Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 33 W (pat) 539/10

33. Senat | REWIS RS 2011, 2954

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ECORIDE" – Freihaltungsbedürfnis -Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 029 802.5

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und die Richterin Dr. Hoppe am 27. September 2011

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 28 vom 7. Juni 2010 wird aufgehoben soweit die Eintragung für die Waren „Brillen und Kontaktlinsen“ versagt wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 19. Mai 2009 hat die Anmelderin die Wortmarke

2

ECO[X.]

3

angemeldet für

4

Klasse 9:

5

Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; [X.]rillen; Kontaktlinsen; Ferngläser;

6

Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und [X.]ild; Magnetaufzeichnungsträger; Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen; Rechenmaschinen; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte; Telefone; PC-Hardware; PC-Software; Solaranlagen zur Stromerzeugung

7

Klasse 12:

8

Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör, soweit in Klasse 12 enthalten; Räder für Fahrzeuge; Apparate zur [X.]eförderung auf dem Lande, in der Luft oder zu Wasser

9

Klasse 28:

Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Spiele.

Die Markenstelle für Klasse 28 hat die Anmeldung mangels hinreichender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] mit [X.]eschluss vom 7. Juni 2010 zurückgewiesen. Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich um eine beschreibende Angabe handele, die vom Verkehr auch als solche verstanden werde.

Die [X.]estandteile „Eco“ und „[X.]“ entstammten der [X.] und würden die Waren dahingehend beschreiben, dass diese dazu bestimmt seien, eine ökologische bzw. ökonomische Fahrt zu gewährleisten.

Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass das begehrte Wortzeichen unterscheidungskräftig sei, weil es nicht lexikalisch nachweisbar und kein gebräuchlicher Ausdruck für die angemeldeten Waren sei. Es handele sich daher um eine originelle Fantasiebezeichnung, der keine konkrete Aussage über die Waren entnommen werden könne.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den angefochtenen [X.]eschluss vom 7. Juni 2010 aufzuheben.

Der Senat hat die Anmelderin mit Schreiben vom 17. August 2011 auf das Vorliegen von [X.]n nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] hingewiesen und entsprechende Anlagen aus der Internetrecherche des Senats (im Folgenden zitiert als „Anlagen“) übersandt.

II.

Die zulässige [X.]eschwerde ist nur im Hinblick auf die Waren „[X.]rillen und Kontaktlinsen“ erfolgreich.

Der angemeldeten Marke stehen hinsichtlich der übrigen begehrten Waren die [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bzw. nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Die Anmeldung ist daher insoweit zu Recht nach § 37 Abs. 1 [X.] zurückgewiesen worden.

1.

Zu dem von den begehrten Waren angesprochenen Verkehr zählen sowohl Endverbraucher als auch der Fachverkehr.

Die Wortkombination „ECO[X.]“ wird vom angesprochenen Verkehr als Kurzform für ökologische bzw. ökonomische Fahrt/Antrieb verstanden.

a) Das Kürzel „eco“ lässt sich von zwei englischsprachigen [X.]egriffen ableiten, zum einen von dem Adjektiv „ecological“, was ökologisch bedeutet und zum anderen vom Wort „economic“, welches mit ökonomisch übersetzt wird (vgl: Anlage 1: [X.]: Kompaktwörterbuch, Teil 1, [X.], 1997, [X.]). Dabei besteht ein gewisser [X.]edeutungszusammenhang zwischen beiden Worten, denn Ökonomie bezeichnet die Wirtschaftswissenschaft, von ihr leitet sich das Adjektiv ökonomisch ab. Ökonomisch wird dabei als ein sparsames und wirtschaftliches Handeln verstanden (vgl: Anlage 4: [X.]: Fremdwörterbuch, 2002, S. 366). Von dem Wort Ökologie lässt sich ökologisch ableiten, welches die Wissenschaft von den [X.]eziehungen der Organismen zueinander und mit ihrer Umwelt beschreibt. Darüber hinaus hat der [X.]egriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Erweiterung erfahren und wird nun auch als Synonym für Umweltschutz und Nachhaltigkeit verwendet (vgl. Anlage 3; http://de.wikipedia.org/wiki%C3%96kologie). Daraus haben sich z. [X.]. auch eine ökologische [X.]ewegung und Ökopartei gebildet. Der einst rein wissenschaftliche ökologische Ansatz hat sich in politische und [X.] [X.]ereiche übertragen und wird nun als Argument für die Sorge um die Umwelt benutzt. Daraus schlussfolgernd kommt beiden [X.]egriffen, also ökologisch und ökonomisch, auch eine [X.]edeutung der Sparsamkeit und Nachhaltigkeit zu. Dementsprechend wird z. [X.]. der [X.]egriff „Eco-Produkte“ als Gattungsbegriff genutzt (vgl. [X.] 6). So existieren heute eine Vielzahl an Produkten aller Art, die den Zusatz „eco“ auf ihrer Etikettierung tragen (vgl. [X.] 6, Anlagen A - X). Diese Produkte werben meist mit einer hohen Energieersparnis oder einem geringem Ressourcenverbrauch. [X.] bedeutet der Zusatz „eco“ bei Autos eine kraftstoffsparende Variante. [X.]ei Computern und Monitoren soll im „eco“-Modus (eco-mode/eco-Funktion) Strom gespart werden. „Eco“-Schuhe sind aus nachhaltig produziertem Material hergestellt und verpackt und mit „eco“ gekennzeichnete Lebensmittel stammen aus einem ökologischen und nachhaltigen Anbau. Insgesamt kann somit davon ausgegangen werden, dass „eco“ und „öko“ gleichbedeutend von breiten Verkehrskreisen auch ohne weitergehende Englischkenntnisse verstanden und verwendet werden.

Der zweite Wortbestandteil „[X.]“ entstammt ebenfalls der [X.]. „[X.]“ bedeutet demnach „Fahrt, Ritt, Lauf bzw. fahren gleiten, reiten, rutschen“ wobei der Substantiv mit der Verbform identisch ist. Im technischen Sinne bedeutet es auch „laufen“ im Sinne von antreiben (vgl. Anlage 7).

In der Gesamtschau bedeutet die Wortkombination damit „ökologische ([X.](r) Fahrt/Lauf/Antrieb“.

Auch die - bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind - vorzunehmende Gesamtbetrachtung (vgl. dazu: [X.] GRUR 2004, 943 (Nr. 28) - SAT.2; [X.] GRUR 2004, 674 ([X.]) - Postkantoor; [X.], 710 (Nr. 13) - [X.]) führt vorliegend nicht zu einem Eindruck oder [X.]edeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile des [X.] hinausgehen würde. Zwar handelt es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare, neue Wortkombination. Dies allein genügt indes nicht, um von dem beschreibenden Gehalt wegzuführen, vielmehr wäre darüber hinaus erforderlich, dass die Wortzusammensetzung zu einem von der Summe ihrer Einzelbestandteile abweichenden Eindruck führt, der wesentliche Elemente wie die Form des Zeichens oder seine [X.]edeutung betrifft. Eine derartige Abweichung des Gesamteindrucks von der Summe der Einzelbestandteile des angemeldeten [X.] ist hier indes nicht zu erkennen.

b) Vielmehr werden durch die [X.] Merkmale der angemeldeten Waren beschrieben, weil diese einen Öko-Antrieb haben können, bzw. einen solchen ermöglichen können (vgl. auch „eco-drive“ [X.] X). Dementsprechend ist die [X.]egriffskombination zur [X.]eschreibung verschiedenster Waren geeignet und wird auch bereits entsprechend benutzt:

So gibt es z. [X.]. einen „Eco Ride Indicator“, der über Spritverbrauch informiert und eine Hilfe zum spritsparenden Fahren bietet sowie eine „Eco-Ride-Anzeige“ (Anlage A, [X.]). Darüber hinaus wird der [X.]egriff „[X.]“ genutzt, um Lösungen zu kennzeichnen, die einen effektiven [X.]eitrag zur Verbrauchseinsparung leisten (Anlage C). Zahlreiche Fahrzeuge ([X.]us, Zug, Fahrrad), die ökologische Antriebsmöglichkeiten offerieren, werden mit dem Zusatz „Ecoride“ gekennzeichnet (Anlagen [X.]). [X.]ei Telefonen und verschiedenen anderen elektrischen Geräten gibt es einen „eco-Modus“, durch den der Energieverbrauch reduziert werden kann und zudem sogenannte „eco-Telefone“ (Anlagen [X.]). Des Weiteren wird das Attribut „eco“ z. [X.]. auch für Registrierkassen, Feuerlöscher, Fitnessgeräte und Spiele verwendet (Anlagen [X.]). Demzufolge wird der angesprochene Verkehr die Wortkombination für alle Waren, die im Zusammenhang mit einem Antrieb bzw. einem Lauf oder einer Fahrt stehen, dahingehend verstehen, dass diese über besonders ökologisch oder ökonomische Antriebs- bzw. Fahreigenschaften verfügen oder derartige ermöglichen. Abgesehen von [X.]rillen und Kontaktlinsen stehen nämlich alle begehrten Waren in einem so engen Zusammenhang mit Antriebs- oder Laufeigenschaften, dass ein entsprechendes Verkehrsverständnis naheliegt. So verfügen viele Instrumente, Geräte, Automaten, Telefone, Computer und Apparate über einen [X.]atterie- oder Netzstromantrieb. Auch Spiele, Sportgeräte und integrierte Zusatzfunktonen bei Ferngläsern werden zum Teil elektrisch angetrieben. Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör können durch Kraftstoffzufuhr oder elektrisch angetrieben werden. Schallplatten können von besonders ökonomischen Musikgeräten angetrieben werden.

Ungeachtet der bereits nachgewiesenen Verwendung der [X.]egriffskombination, genügt im Übrigen bereits die bloße Eignung einer Angabe oder eines Zeichens zur [X.]eschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, um den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu erfüllen, wenn - wie hier - zukünftig mit ihrer Nutzung zu rechnen ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 (Nr. 30) - [X.]; [X.] GRUR 2004, 146 (Nr. 32) - DOU[X.]LEMINT; [X.] GRUR 2004, 674 (Nr. 97) - Postkantoor; [X.], 900 (Nr. 12) - [X.]). Hintergrund ist die [X.]erücksichtigung des Allgemeininteresses an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren mögliche künftige beschreibende Verwendung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 8 Rd. 241), die sich vorliegend schon daraus ergibt, dass das Zeichen für bestimmte Waren bereits genutzt wird.

2.

Zudem fehlt der Wortmarke auch die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Einer Wortmarke, die im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] Merkmale von Waren oder Dienstleistungen beschreibt, fehlt nach der Rechtsprechung des [X.] nämlich zwangsläufig auch die Unterscheidungskraft in [X.]ezug auf diese Waren oder Dienstleistungen ([X.] GRUR 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; [X.] GRUR 2004, 680 (Nr. 19) - [X.]IOMILD), weil es bei derartigen beschreibenden Angaben keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. [X.], 710 (Nr. 16) - [X.]; [X.]GH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) - FUSS[X.]ALL WM 2006 m. w. N.).

3.

Im Hinblick auf [X.]rillen und Kontaktlinsen liegen indes keine [X.] vor. Diese Waren verfügen üblicherweise nicht über einen irgendwie gearteten Antrieb und ermöglichen auch keinen solchen. Deshalb kann der [X.]egriff „Eco“ zwar auf ökologische Materialien oder Verarbeitungen hinweisen, der Gesamtbegriff „ECO[X.]“ erscheint jedoch nicht geeignet, in einer für den Verkehr erkennbaren Weise Merkmale dieser Waren zu bezeichnen.

Da es sich insoweit auch nicht um einen gebräuchlichen Ausdruck oder um einen Fachbegriff handelt, kann dem Zeichen für diese speziellen Waren auch nicht die Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Meta

33 W (pat) 539/10

27.09.2011

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 33 W (pat) 539/10 (REWIS RS 2011, 2954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2954

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25 W (pat) 546/18

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