Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.02.2022, Az. 30 W (pat) 545/20

30. Senat | REWIS RS 2022, 1335

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „Brillenmann (Wortzeichen)“ - fehlende Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 013 013.4

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2021 unter Mitwirkung des Richters [X.] als Vorsitzendem sowie des Richters [X.] und der Richterin Dr. Weitzel

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

[X.]

3

ist am 29. Mai 2015 u.a. für folgende [X.]aren

4

„Klasse 3: Reinigungslösungen für Brillengläser; mit Reinigungsmitteln imprägnierte Brillenputztücher;

5

Klasse 9: Brillen; Brillenetuis; Brillenbügel; [X.]; [X.]; Brillengläser; [X.]; [X.]; [X.]; Brillenkordeln; Brillengestelle; Brillenfassungen; Teile für Brillen; Nasenauflagen für Brillen; Brillengläser mit Antireflexbeschichtung; korrigierende Brillen und [X.]; Brillen, Sonnenbrillen und [X.]; [X.]; [X.]etuis; [X.]behälter; [X.]rohlinge; farbige [X.]; kosmetische [X.]; [X.] für [X.]; angepasste Behälter für [X.]“

6

zur Eintragung als [X.]ortmarke in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden.

7

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschluss vom 8. Mai 2020 teilweise, nämlich im Umfang der o. g. [X.]aren, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

8

Zur Begründung ist ausgeführt, das Anmeldezeichen sei [X.] aus einfachen [X.]örtern der [X.] gebildet und reihe sich problemlos in ähnlich gebildete [X.]ortzusammensetzungen (wie „[X.], [X.], [X.], Heizungsmann“) ein. Im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen [X.]aren werde [X.] unmittelbar als Sachhinweis auf einen Fachmann in Bezug auf Brillen, Brillenzubehör sowie auf „[X.]“ (wie u.a. [X.], Etuis etc.) verstanden. Daher sei das Zeichen geeignet, werbemäßig verkürzt auf die mögliche Bestimmung und Eignung der relevanten [X.]aren hinzuweisen.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

Er macht geltend, dass das Anmeldezeichen über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge und ihm auch kein Freihaltungsbedürfnis entgegenstehe. Bei dem Zeichen [X.] handele es sich um ein lexikalisch nicht nachweisbares Fantasie- und Kunstwort, das keinen unmittelbaren Begriffsinhalt aufweise und dessen Sinn sich dem Verkehr gerade nicht auf Anhieb erschließe.

Die Fundstellen der Markenstelle seien nicht geeignet, ein beschreibendes Verständnis des Begriffs [X.] zu belegen. So beziehe sich ein Teil der Treffer einer Google-Recherche auf den Namen einer Musikgruppe, die mit Brillen und Brillenzubehör nichts zu tun habe. Der andere Teil der Treffer führe fast ausnahmslos zu der B… GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die B… Verwaltungsgesellschaft mbH mit dem Anmelder als alleinigem Gesellschafter und seiner Ehefrau als Geschäftsführerin sei.

Auch die dem Anmelder mit der Terminsladung übersandten Recherche-ergebnisse des Senats beinhalteten nur vereinzelt gebliebene Verwendungen des Begriffs [X.] als Synonym für „Optiker“. Sie seien nicht geeignet, die Annahme zu stützen, bei dem Begriff handele es sich um ein gebräuchliches [X.]ort der [X.], das vom angesprochenen Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, und erst recht belegten sie nicht, dass es sich um eine für die beschwerdegegenständlichen [X.]aren gebräuchliche Sachangabe handele.

Die Schutzfähigkeit des [X.] für die beschwerdegegenständlichen [X.]aren ergebe sich ferner unter Berücksichtigung der [X.] [X.] Entscheidung des [X.] ([X.], Teilurteil vom 3.11.2016 – [X.]). Sowohl bei „[X.] [X.]“ bzw „[X.]“ als auch bei dem verfahrensgegenständlichen Zeichen [X.] handele es sich um Kunst- bzw. Fantasiewörter mit einem eigenschöpferischen Gehalt, die Unschärfen aufwiesen und deshalb nicht geeignet sind, die Eigenschaften eines Produkts fest und eindeutig zu umreißen. Das gelte für das Anmeldezeichen sogar in noch stärkerem Maße. Denn das irgendjemand den Begriff [X.] zur Beschreibung des Verwendungszwecks, der Beschaffenheit oder der Eigenschaften auch nur eines der von der Anmeldung beanspruchten Erzeugnisse verwende, sei nach der Lebenserfahrung noch unwahrscheinlicher als die Verwendung der Begriffe „[X.] [X.]“ bzw „[X.]“ für [X.] aus einer bestimmten Faserbeschaffenheit.

Der Verkehr werde das Kunst- und Fantasiewort [X.] nicht als Synonym für Brillen, Brillenfassungen, [X.], Brillenetuis oder Zubehör wie Reinigungslösungen oder Brillenputztücher verstehen, sondern das Anmeldezeichen im vorliegenden  [X.] immer nur mit der B… GmbH & Co. KG in Verbindung bringen.

Überdies habe es die Markenstelle entgegen den #darferdas?-Entscheidungen ([X.] [X.] 2018, 932 - #darferdas? I; [X.] [X.] 2020, 411 - #darferdas? [X.]) unterlassen, bei der Prüfung der Unterscheidungskraft auf die [X.] wahrscheinlichsten Verwendungsformen des [X.] einzugehen. Brillen würden branchentypisch auf den [X.] und damit am Produkt selbst mit der jeweiligen Marke gekennzeichnet. Dort erfülle das Zeichen [X.] aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eindeutig eine auf die betriebliche Herkunft hinweisende Funktion. Dasselbe gelte für die weiteren beschwerdegegenständlichen [X.]aren einschließlich des beanspruchten Brillen- und [X.]zubehörs, wenn das Zeichen [X.] auf den entsprechenden Behältnissen oder Verpackungen angebracht sei.

Schließlich sei auf die Voreintragungen [X.], [X.] sowie [X.] zu verweisen, wobei die [X.]ort-/Bildmarken mit dem jeweils prägenden [X.]ortbestandteilen „Der Türenmann“ bzw. „[X.]“ unbeanstandet eingetragen worden seien.

Der Anmelder beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 8. Mai 2020 insoweit aufzuheben, als die Markenanmeldung zurückgewiesen worden ist.

[X.]egen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage Bezug genommen.

[X.].

Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da es der angemeldeten [X.]ortmarke [X.] in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen [X.]aren an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 Marken).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten [X.]aren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-​Rot; [X.], 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-​Gelb; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten [X.]aren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-​Rot; [X.] 2016, 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-​Gelb; [X.] [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-​Rot; [X.], 581 ([X.]) – Langenscheidt-​Gelb; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten [X.]aren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die [X.]ahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung (vgl. [X.] [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten [X.]aren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL [X.]M 2006).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke

in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen [X.]aren keine Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf.

a) Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich um eine aus zwei einfachen, allgemein geläufigen [X.]örtern der [X.] sprachregelgerecht gebildete [X.]ortkombination. Diese reiht sich, wie es bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, zudem ohne [X.]eiteres in ähnlich gebildete [X.]ortzusammensetzungen aus dem Bestandteil „-mann“ und einem vorangestellten Bezugswort, welches die angebotenen [X.]aren bezeichnet, ein (zB „Milchmann“, „[X.]“, „Dönermann“, „[X.]“).

Ausgehend hiervon erschließt sich das Anmeldezeichen, wenn die beschwerdegegenständlichen [X.]aren der Klassen 3 und 9 mit ihm gekennzeichnet werden, den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als individualisierendes, auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisendes Zeichen, sondern vielmehr auf Anhieb als Sachhinweis darauf, dass es sich um von einem Optiker („[X.]“) angebotene [X.]aren handelt.

In diesem Sinne, als Synonym für einen (beliebigen, nicht individualisierten) Optiker, wird [X.] auch seit langem verwendet, wie es die dem Anmelder zur Verfügung gestellten Rechercheergebnisse des Senats belegen:

- „https://forum.mods.de“ ([X.]): „Der [X.] meinte nur, dass es allerhöchste Zeit wird und mit meinen vorherigen [X.]erten (-1,x) nichts mehr zu tun hat (…)“.

- [X.]: (01.07.2010): „Die Antwort ist das umwerfende Eingeständnis, seine Brille von Anfang an bei diesem [X.] zu kaufen.“

- Blog.der-reiseberater.com (veröffentlicht am 3. Januar 2014), „02.01.14 Nur noch 5“, „(…) [X.]ar noch mal beim [X.] und hab noch eine gekauft.“

- [X.], 11.09.2014: „(…) bei uns kann man brillenversicherungen direkt beim [X.] abschließen.“

- https://portugalforum.org, „Augenoptiker / Das Portugalforum“ (20.04.2015): „entweder billigkauf in nächstem [X.] oder für ein paar $$ mehr beim einheimischen [X.] im [X.] (…).“

- https:/stillen-und-tragen.de (17.2.2016), [X.], „Unser [X.] ist glücklicherweise mit uns befreundet.“

- [X.] (1.4.2017): „Die Abweichung zwischen den [X.]erten des Augenarztes und des [X.]s war auch so gering so dass man den als Meßdifferenz betrachten kann (…). …Der [X.], nennen wir ihn mal Optiker, hat so einen Kasten, mit dem er automatisch die Sehstärke ermittelt.“

- www.kretaforum.info (13.5.2017), „Unser erster Reisebericht über [X.] und überhaupt“, „Die Lesegläser sind hammermäßig und die besorgt der [X.]...“

- Gleitsichtbrille / Vielfliegertreff (21.5.2017): „Ich bitte um zielführende Hinweise, am Dienstag ist Termin beim [X.].

- Forum, [X.] (16.12.2016): „Der Ein-Dollar-Brillen-Mann“.

Die Fundstellen, die zum Teil auch schon deutlich vor dem Anmeldezeitpunkt datieren, widerlegen zugleich die Behauptung des Anmelders, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um ein von ihm neu geschaffenes Fantasiewort. Dabei kann dahinstehen, dass in rechtlicher Hinsicht die fehlende lexikalische Nachweisbarkeit und vermeintliche Neuheit einer Marke für sich gesehen ohnehin nicht die hinreichende Unterscheidungskraft begründen können (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 173 mwN).

b) Sämtliche beschwerdegegenständlichen [X.]aren betreffen Brillen, [X.], ergänzendes (Brillen- und [X.]-)Zubehör sowie für Brillengläser bestimmte Reinigungsmittel, im Einzelnen:

„Klasse 3: Reinigungslösungen für Brillengläser; mit Reinigungsmitteln imprägnierte Brillenputztücher;

Klasse 9: Brillen; Brillenetuis; Brillenbügel; [X.]; [X.]; Brillengläser; [X.]; [X.]; [X.]; Brillenkordeln; Brillengestelle; Brillenfassungen; Teile für Brillen; Nasenauflagen für Brillen; Brillengläser mit Antireflexbeschichtung; korrigierende Brillen und [X.]; Brillen, Sonnenbrillen und [X.]; [X.]; [X.]etuis; [X.]behälter; [X.]rohlinge; farbige [X.]; kosmetische [X.]; [X.] für [X.]; angepasste Behälter für [X.]“.

Somit handelt es sich bei [X.] beschwerdegegenständlichen [X.]aren um solche [X.]aren, die typischerweise von Optikern angeboten werden (vgl. schon [X.] [X.] 30 [X.] (pat) 532/10 – Aktive Optiker). Ausgehend hiervon erschöpft sich das Anmeldezeichen in Bezug auf alle zurückgewiesenen [X.]aren in einem Sachhinweis darauf, dass es sich der Art nach um typische, von einem beliebigen Optiker angebotene [X.]aren handelt ([X.] [X.] 30 [X.] (pat) 532/10 – Aktive Optiker). Die Bezeichnung [X.] erlaubt dagegen keine individuelle Zuordnung, wie es für eine Marke erforderlich ist, und entbehrt daher für alle beschwerdegegenständlichen [X.]aren jeder Unterscheidungskraft.

3. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beschwerde gehen insgesamt fehl.

a) Der vom Anmelder in Bezug genommenen [X.] [X.] Entscheidung des [X.] ([X.], Teilurteil vom 3.11.2016 – [X.] = [X.] 2017, 520) liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, und die Grundsätze dieser Rechtsprechung lassen sich nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen. Soweit der [X.] (a. a. [X.], [X.] 2017, 520 Rn. 32) ausgeführt hat, dass es sich bei „[X.]“ um den Fall eines in der maßgeblichen Sprache nicht vorhandenen Fantasie- und [X.] ohne unmittelbare [X.]ortbedeutung und mit eigenschöpferischem Gehalt handele, treffen diese Erwägungen auf das verfahrensgegenständliche Anmeldezeichen offensichtlich nicht zu. Denn das aus einfachsten [X.]örtern der [X.] gebildete Zeichen [X.] ist auch in seiner Gesamtheit kein Fantasie- und Kunstwort, sondern ein nachweislich im [X.] Sprachgebrauch verwendetes [X.]ort, dem im vorliegenden [X.] auch eine unmittelbar erkennbare [X.]ortbedeutung - im Sinne von Optiker - zukommt. [X.]erden die beschwerdegegenständlichen [X.]aren (Brillen, Sonnenbrillen, [X.] und entsprechendes Zubehör, Reinigungsmittel für Brillengläser) mit [X.] gekennzeichnet, wird das angesprochene Publikum ohne jegliche gedankliche Zwischenschritte darauf schließen, dass diese [X.]aren von einem Optiker angeboten werden. Dagegen sind in Bezug auf „[X.]“ gerade eine Reihe solcher Gedankenschritte bzw. die Assoziierung eines neuen Begriffsinhalts, der von der bloßen Aneinanderreihung der [X.]ortbestandteile erheblich abweicht ([X.], a. a. [X.], [X.] 2017, 520 Rn. 32), erforderlich, um überhaupt zu einem Bedeutungsgehalt zu gelangen. Die Grundsätze der [X.] [X.] Entscheidung lassen sich daher nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

b) Die Feststellung, dass der Verkehr dem Anmeldezeichen [X.] im vorliegenden [X.] keine herkunftsidentifizierende Funktion beimisst, gilt entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen auch bei [X.] nach der Rechtsprechung zu berücksichtigenden Verwendungsformen.

Nach dem aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des [X.] ([X.] [X.] 2018, 932) ergangenen Urteils des Gerichtshofs der [X.] muss die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher [X.] der angemeldeten Marke, geprüft werden ([X.], [X.]2019, 1194 Rn. 33–AS/[X.] [#darferdas?]). Sind in der maßgeblichen Branche mehrere [X.] praktisch bedeutsam, müssen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft alle diese verschiedenen [X.] berücksichtigt werden, um zu klären, ob der Durchschnittsverbraucher der erfassten [X.]aren oder Dienstleistungen das Zeichen als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft wahrnehmen kann ([X.], a. a. [X.], Rn. 25 – AS/[X.] [#darferdas?]; [X.] [X.] 2020, 411 - #darferdas? [X.] ).

Unberührt von dieser Rechtsprechung bleibt jedoch der Grundsatz, wonach die Unterscheidungskraft eines Zeichens hinsichtlich aller Verwendungsmöglichkeiten zu verneinen ist, bei denen der Verkehr das Zeichen wegen seiner besonderen Nähe zu den relevanten [X.]aren unabhängig von der konkreten Präsentation nur in einem beschreibenden Sinn auffasst ([X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 159). Auch insoweit gelten die Prinzipien für die markenrechtliche Beurteilung mehrdeutiger Zeichen, wonach Angaben, die als Information über Art oder Eigenschaft der betroffenen [X.]aren zu verstehen sind, gerade deshalb nicht (auch) als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft aufgefasst werden dürfen ([X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 159). Anders als bei dem den höchstrichterlichen Entscheidungen zugrundeliegenden Zeichen "#darferdas?", das in einer verknappten Form ein Diskussionsthema benennt bzw. eine Aufforderung zu einer Diskussion beinhaltet und daher grundsätzlich als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet sein kann, handelt es sich bei dem Zeichen [X.] im vorliegenden [X.] wegen seines Charakters als Sachhinweis um ein von Haus aus schutzunfähiges Zeichen, das grundsätzlich nicht wegen einer speziellen Art seiner Verbindung mit den relevanten [X.]aren die Eintragungsfähigkeit zu erlangen vermag (vgl. u. a. [X.], [X.] 25 [X.] (pat) 29/19 – MÄDELSABEND; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 160). Denn unabhängig von der Verwendungsart wird der angesprochene Verkehr der Bezeichnung [X.] stets einen [X.] Hinweis auf [X.]aren, die ihrer Art nach von einem Optiker angeboten werden können, entnehmen, was einem betriebskennzeichnenden Verständnis entgegenwirkt (vgl. [X.] [X.] 25 [X.] (pat) 29/19 – MÄDELSABEND; [X.] 25 ([X.]) pat 561/19 – Glücksherzen, juris).

c) Soweit der Anmelder vorträgt, dass die angemeldete Bezeichnung vom Verkehr
nur mit der [X.] in Verbindung gebracht werde, kann dem
nur Bedeutung zukommen, wenn zur Überwindung des [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gemäß § 8 Abs. 3 [X.] der Nachweis geführt wird, dass sich die Bezeichnung [X.] im Verkehr infolge ihrer Benutzung als Marke für die relevanten [X.]aren durchgesetzt hat. Für eine Verkehrsdurchsetzung liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Insoweit ist zunächst eine (Anfangs-)Glaubhaftmachung (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 810) der Verkehrsdurchsetzung erforderlich, die einen schlüssigen Sachvortrag dazu verlangt, in welcher Form, für welche [X.]aren, von wem, in welchem Gebiet und Umfang sowie seit wann die Angabe im Verkehr nach Art einer Marke eingesetzt worden ist (vgl. zu den Anforderungen insoweit Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 667, 806, 809, jeweils m.w.[X.]). Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

d) Schließlich kann sich der Anmelder zur Ausräumung des [X.] nicht auf eine seiner Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Nach übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung lässt sich aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken grundsätzlich kein Schutzgewährungsanspruch herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. z.B. [X.] [X.] 2009, 667, Nr. 18 – Bild.t.-Online.de; [X.] [X.], 276, Nr. 18 – Institut der Nord[X.] [X.]irtschaft e.V.).

4. Die Marke kann in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen [X.]aren damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten [X.]aren zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb insoweit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten. [X.]eder war über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Entgegen dem Vorbringen des Anmelders weicht die Entscheidung des Senats auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ab. Dies gilt insbesondere für die von dem Anmelder in Bezug genommene Entscheidung des [X.] [X.]  [X.]  ([X.], Teilurteil vom 3.11.2016 – [X.] = [X.] 2017, 520), deren Einzelfallerwägungen sich wie dargelegt nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen lassen. Dasselbe gilt aus den dargelegten Gründen für die höchstrichterlichen Entscheidungen in Bezug auf das Zeichen „#darferdas?“, denen ebenso ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde liegt. Ein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist daher nicht gegeben.

Meta

30 W (pat) 545/20

10.02.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.02.2022, Az. 30 W (pat) 545/20 (REWIS RS 2022, 1335)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1335

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I ZR 101/15

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