Bundessozialgericht, Urteil vom 09.11.2010, Az. B 2 U 24/09 R

2. Senat | REWIS RS 2010, 1639

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Hilfsmittel - Hörgerät - Raub - Verlust - Wiederbeschaffung - Ersetzung - Heilbehandlung - Kostenerstattung


Leitsatz

Ein Gesundheitsschaden durch Beschädigung oder Verlust eines Hilfsmittels liegt nur vor, wenn ein Versicherter infolge seiner versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet, der darin besteht, dass ein zeitlich begrenztes, von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis sein Hilfsmittel beschädigt oder dessen Verlust bewirkt.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist, ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz von geraubten Hörgeräten, hilfsweise auf Zahlung von 3808,40 [X.] hat.

2

Der im Jahre 1928 geborene Kläger wurde auf einer beruflich veranlassten Fahrt nach [X.] ([X.]) am 18.6.2004 Opfer eines Raubüberfalls. Das Kraftfahrzeug (Kfz) des Klägers wurde auf einem Autobahnparkplatz entwendet, als er wegen eines Toilettengangs das Fahrzeug verlassen hatte. Bei Rückkehr zum Fahrzeug überraschte er die Täter, wurde aber mit Gewalt gehindert, sein Kfz wieder an sich zu bringen. Im Kfz befanden sich neben anderen Gegenständen die ihm von der Krankenkasse geleisteten Hörgeräte. Die Beklagte stellte fest, dass das Ereignis vom 18.6.2004 ein Arbeitsunfall ist (Bescheid vom 23.3.2005).

3

Die [X.] ([X.]) als für den Kläger zuständige Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung wandte sich mit Schreiben vom 16.9.2004 an die [X.], deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte mit Wirkung zum 1.1.2008 wurde (im Folgenden: Beklagte). Sie schrieb der Beklagten ua: "Im Zusammenhang mit dem Unfall wurde eine Hörgeräteversorgung erforderlich. Der Betrag von 3.514,40 ist die reine Eigenbeteiligung (Kassenanteil wurde bereits abgezogen). Unser Mitglied bittet um die Erstattung der entstandenen Kosten." Der Kläger habe eine Durchschrift des Schreibens erhalten. Mit Schreiben vom 2.10.2004 setzte sich der Kläger selbst mit der Beklagten in Verbindung. Er schrieb: "Aus dem Schreiben der Lübecker [X.] vom [X.] entnehmen Sie, dass bei dem Raubüberfall auch meine beiden Hörgeräte, die im Kofferraum in meiner Kulturtasche lagen, geraubt wurden. … Daher bitte ich Sie, [X.] mitzuteilen, was ich tun muss, um neue zu bekommen, … darf ich sie [X.] in einem Hörgerätespezialgeschäft kaufen und Ihnen die Rechnung zusenden."

4

Die Beklagte erklärte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 8.10.2004: "Die Kosten für die Neuversorgung mit Hörgeräten können von unserer Berufsgenossenschaft nicht übernommen werden … Die anliegende Rechtsbehelfsbelehrung ist Bestandteil dieses Schreibens." Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom [X.] ohne Erfolg.

5

Der Kläger hat gegen die Ablehnung, die Kosten für die Neuversorgung mit Hörgeräten zu übernehmen, beim [X.] Klage erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.11.2006). Das Schleswig-Holsteinische L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Voraussetzung des Anspruchs sei, dass ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorliege. Eine isolierte Einwirkung auf das Hilfsmittel ohne gleichzeitige Einwirkung auf den Körper genüge nicht. Eine andere Entscheidung sei auch nicht unter dem Aspekt möglich, dass der Kläger eine lebensbedrohende Situation erlebt habe.

6

Mit der vom B[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 Abs 3 [X.]B VII. Für den Schutz in der Unfallversicherung sei es ausreichend, dass auf seinen Körper durch eine Straftat eingewirkt und dadurch im Sinne einer wesentlichen Bedingung der Verlust des Hilfsmittels herbeigeführt worden sei. Ein Einwirken auf das Hilfsmittel selbst sei nicht zu fordern. Die Auslegung von § 8 Abs 3 [X.]B VII durch das L[X.] sei mit dem Wortlaut der Norm, insbesondere nach einer Gewalttat mit Todesandrohung, nicht vereinbar. Da das Ereignis vom 18.6.2004 als Arbeitsunfall anerkannt worden sei, müsse sich dies auch auf den Verlust der Hörgeräte beziehen.

7

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des [X.] vom 21. Januar 2009 und des [X.] vom 15. November 2006 sowie der Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 8. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2005 zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses vom 18. Juni 2004 die Hörgeräte zu ersetzen, hilfsweise 3808,40 [X.] an ihn zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hat durch ihren Prozessbevollmächtigten erklärt, mit den angefochtenen Entscheidungen habe sie umfassend über alle Ansprüche auf Ersetzung der Hörgeräte einschließlich jeglicher Kostenübernahme ablehnend entschieden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet.

Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Der den Anspruch auf Ersetzung von [X.] sowie Zahlung ablehnende Verwaltungsakt vom 8.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] ist rechtmäßig und verletzt den [X.]läger nicht in seinen Rechten.

Mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4, § 56 [X.]G) erstrebt der [X.]läger die Verurteilung der Beklagten zur Ersetzung der in Verlust geratenen Hörgeräte, hilfsweise Zahlung von 3808,40 [X.]. Nach der jetzt vorgenommen [X.]larstellung des Antrags begehrt er die Erneuerung der geraubten Hörgeräte, hilfsweise Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zur Freistellung von Forderungen der Leistungserbringer oder Erstattung des von ihm für die Beschaffung aufgewandten Betrags. Hierin liegt gegenüber den vor den Instanzgerichten gestellten Verpflichtungsanträgen keine [X.]lageänderung nach § 99 [X.]G. Vielmehr hat der [X.]läger lediglich den Antrag, der von Anfang an auf "Übernahme von [X.]osten" aufgrund der Versorgung mit Hörhilfen gezielt hat, hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen klargestellt bzw berichtigt (§ 99 Abs 3 [X.] [X.]G; auch [X.] Baden-Württemberg vom 13.2.2009 - [X.] 3191/06 - juris RdNr 28).

1. Die [X.]lagen sind zulässig.

a) [X.] (§ 54 Abs 1 [X.]G) ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da der [X.]läger mit ihr die Aufhebung von Verwaltungsakten verfolgt. Das Schreiben vom 8.10.2004 ist ein Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 [X.]B X). Bei verständiger Würdigung des Sinngehalts des Schreibens ist - wie auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - entschieden worden, dass sowohl eine Ersetzung der Hörgeräte in Natur als auch ein Zahlungsanspruch abgelehnt wird, da ein Anspruch auf Verschaffung neuer Hörgeräte nicht bestehe.

b) Die mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage ist ebenfalls zulässig. Sie ist die sowohl für die Verurteilung zur Verschaffung der Hörgeräte als auch für den hilfsweise gestellten [X.] die zulässige [X.]lageart (§ 54 Abs 4 [X.]G).

2. [X.] ist unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind formell (a) und materiell (b) rechtmäßig. Der [X.]läger hat gegen die Beklagte keinen primären Sachleistungsanspruch auf Lieferung neuer Hörgeräte als Ersatz für die geraubten Hilfsmittel. Er hat auch keinen von der Entstehung des Sachleistungsanspruchs notwendig abhängigen sekundären Freistellungs- oder Zahlungsanspruch ("[X.]ostenübernahme") zur Selbstbeschaffung der Geräte.

a) Die angefochtenen Verwaltungsakte sind inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 [X.]B X). Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung muss in Bezug auf den Anspruch eines Versicherten sagen, ob und in welchem Umfang er ein durch Antrag geltend gemachtes Recht feststellen oder Recht begründen will. Nach dem objektiven Sinngehalt der Verwaltungsakte hat die Beklagte es abgelehnt, ein Recht des [X.] auf Lieferung der Hörgeräte, die der [X.]läger durch den Raub verloren hat, oder Zahlung von [X.]osten für deren Selbstbeschaffung zu begründen.

b) Die Verwaltungsakte der Beklagten sind auch materiell rechtmäßig. Der [X.]läger hat weder Anspruch auf Lieferung (aa) noch auf Wiederherstellung oder Erneuerung der Hörgeräte ([X.]) noch auf Zahlung für [X.]osten der Selbstbeschaffung (cc).

aa) Der [X.]läger hatte keinen Anspruch auf Ersetzung der entwendeten Hörgeräte als Sachleistung.

Der [X.]läger hatte keinen Rechtsanspruch auf Ersetzung der Hörgeräte aus § 2 Abs 1, § 3 Abs 5 Satz 1, 3 der Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter. Denn die gestohlenen Hörgeräte waren ihm nicht wegen einer Hörschädigung geleistet worden, die Unfallfolge eines Versicherungsfalls der gesetzlichen Unfallversicherung war.

Auch die Voraussetzungen des Rechts auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Anspruchs auf Lieferung/Zurverfügungstellung von [X.] (§ 26 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 2, Abs 5 Satz 1, § 27 Abs 1 [X.], § 31 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII) waren nicht erfüllt. Denn die Gewalteinwirkung der Räuber auf den [X.]örper des [X.] führte bei ihm zwar Gesundheitserstschäden herbei. Diese Gesundheitsschäden verursachten aber keine weitere Hörschädigung und keine Verschlimmerung eines bestehenden Hörschadens als Unfallfolge, so dass die begehrte Ersetzung der Hörgeräte nicht wegen dieses Arbeitsunfalls nötig wurde.

[X.]) [X.] auf den [X.]örper des [X.] haben auch keinen Verlust seiner Hörgeräte als gleichgestellten [X.] iS von § 8 Abs 3 [X.]B VII bewirkt. Daher hat er keinen Anspruch auf Erneuerung bzw Ersetzung der in Verlust geratenen Hilfsmittel nach § 27 Abs 2 [X.]B VII.

Nach § 27 Abs 2 [X.]B VII wird in den Fällen des § 8 Abs 3 [X.]B VII ein beschädigtes oder verlorengegangenes Hilfsmittel wiederhergestellt oder erneuert. Der Begriff des Hilfsmittels in § 27 Abs 2 [X.]B VII meint nicht den in § 31 Abs 1 [X.]B VII verwendeten, nur auf Unfallfolgen bezogenen weiten Sachleistungsbegriff. Er umfasst nur die in § 33 [X.]B V genannten und nicht wegen der Folgen eines Versicherungsfalles von einem anderen Leistungsträger als einem Unfallversicherungsträger geleisteten Hilfsmittel (vgl B[X.] vom 20.2.2001 - B 2 U 9/00 R - B[X.]E 87, 301, 303 f = [X.] 3-2700 § 27 [X.] S 4). Nach § 33 Abs 1 Satz 1 [X.]B V haben [X.]rankenversicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, [X.]örperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der [X.]rankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 [X.]B V ausgeschlossen sind. Der Anspruch nach § 27 Abs 2 [X.]B VII ist auf die Wiederherstellung des beschädigten oder die Erneuerung eines solchen verlorengegangenen Hilfsmittels gerichtet, also auf die Zurverfügungstellung eines nach Funktion und Preis im Wesentlichen gleichwertigen Geräts durch den Unfallversicherungsträger.

Eine solche Leistung muss infolge des Eintritts eines Versicherungsfalls (§§ 7 ff [X.]B VII) erforderlich werden. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift des Dritten [X.]apitels des [X.]B VII, in dem § 27 [X.]B VII seinen Sitz hat. § 27 Abs 2 [X.]B VII verschafft Versicherten ggf einen Anspruch auf Verschaffung genau des Hilfsmittels, das durch einen Arbeitsunfall gerade iS des § 8 Abs 3 [X.]B VII beschädigt oder zerstört worden oder in Verlust geraten ist. Ein Anspruch aus § 27 Abs 2 [X.]B VII besteht nur in den Fällen des § 8 Abs 3 [X.]B VII. Nach dieser Vorschrift gilt als Gesundheitsschaden auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels. § 8 Abs 3 [X.]B VII stellt damit nicht abschließend die Voraussetzungen für einen eigenen Versicherungsfall (Beschädigung oder Verlust von Hilfsmitteln) auf. Vielmehr fingiert das Gesetz, dass die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels als "Gesundheitsschaden" gilt. Es erweitert damit den [X.] des § 8 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII und dadurch auch den des Arbeitsunfalls iS von Satz 1 aaO, dessen Voraussetzungen im Übrigen auch erfüllt sein müssen.

Auch "in den Fällen des § 8 Abs. 3 [X.]B VII“ gilt (vgl § 8 Abs 1 [X.]B VII): Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit (Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den [X.]örper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur [X.] zuzurechnen ist (sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den [X.]örper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat ([X.]) und das Unfallereignis einen [X.] oder den Tod des Versicherten verursacht hat (vgl ua B[X.] vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] Rd[X.]0 mwN).

§ 8 Abs 3 [X.]B VII erweitert diese Anforderungen insoweit, als an die Stelle des Merkmals "[X.]" die Merkmale "Beschädigung oder Verlust von Hilfsmitteln" treten. Daneben müssen alle weiteren Voraussetzungen des Arbeitsunfalls nach § 8 Abs 1 [X.]B VII vorliegen (vgl [X.]/[X.], [X.], [X.]B VII § 8 [X.] 18.4; [X.], jurisP[X.]-[X.]B VII § 8 RdNr 241). Ein Fall des § 8 Abs 3 [X.]B VII iS von § 27 Abs 2 [X.]B VII liegt daher nur vor, wenn ein Versicherter infolge seiner versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet, der darin besteht, dass ein zeitlich begrenztes, von außen auf seinen [X.]örper einwirkendes Ereignis sein Hilfsmittel beschädigt oder dessen Verlust bewirkt.

Das folgt auch aus dem Zweck des § 8 Abs 3 [X.]B VII. Danach wird anstelle des Gesundheitsschadens eines Versicherten - ausnahmsweise - ein Sachschaden kompensiert. Diese Erweiterung des Versicherungsschutzes ist damit zu begründen, dass die versicherten Sachen - als Hilfsmittel eingesetzt - dazu bestimmt sind, [X.]örperfunktionen des Versicherten zu übernehmen oder bestehende Gesundheitsstörungen auszugleichen. Dieser Regelungszweck wird insbesondere bei historischer Auslegung der Norm deutlich. In der Begründung zu § 8 Abs 3 [X.]B VII ist festgehalten, die Regelung entspreche weitgehend dem bis dahin geltenden Recht, also § 548 Abs 2 Reichsversicherungsordnung ([X.]) idF bis 31.12.1996 (BT-Drucks 13/2204, [X.]). Der frühere § 548 Abs 2 [X.] wurde durch Art 1 des [X.] vom 30.4.1963 ([X.]) in die [X.] eingefügt und lautete: "Dem [X.] steht die Beschädigung eines [X.]örperersatzstückes oder eines größeren orthopädischen Hilfsmittels gleich." Der Zusatz "oder eines größeren orthopädischen Hilfsmittels" wurde aufgrund der Beratungen im [X.] (20. Ausschuss) in den Gesetzentwurf aufgenommen ([X.]/938; in diesem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens noch zu § 549 Abs 2 [X.]). Zur Begründung wurde angeführt, es sei angeregt worden, dem [X.] nicht nur die Beschädigung eines [X.]örperersatzstückes, sondern auch die eines (orthopädischen) Hilfsmittels gleichzustellen. Denn zwischen einer Beinprothese als [X.]örperersatzstück und einem Stützapparat als orthopädischem Hilfsmittel bestehe der Funktion nach kein entscheidender Unterschied (BT-Drucks aaO, S 7).

Die Beschädigung eines (orthopädischen) Hilfsmittels ist dem [X.] gleichgestellt worden, weil das Hilfsmittel in gleicher Weise wie die [X.]örperorgane, die es ersetzt oder deren Funktion es übernimmt, unfallbedingten Einwirkungen ausgesetzt sein kann. Die Beschädigung oder der Verlust bewirkt eine ähnliche Verletzung der körperlichen Integrität wie die Verletzung des Organs selbst, weil das beschädigte oder verlorene Hilfsmittel seine Ausgleichsfunktion nicht mehr wahrnehmen kann (sog unechter [X.]). Nur wenn eine Einwirkung auf die Person des Versicherten vorliegt und ein zum Ausgleich von körperlichen Funktionen eingesetztes Hilfsmittel beschädigt wird oder verloren geht, bewirkt der Schaden am oder der Verlust des Hilfsmittels eine vergleichbare Einbuße an körperlicher Funktion wie der unmittelbare Gesundheitsschaden. Der Verlust eines Hilfsmittels oder dessen Beschädigung kann dem [X.] deshalb (jedenfalls grundsätzlich und faktisch in aller Regel) nur gleichstehen, wenn das Hilfsmittel bei Eintritt des [X.] bestimmungsgemäß am [X.]örper eingesetzt war (so auch [X.] in [X.], [X.]ommentar zum Sozialgesetzbuch, § 8 [X.]B VII Rd[X.]66; [X.], [X.]B VII, 4. Aufl 2009, § 8 RdNr 312; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B VII, § 8 RdNr 241; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B VII, § 27 RdNr 23). Die Gleichstellung von Sachschaden und [X.] setzt also voraus, dass der Versicherte das Hilfsmittel zur Zeit der Einwirkung auf seinen [X.]örper in funktionsgemäßer Verwendung an (oder in) seinem [X.]örper trägt.

Vorliegend hat zwar ein Arbeitsunfall nach § 7 Abs 1, § 8 Abs 1 [X.]B VII vorgelegen, denn die Beklagte hat mit Bescheid vom 23.3.2005 zwischen den Beteiligten bindend festgestellt, dass das Ereignis vom 18.6.2004 ein Arbeitsunfall ist. Die Gewaltanwendung der Täter gegen den [X.]läger war aber nicht im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Verlust der Hilfsmittel ursächlich und zwar schon deshalb, weil der [X.]läger die Hörgeräte weder bestimmungsgemäß verwendete noch überhaupt mit sich führte. Er befand sich vielmehr außerhalb des [X.]fz und wurde mit Gewalt gehindert, das [X.]fz und die darin befindlichen Sachen wieder in Besitz zu nehmen. Mit der Einwirkung auf seinen [X.]örper war eine Einwirkung auf die Hörgeräte nicht verbunden, da diese im [X.]fz abgelegt waren. Die Hörgeräte wurden dem [X.]läger stattdessen mit dem [X.]fz, in dem sie lagen, entwendet. Diebstahl oder Raub von Hilfsmitteln lediglich bei Gelegenheit eines Arbeitsunfalls will § 8 Abs 3 [X.]B VII aber nicht versichern.

Der Senat lässt die Frage offen, ob es als eng zu begrenzende Ausnahme für § 8 Abs 3 [X.]B VII auch genügen kann, dass durch äußere Einwirkung ein Hilfsmittel beschädigt oder zerstört wird, das - ohne in Funktion zu sein - zum alsbaldigen Einsatz unmittelbar am [X.]örper getragen wird (so [X.]eller in [X.]/[X.], [X.]B VII, Stand Februar 2010, [X.] § 8 Rd[X.]3a; [X.]rasney in [X.]/ [X.]/[X.]rasney/[X.]ruschinsky, [X.], [X.]B VII, Stand September 2006, § 27 RdNr 5); denn ein solcher Fall lag hier nicht vor.

Da die Hilfsmittel (Hörgeräte) nicht in einem Fall des § 8 Abs 3 [X.]B VII verloren gingen, besteht kein Anspruch auf Wiederherstellung oder Ersetzung der in Verlust geratenen Hörgeräte aus § 27 Abs 2 [X.]B VII.

cc) Den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf [X.]ostenübernahme, dh Zahlung von 3808,40 [X.], hat die Beklagte ebenfalls zu Recht abgelehnt. Es kann offen bleiben, ob im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt grundsätzlich anstelle des Anspruchs auf Sachleistung (§ 26 Abs 4 Satz 2 [X.]B VII) ein [X.]ostenerstattungsanspruch entsprechend § 13 Abs 3 Satz 1 [X.]B V oder § 15 [X.]B IX geltend gemacht werden kann (vgl dazu B[X.] vom [X.] - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen). Denn jedenfalls reicht der sekundäre Zahlungsanspruch nicht weiter als der primär entstandene Sachleistungsanspruch, an dessen Stelle der Zahlungsanspruch ggf treten kann. Der Zahlungsanspruch scheitert hier schon daran, dass ein Anspruch auf Verschaffung der Hörgeräte selbst nicht bestand (vgl stRspr; zB B[X.] vom [X.] - 1 R[X.] 33/95 - B[X.]E 79, 125, 126 f = [X.] 3-2500 § 13 [X.]1 S 51 f mwN; B[X.] vom 16.12.2008 - [X.] [X.]R 11/08 R - [X.] 4-2500 § 13 [X.]9 Rd[X.]2).

Die Ablehnungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sind rechtmäßig.

3. Die Leistungsklage (§ 54 Abs 4 [X.]G) ist daher ebenfalls unbegründet. Denn mit der Rechtskraft der Abweisung der Anfechtungsklage wurde zugleich die Ablehnung des Zahlungsanspruchs durch die Beklagte bindend (§ 77 [X.]G). Schon deshalb steht fest, dass der [X.]läger gegen die Beklagte auch den hilfsweise geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht hat, der im Übrigen auch nicht besteht (siehe oben 2. b> cc>).

Die Revision des [X.] war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 24/09 R

09.11.2010

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Lübeck, 15. November 2006, Az: S 15 U 51/05, Urteil

§ 8 Abs 1 S 2 SGB 7, § 8 Abs 3 SGB 7, § 27 Abs 2 SGB 7, § 31 Abs 1 SGB 7, § 33 Abs 1 S 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.11.2010, Az. B 2 U 24/09 R (REWIS RS 2010, 1639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1639

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

S 23 U 667/15 (SG München)

Ersatz für Hilfsmittel bei Arbeitsunfall


B 2 U 10/11 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Unfallereignis - Einwirkung auf den Körper von außen - alltägliches …


L 8 U 81/18 (Landessozialgericht Baden-Württemberg)


B 2 U 23/10 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Unfallereignis - Unfallbegriff - außergewöhnliches Ereignis - äußere Einwirkung - …


B 2 U 16/11 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - versicherte Tätigkeit als höchstpersönliche Handlung des Verletzten - Gesundheitserstschaden - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.