Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2004, Az. IX ZB 174/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2139

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[X.][X.]/03
vom 23. Juli 2004 in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 290 Abs. 1 [X.]

Die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 [X.] [X.] setzt eine die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigende Wir-kung der falschen oder unvollständigen Angaben grundsätzlich nicht voraus.
[X.], Beschluß vom 23. Juli 2004 - [X.] 174/03 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Kreft sowie [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]
am 23. Juli 2004 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des [X.] vom 24. Juni 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 70.000 Euro.

Gründe:
[X.]
Der Schuldner beantragte unter dem Datum des 8. September 2000 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gemäß § 305 [X.] und die Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 287 [X.]. In dem beigefügten Vermögensverzeichnis beantwortete er die Frage
"Haben Sie in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens in erheblichem Umfang Geld oder wertvolle Gegenstände verschenkt oder wertvolle Gegenstände in - 3 - einem nicht mehr zum normalen Geschäftsbetrieb zählenden [X.] veräußert?"
mit "nein". Den Verkauf von zwei Patenten im Jahre 1996 zum Preis von 28.620 DM an seine Schwester führte er nicht auf.

Auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 hat das Amtsgericht - [X.] - die Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 [X.] [X.] versagt, weil der Schuldner in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vorzulegenden Verzeich-nissen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht habe. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

I[X.]

Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 7, 289 Abs. 2 Satz 1 [X.]) und zulässig, jedoch unbegründet.

1. Indem der Antragsteller die Frage nach Schenkungen oder Veräuße-rungen in einem nicht mehr zum normalen Geschäftsgang zählenden Umfang verneinte, hat er unrichtige, zumindest unvollständige Angaben in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vorzulegenden Verzeichnissen gemacht. Dazu zählt das Verzeichnis des vorhandenen Vermögens (Vermögensverzeichnis). Darauf zielte die hier interessierende Frage. Schenkungen und Veräußerungen in ei-nem nicht mehr zum normalen Geschäftsgang zählenden Umfang können An-fechtungsansprüche begründen. Solche gehören zum Vermögen im Sinne des - 4 - § 305 Abs. 1 Nr. 3 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 305 Rn. 93). Der Schuldner hat sie deshalb mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenzulegen. Entsprechende Auskünfte müßte er auch auf Nachfrage - sogar des Insolvenzverwalters - erteilen (§ 97 Satz 1 [X.]). Er darf deshalb auch in den amtlichen Vordrucken gemäß § 305 Abs. 5 [X.] da-nach gefragt werden.

Der Verkauf von zwei Patenten, wobei der Erlös knapp 80 % des zu ver-steuernden Einkommens im Jahre des Verkaufs ausmachte, gehörte nicht mehr zum normalen Geschäftsbetrieb.

2. Die Rechtsfrage, ob vorsätzliche oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vorzulegenden Verzeichnissen auch dann zur Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 [X.] [X.] führen kann, wenn sie sich nicht zum Nachteil der Gläubiger auswirken, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortet (verneinend z.B. [X.], 380, 381; [X.], 555, 556; [X.] 2003, 43, 44; [X.], 341; [X.] NZI 2001, 113, 118 f; FK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 290 Rn. 54; Uhlen-bruck/[X.], aaO § 290 Rn. 80; [X.], [X.] 2. Aufl. § 290 Rn. 39a; [X.], [X.] 2. Aufl. § 290 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.] 2002 § 290 Rn. 21; ebenso zu § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] Nerlich/[X.], [X.] § 290 Rn. 97; bejahend demgegenüber [X.] 2002, 417, 418; [X.] NZI 2002, 673; [X.] Z[X.] 2001, 30, 32; [X.] [X.] 2003, 88, 89; [X.]/[X.], [X.] § 290 Rn. 20a, 22; [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 77 Rn. 16 [X.]. 17; wohl auch Münch-Komm-[X.]/[X.], § 290 Rn. 74, 78). - 5 -

3. Die Entscheidungserheblichkeit der Frage kann nicht mit der Erwä-gung verneint werden, auf die gläubigerbenachteiligende Wirkung falscher oder unvollständiger Angaben könne es nur ankommen, soweit das [X.] diese überhaupt prüfen könne; im vorliegenden Fall gehe es jedoch um eine mögliche Anfechtbarkeit des verschwiegenen Vorgangs, und dessen Prü-fung sei dem Prozeßgericht vorbehalten. Diese Erwägung betrifft allein die Be-gründetheit der Rechtsbeschwerde (dazu unten 3 d).

4. In der Sache schließt sich der [X.] der auch vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung an, daß die Versagung der Restschuldbefreiung ge-mäß § 290 Abs. 1 [X.] [X.] eine die Befriedigung der Insolvenzgläubiger be-einträchtigende Wirkung der falschen oder unvollständigen Angaben nicht vor-aussetzt. Es genügt, daß die falschen oder unvollständigen Angaben ihrer Art nach geeignet sind, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden.

a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob die falschen oder unvollständigen Angaben die Befriedigungsmöglichkeiten der [X.] tatsächlich verschlechtern.

b) Mit Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Ansicht, daß die Rest-schuldbefreiung nur versagt werden kann, wenn die falschen oder unvollstän-digen Angaben die Befriedigung der Gläubiger nachteilig beeinflußt haben, ebenfalls nicht zu vereinbaren.

Durch die Vorschrift des § 290 Abs. 1 [X.] [X.] soll der Schuldner [X.] werden, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen, die - 6 - dem Gericht und den Gläubigern einen Überblick über die wirtschaftlichen [X.] des Schuldners ermöglichen (HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 290 Rn. 15). Wenn Angaben, nach denen ausdrücklich gefragt wird, [X.] zurückgehalten werden dürften, weil ihre Offenlegung für die Befriedigung der Gläubiger unerheblich ist, könnte dies nicht ohne Auswirkungen auf die subjek-tiven Elemente des Tatbestandes sein. Es darf jedoch nicht der Beurteilung des Schuldners unterliegen, Angaben zu unterlassen, weil sie vermeintlich "für die Gläubiger uninteressant" sind (vgl. [X.] aaO; [X.]/ [X.], aaO § 290 Rn. 24).

Wäre die Versagung der Restschuldbefreiung von einer Beeinträchti-gung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger abhängig, müßte das [X.] das Vorliegen dieser Voraussetzung stets prüfen. Insofern kann das Insolvenzgericht jedoch in vielen Fällen keine verbindlichen Entscheidungen treffen. Ein häufig vorkommender Anwendungsfall des § 290 Abs. 1 [X.] [X.] ist das Erfinden von Forderungen durch den Schuldner (MünchKomm-[X.]/ [X.], § 290 Rn. 77 a.E.; [X.]/[X.], aaO § 290 Rn. 21). Strei-tige Forderungen festzustellen, bleibt dem Gläubiger im Verfahren vor den or-dentlichen Gerichten vorbehalten (§§ 179, 180 [X.]). Verbindlich zu beurtei-len, ob eine Anfechtung (§§ 129 ff [X.]) durchgreift, ist ebensowenig Sache des Insolvenzgerichts, vielmehr des Prozeßgerichts. Davon abgesehen wider-spräche es dem Grundgedanken des Gesetzes, wenn das Insolvenzgericht im Zusammenhang mit der Restschuldbefreiung die Anfechtbarkeit bestimmter Vorgänge eingehend zu prüfen hätte. In § 290 Abs. 1 [X.] [X.] ist die Sankti-on für den Verstoß des Schuldners gegen seine Mitwirkungspflicht an leicht feststellbare Kriterien geknüpft. Nur eine schriftliche unzutreffende Angabe in den vorzulegenden Verzeichnissen ist ein Versagungsgrund. Eine mündliche - 7 - oder schriftliche unzutreffende Angabe außerhalb dieser Verzeichnisse führt nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung. Während des [X.] wurde diskutiert, ob die Versagung der Restschuldbefreiung "von der Schwere der Schuld oder Beeinträchtigung" abhängig zu machen sei. Dies ist verworfen worden, weil "eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles die Gerichte zu stark belasten würde" (BT-Drucks. 12/7302 S. 188, zu § 346k).

c) Demgegenüber kommt der Begründung des [X.] zu § 239 Abs. 1 Nr. 5, der dem heutigen § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] entspricht, keine Bedeutung zu. Dort hieß es:
"[X.] soll schließlich auch dann versagt werden, wenn der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, die er insbesondere nach den §§ 109 bis 111 des Entwurfs – im Insol-venzverfahren zu erfüllen hat, verletzt und dadurch die [X.] der Gläubiger vermindert hat."

Inwieweit dies für die Auslegung des § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] von Be-deutung ist, kann dahinstehen. Jedenfalls für die heutige [X.], die erst durch den Rechtsausschuß eingefügt wurde, ergibt sich daraus und aus der übrigen Entstehungsgeschichte nichts.

5. Der Rechtsausschuß ist davon ausgegangen, daß dem Schuldner "bei ganz unwesentlichen Verstößen" die Restschuldbefreiung nicht versagt wird (BT-Drucks. 12/7302 S. 188, zu § 346k). Ob als "unwesentlich" auch ob-jektiv falsche oder unvollständige [X.] angesehen werden [X.], die von vornherein als bedeutungslos für die Befriedigung der [X.] (verneinend [X.]/[X.], aaO § 290 Rn. 21, 24), braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der von dem Schuldner verschwiegene [X.]
- 9 - der Patente unter Berücksichtigung der damaligen Einkommens- und Vermö-gensverhältnisse des Schuldners von erheblicher finanzieller Bedeutung war. [X.] am [X.] Dr. [X.] ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesen-heit verhindert, seine Unterschrift beizu-fügen [X.]Ganter

[X.] [X.]

Meta

IX ZB 174/03

23.07.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2004, Az. IX ZB 174/03 (REWIS RS 2004, 2139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2139

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