Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.10.2012, Az. 5 ZA (pat) 46/12

5. Senat | REWIS RS 2012, 1820

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Privatsachverständigenkosten im Nichtigkeitsberufungsverfahren" – zur Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Privatsachverständigen – BGH hat bei einer vor dem 01.10.2009 erhobenen Klage im Berufungsverfahren von der Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen abgesehen - Anwendung des allgemein strengen Maßstabes


Leitsatz

Privatsachverständigenkosten im Nichtigkeitsberufungsverfahren

Bei der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Privatsachverständigen im Nichtigkeitsberufungsverfahren ist auch dann der allgemein strenge Maßstab anzuwenden, wenn der Bundesgerichtshof bei einer vor dem 1.10.2009 erhobenen Klage im Berufungsverfahren von der Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

(hier: Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 30. Oktober 2012 durch [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dipl.-Ing. Kleinschmidt

beschlossen:

[X.] Die Erinnerung der Klägerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 25. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Klägerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

II[X.] [X.] beträgt 26.780,28 €.

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 10. Februar 2010 hatte der Senat das [X.] Patent … mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Der [X.] (Aktenzeichen [X.]) hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 22. November 2011 auf deren Kosten zurückgewiesen. Durch Beschluss vom selben Tag ist der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 1.600.000,-- € festgesetzt worden.

2

Auf Antrag der [X.] hat die Rechtspflegerin die dieser aufgrund des Berufungsurteils zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 25. Juli 2012 auf 36.309,78 € festgesetzt. Sie hat dabei die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Kosten des [X.]gutachters in Höhe von insgesamt 26.780,28 € als nicht erstattungsfähig angesehen.

3

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kosten eines im Prozess von der [X.] eingeholten Privatgutachtens seien nur ausnahmsweise anzusetzen, wenn die [X.] ihrer Darlegungspflicht und Beweisführungslast mangels eigener Sachkunde nur mit Hilfe des Privatgutachters genügen könne. Dies sei vorliegend auszuschließen, da die Klägerin durch einen Rechts- sowie einen Patentanwalt vertreten gewesen sei, deren Kenntnisse ebenso wie die Kenntnisse des X. Senats des [X.]s, der im konkreten Fall gerade die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Berufungsverfahren nicht für erforderlich gehalten hatte, für die Auseinandersetzung mit der komplexen Materie als ausreichend anzusehen seien. Von einer Notwendigkeit der Einholung eines Privatgutachtens habe die Klägerin daher nicht ausgehen dürfen. Vielmehr hätte sie vorab die Erhebung des [X.] durch das Berufungsgericht beantragen müssen, was nicht erfolgt sei. Die Beklagte, die auf die Vorlage des Gutachtens der Klägerin ihrerseits ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben hatte, hat sich zum Kostenansatz nicht geäußert.

4

Gegen diesen Beschluss der Rechtspflegerin richtet sich die Erinnerung der [X.], die vorträgt, zwar falle das vorliegende Verfahren noch unter das früher geltende Verfahrensrecht für Nichtigkeitsklagen, weil die Klage vor dem 1. Oktober 2009 eingereicht worden sei. Es liege aber ein Sonderfall vor, da der [X.] die Sache hinsichtlich der [X.] bereits in Anlehnung an das neue Verfahrensrecht behandelt habe. Trotz technischer Komplexität habe der [X.] beim vorliegenden "Übergangsverfahren" keinen gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Daher sei es aber für eine sorgfältige Rechtsverfolgung seitens der Klägerin erforderlich gewesen, einen [X.]gutachter mit besonderem technischen Sachverstand mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens und der Teilnahme an der Berufungsverhandlung zu beauftragen, da zum Schutz der Klägerin die neuen Präklusionsvorschriften, nach denen in der Berufung eine Verteidigung des Streitpatents in geänderter Fassung nur noch ausnahmsweise möglich sei, noch nicht anwendbar gewesen seien. Die Beklagte habe tatsächlich auch zwei neue Hilfsanträge vorgelegt. Der Kostenansatz sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die schriftlichen Gutachten beider [X.]en nach Aussage des Vorsitzenden [X.]s am Ende der mündlichen Verhandlung für die Urteilsfindung hilfreich gewesen seien.

5

Die Klägerin beantragt,

6

zusätzlich zu den im Beschluss vom 25. Juli 2012 festgesetzten Kosten auch die Kosten des [X.]gutachtens in Höhe von 26.780,28 € als erstattungsfähig anzuerkennen sowie die Verzinsung dieses Betrages mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags anzuordnen.

7

Die Beklagte beantragt,

8

die Erinnerung kostenpflichtig zurückzuweisen.

9

Sie hält die Begründung des angegriffenen Beschlusses für zutreffend. Ein Fall, in dem ausnahmsweise eine Erstattungsfähigkeit der Kosten des Privatgutachters in Betracht käme, sei schon deshalb nicht anzunehmen, da der [X.] unter Anwendung der für Altverfahren geltenden Vorschriften ohne Weiteres über die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge habe entscheiden können. Der Senat habe von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen und trotz der diesbezüglichen Bedenken der [X.] mündliche Verhandlung anberaumt. Daraus habe diese ersehen können, dass dem Senat - ebenso wie der Beklagten - die Beteiligung eines Sachverständigen nicht notwendig erschien. Wegen des Gebots, die Kosten möglichst niedrig zu halten, hätte die Klägerin sich beim Senat um die Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen bemühen müssen. Es könne im Ergebnis dahinstehen, ob wie von der Klägerin vorgetragen, der Vorsitzende [X.] die Gutachten der [X.]en für hilfreich angesehen habe. Denn insoweit nehme die Klägerin eine rückschauende Betrachtung vor, die eine Kostenerstattung nicht rechtfertigen könne.

Die Rechtspflegerin hat mit Verfügung vom 25. September 2012, die den [X.]en mitgeteilt wurde, der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

1. Die zulässige Erinnerung der Nichtigkeitsklägerin (§ 121 Abs. 2 [X.], § 104 Abs. 1, Abs. 3 ZPO i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 RPflG), deren Gegenstand allein die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Privatgutachters im Berufungsverfahren ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat vielmehr zutreffend diese Kosten nicht für erstattungsfähig erachtet, da es sich dabei auch nicht ausnahmsweise um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten des Verfahrens nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Satz 2 [X.] handelt.

Nach dieser Vorschrift hat die unterliegende [X.] dem Gegner erwachsene Kosten nur insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. [X.] sind daher nur Kosten für solche Handlungen, die zur [X.] ihrer Vornahme zu diesem Zweck objektiv erforderlich und geeignet erscheinen (vgl. [X.] in [X.], ZPO, 32. Auflage, § 91 Rn. 9). Maßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige [X.] die die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen [X.]punkt als sachdienlich ansehen durfte. Letzteres ist für das vorliegende [X.] zu verneinen, das entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht wegen seines angeblichen Ausnahmecharakters kostenmäßig anders zu behandeln ist. Ein von einer [X.] vorgelegtes Privatgutachten ist [X.]vortrag ([X.], 741, III. 3 - Chinaherde; vgl. auch [X.] a. a. O., Rn. 49) und somit auch im Patentnichtigkeitsverfahren nur ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn mangels eigener Sachkunde die [X.] nur mit Hilfe des Privatgutachters ihrer Darlegungs- und Beweisführungslast genügen kann (vgl. [X.], [X.], 8. Auflage, § 80 Rn. 76 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.], s. auch dessen Entscheidung vom 29. Juni 2011, Aktenzeichen 3 ZA (pat) 76/10). Hiervon geht die im Verfahren mit einem Patent- sowie einem Rechtsanwalt vertretene Klägerin selbst erkennbar nicht aus. Vielmehr beruft sie sich auf den Umstand, dass der [X.] im Vorgriff auf die Änderungen im [X.] durch das Patentrechtsmodernisierungsgesetz ([X.]) bereits für das noch dem alten Recht unterliegende Verfahren davon abgesehen habe, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Den Akten des Berufungsverfahrens ist insoweit eine Mitteilung des Senats an die [X.]en mit Verfügung vom 28. Februar 2011 zu entnehmen, in der sich keine Begründung oder Bezugnahme auf künftige Verfahrensänderungen findet, und auf die hin die Klägerin unter Bezugnahme auf Beweisangebote in der [X.] vorgetragen hat, sie halte die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich.

Auf den angeblichen Sonderfall eines von ihr so genannten "Übergangsverfahrens" hat die Klägerin damals nicht hingewiesen. Insoweit ist ihr auch grundsätzlich nicht darin zuzustimmen, dass in Fällen nach "altem" Verfahrensrecht, in denen kein Gerichtsgutachten erholt wird, bei der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachten generell ein großzügigerer Maßstab anzulegen sei als bei solchen nach neuem Verfahrensrecht, in denen ein Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] erteilt wurde und im Berufungsverfahren die neue Präklusionsregelung anwendbar ist. Zwischen der [X.] und dem Berufungsverfahren liegen Verhandlung und Urteilsentscheidung in erster Instanz. Ein Zusammenhang ist insoweit in Bezug auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Privatsachverständigen für den Senat nicht erkennbar. Dass die Beklagte im Berufungsverfahren noch neue, das Streitpatent beschränkende Hilfsanträge stellen konnte, ist ebenfalls kein entscheidendes Argument für die Erforderlichkeit der Einschaltung des Privatsachverständigen. Auch ein beigezogener Gerichtssachverständiger hätte in diesem Fall aufgrund seiner Neutralitätspflicht die Klägerin nicht beraten dürfen. Soweit bei einer geänderten Verteidigung die Klägerin nicht ausreichend innerhalb der Verhandlung hätte Stellung nehmen können, hätte ihr ein Recht auf Vertagung zugestanden ([X.], 354 "Crimpwerkzeug (I) / Vertagung"). Dass der Vorsitzende des X. Senats in der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt hat - was zugunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt wird -, die Privatgutachten der [X.]en seien bei der Entscheidungsfindung hilfreich gewesen, lässt ebenfalls nicht darauf schließen, aus der Sicht des [X.]es sei deren Beauftragung erforderlich gewesen, etwa um das Fehlen einer gerichtlichen Begutachtung auszugleichen.

Für eine Privilegierung sogenannter Übergangsverfahren lassen sich somit keine den Senat überzeugenden Gründe anführen. Daher hat es bei dem allgemeinen (strengen) Maßstab der Erforderlichkeitsprüfung zu verbleiben. Nachdem auch dem Berufungsurteil keine sonstigen besonderen Umstände zu entnehmen sind, die eine Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten ausnahmsweise begründen könnten, war die Erinnerung zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 97 ZPO. Der Wert des Erinnerungsverfahrens bemisst sich nach der Höhe der geltend gemachten Kosten des Gutachtens.

Meta

5 ZA (pat) 46/12

30.10.2012

Bundespatentgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 91 Abs 1 ZPO § 104 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.10.2012, Az. 5 ZA (pat) 46/12 (REWIS RS 2012, 1820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1820

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