Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2008, Az. II ZR 257/07

II. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1858

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[X.] vom 22. September 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; HGB §§ 161, 128; [X.] § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; ZPO §§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 887 a) Die Feststellung allein, dass ein Verbraucher eine Vertragserklärung in seiner Privatwohnung abgegeben hat, rechtfertigt noch nicht die Annahme, er habe sich in einer für die Bejahung einer Haustürsituation erforderlichen typischen Über-rumpelungssituation befunden und sei deshalb zum Widerruf der Erklärung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] (jetzt: § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) berechtigt. b) Bei der Erstellung der von der [X.] geschuldeten [X.] handelt es sich um eine vertretbare Handlung nach § 887 ZPO mit der Folge, dass gemäß § 128 HGB neben der [X.] auch die Gesellschafter, insbesondere der geschäftsführende Gesell-schafter, auf Erstellung der [X.] in Anspruch genommen und verklagt werden können. c) § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist entsprechend anzuwenden, wenn das erstin-stanzliche Gericht eine Stufenklage insgesamt abgewiesen hat, das Berufungsge-richt hingegen dem Rechnungslegungsanspruch (hier: dem Anspruch auf Erstel-lung einer [X.]) stattgibt. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das erstinstanzliche Gericht hinsichtlich der nicht beschiedenen Anträge der Stufenklage kommt daher nur in Betracht, wenn eine [X.] einen entsprechenden Antrag stellt ([X.] an [X.], [X.]. v. 3. Mai 2006 - [X.], [X.], 2626 f. [X.]. 14 f.). [X.], Beschluss vom 22. September 2008 - [X.]/07 - [X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 22. September 2008 durch [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Beschwerde der [X.] wird das [X.]eil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 11. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 60.000,00 • Gründe: Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen [X.]eils zur Zurückverweisung an das [X.]. Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, der Kläger habe seinen Gesellschaftsbeitritt in einer Haustürsituation erklärt und sei gemäß dem - hier noch einschlägigen - § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] zum Widerruf des Bei-tritts berechtigt, den Anspruch der [X.] auf Gewährung rechtlichen [X.] in entscheidungserheblicher Weise verletzt. 1 1. Die Feststellung des Berufungsgerichts "Grundsätzlich ist zwischen den [X.]en unstreitig, dass die Beitrittserklärung durch den Kläger in einer Haustürsituation nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 [X.] abgegeben worden ist. Denn die 2 - 3 - Beitrittsurkunde wurde von ihm - unbestritten als Verbraucher nach § 13 [X.] - in seiner Privatwohnung unterzeichnet –" ist angesichts des Vortrags der [X.] und der Begründung des [X.], die der Kläger nicht durch hierge-gen gerichtete Angriffe im Berufungsverfahren in Frage gestellt hat, derart un-verständlich, dass sie nur den Schluss zulässt, dass das Berufungsgericht das Vorbringen zu den Umständen des Vertragsschlusses bei seiner Entscheidung vollständig ausgeblendet hat. a) Der Kläger hatte in der Klageschrift, in der er - lediglich - [X.] wegen Prospektmängeln geltend gemacht hatte, vorgetragen, er habe in der [X.] vor seinem Beitritt "von Oktober bis November 2000 mehrere Gespräche" mit [X.]

geführt, der ihm die Beteiligung vermittelt habe ([X.]). In den "verschiedenen [X.], die sich über den [X.]raum von Oktober bis November 2000 erstreckten", habe der Vermittler ihn nur unvollständig und falsch über die Umstände informiert, die "für die Bil-dung seines Willens, sich zu beteiligen", von erheblicher Bedeutung gewesen seien ([X.] Seite 12 f.). In völligem Widerspruch hierzu hat er sodann Monate später behauptet, [X.]habe am 21. November 2000 mit ihm wegen einer Beteiligung an der [X.] zu 1 telefonisch Kontakt aufgenommen, ihn wie angekündigt am 22. November 2000 in seiner Wohnung aufgesucht und ihn dort überredet, noch am selben Abend die Beitrittserklärung zu unterzeichnen ([X.]7 f.). Die [X.] haben hierauf ausführlich erwidert und unter anderem den Kläger daran erinnert, dass es nach seinem eigenen Vortrag mehrere [X.] gegeben habe, diese hätten zum Teil sogar unter Beteiligung des Steuerberaters des [X.] stattgefunden. Darüber [X.] habe es - auch - mehrere Gespräche zur Vorbereitung der Fremdfinanzie-rung der Anlage gegeben, was letztlich dazu geführt habe, dass [X.]die [X.] aus eigenen Mitteln vorgestreckt habe. Auch handele es sich bei dem Kläger um einen in Finanzangelegenheiten erfahrenen 3 - 4 - Kaufmann, der sogar selbst einen Fonds initiiert habe, der von [X.] vermittelt worden sei. Unter anderem ausgehend hiervon hat das [X.] das Vorliegen einer Haustürsituation bei Abgabe der Beitrittserklärung [X.] und den Kläger in diesem Zusammenhang an seinen Vortrag aus der [X.] "erinnert". 4 b) Unstreitig war nach alledem zwischen den [X.]en lediglich, dass der Kläger als Verbraucher die Beitrittserklärung in seiner Privatwohnung unter-schrieben hat. Das reicht aber entgegen der offenbar bestehenden Fehlvorstel-lung des Berufungsgerichts zur Darlegung einer Haustürsituation im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.] nicht ansatzweise aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] setzt ein Widerrufsrecht im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] voraus, dass der Verbraucher durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz zu einer späteren Vertragserklärung bestimmt [X.] ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen [X.] oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (siehe nur [X.] 123, 380, 392 f.). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] und der Vertragserklärung wird für den Nachweis des Kausalzusammenhangs vom Gesetz zwar nicht [X.] ([X.], [X.]. v. 20. Mai 2003 - [X.], [X.], 1370, 1372). Die von einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung für den Kausalzusammenhang nimmt aber mit zunehmenden zeitlichen Abstand ab und kann nach einer gewissen [X.] ganz entfallen ([X.] 131, 385, 392). Welcher [X.]raum hier erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch ande-ren Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist dabei eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalls, die grundsätzlich jeweils dem 5 - 5 - Tatrichter obliegt und die deshalb in der Revisionsinstanz nur beschränkt [X.] werden kann ([X.], [X.]. v. 9. Mai 2006 - [X.], [X.], 1243 [X.]. 14 m.w.Nachw.). Bei längerem zeitlichen Abstand bleibt dem Verbraucher der Nachweis gleichwohl bestehender Kausalität unbenommen ([X.] 131 [X.]O m.w.Nachw.). Für die Entstehung des Widerrufs gelten im Übrigen die allge-meinen Regeln zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Der [X.] hat daher alle Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 [X.] einschließlich des Vorliegens einer Haustürsituation sowie deren Kausalität für den Abschluss darzulegen und zu beweisen ([X.] 131 [X.]O; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 312 [X.]. 11; [X.]/[X.], [X.] [2005] § 312 [X.]. 71, 125). c) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist die unvollständige Tatsachenerfassung durch das Berufungsgericht entscheidungserheblich. 6 Hätte das Berufungsgericht die Widersprüchlichkeit des Vortrags des [X.], auf die die [X.] ebenso wie das [X.] hingewiesen haben, ebenso zur Kenntnis genommen wie den Umstand, dass der Kläger weder erst- noch zweitinstanzlich auch nur den Ansatz des Versuchs unternommen hat, diesen Widerspruch aufzuklären, ist - zumindest - nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht seinen Vortrag zum Vertragsschluss am 22. November 2000 aufgrund eines am 21. November 2000 erfolgten Telefonanrufs des [X.] für unschlüssig gehalten hätte. Hätte es ihn deshalb an seinem ur-sprünglichen Vortrag festgehalten, demzufolge nicht nur mehrere Beratungsge-spräche stattgefunden haben, deren Gegenstand die Einzelheiten der [X.] waren und aufgrund derer der Kläger seinen Willen dazu gebildet hat, ob er den Beitritt erklärt oder nicht, und hätte es zusätzlich noch den im [X.] unwi-dersprochenen Vortrag der [X.] berücksichtigt, wonach es sich bei dem Kläger um einen in Finanzangelegenheiten nicht unerfahrenen Kaufmann han-delt, so kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es schon aufgrund 7 - 6 - dieses beiderseitigen Vortrags zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der inso-weit darlegungspflichtige Kläger weder die Haustürsituation noch deren Kausali-tät für den Vertragsschluss schlüssig dargelegt hat (siehe insoweit z.B. [X.], [X.]. v. 9. Mai 2006 - [X.], [X.], 1243, [X.]. 15). Jedenfalls aber hätte die vollständige Zurkenntnisnahme des Vortrags beider [X.]en zwin-gend zu dem Ergebnis führen müssen, dass die Frage der Haustürsituation und deren Kausalität für den Vertragschluss zwischen den [X.]en streitig war; das Berufungsgericht hätte daher unter zutreffender Verteilung der Beweislast die von den [X.]en angebotenen Beweise in jedem Fall vollständig erheben und das Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechend der Verteilung der Beweislast würdigen müssen. Bei zutreffender Sachbehandlung wäre es ausgeschlossen gewesen, dass das Berufungsgericht den vom Kläger benannten Zeugen als "gegenbeweislich benannten" Zeugen behandelt und aufgrund der Aussage des [X.]zu einem non liquet zu Lasten der nicht beweisbelasteten [X.] gelangt wäre. 2. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da wei-tere Erkenntnisse zum tatsächlichen Ablauf der Vertragsverhandlungen nicht ausgeschlossen sind. Denn der Kläger hat - vom Berufungsgericht bislang übergangen - für seine "neue" Version der Umstände des Vertragsschlusses - auch - seine Ehefrau als Zeugin benannt. 8 a) Das Berufungsgericht wird in der wiedereröffneten mündlichen [X.] zunächst zu prüfen haben, ob es den Vortrag des [X.] zum [X.] einer Haustürsituation für schlüssig hält. Gelangt es zu dieser Bewer-tung, wird es die angebotenen Beweise vollständig zu erheben haben. Sollte es nach Durchführung der Beweisaufnahme wieder zu dem Ergebnis gelangen, der Kläger sei im [X.]punkt der Beitrittserklärung in einer Lage gewesen, in der seine Entschließungsfreiheit, den Vertrag abzuschließen oder abzulehnen, be-9 - 7 - einträchtigt war, und er sei deshalb zum Widerruf des Beitritts nach § 1 Abs. 1 [X.] berechtigt, wird es zu erwägen haben, ob es den Rechtsstreit entspre-chend § 148 ZPO bis zur Erledigung des auf Grund des [X.] vom 5. Mai 2008 ausgesetzten Rechtsstreits [X.] aussetzt. 10 b) Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: [X.]) Sollte es im Ergebnis darauf ankommen, bestehen entgegen der [X.] der Nichtzulassungsbeschwerde keine Bedenken dagegen, auch die [X.] zu 2 zur Erstellung der [X.] zu verurteilen (siehe insoweit bereits [X.] 26, 25 ff.). Bei der Erstellung der [X.] handelt es sich um eine vertretbare Handlung (h.M. siehe nur [X.] Komm[X.]/[X.] 4. Aufl. § 738 [X.]. 30; [X.]/Boujong/[X.]/[X.], HGB 2. Aufl. § 131 [X.]. 4; [X.]/[X.], HGB 33. Aufl. § 131 [X.]. 57; [X.] KommHGB/[X.] 2. Aufl. § 131 [X.]. 136), mit der Folge, dass eine Erstreckung der Verpflichtung der [X.] [X.] gemäß §§ 161, 128 HGB auf die verbleibenden Gesellschafter und hier insbesondere auf die Komplementärin, die ohnehin als geschäftsfüh-rende Gesellschafterin für die Erstellung der [X.] zu-ständig wäre, rechtlich möglich und zulässig ist. 11 bb) Das Berufungsgericht wird bei einer erneuten Entscheidung ebenso zu beachten haben, dass eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Land-gericht, wie es ihm offensichtlich bei der angefochtenen Entscheidung vorge-schwebt hat, nur in Betracht kommen kann, wenn eine [X.] einen [X.] - 8 - chenden Antrag stellt (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO analog, siehe hierzu [X.], [X.]. v. 3. Mai 2006 - [X.], [X.], 2626 [X.]. 14 f.). Goette [X.]

[X.] Reichart

Drescher Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.01.2006 - 30 O 557/04 - [X.], Entscheidung vom 11.09.2007 - 14 U 45/06 -

Meta

II ZR 257/07

22.09.2008

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2008, Az. II ZR 257/07 (REWIS RS 2008, 1858)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1858

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