Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. X ZR 29/11

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 115

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 29/11
Verkündet am:
18. Dezember 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhand-lung vom 18.
Dezember 2014 durch [X.]
Dr.
MeBeck, [X.]
Grabinski, [X.], Dr.
Deichfuß und die Rich-terin Dr.
Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.
November 2010 [X.] Urteil des 5.
Senats ([X.]) des Bundespa-tentgerichts teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu ge-fasst:
Das [X.] Patent 612
150 wird mit Wirkung für die [X.] im Umfang der Patentansprüche
1 bis
7 und des Patentanspruchs
9, soweit dieser auf die Patentansprüche
1 bis
7 rückbezogen ist, für nichtig erklärt.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten und während des Berufungsverfahrens infolge [X.]ablaufs erloschenen [X.]n Patents 612
150 (Streitpatents), das unter Inan-spruchnahme einer Priorität vom 13.
Februar 1993 am 12.
Februar 1994 ange-meldet wurde. Es umfasst neun
Patentansprüche, von denen die Ansprüche
1 und
5 nebengeordnet sind und folgenden Wortlaut haben:
"1.
Gerät der Unterhaltungselektronik mit einem Tuner, welcher auf die den einzelnen Programmplatznummern zugeordneten Empfangsfrequenzen abstimmbar ist, und einer Bedieneinheit zur Anwahl der Programmplatznummern mittels zweier Tas-ten, von denen eine zur Anwahl von [X.] mit kleinerer Programmplatznummer und die andere zur Anwahl von [X.] mit größerer Programmplatznummer vorgesehen ist, wobei die Bedieneinheit in einer Betriebsart betreibbar ist, in der ein schnelles Durchlaufen in Richtung kleinerer oder größerer Programmplatznummern erfolgt und das schnelle Durchlaufen während einer [X.] ei-ner der beiden Tasten erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass auf einem Display (16) eine rollierende, alphanumerische An-zeige der Programmplatznummer erfolgt, und dass die [X.] (10) auf eine neue Empfangsfrequenz erst nach Beendigung der genannten [X.] einer der beiden Tasten (5, 6) erfolgt.

5.
[X.] mit einem Tuner, welcher auf die den ein-zelnen Programmplatznummern zugeordneten Empfangsfre-quenzen abstimmbar ist, und einer Bedieneinheit zur Anwahl der Programmplatznummern mittels zweier Tasten, von denen eine zur Anwahl von [X.] mit kleinerer [X.] und die andere zur Anwahl von [X.] mit größerer Programmplatznummer vorgese-hen ist, wobei die Bedieneinheit in einer Betriebsart betreibbar ist, in der ein schnelles Durchlaufen in Richtung kleinerer oder größerer Programmplatznummern erfolgt und das schnelle Durchlaufen während einer [X.] einer der beiden Tasten erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass während des schnellen Durchlaufens in Richtung kleinerer oder größerer 1
-
4
-
Programmplatznummern auf dem Bildschirm (16) des Fern-sehempfängers den Programmplatznummern zugeordnete [X.] in Tabellenform dargestellt wer-den, wobei das schnelle Durchlaufen in der Tabelle optisch signalisiert wird, und dass die Abstimmung des Tuners (10) auf eine neue Empfangsfrequenz erst nach Beendigung der genannten [X.] einer der beiden Tasten (5, 6) er-folgt."
Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch ge-nommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei im Umfang seiner Patentansprüche
1 bis
7 sowie
9 (soweit rückbezogen auf die Ansprüche
1 bis
7) nicht patentfähig.
Das Patentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprü-che
5, 6 und 9, soweit auf Anspruch
5 oder Anspruch
6 in seiner Rückbezie-hung auf Patentanspruch
5 rückbezogen, für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Hiergegen richten sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die voll-ständige Klageabweisung erreichen will und hilfsweise das Streitpatent mit be-schränkten Fassungen des Patentanspruchs
5 verteidigt, sowie die Berufung der Klägerin und ihrer (zweitinstanzlichen) Streithelferin, mit der diese die wei-tergehende Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang der Patentansprü-che
1 bis 4, des Patentanspruchs
6, soweit hierauf rückbezogen, des
Patentan-spruchs
7 in seiner
Rückbeziehung auf die Patentansprüche
1 bis
6
sowie des Patentanspruchs
9 in seiner Rückbeziehung auf die Ansprüche
1
bis
4, 6 und
7 erstreben.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.

K.

ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Ver-
handlung erläutert und ergänzt hat.
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3
4
5
-
5
-
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft ein Gerät der Unterhaltungselektronik, insbe-sondere ein Fernsehgerät, mit einer Bedieneinheit zur Anwahl von [X.]n.
1.
Im Stand der Technik war für solche Geräte, wie die Patentschrift er-läutert, eine Programmumschaltung mittels Aufwärts-
und [X.] [X.]. Zur Umschaltung von Programmplatz
1 auf Platz
10 war es danach nö-tig, neunmal die [X.] zu betätigen, wobei jeweils eine Neuabstim-mung des Empfängers mit einem [X.]aufwand von etwa einer halben Sekunde erfolgte. Diese Art und Weise der Programmplatzumschaltung sieht das [X.] als umständlich und zeitaufwändig an. Soweit im Stand der Technik eine sequentielle Programmfortschaltung mittels einer [X.] von Tasten bekannt war, mit der alle 150
ms zum nächsten [X.] wird, kritisiert das Streitpatent daran, dass dabei ein störendes Flimmern auf dem Bildschirm des [X.] auftritt.
2.
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das Problem, einen schnellen und komfortablen Programmwechsel zu ermöglichen.
3.
Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch
1 ein Gerät der Unterhaltungselektronik mit folgenden (wie im angefochtenen Urteil geglieder-ten) Merkmalen vor:
1
einen
Tuner, welcher auf die den einzelnen [X.] zugeordneten Empfangsfrequenzen abstimmbar ist;
2
eine Bedieneinheit zur Anwahl der Programmplatznummern mittels zweier Tasten, von denen
2.1
eine zur Anwahl von [X.] mit kleinerer [X.] vorgesehen ist und
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7
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9
-
6
-
2.2
die andere zur Anwahl von [X.] mit größe-rer Programmplatznummer,
2.3
wobei die Bedieneinheit in einer Betriebsart betreibbar ist,
2.3.1
in der ein schnelles Durchlaufen in Richtung kleinerer oder größerer Programmplatznummern erfolgt
2.3.2
und zwar während einer [X.] einer der beiden Tasten;
3
eine rollierende, alphanumerische Anzeige der [X.] auf einem Display (16);
4
die Abstimmung des Tuners (10) auf eine neue Empfangsfre-quenz erfolgt erst nach Beendigung der [X.] einer der beiden Tasten (5, 6).
Beim Gegenstand von Patentanspruch
5, der anders als Anspruch
1 nicht allgemein auf ein Gerät der Unterhaltungselektronik, sondern auf einen [X.] gerichtet ist, tritt an die Stelle des Merkmals
3 das folgende Merkmal
3':
3'
während des schnellen Durchlaufens in Richtung kleinerer oder
größerer Programmplatznummern
3.1'
werden auf dem Bildschirm
(16) des [X.] den Programmplatznummern zugeordnete [X.] in Tabellenform dargestellt und
3.2'
wird das schnelle Durchlaufen in der Tabelle optisch sig-nalisiert.
10
-
7
-
4.
Zwei Merkmale bedürfen einer kurzen Erläuterung:
a)
Soweit in der Merkmalsgruppe
2.3 ein "schnelles Durchlaufen" [X.] wird, ist dies entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts
dahin auszulegen, dass erfindungsgemäß für einen Wechsel von einem [X.] zum nächsten weniger [X.] benötigt wird,
als für eine Neuabstimmung des Empfängers erforderlich wäre. Der beschleunigte Lauf durch die [X.]n soll dadurch erreicht werden, dass dies statt einer Mehrfachbetä-tigung durch eine [X.] der Tasten erfolgen kann sowie die [X.] erst zum Schluss erfolgt und damit die
zeitaufwändige [X.] bei jedem Voranschreiten zur nächsten Programmplatznummer entfällt (Sp.
1 Z.
32
bis 43). Da im Gegensatz zu dem individuell
sehr unter-schiedlichen [X.]aufwand für eine Mehrfachbetätigung der Tasten nur letzteres im Sinne einer beschleunigten Durchführung der Programmumschaltung (Sp.
2 Z.
18
bis 23) messbar
ist, setzt ein im Sinne der Merkmalsgruppe
2.3 schnelles
Durchlaufen
für das Voranschreiten zur jeweils nächsten Programmplatznum-mer einen geringeren [X.]aufwand voraus,
als für eine Neuabstimmung des Tuners erforderlich wäre.
b)
Merkmal
4 verlangt nicht,
wie es das Patentgericht im Zusammen-hang mit der Prüfung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentan-spruchs
5 zutreffend ausgeführt hat, dass die Abstimmung des Empfängers automatisch und unmittelbar nach Beendigung der [X.] einer der beiden Tasten erfolgt, sondern gibt nur vor, dass diese nicht vorher vorgenom-men wird. Für die Auslegung des Merkmals
4 ist nicht allein auf eines der bei-den Ausführungsbeispiele der Beschreibung des Streitpatents abzustellen. Um-fasst ist daher auch eine Ausgestaltung, bei der die
Programmauswahl anhand einer Tabelle gemäß der Merkmalsgruppe
3' zusätzlich auch mittels eines wie-derholten Drückens
der Steuertasten durchgeführt werden kann und gleichwohl von einer Neuabstimmung des Tuners abgesehen wird. Dies erfordert,
das En-11
12
13
-
8
-
de der Programmauswahl auf andere Weise
zu signalisieren, wie etwa
durch die Betätigung einer weiteren Taste.
II.
Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Patentanspruchs
1 sei patentfähig. Es könne nicht festgestellt werden, dass der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgeführte [X.] V.

des Herstellers S.

zum Stand der Technik gehöre. Die Inaugenscheinnahme des Geräts habe zwar ergeben, dass bei dem Videorecorder sämtliche Merkmale des Patentan-spruchs
1 realisiert seien. Auch wenn unterstellt werde, dass das vorgeführte Gerät oder jedenfalls Geräte des gleichen Typs vor dem [X.] auf dem Markt angeboten und vertrieben worden seien, habe die Klägerin aber die Mög-lichkeit einer nachträglichen Veränderung von Hard-
und Software nicht entkräf-ten können. Diese Möglichkeit sei auch nicht fernliegend, weil solche Verände-rungen insbesondere durch planmäßige oder außerplanmäßige Software-Updates, Reparaturen oder dergleichen vorgenommen worden sein könnten. Die aus dem Stand der Technik entgegengehaltenen Schriften nähmen den Gegenstand des Patentanspruchs
1 weder vorweg noch legten sie ihn nahe.
Der Gegenstand des Patentanspruchs
5 beruhe hingegen nicht auf erfin-derischer Tätigkeit. Der [X.] Offenlegungsschrift
39
21
847 ([X.]) sei eine für den Fernsehempfang verwendbare Einrichtung zur Programmwahl mittels Teletext-Tabellen zu entnehmen. Sie finde Anwendung in einem Fernsehgerät, das auch einen Tuner aufweise und über eine Bedieneinheit mit Tasten zur Anwahl von kleineren und größeren [X.] verfüge. Diese Bedien-einheit bewege einen [X.] durch eine auf dem Bildschirm wiedergegebene tabellarische Programmübersicht mit Programmplatznummern sowie [X.]. Bei einem Programmwechsel werde zunächst die [X.] aufgerufen. Danach werde der [X.] auf die Zeile mit dem gewünschten 14
15
16
-
9
-
Programmplatz bewegt und die Wahl mit einer Bestätigungstaste ausgeführt. Der [X.] signalisiere mithin das Durchlaufen in der Tabelle auf optische [X.] (Merkmal
3.2'). Da die Tabelle nach aufsteigenden [X.] ge-ordnet sei, erfolge das Durchlaufen der Tabelle entweder in Richtung kleinerer oder größerer [X.]. Erst nach Bedienung der Bestätigungstaste würden die erforderlichen Abstimmdaten für den zuvor ausgewählten [X.] ermittelt und der Tuner auf die neue Empfangsfrequenz [X.] (Merkmal
4). Da die Abstimmung des Tuners gemäß der [X.] erst nach Betätigung der Steuertasten erfolge, so dass beim Durchlaufen der einzelnen [X.] die für ein Abstimmen des Tuners erforderliche [X.] entfal-le, entnehme der Fachmann dieser Lehre, dass die Programmplatznummern schnell durchlaufen werden könnten (Merkmale
2.3.1 und
3').
Der Gegenstand des Patentanspruchs
5 unterscheide sich damit von der [X.] nur dadurch, dass diese nicht offenbare, ob die Steuertasten zum Durchlau-fen der Programmplatznummern dauerhaft gedrückt werden könnten und auf diese Weise eine schnelle
Bewegung des [X.]s durch die Tabelle bewirkt werden könne. Eine solche Ausgestaltung zur Betätigung der Steuertasten liege jedoch für den Fachmann

als den das Patentgericht einen Diplomingenieur mit universitärer Ausbildung in der Elektro-, Informations-
oder Nachrichtentechnik mit Erfahrungen in der Entwicklung von Komfortfunktionen für Rundfunk-
und [X.] angesehen hat

zur weiteren Erhöhung der [X.] nahe, weil ihm zum maßgeblichen [X.]punkt aus dem Alltagsge-brauch [X.]steuerungen mit einer [X.] von Steuertasten bekannt gewesen seien und zudem in Aufsätzen der [X.]schrift Funk-Technik (1984, S.
238
bis 240 ([X.].
[X.]) sowie S.
296
bis 297) eine [X.] durch Dauerdruck auf Tasten zur [X.], mit der alle 150
ms zum nächsten Programmplatz weitergeschaltet werde, beschrieben gewesen sei.
17
-
10
-
III.
Dies hält der Berufung der Beklagten, nicht aber der Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin stand.
1.
Der Gegenstand des Patentanspruchs
1 ist gegenüber der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung nicht neu.
a)
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts weist der von der Klägerin präsentierte Videorekorder des Typs S.

V.

sämtliche Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch
1 auf.
b)
Aufgrund
des
Ergebnisses
der Beweisaufnahme ist der Senat
davon überzeugt, dass Videorekorder mit den im vorliegenden Zusammenhang inter-essierenden technischen Merkmalen dieses Geräts vor dem [X.] in den Verkehr gebracht wurden und damit der Öffentlichkeit zugänglich waren.
Der erstinstanzlich vorgelegte Videorekorder weist auf einem in ihm [X.] Elektromotor die Datumsangabe "28
Oct
90" auf, was auf ein Herstel-lungsdatum für diesen Elektromotor vom 28.
Oktober 1990 hinweist. Weiterhin sind auf einer Trägerplatte dieses Videorekorders die Zahlen "90-12-19" einge-stanzt, was mit einem Herstellungsdatum vom 19.
Dezember 1990 korrespon-dieren könnte. Ein weiterer, zweitinstanzlich vorgelegter Videorekorder des Typs S.

V.

, der unbestritten ebenfalls sämtliche Merkmale des Ge-
genstands von Patentanspruch
1 aufweist, enthält eine Trägerplatte mit den eingestanzten Zahlen "91-02-27", was mit einem Herstellungsdatum vom 27.
Februar 1991 korrespondieren könnte. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass auch Anfang der 1990er Jahre Zulieferteile wie der Elektromo-tor in der Regel nicht lange
im Lager gehalten wurden.
Beide Videorekorder tragen ein fernmeldetechnisches Zulassungszei-chen gemäß §
15 und [X.]age
1 der [X.] vom 15.
April 1988 mit einem Posthorn als Postsignum und einer Zulassungsnum-mer, die gemäß der von der Klägerin vorgelegten Auskunft der Bundesnetz-18
19
20
21
22
23
-
11
-
agentur ([X.].
[X.]) auf eine fernmeldetechnische Zulassung vom 6.
April 1990 hinweist. Gemäß §
16 und [X.]age
1 der Telekommunikationszulassungsver-ordnung vom 22.
März 1991, welche an die Stelle der [X.] trat, musste das Zulassungszeichen für Funkanlagen im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz
2 Fernmeldeanlagengesetzes
(in der Fassung vom 3.
Juli 1989) wie die von der Klägerin präsentierten Videorekorder ab dem 1.
April 1991 ei-nen Bundesadler tragen. Lediglich für eine Übergangszeit bis zum 31.
Dezem-ber 1991 durfte das Zulassungszeichen noch mit einem Postsignum und ohne Bundesadler entsprechend §
15 der [X.] versehen sein.
Der Senat folgert aus diesen Indizien mit dem erforderlichen, aber auch ausreichenden,
für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit (vgl. [X.],
Urteil vom 17.
Februar 1970

III
ZR
139/67, [X.]Z 53, 245, 255 f.
unter
II
2
a) ein Inverkehrbringen der beiden präsentierten Videorekorder vom
Typ S.

V.

vor dem 1.
Januar 1992. Es ist zwar jeweils für sich ge-
nommen denkbar, dass einzelne der vorgenannten Indizien bei einem nach diesem Datum in den Verkehr gebrachten Videorekorder dieses Typs aufgetre-ten sind. Die Möglichkeit, diese Indizien könnten sämtlich in Koinzidenz bei bei-den der präsentierten Videorekorder aufgetreten sein, ist indessen so fernlie-gend, dass Zweifeln Schweigen geboten ist, auch wenn solche nicht völlig aus-zuschließen sein mögen (vgl. dazu [X.],
Urteil vom 17.
Februar 1970,
aaO.).
c)
Ebenso ist der Senat davon überzeugt, dass die technische Funktio-nalität der präsentierten Videorekorder insbesondere hinsichtlich der Merkmale, die dem Gegenstand des Patentanspruchs
1 entsprechen, seit der Herstellung der Rekorder nicht verändert wurde. Die Videorekorder sind gemäß den Aus-führungen des Sachverständigen mit einem Mikrocontroller bestückt, der im Chip einen Nur-Lese-Speicher ([X.], [X.]) mit dem die [X.] enthält. Der Speicher wird mit Hilfe von 24
25
-
12
-
Masken bei der Herstellung programmiert. Eine nachträgliche Veränderung die-ses Programms insbesondere im Sinne
von Software-
oder Firmwareupdates ist danach nicht mehr möglich. Ein Austausch des Mikrocontrollerchips
nebst seinem Speicher als Ganzes hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit an den [X.] Spuren hinterlassen, welche der Sachverständige jedenfalls an dem ersten von der Klägerin präsentierten Videorekorder nicht feststellen konnte.
Zweifel an der Integrität der Geräte ergeben
sich auch nicht aus der Möglichkeit, dass der [X.] in
den Videorekordern zusammen mit einem [X.] ausgewechselt wurde. Dies bedeutete, dass ein sol-cher Austausch
der Platine
auf beiden, unabhängig voneinander von der Kläge-rin über das [X.] gebraucht erworbenen Videorekordern vorgenommen und dabei bei beiden jeweils ein neuer [X.] eingebaut worden sein müsste, dessen Programmierung hinsichtlich eines
der Merkmale des Gegen-stands des Streitpatents nach dem [X.] verändert worden wäre. Die Möglichkeit einer solchen
Koinzidenz ist ebenfalls fernliegend und steht daher der Überzeugung des Senats von der Vorbenutzung der Rekorder in ihrer heu-tigen technischen Beschaffenheit nicht entgegen.
2.
Der Gegenstand des Patentanspruchs
5 ist vom Patentgericht zu Recht als nicht patentfähig angesehen worden, weil er nicht auf einer erfinderi-schen Tätigkeit beruht.
a)
Die Annahme des Patentgerichts, die [X.] offenbare bis auf das Merkmal des Schnelldurchlaufs durch [X.] einer Auf-
oder Ab-wärts-Taste (Merkmal
2.3.2) sämtliche Merkmale des Patentanspruchs
5, wird von der Berufung der Beklagten
nur hinsichtlich der Merkmale
2.3.1 und
4 an-gegriffen. Hinsichtlich der übrigen Merkmale wird deshalb auf die Ausführungen des Patentgerichts verwiesen.
26
27
28
-
13
-
aa)
Die [X.] beschreibt, dass die Programmwahl nach dem Drücken einer Bestätigungstaste ausgeführt wird, nachdem im [X.] die Programmübersicht aufgerufen und der [X.] auf den gewünschten [X.] bewegt wurde. Für die Programmwahl wird vom [X.] die Programmplatznummer ermittelt, auf welcher der [X.] steht, und anschlie-ßend die Adresse ermittelt, unter welcher die Abstimmdaten abgespeichert sind ([X.], Sp.
2 Z.
14
bis 25). Somit werden bei dieser Programmwahl die [X.] für den Fernsehempfang erst ermittelt, nach-dem der [X.] zu dem gewünschten Programmplatz vorgerückt und die Bestä-tigungstaste betätigt wurde. Dies entspricht

abgesehen von einer in der [X.] nicht offenbarten [X.] der [X.]tasten

dem Merkmal
4, auch wenn die Abstimmung des Tuners nicht unmittelbar nach dem Drücken der [X.]tasten,
sondern erst nach dem Drücken einer Bestätigungstaste erfolgt.
bb)
Weiterhin lehrt die [X.] ein schnelles Durchlaufen der [X.] in dem Sinne, dass für den Wechsel von einer Programmplatznum-mer zur nächsten weniger [X.] verstreicht, als es für eine Abstimmung des [X.] nötig wäre. Wie das Patentgericht zutreffend erkannt hat, entnimmt der Fachmann, den das Patentgericht zutreffend definiert hat, dem Wegfall eines Abstimmvorgangs am Tuner nach jedem Vorrücken zur nächsten [X.], dass damit die das Vorrücken in Anspruch nehmende [X.] we-sentlich verkürzt wird. Es kommt nur noch auf die [X.] an, die der Nutzer für das mehrmalige Drücken der [X.]tasten benötigt. Diese ist deutlich kürzer
als die jedenfalls zum Prioritätszeitpunkt erforderliche [X.] für ein jeweils erneutes Ab-stimmen des Tuners. Der Fachmann entnimmt dem Fehlen eines Abstimmvor-gangs beim Vorrücken zwischen den Programmplatznummern deshalb, dass dieses Vorrücken schnell im Sinne des in der Merkmalsgruppe
2.3 verwendeten [X.] "schnelles Durchlaufen" vollzogen wird, womit die [X.] ihn
auch das Merkmal
2.3.1 lehrt.
29
30
-
14
-
b)
Ausgehend von dieser Lehre der [X.] lag es für den Fachmann nahe, eine [X.] der Auf-
und [X.] vorzusehen.
Der Aufsatz [X.] beschreibt ein Abstimmsystem für Fernseh-
und Rund-funkgeräte, bei dem die Programme mit Hilfe von Plus-
und Minus-Tasten aus-gewählt werden können. Wenn eine dieser Tasten länger als 0,6
Sekunden ge-drückt wird, wird eine automatische Wiederholungsfunktion wirksam, mit der alle 150
ms zum nächsten [X.] wird. Dies entspricht dem Merkmal
2.3.2.
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt und der Sach-verständige bestätigt hat, zeigt die [X.] insoweit exemplarisch eine dem [X.]
bereits zum Prioritätszeitpunkt allgemein bekannte, zum Stand der Tech-nik gehörende
Wiederholungsfunktion für die Nutzung von [X.]tasten.
Ausgehend von der [X.] hatte der Fachmann [X.]ass, den Komfort der dort gezeigten Programmauswahl mit der allgemein
bekannten und in der [X.] exemplarisch für die Programmauswahl in einem [X.] gezeigten Wiederholungsfunktion zu verbessern, um den Nutzern der [X.] die mit dieser Funktion verbundene Erleichterung nicht vorzuenthalten. Es war deshalb
vom Fachmann allgemein zu erwarten, diese unter anderem aus der [X.] für Fernsehgeräte bekannte Funktion gemäß Merkmal
2.3.2 auch in einem Gerät zu implementieren, das entsprechend der [X.] alle weiteren Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch
5 aufwies.
3.
Patentanspruch
5 ist auch nicht in der Fassung einer der gestellten Hilfsanträge rechtsbeständig. Keiner
der Gegenstände der mit den Hilfsanträ-gen verteidigten Fassungen des Streitpatents erweist sich als patentfähig. Die
Frage der Zulässigkeit der Hilfsanträge kann daher offen bleiben.
a)
Gemäß Hilfsantrag
IV

welcher sämtliche Merkmale der Hilfsanträ-ge
I bis
III enthält

wird Patentanspruch
5 hinsichtlich seines Merkmals
3.1' da-hin
modifiziert, dass
31
32
33
34
35
-
15
-
"auf dem Bildschirm
(16) des [X.] ein
Bildinhalt und
den Programmplatznummern zugeordnete Senderkurzbe-zeichnungen in Tabellenform dargestellt
werden"
(Unterstreichung zum Vergleich mit Merkmal
3.1' in der erteilten Fassung)
und am Ende mit folgenden Merkmalen
ergänzt:
"wobei einem Mikrocomputer des [X.] eine Infor-mation über die Beendigung der genannten [X.] einer der beiden Tasten übermittelt wird,

der Mikrocomputer als Reaktion auf die Übermittlung der Informa-tion über die [X.] einer der beiden Tasten steuert, dass die den Programmplatznummern zugeordneten [X.] in Tabellenform auf dem Bildschirm dargestellt werden

und der Mikrocomputer als Reaktion auf die Übermittlung der [X.] über die Beendigung der [X.] einer der bei-den Tasten
die Abstimmung des Tuners auf die neue Empfangs-frequenz einleitet."
aa)
Die Darstellung der in der [X.] gezeigten Programmplatznummern stützt sich technisch auf die
damals bekannte
Realisierung von [X.] auf Fernsehbildschirmen. Für diese Technik war es entsprechend den Ausfüh-rungen des Sachverständigen bekannt, die [X.] mit dem laufenden Fernsehprogramm zu hinterlegen. Bei einer tabellierten Darstellung der Pro-grammplätze im Teletextformat lag es daher nahe, hierfür auch die Option einer Hinterlegung mit dem laufenden Fernsehprogramm vorzusehen.
bb)
Es kann offen bleiben, ob der Gegenstand eines gemäß Hilfsan-trag
IV am Ende ergänzten Patentanspruchs
5 anders als Merkmal
4 der erteil-ten Fassung
fordert, dass auf die Beendigung der [X.] einer der 36
37
-
16
-
beiden Tasten zur Programmauswahl unmittelbar, also ohne die Betätigung einer Bestätigungstaste,
die Abstimmung des Tuners eingeleitet wird. Auch bei einer solchen Auslegung wäre der Gegenstand gemäß Hilfsantrag
IV nicht pa-tentfähig.
Für eine Programmwahl gemäß der [X.] sowie für die Wiederholungsfunk-tion gemäß der [X.] war es entsprechend den Ausführungen des Sachverständi-gen erforderlich und deshalb naheliegend,
einen Mikrocomputer einzusetzen, dem die für seinen Programmablauf erforderlichen Informationen zugeleitet werden mussten. Zu diesem von ihm gesteuerten Programmablauf gehört auch die Darstellung der Tabelle auf dem Bildschirm gemäß der Merkmalsgruppe
3' sowie das Einleiten der Abstimmung des Tuners gemäß Merkmal
4.
Dabei kann der Fachmann vorsehen, dass der Tuner unmittelbar nach der Beendigung eines Dauerdrückens der [X.]tasten neu abgestimmt oder vor diesem Schritt noch das Drücken einer Bestätigungstaste oder ein ähnli-ches Signal abgewartet wird. Entsprechend
den Ausführungen des Sachver-ständigen waren dem Fachmann für die Auswahl eines Elements aus einer [X.] beide Varianten bekannt, so dass von ihm zu erwarten war, je nach Zweckmäßigkeit eine der beiden Varianten vorzusehen.
Hinsichtlich der Zweckmäßigkeit kam es dabei auf weitere, zum Stand der Technik gehörende
Faktoren an, wie etwa die Schnelligkeit des Durchlaufens der Tabelle und der Häufigkeit,
mittels der [X.] über das Ziel hinaus zu gelangen,
sowie den allgemeinen Erwartungen der Nutzer an die Menüführung.
Technische Schwierigkeiten waren hierfür nicht zu überwinden. Es hat daher für den [X.] auch eine Ausgestaltung nahegelegen, bei der der Tuner unmittelbar auf die Beendigung der [X.] einer der beiden [X.]tasten neu abge-stimmt und dies mit den weiteren Merkmalen des Gegenstands gemäß Hilfsan-trag
IV kombiniert wird.
38
39
-
17
-
b)
Danach
fehlt auch die Patentfähigkeit der Gegenstände gemäß den Hilfsanträgen
I bis
III, denen jeweils Teilmerkmale von Hilfsantrag
IV fehlen und die damit einen Gegenstand gemäß Patentanspruch
4
umfassen.
Dasselbe gilt für Hilfsantrag
VIII; er
umfasst unter Streichung von Teilmerkmalen gemäß Hilfsantrag
IV den Gegenstand dieses [X.]. Die Abweichung in der Formulierung,
nach der anstelle der Worte "alder [X.]

" das Wort "daraufhin"
verwendet wird, führt nicht zu einem Patentgegenstand, der den Gegenstand gemäß Hilfsantrag
IV nicht um-fasste.
c)
Gemäß den Hilfsanträgen
V bis
VII soll das Streitpatent lediglich
die beiden erteilten Patentansprüche
1 und
5 oder nur einen dieser beiden Pa-tentansprüche aufweisen. Da sowohl der Patentanspruch
1 als auch der erteilte Patentanspruch
5 nicht rechtsbeständig sind, sind auch die Gegenstände ge-mäß den Hilfsanträgen
V bis
VII nicht patentfähig.
4.
Anhaltspunkte dafür, dass eine Einbeziehung von Merkmalen der [X.] einen patentfähigen Gegenstand des Patentanspruchs
1 oder
5 ergeben könnte, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
40
41
42
-
18
-
IV.
Die Kostenfolge beruht auf §
121 Abs.
2 [X.], §
91 Abs.
1, §
97 Abs.
1, §
101 Abs.
2 ZPO ([X.], Urteil vom 16.
Oktober 2007

X
ZR
226/02, [X.], 60 -
Sammelhefter
II).
Meier-Beck
Grabinski
[X.]

Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 03.11.2010 -
5 Ni 55/09 ([X.]) -

43

Meta

X ZR 29/11

18.12.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. X ZR 29/11 (REWIS RS 2014, 115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 115

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 61/10 (Bundesgerichtshof)


5 Ni 53/09 (EU) (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


X ZR 128/13 (Bundesgerichtshof)


X ZR 106/10 (Bundesgerichtshof)


X ZR 71/19 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitssache: Zulässigkeit der Berufung des Klägers bei erklärtem Nichtangriff des vom Beklagten mit einem Hilfsantrag …


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