Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2015, Az. XII ZB 242/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14985

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 242/14

vom

25. Februar 2015

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 58, 113 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
Gegen die Ablehnung der öffentlichen Zustellung eines Scheidungsantrags [X.] die sofortige Beschwerde gemäß §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO statt.
[X.], Beschluss vom 25. Februar 2015 -
XII [X.] 242/14 -
OLG [X.] am Main

AG [X.] am Main

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 25.
Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter
Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird
der
Be-
schluss des 4.
[X.]s
für Familiensachen des Oberlandesgerichts [X.]
am Main
vom 27.
März
2014
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
[X.]: 1.500

Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Scheidung ihrer mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe.
Da die Antragsschrift dem Antragsgegner nicht unter der der Antragstel-lerin bekannten Adresse zugestellt werden konnte, hat sie beim Amtsgericht die
öffentliche Zustellung des Scheidungsantrags beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag mit einem am 10.
Januar 2014 zugestellten Beschluss zurückge-wiesen. Die enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung lautete auszugsweise:
1
2
-
3
-

"Diese Entscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde ange-fochten werden. Sie ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat

einzu-legen".
Die am 29.
Januar
2014 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Be-schwerde der Antragstellerin hat das
Oberlandesgericht als unstatthaft verwor-fen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Antragstellerin [X.] die öffentliche Zustellung des Scheidungsantrags erreichen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG [X.]. §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung
und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Beschwerde sei nicht nach §
58 Abs.
1 FamFG statthaft, weil die Ab-lehnung der öffentlichen Zustellung keine Endentscheidung i.S.v. §
38 FamFG sei.
Das Rechtsmittel der Antragstellerin sei auch nicht als sofortige Be-schwerde statthaft,
weil das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit der Zivilprozessordnung, ein solches Rechtsmittel nicht eröffne. Dieses Gesetz enthalte keine ausdrückliche Verweisung
auf §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO, wonach 3
4
5
6
7
-
4
-

die sofortige Beschwerde in den Fällen statthaft
sei, in denen erstinstanzlich ein das Verfahren betreffendes Gesuch abgelehnt worden sei. Insofern sei auch keine Analogie geboten, weil es bereits an einer Regelungslücke
fehle. Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sehe Rechtsmittel gegen gerichtliche Zwischenent-scheidungen grundsätzlich nicht vor, mit Ausnahme der Vorschriften, in denen die entsprechende Anwendung der §§
567
ff. ZPO ausdrücklich bestimmt
sei. Eine Anfechtungsmöglichkeit folge auch nicht aus der
für Ehesachen maßgebli-chen Regelung in §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, weil
dort nicht auf die [X.] der Zivilprozessordnung verwiesen
werde. Es könne auch nicht angenommen werden, dass für die vorliegende Fallgestaltung von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers auszugehen sei. Eine sofortige Be-schwerde sei vielmehr nur dann statthaft, wenn diese in den von §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung ausdrücklich vorgesehen und auch in den vergleichbaren Vorschriften für nicht-streitige Familiensachen ein Rechtsmittel eröffnet sei. Allein aus der [X.] der Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung auf Ehesachen kön-ne nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber ohne ausdrückliche Nen-nung und ohne entsprechende Andeutung in §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG auch die sofortige Beschwerde nach §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO habe eröffnen wollen.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher
Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings zunächst davon aus-gegangen, dass sich die [X.] der Beschwerde nicht aus §
58 Abs.
1 FamFG ergibt. Bei der Ablehnung der Bewilligung einer öffentlichen Zustellung des Scheidungsantrags nach §§
121 Nr.
1,
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §§
185, 186 ZPO handelt es sich nicht um eine Endentscheidung gemäß
§
38 8
9
-
5
-

Abs.
1 Satz
1 FamFG.
In Ehe-
und Familienstreitsachen sind
Endentscheidun-gen solche, die bei Zugrundelegung von Zivilprozessrecht als Urteile oder ur-teilsersetzende Beschlüsse ergehen würden (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
58 Rn.
16
und
[X.]sbeschluss [X.]Z 176, 135 =
[X.], 1168, 1169
zu §
621
e Abs.
1 ZPO).
Das ist bei der Entscheidung über die öf-fentliche Zustellung eines Scheidungsantrags nicht der Fall.
b) Dagegen ist die Annahme des [X.], die Ablehnung der öffentlichen Zustellung des Scheidungsantrags könne als Zwischenent-scheidung auch nicht mit der sofortigen Beschwerde nach §§
567
ff. ZPO ange-fochten werden, nicht frei von Rechtsirrtum.
aa) Nach
§
58
Abs.
1 FamFG, der auch in Ehesachen Anwendung findet (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
113 Rn.
4), findet die Beschwerde nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsge-richte und Landgerichte statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Zwischenentscheidungen
können daher auch in Ehesachen nur dann [X.] angefochten werden, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (§
58 Abs.
1 Halb-satz
2 FamFG). Fehlt eine solche Regelung, kann eine
Zwischenentscheidung gemäß §
58 Abs.
2 FamFG nur im Rahmen eines gegen die Endentscheidung gerichteten Rechtsmittels zur Überprüfung gestellt werden
(vgl. [X.]sbe-schluss vom 1.
Dezember 2010

XII
[X.]
227/10

FamRZ 2011, 282 Rn.
12
f.), sofern die Zwischenentscheidung nicht ausdrücklich für unanfechtbar erklärt ist
([X.]/[X.]/[X.] ZPO 34.
Aufl. §
58 FamFG Rn.
6).
In Ehe-
und Famili-enstreitsachen bestimmt sich die Anfechtbarkeit von Zwischen-
und Nebenent-scheidung grundsätzlich danach, ob die Vorschrift der Zivilprozessordnung, die gemäß §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG zur Anwendung gelangt ist und auf der die Entscheidung beruht, eine Anfechtbarkeit vorsieht ([X.]/Feskorn ZPO 30.
Aufl. §
58 FamFG Rn.
9; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S.
203).
10
11
-
6
-

bb) Die öffentliche Zustellung eines Scheidungsantrags bestimmt sich gemäß §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG nach den §§
185, 186 ZPO. In diesen [X.] ist die Anfechtbarkeit einer Entscheidung, mit der die Bewilligung einer öffentlichen Zustellung versagt wurde, nicht ausdrücklich bestimmt. Trotzdem kann die den Antrag ablehnende Entscheidung in den sonstigen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Deren [X.] ergibt sich aus §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO
([X.]/Stöber ZPO 30.
Aufl. §
186 Rn.
5; Musielak/[X.] ZPO 10.
Aufl. §
186 Rn.
5; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 35.
Aufl. §
186 Rn.
4).
Diese Anfechtungsmöglichkeit be-steht auch gegen die Ablehnung der öffentlichen Zustellung eines Scheidungs-antrags.
[X.]) Allerdings werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob sich in
Ehe-
und Familienstreitsachen
die [X.] der sofortigen Be-schwerde
gegen Zwischen-
und Nebenentscheidungen
allein aus §
567 Abs.
1 Nr.
1 ZPO ergeben kann
oder daneben auch die Generalklausel des §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO anwendbar ist.
Teilweise wird angenommen, solche [X.] seien
nur dann selbständig anfechtbar, wenn die gemäß §
113
Abs.
1 Satz
2 FamFG anwendbare Vorschrift der Zivilprozessordnung eine An-fechtbarkeit mittels sofortiger Beschwerde ausdrücklich vorsehe. Aus §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO könne sich mangels Verweisung auf diese Vorschrift in §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG und wegen des Wortlauts des §
58 Abs.
1 Halbsatz
2 FamFG die [X.] der sofortigen Beschwerde nicht ergeben ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
58 Rn.
89; [X.]/Weinreich/[X.] FamFG
4.
Aufl. §
58 Rn.
38; [X.] FamFG/[X.] [Stand: 1.
Januar 2015] §
58 Rn.
16
b; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 34.
Aufl. §
58 FamFG Rn.
18). Nach anderer Auffassung sollen
nicht
instanzbeendende Entscheidungen, die in Ehe-
und Familienstreitsachen auf der Grundlage von Vorschriften der Zivil-prozessordnung ergangen sind, in gleichem Umfang anfechtbar sein wie bei der 12
13
-
7
-

unmittelbaren Anwendung der jeweiligen Vorschrift in sonstigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
([X.]/Feskorn ZPO 30.
Aufl. §
58 FamFG
Rn.
9; Prütting/[X.]/[X.]
FamFG 3.
Aufl. §
113 Rn.
18; vgl. auch [X.], 964, 965 zur [X.] der sofortigen Beschwerde gegen die Zu-rückweisung der öffentlichen Zustellung eines Scheidungsantrags).
dd) Für den Fall der Ablehnung der öffentlichen Zustellung eines [X.] hält der [X.] die letztgenannte Auffassung für zutreffend.

(1) Ob der Beschluss, mit dem die öffentliche Zustellung eines [X.] abgelehnt wurde, mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann, lässt sich dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften nicht zweifelsfrei entnehmen. Nach §
58 Abs.
1 Halbsatz
2 FamFG
ist im Anwen-dungsbereich dieser Vorschrift die Beschwerdemöglichkeit nur dann auf die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Land-gerichte beschränkt, wenn durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
Diese Regelung ist ersichtlich darauf ausgerichtet, die Anfechtbarkeit von [X.] auf der Grundlage von Vorschriften des Gesetzes
über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beschränken. Dafür spricht, dass die Anfechtbarkeit von Zwischenentscheidungen in den allgemeinen Vorschriften der §§
1 bis 22
a FamFG differenziert geregelt wurde und nur für bestimmte Zwischenentschei-dungen die Anfechtbarkeit
mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§
567 bis 572 ZPO geregelt
ist (vgl. §§
6 Abs.
2, 7 Abs.
5 Satz
2, 21 Abs.
2 FamFG).
In Ehe-
und Familienstreitsachen sind
gemäß §
113 Abs.
1 Satz
1 FamFG
die Verfahrensvorschriften der §§
1

22
a FamFG aber nicht anwend-bar. Es gelten
vielmehr die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung
14
15
16
-
8
-

und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Land-gerichten entsprechend (§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG). Gegen nicht instanzbe-endende Entscheidungen, die auf der Grundlage
von Vorschriften der Zivilpro-zessordnung ergehen, findet die sofortige Beschwerde nicht nur statt, wenn dies gesetzlich angeordnet (§
567 Abs.
1 Nr.
1 ZPO), sondern auch
dann, wenn ein das Verfahren betreffendes Gesuch abgelehnt worden ist

567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO).
Aus der Regelungssystematik des §
567 Abs.
1 ZPO folgt, dass es bei Vorschriften der Zivilprozessordnung, aufgrund derer Zwischen-
und Neben-
entscheidungen getroffen werden können, dann keiner besonderen Anordnung der [X.] der sofortigen Beschwerde bedarf, wenn es sich um [X.] handelt, die auf Antrag einer der prozessbeteiligten Parteien [X.].
Diese Regelungssystematik ist auch bei der Prüfung der Statthaftig-
keit der sofortigen Beschwerde in Ehe-
und Familienstreitsachen zu berücksich-tigen.
Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass sich die Anfechtbar-
keit von Zwischen-
und Nebenentscheidungen in
Ehe-
und Familienstreitsachen aus der
jeweiligen Bezugnahme auf die Zivilprozessordnung ergibt. Da-
durch soll gewährleistet werden, dass die [X.] von Rechtsmitteln gegen
nicht instanzbeendenden Entscheidungen in Verfahren nach dem [X.] über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dieselbe ist wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
(BT-Drucks.
16/6308 S.
203). Den
Gesetzesmaterialien
lassen sich keine [X.] dafür entnehmen, dass der
Gesetzgeber die Anfechtbarkeit von Zwischen-
und Nebenentscheidungen
in Ehe-
und Familienstreitsachen danach differenzieren wollte, ob nach dem Rechtsmittelsystem der Zivilprozessordnung die [X.] der sofortigen Beschwerde aus §
567 Abs.
1 Nr.
1
ZPO oder aus Nr.
2 dieser Vorschrift folgt.
17
-
9
-

(2) Dem steht nicht entgegen, dass in §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG nicht auf die Vorschriften der §§
567 bis 572 ZPO verwiesen wird. Wie der [X.] be-reits für die Verfahrenskostenhilfe in einer Familienstreitsache entschieden hat, handelt es sich hierbei ersichtlich um ein Redaktionsversehen des [X.], der die Familienstreitsachen weitergehend den Verfahrensmaximen der Zivilprozessordnung unterstellen wollte als die übrigen Familiensachen (Se-natsbeschluss vom 18.
Mai 2011

XII
[X.]
265/10

FamRZ 2011, 1288 Rn.
9).
(3) Auch der mit der beschränkten Anfechtbarkeit von Nebenentschei-dungen
verfolgte Zweck steht der Annahme nicht entgegen, dass sich die Statt-haftigkeit der sofortigen Beschwerde auch aus §
567
Abs.
1 Nr.
2 ZPO
ergeben kann. Mit der Beschränkung der Anfechtbarkeit nicht instanzbeendender Be-schlüsse
wollte der Gesetzgeber eine
Verfahrensbeschleunigung erreichen und die Überprüfbarkeit dieser Entscheidungen, soweit sie nicht ausdrücklich
unan-fechtbar sind, der
Endentscheidung vorbehalten (§
59
Abs.
2 FamFG). Im Fall der Ablehnung der öffentlichen Zustellung eines Scheidungsantrags kommt es jedoch nicht zu einer verfahrensabschließenden Entscheidung, gegen die
der Antragsteller ein Rechtsmittel mit dem Ziel
einlegen könnte, die Ablehnung
der öffentlichen Zustellung
überprüfen zu lassen.
(4) Schließlich war bereits zum früheren Recht in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Anfechtung von Zwischenentscheidungen [X.] möglich ist, wenn die
Entscheidung
in so einschneidender Weise in die Rechte des Betroffenen eingreift, dass ihre selbständige Anfechtbarkeit [X.] geboten ist (BVerfGK 15, 180;
BVerfGE 101, 106; [X.]sbeschlüsse
vom 15.
Mai 2013

XII
[X.]
283/12

FamRZ 2013, 1301 und vom 25.
Juni 2003

XII
[X.]
169/99

FamRZ 2003, 1275, 1276 mwN).
Die Möglichkeit, verfahrens-einleitende Schriftsätze im Wege der öffentlichen Zustellung übermitteln zu können, ist Teil des in Art.
2 Abs.
1 GG [X.]. dem Rechtsstaatsprinzip veran-18
19
20
-
10
-

kerten [X.]s, dem bei der öffentlichen Zustellung der Vorrang gegenüber dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) des Zustellungsadressaten eingeräumt wird. Wird eine öffentliche Zustellung zu Unrecht durch das erstinstanzliche Gericht abgelehnt, wird der Antragsteller in seinem grundrechtlich verbürgten [X.] verletzt. Dieser
Grundrechtseingriff
gebietet es, eine fachgerichtliche Möglichkeit der [X.] der Ablehnungsentscheidung zu ermöglichen.
Eine
unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsmittel gegen die Ableh-nung der öffentlichen Zustellung hätte im Übrigen zur Folge, dass in sonstigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Antragsteller die Ablehnung einer öffentli-chen Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftsatzes
mit der sofortigen Beschwerde nach §§
567
ff. ZPO angreifen könnte, während in Ehe-
und Fami-lienstreitsachen dem
Antragsteller nur die Möglichkeit verbliebe, gegen die Ab-lehnung der öffentlichen Zustellung eines Scheidungsantrags
Verfassungsbe-schwerde einzulegen. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche [X.] der Ablehnung einer öffentlichen Zustellung in Ehe-
und Familienstreitsa-chen und in sonstigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist nicht ersichtlich.
(5) Schließlich folgt auch nichts anderes aus dem [X.]sbeschluss vom 18.
Mai 2011 (XII
[X.]
265/10

FamRZ 2011, 1288). Entgegen der Auffassung des [X.] ist dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, dass eine sofortige Beschwerde nur dann statthaft ist, wenn diese in den von §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung ausdrücklich vorgesehen und auch in den vergleichbaren Vorschriften für nicht-streitige Familiensachen ein Rechtsmittel eröffnet ist. Soweit dort vom [X.] ausgeführt wird, dass selbst in den Familiensachen der freiwilligen Gerichts-
barkeit nach §
76 Abs.
2 FamFG im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe die §§
567 bis 572 ZPO entsprechende Anwendung
fänden ([X.]sbeschluss vom 21
22
-
11
-

18.
Mai 2011 -
XII
[X.]
265/10

FamRZ 2011, 1288 Rn.
9), handelt es sich [X.] nur um eine unterstützende Erwägung, auf der die Entscheidung nicht be-ruht.
3. Die angegriffene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
577 Abs.
3 ZPO).
Zwar hat die Antragstellerin die zweiwöchige Beschwerdefrist des §
567 Abs.
1 Satz
1 ZPO versäumt.
Die amtsgerichtliche Entscheidung ist der Antrag-stellerin am 10.
Januar 2014 zugestellt worden und die Beschwerdeschrift ist erst am 29.
Januar 2014, mithin nach Ablauf der maßgeblichen Beschwerdefrist von zwei Wochen, beim Amtsgericht eingegangen. Der Antragstellerin wird
je-doch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren
sein, weil in der der Ausgangsentscheidung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung die Beschwerde-frist unzutreffend angegeben war.
Nach der Rechtsprechung des [X.]s besteht die Verpflichtung des [X.] einer Rechtsbehelfsbelehrung unterschiedslos für alle nach dem FamFG geführten Verfahren. Deshalb wird in entsprechender Anwendung des §
17 Abs.
2 FamFG auch in Ehesachen und Familienstreitsachen ein [X.] des Verschuldens vermutet, wenn die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben, unvollständig oder fehlerhaft ist
(vgl. [X.]sbeschlüsse vom 27.
Februar 2013

XII
[X.]
6/13

FamRZ 2013, 779 Rn.
6 und vom 13.
Juni 2012

XII
[X.]
592/11

FamRZ 2012, 1287 Rn.
7).
Für die Fälle einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung hat der [X.] entschieden, dass grund-sätzlich auch ein Rechtsanwalt auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteil-ten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen darf ([X.]sbeschluss vom 13.
Juni 2012

XII
[X.]
592/11

FamRZ 2012, 1287 Rn.
9). Da aber von ihm erwartet werden kann, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmit-23
24
25
-
12
-

telsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt, kann er das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechts-behelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nach-vollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes ge-führt hat ([X.]sbeschluss vom 13.
Juni 2012

XII
[X.]
592/11

FamRZ 2012, 1287 Rn.
9 mwN).
Gemessen hieran war die Versäumung der Beschwerdefrist durch den Verfahrensbevollmächtigten der
Antragstellerin
unverschuldet.
Ob und gegebenenfalls mit welchem Rechtsmittel die Ablehnung der öf-fentlichen Zustellung eines Scheidungsantrags angefochten werden kann, war zum Zeitpunkt des Erlasses des amtsgerichtlichen Beschlusses weder durch den [X.] noch durch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entschieden. Zudem wurden
zu der Frage, ob sich die [X.] einer so-fortigen Beschwerde in Ehe-
und Familienstreitsachen auch aus §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO ergeben kann, in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschied-liche Auffassungen vertreten.
Unter diesen Umständen konnte der Verfahrens-bevollmächtigte der Antragstellerin auf die Richtigkeit der erteilten Rechts-behelfsbelehrung vertrauen, so dass ihm in Hinblick auf die verspätete Einrei-chung der Beschwerdeschrift ausnahmsweise kein Verschulden angelastet werden kann.
4. Demnach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben
und die [X.] an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Der [X.] kann in der [X.] nicht abschließend entscheiden, weil das Beschwerdegericht
zunächst über die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu befinden hat. Im Übrigen hat sich
26
27
28
-
13
-

das Beschwerdegericht

aus seiner Sicht folgerichtig

bislang nicht
mit den Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung des Scheidungsantrags befasst.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur

Vorinstanzen:
AG [X.] am Main, Entscheidung vom 29.12.2013 -
454 F 3228/13 -

OLG [X.] am Main, Entscheidung vom 27.03.2014 -
4 [X.] -

Meta

XII ZB 242/14

25.02.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2015, Az. XII ZB 242/14 (REWIS RS 2015, 14985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14985

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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