Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2000, Az. IX ZR 53/99

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2647

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:30. März 2000PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:nein BGB § 675; ZPO § 287Zur haftungsausfüllenden Kausalität, wenn ein Steuerberater seine Pflicht ver-letzt, den Mandanten auf die Folgen hinzuweisen, die sich aus dem umsatzsteu-erfreien Verkauf eines Grundstücks für den Vorsteuerabzug ergeben.[X.], Urteil vom 30. März 2000 - [X.] - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 30. März 2000 durch [X.] Paulusch und [X.] Dr. Kreft, [X.], Kirchhof und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] [X.] vom 21. [X.] aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Beklagte betreute die Klägerin über einen längeren Zeitraum in de-ren steuerlichen Angelegenheiten. Mit [X.] veräußertedie Klägerin einen Teil ihres Grundbesitzes an die [X.] für7,2 Mio. [X.]. In einem weiteren, am selben Tag geschlossenen "Werkvertrag"übertrug sie der Firma [X.] die Altlastensanierung, zu der sich die [X.] dem Grundstückskaufvertrag verpflichtet hatte, zum Pauschalpreis von800.000 [X.], in dem 104.347,83 [X.] Mehrwertsteuer enthalten und gesondertausgewiesen waren. Auf dem verkauften Grundstücksteil befand sich unter [X.] 3 -derem eine von der Klägerin bis dahin vermietete [X.]. Die daraus er-zielten [X.] hatte die Klägerin gemäß § 9 Abs. 1 UStG unter Verzichtauf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG der Umsatzsteuer [X.]. In der gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Veräußerung [X.] sah das zuständige Finanzamt eine Änderung der [X.] Sinne des § 15 a UStG. Es erließ deshalb am 5. Juli 1996 einen geändertenUmsatzsteuerbescheid für 1993, in dem Vorsteuerbeträge aus den [X.] bis 1993 in Höhe von 111.472,01 [X.] zurückgefordert wurden. Den [X.] in Höhe der im Werklohn von 800.000 [X.] enthaltenen Mehrwert-steuer von 104.347,83 [X.] lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, dieSanierung stehe mit dem steuerfreien Verkauf des Grundstücks "in Verbin-dung".Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er habe sie im Zusammenhang mitden Verträgen vom 24. März 1993 fehlerhaft beraten. Sie hat ihn mit der [X.], er hätte ihr empfehlen müssen, den Grundstücksverkauf der [X.] zu unterwerfen, auf Ersatz des [X.] zuzüglich vom Finanzamt festgesetzter Zinsen in Höhe von8.580 [X.] sowie der nicht zum Vorsteuerabzug zugelassenen 104.347,83 [X.],insgesamt 224.399,84 [X.] in Anspruch genommen. Das Landgericht hat [X.] hinsichtlich der beiden erstgenannten Beträge (zusammen120.052,01 [X.]) stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Berufungs-gericht hat die Klage, nachdem die Klägerin anstatt Zahlung der120.052,01 [X.] Freistellung "von ihren Verbindlichkeiten gegenüber dem [X.] aus der Rückforderung von [X.]" verlangt und imübrigen einen Feststellungsantrag gestellt hatte, insgesamt abgewiesen. Mit- 4 -der Revision verfolgt die Klägerin die in der Berufungsinstanz gestellten Anträ-ge weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.I.Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte seinePflichten als Steuerberater dadurch verletzt, daß er die Klägerin nicht vor [X.] der Verträge auf die Folgen für den Vorsteuerabzug hingewiesen hat,die sich aus einem umsatzsteuerfreien Verkauf des Grundstücks ergaben. [X.] keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revisionserwiderungnicht angegriffen.[X.] Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, essei nicht bewiesen, daß der Klägerin infolge der Pflichtverletzung des [X.] ein Schaden entstanden sei. Der Aussage eines der vernommenen [X.] -sei zu entnehmen, daß mehrere Alternativen zum Zweck der Vermeidung [X.] bestanden hätten. Welche davon gewählt worden wäre, lassesich nicht feststellen. Bei der von der Klägerin wohl in erster Linie ins Augegefaßten Unterwerfung des [X.] unter die Mehrwertsteuer wä-re ein Schaden nur vermieden worden, wenn die Käuferin bereit gewesen wä-re, zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis von 7,2 Mio. [X.] die darauf entfal-lende Mehrwertsteuer zu zahlen. Auch das habe die Klägerin aber nicht bewie-sen. Für den Fall, daß sie nach pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagtenvon dem Verkauf des Grundstücks abgesehen hätte, sei nicht dargelegt, daßder Wert des Grundbesitzes höher sei als der Betrag, der der Klägerin nachAbzug der Vertragskosten und der an das Finanzamt [X.] von dem Kaufpreis geblieben sei.Die darin liegende rechtliche Beurteilung greift die Revision mit Erfolgan.1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß derMandant eines Steuerberaters (wie auch eines Rechtsanwalts) die Ursächlich-keit einer von diesem begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch angeb-lich entstandenen Schaden zu beweisen hat ([X.]Z 123, 311, 314 ff). Dabeikönnen dem Mandanten jedoch die Beweiserleichterungen des Anscheinsbe-weises ([X.]Z aaO) und des § 287 ZPO ([X.], Urt. v. 7. März 1996- IX ZR 169/95, [X.], 1333 f; v. 11. Juli 1996 - [X.], [X.],2074, 2076) zu Hilfe kommen.a) Das Berufungsgericht hat gemeint, nicht feststellen zu können, wiesich die Klägerin bei pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten verhalten- 6 -hätte, weil es mehrere Alternativen gegeben habe. Daran ist richtig, daß [X.] beratungsgemäßen Verhaltens nur dann in [X.], wenn ein bestimmter Rat geschuldet war und es in der gegebenen Si-tuation unvernünftig gewesen wäre, diesen Rat nicht zu befolgen ([X.], Urt. v.10. Dezember 1998 - [X.], [X.], 645, 646). Für die vom [X.] genannten weiteren Alternativen - neben der Unterwerfung deskonkret abgeschlossenen Grundstückskaufvertrags unter die Umsatzsteuer [X.] möglich gewesen, die Fabrikhalle entweder nicht mit zu verkaufen oder übersie einen gesonderten umsatzsteuerpflichtigen Vertrag zu schließen - gibt esaber, wie die Revision zu Recht rügt, im vorgetragenen Sachverhalt keineGrundlage. Die Klägerin hat behauptet, es wäre derselbe Kaufvertrag mit einerum die Mehrwertsteuer erhöhten Kaufpreisvereinbarung geschlossen worden;allenfalls hätte sie, wenn die Käuferin dazu nicht bereit gewesen wäre, [X.] insgesamt abgesehen. Die vom Ehemann der Klägerin als [X.] vier verschiedenen Pläne hatten mit der damals gerade wegen dermangelhaften Beratung durch den Beklagten in ihrer Bedeutung nicht erkann-ten [X.] nichts zu tun. Im übrigen hätte das Berufungsgericht- die Revision weist darauf zu Recht hin -, wenn es die Klage an diesem Pro-blem scheitern lassen wollte, darlegen müssen, warum der Klägerin bei allenjenen anderen Gestaltungsmöglichkeiten mindestens derselbe Schaden ent-standen wäre.b) Bei einem Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung [X.] zwischen der Pflichtverletzung und dem [X.] daraus erwachsenen allgemeinen Vermögensschadens nach der Recht-sprechung des [X.] nicht mehr zur haftungsbegründenden,sondern zur sogenannten haftungsausfüllenden Kausalität. Für deren Nach-- 7 -weis gelten nicht die strengen Beweisführungsmaßstäbe des § 286 ZPO, son-dern die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen ([X.], Urt. [X.] Dezember 1993 - [X.], [X.], 602, 603; v. 28. September 1995- IX ZR 158/94, [X.], 2075, 2079; v. 25. November 1999 - [X.]/98,WM 2000, 197, 198). Nach § 287 ZPO reicht für die richterliche Überzeugungeine überwiegende, freilich auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrschein-lichkeit. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, daßes sich der Anwendbarkeit des herabgesetzten Beweismaßes bewußt war.Vielmehr deuten die strengen Anforderungen, die es an den Beweis der vonder Klägerin behaupteten hypothetischen Zustimmung der Käuferin zur Erhö-hung des Kaufpreises um die Mehrwertsteuer gestellt hat, und die [X.] Rechtssatzes, wonach die Klägerin "die volle Beweislast für die [X.] des Beklagten für einen bei ihr eingetretenen Schaden"habe, darauf hin, daß das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung an demMaßstab des § 286 ZPO ausgerichtet hat.Es ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgericht bei [X.] § 287 ZPO zur Feststellung eines anderen Beweisergebnisses gelangtwäre. Wie sich die Käuferin verhalten hätte, wenn ihr die zusätzliche Zahlungder Mehrwertsteuer abverlangt worden wäre, kann nicht in erster Linie danachbeurteilt werden, was die für sie handelnden Personen später, insbesondereauch in der Beweisaufnahme erklärt haben. Es handelt sich dabei um eine hy-pothetische Frage, für deren Beantwortung vor allem die bei [X.] ist. Für die Käuferin wäre, wie [X.] im Ansatz selbst gesehen hat, die Mehrwertsteuer im [X.] nur ein durchlaufender Posten gewesen, der sie als solcher nicht zu-sätzlich belastet hätte. Das Berufungsgericht hat im Anschluß an die [X.] früheren Geschäftsführers der Käuferin, [X.], wonach bei [X.] Mehrwertsteuer "das Geschäft dann komplizierter geworden und [X.] gegen eine weitere Leistung zustande gekommen" wäre, gemeint, auch einsogenannter durchlaufender Posten erfordere wirtschaftliche Dispositionen, diedas Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit beeinträchti-gen könnten, zumal es hier um "enorme" Summen gegangen sei, die zeitweisedem Betrieb nicht zur Verfügung gestanden hätten. Damit ist offenbar gemeint,daß die Käuferin die Mehrwertsteuer grundsätzlich bis zur Erstattung durch [X.] hätte finanzieren müssen. Dabei kann es sich aber nur um die Zeit-spanne bis zum Ablauf des [X.] (§ 18 Abs. 1 UStG) ge-handelt haben. In der dann abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldung hättedie Käuferin den [X.] als Vorsteuer mit ihrer eigenen [X.]schuld verrechnen können. Soweit er dadurch nicht aufgezehrt [X.] wäre, hätte auch die Möglichkeit bestanden, der Klägerin anstelle der [X.] betreffenden Kaufpreisteils den dann [X.] gegenüber bestehenden Erstattungsanspruch abzutreten (vgl.[X.], in: [X.]Dürrwächter, UStG 8. Aufl. § 18 Rdnr. 111 ff). Auf dieseMöglichkeit hat übrigens der Beklagte selbst im Zusammenhang mit dem [X.] hingewiesen, den er darauf gestützt hat, daß die Kläge-rin nicht versucht habe, im nachhinein eine Erhöhung des Kaufpreises um [X.] zu erreichen. Soweit der Käuferin letztlich Nachteile verbliebenwären - unstreitig wäre eine höhere Grunderwerbsteuerbelastung entstanden [X.] die Klägerin sie ihr nach ihrem Vortrag erstattet; eine solche Erstattungdürfte - jedenfalls unter anderem - mit der "weiteren Leistung" gemeint gewe-sen sein, die die Klägerin nach der Aussage des Zeugen [X.] hätte erbringenmüssen. Die durch eine solche "Leistung" im Ergebnis bewirkte [X.] würde freilich den der Klägerin vom Beklagten zu ersetzenden- 9 -Schaden mindern. Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das Berufungsge-richt die von der Klägerin behauptete Bereitschaft, der Käuferin "entgegenzu-kommen", bei der Beantwortung der Frage, ob diese sich auf eine Erhöhungdes Kaufpreises eingelassen hätte, nicht erkennbar berücksichtigt hat.Schließlich hätte das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin, siehätte notfalls das Grundstück überhaupt nicht verkauft, nicht mit der [X.] für unbeachtlich erklären dürfen, die Klägerin habe nicht dargelegt, daßder Verkehrswert des Grundstücks höher sei als der [X.]. [X.] es - auch dies beanstandet die Revision zu Recht - übersehen, daß dieKlägerin unter Beweisantritt behauptet hat, der Grundstückswert, der bei [X.] dem Kaufpreis entsprochen habe, sei seitdem gestiegen. Das Be-rufungsgericht hat zwar zusätzlich ausgeführt, die Klägerin habe aus [X.] das Grundstück verkaufen müssen, und sich dabei auf einen Briefdes Ehemannes der Klägerin sowie eine Aktennotiz gestützt. Diese Feststel-lung hätte es jedoch - auch dies beanstandet die Revision zu Recht - nichttreffen dürfen, ohne zuvor dem unter Beweis gestellten gegenteiligen Vortragder Klägerin nachzugehen.I[X.] Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Das Berufungsgericht wirdnunmehr unter Berücksichtigung der vorstehend erörterten Gesichtspunkte dieFrage, ob die Klägerin die Entstehung eines Schadens infolge der mangelhaf-ten Beratung durch den Beklagten bewiesen hat, unter Anwendung des Be-- 10 -weismaßstabs des § 287 ZPO erneut zu beantworten haben. [X.] sodann die Höhe des Schadens zu ermitteln sein. Dabei wird der [X.] haben, seine insoweit in der Revisionserwiderung geltend ge-machten Einwendungen vorzutragen.Der Senat weist ferner darauf hin, daß eine etwaige Verurteilung [X.] zur Freistellung der Klägerin von dem [X.] Finanzamts abweichend von dem von der Klägerin formulierten Antrag dengenauen Betrag angeben müßte, den der Beklagte an das Finanzamt zu [X.] hätte, weil anderenfalls das Urteil nicht nach § 887 ZPO vollstreckbar wäre.PauluschKreft[X.]KirchhofFischer

Meta

IX ZR 53/99

30.03.2000

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2000, Az. IX ZR 53/99 (REWIS RS 2000, 2647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2647

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