Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.05.2013, Az. 4 B 3/13

4. Senat | REWIS RS 2013, 5395

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Gegenstand

Planungsrechtlich bewirkte Beschränkungen von Einzelhandelsstandorten und Unionsrecht


Leitsatz

Planungsrechtlich bewirkte Beschränkungen der Standorte von Einzelhandelsbetrieben aus Gründen der Stadtentwicklung und des Verbraucherschutzes sind grundsätzlich zulässig und stehen nicht im Widerspruch zu Unionsrecht.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene - sinngemäße - Frage, ob ein vollständiger Ausschluss von [X.] in einem Gewerbegebiet durch Festsetzungen eines (einfachen) [X.]ebauungsplans mit der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV bzw. der [X.] vereinbar ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie lässt sich, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, mit dem Oberverwaltungsgericht bejahen.

3

Wie der Kläger ausgeführt hat, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass ein völliger Ausschluss von [X.] durch Festsetzungen eines [X.]ebauungsplans grundsätzlich möglich und zulässig ist. Im Rahmen ihres planerischen Ermessens darf die Gemeinde steuern, ob und in welchem Umfang sie Teile des Gemeindegebiets zur Unterbringung von [X.] zur Verfügung stellt. Voraussetzung ist, dass städtebauliche Gründe gemäß § 1 Abs. 3 [X.]auG[X.] vorliegen, die sich aus der jeweiligen konkreten [X.] ergeben und die Abweichung von der typisierten [X.]augebietszusammensetzung nach der [X.] rechtfertigen (Urteil vom 26. März 2009 - [X.]VerwG 4 [X.] 21.07 - [X.]VerwGE 133, 310 Rn. 12; [X.]eschlüsse vom 4. Oktober 2007 - [X.]VerwG 4 [X.] 39.07 - [X.] = juris Rn. 5, vom 10. November 2004 - [X.]VerwG 4 [X.] 33.04 - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 30 = juris Rn. 4, vom 11. Mai 1999 - [X.]VerwG 4 [X.] 15.99 - [X.] = juris Rn. 5, vom 3. Mai 1993 - [X.]VerwG 4 N[X.] 13.93 - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 16 = juris Rn. 5 und vom 18. Dezember 1989 - [X.]VerwG 4 N[X.] 26.89 - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 7 = juris Rn. 6). Geklärt ist des Weiteren, dass die Freihaltung eines Gewerbegebietes für produzierende und dienstleistungsorientierte Gewerbebetriebe wie auch die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung in den angrenzenden Wohngebieten legitime städtebauliche Ziele sind, die je nach [X.] einen Einzelhandelsausschluss rechtfertigen können. Ein solcher Einzelhandelsausschluss dient der Steuerung der Stadtentwicklung und [X.]odennutzung und damit dem Schutz der städtischen Umwelt.

4

Aus Sicht des Unionsrechts stellen planerische Maßnahmen, die dem Schutz der städtischen Umwelt dienen, zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die [X.]eschränkungen im Sinne des [X.]eschränkungsverbots rechtfertigen können. Dass der Schutz der städtischen Umwelt mit den Mitteln der Stadt- und Raumplanung zu den anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört, lässt sich der im Urteil vom 16. Dezember 2010 - [X.]VerwG 4 [X.] 8.10 - ([X.]VerwGE 138, 301) angeführten Rechtsprechung des [X.] entnehmen. Unabhängig davon, ob die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt - [X.] ([X.]) - ([X.]) - wie vom Oberverwaltungsgericht unterstellt - überhaupt (unmittelbar) anwendbar ist, wird auch dort ausdrücklich sowohl in den Erwägungsgründen 40, 56 und 66 als auch in Art. 4 Nr. 8 [X.] als [X.]eispiel für "zwingende Gründe des Allgemeininteresses", die eine [X.]eschränkung rechtfertigen können, der "Schutz der städtischen Umwelt" - nach Erwägungsgrund 40 - "einschließlich der Stadt- und Raumplanung" angeführt. Auf dieser Linie liegt auch das Urteil des Senats vom 16. Dezember 2010: Danach ist eine raumordnungsrechtliche Ansiedlungssteuerung für Einzelhandelsgroßbetriebe unionsrechtlich durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, wenn Ziel der Maßnahme eine effektive Nutzung und [X.]ündelung der öffentlichen Infrastruktur sowie die Vermeidung eines unnötigen Flächen- und Ressourcenverbrauchs durch Zersiedelung und den damit einhergehenden Verkehr ist (Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.[X.] Rn. 23). Die Entscheidung des [X.] vom 24. März 2011 ([X.]. [X.]-400/08, [X.][X.], Slg. 2011, [X.]), die sich in den Grundaussagen mit den vom Senat im Urteil vom 16. Dezember 2010 in [X.]ezug genommenen Schlussanträgen der Generalanwältin [X.] vom 7. Oktober 2010 deckt ([X.]eschluss vom 21. Mai 2013 - [X.]VerwG 4 [X.] -), bestätigt den [X.]efund, dass planungsrechtlich bewirkte [X.]eschränkungen der Standorte von [X.] aus Gründen der Stadtentwicklung und des Verbraucherschutzes grundsätzlich zulässig sind. Diese Entscheidung ist zwar ebenso wie das Urteil des Senats vom 16. Dezember 2010 zu Maßnahmen der raumordnungsrechtlichen Ansiedlungssteuerung ergangen. Für die Rechtfertigung einer Steuerung der Standorte des Einzelhandels mit den Mitteln des [X.] gelten aber dieselben Grundsätze. Zielt eine Regelung - wie hier - auf den Schutz der städtischen Umwelt, kommt es nicht darauf an, auf [X.] sie ansetzt. Unzulässig sind rein wirtschaftlich motivierte Maßnahmen. Sowohl der Schutz der verbrauchernahen Versorgung, der angesichts der demographischen Entwicklung des besonderen Schutzes bedarf (vgl. auch Urteil vom 17. Dezember 2009 - [X.]VerwG 4 [X.] 2.08 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 210 Rn. 8), als auch die Steuerung der Ansiedlung des produzierenden Gewerbes in einem bestimmten Gebiet sind aber nicht durch wirtschaftliche Gründe motiviert. Der Einzelhandelsausschluss dient vielmehr dem Ziel, die Stadtentwicklung und [X.]odennutzung zu steuern. Das hat das Oberverwaltungsgericht ausführlich dargelegt, insbesondere hat es in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben die Verhältnismäßigkeit der Regelung geprüft und dabei unter Würdigung der konkreten [X.] hervorgehoben, dass dem Kläger lediglich untersagt wird, im [X.], einem relativ kleinen Teil des Stadtgebiets der [X.]eklagten, einen Einzelhandelsbetrieb zu eröffnen ([X.]). Der Vorwurf des [X.], das Oberverwaltungsgericht habe sich nur unzureichend mit den unionsrechtlichen Vorgaben auseinandergesetzt, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

5

Die "[X.]" gestellte weitere Frage nach einem Abwägungsmangel, "wenn und weil" sich der [X.] in der [X.]egründung des [X.]ebauungsplans nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben auseinandergesetzt habe, genügt nicht den Darlegungsanforderungen i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Feststellung, dass sich der [X.] in der [X.]egründung des [X.]ebauungsplans nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben auseinandergesetzt hat, enthält das angefochtene Urteil nicht. Nach der Rechtsprechung des [X.] scheidet die Zulassung der Revision aber aus, wenn ein [X.]erufungsgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. [X.]eschlüsse vom 28. Dezember 1998 - [X.]VerwG 9 [X.] - juris Rn. 6 und vom 28. November 2005 - [X.]VerwG 4 [X.] 66.05 - Zf[X.]R 2006, 159). Unabhängig davon fehlt aber auch jegliche [X.]egründung, warum das Oberverwaltungsgericht Anlass gehabt haben sollte, die Abwägung unter dem vom Kläger thematisierten Gesichtspunkt zu überprüfen.

Meta

4 B 3/13

30.05.2013

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 19. September 2012, Az: 1 KO 823/09, Urteil

Art 49 AEUV, Art 4 Nr 8 EGRL 123/2006, § 8 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.05.2013, Az. 4 B 3/13 (REWIS RS 2013, 5395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5395

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