtungen abgestellt hat, sondern die Witterungs- und Straßenverhältnisse während der [X.] der Schulung berücksichtigt und damit Umstände zugrunde gelegt hat, die im [X.]punkt der Beschlussfassung des Betriebsrats über die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an der Schulung und zum [X.]punkt der Buchung der Übernachtungen noch nicht absehbar waren.

(1) Es kann dahinstehen, ob sich der Beschluss des Betriebsrats über die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an der Schulung auch darauf bezog, dass diese nur als sogenannter Tagesgast - ohne Übernachtung in der Schulungsstätte -
teilnimmt und ob eine Beschlussfassung des Betriebsrats darüber, ob das Betriebsratsmitglied am Schulungsort übernachtet oder nicht, für das Betriebsratsmitglied bindend wäre. Grundsätzlich muss der für die Schulungsteilnahme erforderliche Betriebsratsbeschluss auf ein konkretes Betriebsratsmitglied und auf eine konkrete, nach [X.]punkt und Ort bestimmte Schulung bezogen sein (vgl. [X.] 12. Januar 2011 - 7 [X.] - Rn. 21 f.; 8. März 2000 - 7 [X.] - zu B 2 der Gründe, [X.]E 94, 42). Dagegen braucht er sich nicht darauf zu erstrecken, mit welchem Verkehrsmittel das Betriebsratsmitglied zum Schulungsort gelangt und ob es dort übernachtet oder nicht. Erfolgt dennoch eine Beschlussfassung zu diesen Punkten, ist das Betriebsratsmitglied hieran jedenfalls dann nicht gebunden, wenn sich - wie hier - zwischen dem Betriebsratsbeschluss und dem Beginn der Schulungsveranstaltung die für die Beurteilung der Erforderlichkeit maßgebenden Umstände gravierend ändern.

(2) Eine Verkennung des Begriffs der Erforderlichkeit durch das [X.] folgt auch nicht daraus, dass es die Gegebenheiten zur [X.] der Schulung berücksichtigt hat, obwohl diese bei der Buchung der Übernachtungen noch nicht vorhersehbar waren. Zwar ist die Frage der Erforderlichkeit grundsätzlich danach zu beurteilen, ob das Betriebsratsmitglied zum [X.]punkt der Beschlussfassung oder [X.]andlung, die die [X.]osten auslöste, die Verursachung der [X.]osten für erforderlich halten durfte ([X.] 28. Oktober 1992 - 7 [X.] - zu [X.]I 3 a der Gründe). Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn sich die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände nachträglich erheblich geändert haben und das Betriebsratsmitglied die [X.]osten unter den geänderten Umständen für erforderlich halten durfte. In diesem Fall sind die [X.]osten vom Arbeitgeber zu tragen, da es sich um erforderliche [X.]osten der Betriebsratstätigkeit handelt. Es kommt nicht darauf an, ob das Betriebsratsmitglied aufgrund der veränderten Umstände erneut die Erforderlichkeit geprüft und aus sachgerechten Erwägungen einen entsprechenden Entschluss gefasst hat. Maßgebend ist vielmehr, dass es die [X.]osten unter Berücksichtigung der Gegebenheiten im [X.]punkt der Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten durfte.

bb) Die Würdigung des [X.]s, die Beteiligte zu 3. habe die Übernachtungen in der Schulungsstätte zur [X.] der Schulung für erforderlich halten dürfen, ist auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen nicht zu beanstanden. Das [X.] hat unter Berücksichtigung der von ihm eingeholten Auskunft des [X.] festgestellt, dass in der Region [X.] in der [X.] vom 7. bis 10. Dezember 2010 aufgrund durchgehender Eis- und Schneeglätte außergewöhnliche Straßenverhältnisse bestanden, die zu verlängerten Fahrtzeiten und einem besonderen Unfallrisiko führten. Die Würdigung des [X.]s, unter Berücksichtigung dieser Umstände habe die Beteiligte zu 3. die Übernachtungen im [X.] für erforderlich halten dürfen, es sei ihr auch unter Beachtung des [X.]osteninteresses der Arbeitgeberin nicht zumutbar gewesen, ein erhöhtes Unfallrisiko einzugehen, ist [X.] nicht zu beanstanden. Die Beteiligte zu 3. hatte ihre Schulungsteilnahme sicherzustellen. Sie musste auch keine wesentlich verlängerten Fahrtzeiten hinnehmen. Schon bei üblichen Verkehrsverhältnissen hatte die Beteiligte zu 3. für die Fahrt vom Wohnort zum 44 km entfernten [X.] eine nicht unerhebliche Fahrtzeit einzuplanen. Erheblich längere Fahrtzeiten waren ihr nicht zuzumuten. Das gilt auch deshalb, weil bei Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG der Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit unter den Seminarteilnehmern außerhalb des eigentlichen Seminarprogramms fortgesetzt wird. An der Teilnahme an diesen Zusammentreffen ist das Betriebsratsmitglied nicht gehindert, wenn es nicht in der Schulungsstätte übernachtet (vgl. [X.] 28. März 2007 - 7 [X.] - Rn. 18). Da die Beteiligte zu 3. jedoch 44 km entfernt von dem [X.] wohnt, wäre ihr bei einer täglichen An- und Abreise unter den festgestellten winterlichen Verkehrsbedingungen eine Teilnahme an diesem Gedankenaustausch kaum möglich gewesen.

cc) Die Verfahrensrügen der Arbeitgeberin gegen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des [X.]s greifen nicht durch.

(1) Die freie richterliche Beweiswürdigung des Tatsachengerichts ist nur beschränkt revisibel. Die revisionsrechtliche [X.]ontrolle beschränkt sich darauf, dass sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt ([X.] 20. August 2014 - 7 [X.] - Rn. 35; 8. Mai 2014 - 2 [X.] 1005/12 - Rn. 21).

(2) Gemessen daran ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.

(a) Die Würdigung des [X.]s, in der Region [X.] habe vom 7. bis 10. Dezember 2010 durchgehend Eis- und Schneeglätte geherrscht, ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sich die Angaben in der Auskunft des [X.] über Eis- und Schneeglätte nur auf die Station [X.]-W bezogen und die Eisglätte in der [X.] vom 7. Dezember 2010, 00:00 Uhr bis zum 10. Dezember 2010, 14:00 Uhr nur stellenweise bestand. Das [X.] hat sich bei seiner Würdigung nicht auf diese einzelnen Angaben beschränkt, sondern auch die weiteren Angaben aus der Auskunft des [X.] berücksichtigt. Danach herrschte an der Station [X.]-W zusätzlich zur Eisglätte vom 7. Dezember 2010, 00:00 Uhr bis 9. Dezember 2010, 08:45 Uhr durchgehend Schneeglätte. Damit konnte das [X.] für die Station [X.]-W im maßgebenden [X.]raum von durchgehender Schnee- und/oder Eisglätte ausgehen. Unter Berücksichtigung vergleichbarer Schneehöhen und Temperaturen an den anderen Stationen durfte es annehmen, dass auch an diesen Stationen und im gesamten Raum [X.] Schnee- und Eisglätte bestand. Die Arbeitgeberin verkennt, dass es für die von § 286 Abs. 1 ZPO geforderte Überzeugung des Gerichts keiner absoluten Sicherheit bedarf, sondern ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genügt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. etwa [X.] 23. Oktober 2014 - 2 [X.] 865/13 - Rn. 44).

(b) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist nicht deshalb von einer Unvollständigkeit der Beweiswürdigung auszugehen, weil das [X.] sich nicht ausdrücklich mit der Angabe in der Auskunft des [X.] befasst hat, dass es am 7. Dezember 2010 an der Station [X.]-W erst ab 19:37 Uhr schneite. Im Urteil sind zwar gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Dies erfordert jedoch nicht eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, dass eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. [X.]ierbei kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass nach § 313 Abs. 3 ZPO die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten müssen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher [X.]insicht beruht ([X.] 21. August 2014 - 8 [X.] 655/13 - Rn. 40). Die Gründe des angefochtenen Beschlusses lassen erkennen, dass eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Unter Berücksichtigung der bestehenden Schneehöhe von 5 cm und der Schneeglätte war es nicht von Bedeutung, dass es am 7. Dezember 2010 ab 19:37 Uhr schneite.

(c) Auch die Würdigung des [X.]s, es hätten außergewöhnliche Straßenverhältnisse geherrscht, ist entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht zu beanstanden. Das [X.] hat sich bei dieser Würdigung nicht nur auf einen Bericht aus einem Internetportal gestützt, vielmehr hat es den gesamten Inhalt des Verfahrens, insbesondere die Auskunft des [X.], berücksichtigt. Die in der Auskunft enthaltenen Angaben über Temperaturen, Niederschlag, Schneehöhen sowie Schnee- und Eisglätte lassen auf die Straßenverhältnisse in der Region [X.] chließen. Damit bestand ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, dass auch auf der von der Beteiligten zu 3. genutzten Autobahn winterliche Straßenverhältnisse herrschten, die mit verlängerten Fahrtzeiten und einem besonderen Unfallrisiko verbunden waren. Einer Feststellung der konkreten Straßenverhältnisse bedurfte es ebenso wenig wie der ausdrücklichen Auseinandersetzung mit diesem Gesichtspunkt.

dd) Die Beteiligte zu 3. durfte die Übernachtungskosten auch der [X.]öhe nach für angemessen erachten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine andere kostengünstigere Übernachtungsmöglichkeit am Seminarort bestanden hätte.

        

Gräfl 

        

[X.]iel   

        

M. Rennpferdt

        
                 

Deinert

        

D. Glock

                 

Meta

7 ABR 26/13

27.05.2015

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Köln, 15. Februar 2012, Az: 7 BV 152/11, Beschluss

§ 40 Abs 1 BetrVG, § 37 Abs 6 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.05.2015, Az. 7 ABR 26/13 (REWIS RS 2015, 10561)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10561

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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