Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2010, Az. V ZB 79/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7922

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Gegenstand

Abschiebehaftverfahren: Zuständigkeit der Bundespolizeiinspektionen zur Haftantragstellung


Leitsatz

Von den Bundespolizeiinspektionen gestellte Haftanträge sind solche der jeweiligen übergeordneten Bundespolizeidirektionen .

Tenor

Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung des Beschlusses des [X.] vom 8. Februar 2010 in der Fassung des Beschlusses der 11. Zivilkammer des [X.] bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist Staatsangehöriger von [X.]. Er verließ das [X.] nach der bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags. 2007 reiste er von [X.] kommend wiederum nach [X.] ein und wurde nach [X.] zurückgeschoben. Am 8. Februar 2010 reiste er abermals aus [X.] ein. Bei einer Kontrolle versuchte er, sich mit einem entwendeten [X.] Personalausweis auszuweisen, und wurde verhaftet. Auf Antrag der [X.]inspektion [X.] hat das Amtsgericht mit [X.]uss vom 8. Februar 2010 gegen den Betroffenen Haft bis zu seiner Rückschiebung, längstens für die Dauer von drei Monaten, angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der der Betroffene unter anderem die Unzuständigkeit der den Haftantrag stellenden Behörde geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt, die Aussetzung des [X.] bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde anzuordnen.

II.

2

Der Antrag hat keinen Erfolg.

3

1. Er ist zwar in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, [X.]. v. 21. Januar 2010, [X.], juris, [X.]. 3; [X.]/[X.], FamFG, 16. Aufl. § 74 [X.]. 61).

4

2. Der Antrag ist aber unbegründet.

5

a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, [X.]. v. 21. Januar 2010, [X.], juris, [X.]. 5; ferner Senat, [X.]. v. 31. Oktober 2007, [X.] 114/07, [X.], 95, 96).

6

b) Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Haft zur Zurückschiebung des Betroffenen wird sich nach bisherigem Sachstand nicht wegen einer Unzuständigkeit der antragstellenden Behörde als unrechtmäßig erweisen.

7

Das Vorliegen eines zulässigen Antrages ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BayObLG [X.] 1997, 117; OLG Schleswig [X.] 1997, 236, 237; KG [X.] 1998, 157; [X.] [X.] 2008, 228, 229; OLG Celle [X.] 2008, 227, 228; [X.] [X.] 2009, 137, 138). Der nach § 417 Abs. 1 FamFG für die Freiheitsentziehung erforderliche Antrag ist von der zuständigen Behörde gestellt worden. Nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.] sind die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unter anderem für Zurückweisungen und Zurückschiebungen an der Grenze zuständig. Der Grenzschutz des [X.]es obliegt nach § 2 Abs. 1 [X.]gesetz der [X.]. Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten der [X.]behörden sind die [X.]direktionen als Unterbehörden, § 57 Abs. 1 [X.]gesetz, zur Wahrnehmung der der [X.] obliegenden Aufgaben sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung. Das führt in dem zu entscheidenden Fall zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der [X.]direktion [X.]. Zu dieser gehört die [X.]inspektion [X.]. Dass diese den Haftantrag gestellt hat, ist unschädlich; denn das Handeln der [X.]inspektionen wird mangels einer organisatorischen Selbständigkeit der jeweiligen übergeordneten [X.]direktion zugerechnet.

8

aa) Die [X.]inspektionen sind keine Behörden. Der Begriff der Behörde ist in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinn aufzufassen, und zwar im Sinn des Staats- und Verwaltungsrechts (st. [X.]., vgl. [X.], [X.]. v. 12. Juli 1951, I[X.] 5/51, NJW 1951, 799; [X.]. v. 16. Oktober 1963, I[X.] 171/63, [X.], 299). Danach ist eine Behörde eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein ([X.], [X.]. v. 16. Oktober 1963, aaO; [X.] 10, 20, 48; BVerwG NJW 1991, 2980). Es muss sich um eine Stelle handeln, deren Bestand unabhängig ist von der Existenz, dem Wegfall, dem Wechsel der Beamten oder der physischen Person, der die Besorgung der in den Kreis des Amtes fallenden Geschäfte anvertraut ist ([X.] [X.]. v. 12. Juli 1951, aaO). Dass das [X.]gesetz und die Verordnung über die Zuständigkeiten der [X.]behörden die [X.]inspektionen nicht nennen, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn selbst fehlerhaft errichtete Behörden und deren Träger sind im Interesse der Rechtssicherheit bis zur endgültigen Feststellung der Unwirksamkeit nicht als inexistent zu behandeln ([X.] 1, 14, 38; BVerwG [X.] 2003, 995, 996).

9

Für den Begriff der Behörde ist eine organisatorische Selbständigkeit notwendig ([X.] in Knack/[X.], [X.], 9. Aufl., § 1 [X.] 71; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 1 [X.]. 248). Indiz für eine Verselbständigung der Einrichtung zu einer Behörde ist insbesondere die Fähigkeit der Einrichtung, in eigenem Namen zu handeln, die ihrerseits durch eine gesetzliche Regelung zuerkannt oder durch Rechtsvorschriften zugewiesen wird ([X.] in Knack/[X.], aaO, § 1 [X.]. 72, 73). Eine solche Befugnis findet sich für die [X.]inspektionen weder im [X.]gesetz noch in der Verordnung über die Zuständigkeiten der [X.]behörden. Die [X.]inspektionen sind unselbständige Untergliederungen der [X.]direktionen ([X.], [X.] 2009, 96, 97). Sie stehen den Arbeitseinheiten einer Behörde wie Ämtern und Dienststellen gleich (vgl. hierzu [X.] in Knack/[X.], aaO, § 1 [X.]. 71; [X.] in [X.]/[X.], aaO, § 1 [X.]. 248). Solchen Ämtern kommt eine Behördeneigenschaft nur dann zu, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung gebildet werden müssen ([X.] in [X.]/[X.], aaO, § 1 [X.]. 251). So verhält es sich mit den [X.]inspektionen anders als mit den früheren [X.]ämtern (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 [X.]gesetz in der bis zum 29. Februar 2008 geltenden Fassung) gerade nicht. Sie nehmen öffentliche Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 4 [X.] wahr, ohne dass ihnen eigener Behördencharakter zukommt ([X.] [X.] 2009, 96, 97).

bb) Als Untergliederung der [X.]direktion wird das Handeln der [X.]inspektion mangels Selbständigkeit der jeweils zuständigen [X.]direktion zugerechnet ([X.] [X.] 2009, 96, 97). Anträge, die eine [X.]inspektion stellt, sind Anträge der übergeordneten [X.]direktion. Antragstellende Behörde ist die jeweilige [X.]direktion, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Antragstellerin ausgewiesen wird, sondern die [X.]inspektion als Antragstellerin erscheint. Deshalb ist es unschädlich, wenn der Antrag in [X.] nicht (auch) die übergeordnete [X.]direktion nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 FamFG aufführt, da eine [X.]inspektion mangels eigener originärer gesetzlicher Zuständigkeiten nur als Vertreterin für die [X.]direktion auftreten kann. Dementsprechend ist die übergeordnete [X.]direktion und nicht (auch) die [X.]inspektion Beteiligte des Verfahrens im Sinne des § 418 Abs. 1 FamFG.

cc) Ohne Bedeutung ist schließlich auch, dass der Antrag vom 8. Februar 2010 das nicht mehr existierende [X.]amt [X.] aufführt. Nach den mit dem Aussetzungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] ist von der [X.]inspektion [X.] versehentlich ein alter Vordruck benutzt worden. Die [X.]inspektion [X.] konnte und wollte allein für die [X.]direktion [X.] tätig werden. Dies ergibt sich auch aus den weiteren mit dem Aussetzungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des [X.], dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen und der Aufgriffsbericht durch die [X.]inspektion [X.] für die [X.]direktion [X.] erfolgt sind. Hierdurch wird zugleich deutlich, dass die [X.]inspektion ein dieser zugehöriger Teil ist und allein die [X.]direktion [X.] zuständige Verwaltungsbehörde nach §§ 417 Abs. 1 FamFG, § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.], § 57 Abs. 1 [X.]gesetz i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Verordnung über die Zuständigkeiten der [X.]behörden für den vorliegenden Haftantrag ist.

[X.]

                   Schmidt-Räntsch                              [X.]

Meta

V ZB 79/10

30.03.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Osnabrück, 17. März 2010, Az: 11 T 138/10 (7), Beschluss

§ 417 Abs 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2010, Az. V ZB 79/10 (REWIS RS 2010, 7922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7922

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