Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2004, Az. 4 StR 326/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2004, 508

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.]eil 4 [X.] vom 25. November 2004 in der Strafsache gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 25. November 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.],

[X.] am [X.] Maatz, [X.], [X.], [X.]in am [X.] Sost-Scheible

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin

als Vertreterin der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger, Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das [X.]eil des [X.] vom 5. April 2004 mit den Fest-stellungen aufgehoben, a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körper-verletzung verurteilt worden ist, b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung und wegen Geiselnahme zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Sie beanstandet die Verurteilung des Angeklagten wegen einer zu ihrem Nachteil begangenen gefährlichen Körperverletzung und er-strebt insoweit eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in zwei Fällen. Das entgegen dem auf Aufhebung des gesamten [X.]eils gerichteten [X.] nach der Revisionsbegründung auf die Anfechtung der [X.] wegen gefährlicher Körperverletzung beschränkte (vgl. [X.]R StPO § 344 - 4 - Abs. 1 Antrag 3; [X.] in [X.]. § 344 Rdn. 5 m.w.[X.]) und [X.] zulässige Rechtsmittel (§ 400 Abs. 1 StPO) hat Erfolg. [X.] 1. Der Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung liegen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte wollte mit Hilfe des Zeugen [X.]

seine persönli-chen Sachen aus der Wohnung der Nebenklägerin, seiner früheren Lebensge-fährtin, holen. Hierbei kam es zum Streit mit der Nebenklägerin. Als sie [X.], sie habe eine sexuelle Beziehung zu [X.], wurde der An-geklagte "ausbruchartig zunehmend aggressiver". Er zerstörte Einrichtungsge-genstände und bedrohte die Nebenklägerin mit einem Messer. Nach einer Rangelei mit dem Zeugen [X.] , der versuchte, den Angeklagten zurück-zuhalten, verfolgte der Angeklagte die in das Schlafzimmer geflüchtete Neben-klägerin. Dort würgte er sie —mindestens 6 oder 7 Sekundenfi lang, um sie zu töten. Der Zeuge [X.] riß den Angeklagten schließlich von der Neben-klägerin weg. Nachdem der Zeuge den Angeklagten von der Nebenklägerin getrennt hatte, machte der Angeklagte den [X.] der Nebenklägerin un-brauchbar, nahm das Mobiltelefon an sich, um zu verhindern, daß die Neben-klägerin die Polizei anrief, und verließ mit dem Zeugen [X.] die im 7. Stockwerk des Hauses gelegene Wohnung. Im Hausflur kniete der Ange-klagte einige Minuten zusammengekauert und weinend auf dem Boden. Der Zeuge [X.] und der Angeklagte fuhren dann mit dem Fahrstuhl ins Erd-- 5 - geschoß. Dort erklärte der Angeklagte dem Zeugen, er brauche seine Ruhe und wolle für sich allein sein. Sodann ging der Angeklagte in [X.] des Hauses, holte aus einem Kellerraum ein Messer mit 20 cm Klingenlänge, fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf in den 7. Stock und trat die Tür zur Wohnung der Nebenklägerin ein. Die [X.] war inzwischen in eine ein Halbgeschoß tiefer gelegene Wohnung geflüchtet und hatte mit der Mutter des Angeklagten und der Polizei telefoniert. Der Angeklagte, der möglicherweise im Flur die Stimme der Nebenklägerin ge-hört hatte, drang in die Wohnung ein und griff die Nebenklägerin - "immer noch" in Tötungsabsicht - mit dem Messer an. Er versetzte ihr einen mehrere Zentimeter tiefen Stich in den linken Brustkorb, der die Lunge verletzte und zu starken inneren Blutungen führte. Der Angeklagte entriß der Nebenklägerin den gemeinsamen [X.], den diese noch auf ihrem rechten Arm trug, warf ihn auf ein Sofa und versetzte der Nebenklägerin einen Stich in die linke Un-terbauchseite, der zu einer 5 bis 6 cm großen äußeren Verletzung und einer zweifachen Durchtrennung des Dünndarms führte. Ohne notärztliche Versor-gung wäre die Nebenklägerin binnen weniger Stunden an den Folgen der bei-den Stichverletzungen durch Verbluten verstorben. Dem Zeugen [X.] , der dem Angeklagten [X.] war, gelang es, diesen nach einem Gerangel, in dessen Verlauf die Nebenklägerin weitere, geringfügigere Verletzungen erlitt, vorübergehend zu Boden zu bringen. Die Nebenklägerin flüchtete aus der Wohnung, ging über die Treppe zwei Stock-werke tiefer. Dort setzte sie sich, durch die Verletzungen geschwächt, zu [X.] und bat eine vorbeikommende Hausbewohnerin um Hilfe. Als der Ange-klagte, der sich inzwischen von dem Zeugen [X.] hatte losreißen können, - 6 - mit dem Messer in der Hand hinzukam, bat die Nebenklägerin ihn flehentlich, er möge doch endlich aufhören, es sei genug. Dabei zeigte sie ihm ihre Bauch-wunde, aus der Darmschlingen hervorquollen. Der Angeklagte gab nunmehr sein Vorhaben, die Nebenklägerin zu töten, auf, flüchtete mit seinem [X.] [X.], den er der Nebenklägerin entriß, in das 7. Stockwerk, von dort auf das vor dem Haus stehende Baugerüst und drohte, mit seinem [X.] hinunterzusprin-gen, falls die Polizei eingreife. 2. Nach Auffassung des [X.] hat sich der Angeklagte durch die mit Tötungsvorsatz ausgeführten Verletzungshandlungen einer —tateinheitlich begangenenfi gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB) schuldig gemacht. Zwar liege ein —deutlicher zeitlicher Abstandfi zwischen dem Würgen und dem Messerangriff auf die Nebenklägerin. Es sei aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, daß der Angeklagte den einmal gefaßten Tötungsvorsatz zwischenzeitlich aufgegeben und einen neuen Tatentschluß für den Angriff mit dem Messer gefasst habe. Da der Angeklagte sich schließlich entfernt habe, obwohl es für ihn ein leichtes gewesen sei, weitere [X.] mit Tötungsvorsatz auszuführen, sei er mit strafbefreiender Wir-kung von dem versuchten Totschlag zurückgetreten. Zu seinen Gunsten sei von einem unbeendeten Versuch auszugehen, weil nicht aufklärbar sei, ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt habe erkennen können, daß er zur Vollendung der Tat alles Erforderliche getan hatte, mithin die Verletzungen der Nebenklä-gerin "sicher zum Tode geführt hätten". I[X.] - 7 - Sowohl die Annahme nur einer Tat im Rechtssinne zum Nachteil der Nebenklägerin als auch die Annahme eines unbeendeten Totschlagsversuchs begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Daß der Angeklagte seinen einmal gefaßten Tötungsvorsatz während des mehraktigen Tatgeschehens nicht aufgegeben hat, vermag auf der [X.] der bisherigen Feststellungen die Annahme nur einer Tat im Rechtssinne nicht zu rechtfertigen. a) Eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung vielmehr nur dann vor, wenn die einzelnen [X.] durch ein gemeinsames subjektives Element [X.] sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitli-cher Zusammenhang besteht, daß das gesamte Handeln des [X.] objektiv auch für einen [X.] als [X.] erscheint (vgl. [X.], 368; [X.]St 43, 381, 387; [X.] NStE Nr. 39 zu § 24 StGB, je-weils m. w. [X.]). Auch für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist eine solche Gesamtbetrachtung vorzu-nehmen (st. Rspr., vgl. [X.]St 40, 75, 76). Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur (vgl. [X.]St 40, 75, 77; 41, 368, 369). Eine tatbestandli-che Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. [X.], 268, 269; 44, 91, 94). Ein solcher Fehlschlag, der nach der Recht-sprechung einen Rücktritt aussschließt (vgl. [X.]St 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits [X.] oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur - 8 - vollenden kann (vgl. [X.]St 39, 221, 228; [X.], 368, 369; [X.] NStZ-RR 2002, 168), so daß ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu dem [X.] Ziel zu gelangen (vgl. [X.]St 39, 221, 232; 41, 368, 369). b) Nach diesen Grundsätzen legen die bisherigen Feststellungen - un-beschadet des fortbestehenden Tötungsvorsatzes - die Annahme zweier Taten im Rechtssinne nahe, durch die sich der Angeklagte jeweils des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat: Objektiv hat der Geschehensablauf durch das massive Eingreifen des Zeugen [X.] , das schließlich zur Beendigung des für die Nebenklägerin lebensgefährdenden [X.] und dazu führte, daß der Angeklagte die Woh-nung der Nebenklägerin mit dem Zeugen verließ, eine Zäsur erfahren. War der Angeklagte durch das Eingreifen des Zeugen gehindert, die Nebenklägerin weiter zu würgen oder den angestrebten [X.] ohne zeitliche Zäsur mit an-deren bereitstehenden Mitteln - etwa dem zuvor zur Drohung eingesetzten Messer - herbeizuführen, so war der Versuch, die Nebenklägerin in deren Wohnung zu töten, fehlgeschlagen. War der Versuch, die Nebenklägerin durch Würgen zu töten, fehlgeschlagen, kommt ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nur hinsichtlich des zweiten, mittels eines Messers begange-nen Totschlagsversuchs in Betracht.
2. Die Erwägungen, mit denen das [X.] insoweit die Annahme eines unbeendeten, durch bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung rück-trittsfähigen Versuchs im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB begründet - 9 - hat, beruhen jedoch auf einem unzutreffenden Ansatz zur Abgrenzung des un-beendeten vom beendeten Versuch.
Ein beendeter Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB, der für die Straffreiheit Gegenmaßnahmen des [X.] zur Erfolgsabwendung [X.], liegt entgegen der Auffassung des [X.] nicht erst bei Kenntnis vom sicheren Todesverlauf (vgl. [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, be-endeter 4), sondern schon dann vor, wenn der Täter die naheliegende Mög-lichkeit des [X.]s erkennt, selbst wenn er ihn nunmehr weder will noch billigt ([X.]St 31, 170, 177; 33, 295, 300). Die Kenntnis der tatsächlichen Um-stände, die den [X.] nach der Lebenserfahrung nahe legen, reicht aus. Sie liegt bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, insbesondere bei tief in den Brust- oder Bauchraum eingedrungenen Messer-stichen, deren Wirkungen der Täter, wie hier, wahrgenommen hat, auf der Hand ([X.]St 39, 221, 231 m.w.[X.]; vgl. auch [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 8; [X.]R aaO Versuch, unbeendeter 13; [X.] NStZ 1993, 279 f.; [X.], [X.]. vom 2. Juli 1997 - 2 StR 248/97). Dies gilt auch dann, wenn der Täter bei unverändert fortbestehender Handlungsmöglichkeit mit einem tödlichen Ausgang zunächst noch nicht gerechnet hat, unmittelbar darauf [X.] erkennt, daß er sich insoweit geirrt hat ([X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 12). [X.] ist deshalb, ob der Angeklagte, weil die Nebenklägerin flüchten konnte, zunächst weitere Verletzungshandlungen für erforderlich gehalten hat und er eine umfassende Kenntnis der Umstände, die nach der Lebenserfahrung den [X.] nahe legen, erst erlangte, als ihm die nunmehr am Boden sitzende Nebenklägerin ihre Bauchverletzung zeigte, aus der Darmschlingen hervorquollen. - 10 - Ein beendeter Versuch wäre im übrigen auch dann anzunehmen, wenn sich der Angeklagte bei Aufgabe der weiteren Tatausführung keine Vorstellun-gen über die Folgen seines Tuns gemacht hätte (vgl. [X.]St 40, 304, 306). Auch hiermit hätte sich das [X.] vor einer Anwendung des Zweifelssat-zes auseinandersetzen müssen, denn dieser greift erst nach abgeschlossener Würdigung aller Umstände ein (vgl. [X.], [X.]. vom 2. Februar 1997- 2 StR 248/97).
3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung hat daher keinen Bestand. Die insoweit gebotene Aufhebung des [X.]eils hat die Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge. Da die Sache in diesem Umfang neu zu verhandeln und entscheiden ist, bedürfen die weiteren von der Revision gegen das [X.]eil erhobenen [X.] keiner Erörterung, zumal die Ausführungen der Revision zu den Mord-merkmalen der Heimtücke, der Mordlust und der Grausamkeit in den [X.]eils-gründen keine Stütze finden und nach den bisherigen Feststellungen die An-nahme niedriger Beweggründe fern liegt. Tepperwien

Maatz [X.]

Ernemann

Sost-Scheible

Meta

4 StR 326/04

25.11.2004

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2004, Az. 4 StR 326/04 (REWIS RS 2004, 508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 508

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