Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.09.2011, Az. 2 StR 286/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3175

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Mitsichführen einer Schusswaffe


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. April 2011 wird verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision ist nicht begründet.

I.

2

1. Nach den Urteilsfeststellungen wurden anlässlich einer Durchsuchungsmaßnahme in der Wohnung des Angeklagten mehrere, an verschiedenen Stellen deponierte Tüten mit Amphetamin sichergestellt. Zwei Tüten ([X.]g und 18g) waren in der Küche im Kühlschrank gelagert. Eine weitere Tüte, in der sich wiederum mehrere kleinere Plastiktüten befanden (Gesamtfeuchtgewicht 47g), lag im Wohnzimmer unterhalb der Tischplatte. In einer ebenfalls im Wohnzimmer befindlichen Schrankwand verwahrte der Angeklagte weitere Tütchen mit Amphetamin auf (Gesamtfeuchtgewicht 78g). In einer Schublade dieser Schrankwand lagerte er eine in braunem Packpapier eingepackte, voll funktionsfähige doppelläufige Einzelladerschrotflinte, deren Lauf und Kolben er auf eine Länge von 50 cm gekürzt hatte. In derselben Schublade lag zudem griffbereit eine Plastiktüte mit 24 Schuss passender Munition unterschiedlicher Schrotkörnung.

3

Die Amphetamine hatte der Angeklagte außerhalb seiner Wohnung erworben. Er beabsichtigte, diese in der Wohnung lediglich zu verwahren, zu portionieren und sodann außerhalb der Wohnung gewinnbringend zu veräußern. Die Einlassung des Angeklagten, er habe die Waffe bei Ein- und Verkauf von Betäubungsmitteln nicht mitgeführt, hat die Kammer für unwiderlegt gehalten. Zugunsten des Angeklagten hat das [X.] zudem einen Eigenkonsum an Amphetamin im wöchentlichen Grammbereich berücksichtigt.

4

2. Das [X.] hat den Angeklagten wegen einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Waffe gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt. Zwar habe der Angeklagte die Schrotflinte nicht bei den jeweiligen Ankaufs- und Verkaufshandlungen mitgeführt. Ausreichend sei jedoch, dass ihm diese in seiner Wohnung zur Verfügung gestanden habe, in der er die Amphetamine portionierte und vorrätig hielt.

II.

5

Die getroffenen Feststellungen tragen im Ergebnis die Verurteilung wegen einer Tat nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG.

6

1. Das [X.] hat die an unterschiedlichen Stellen in der Wohnung deponierten Betäubungsmittel offensichtlich als eine einheitliche Gesamtmenge behandelt und nicht zwischen den einzelnen Amphetaminvorräten differenziert. Es hat die Bewaffnung auf diese Gesamtmenge bezogen und eine einheitliche Tat des bewaffneten Handeltreibens ausgeurteilt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung (noch) stand.

7

a) Die Annahme einer einheitlichen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit setzt allerdings voraus, dass sämtliche in der Wohnung sichergestellten Amphetamine Gegenstand ein und desselben Güterumsatzes waren, etwa indem der Angeklagte sie gleichzeitig zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hätte (vgl. BGHSt 43, 252, 261; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 27, 45; § 29 Bewertungseinheit 1 sowie die Nachweise bei [X.] BtMG 6. Aufl. § 29 Rn. 847). Der bloße gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen von Betäubungsmitteln, die angesichts einer Aufbewahrung an verschiedenen Orten wie hier nicht als ein Vorrat im tatsächlichen Sinne anzusehen sind, würde hingegen nicht genügen, die Annahme einer Bewertungseinheit zu begründen (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 9, 10; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Fortsetzungszusammenhang 2, 4; [X.], 300, 301).

8

b) Konkrete, eindeutige Feststellungen zu einem einheitlichen Erwerb der sichergestellten Amphetamine hat das [X.] zwar nicht getroffen. Es hat im Rahmen der Einlassung des Angeklagten einerseits ausgeführt, er habe bei "dem Einkaufsgeschäft" keine Waffe mitgeführt ([X.]. Es hat andererseits aber auch festgehalten ([X.], 10), der Angeklagte habe die Amphetamine "jeweils außerhalb seiner Wohnung" erworben und die Schrotflinte bei den "jeweiligen Ankaufs- und Verkaufshandlungen" nicht mitgeführt. Ungeachtet dessen aber drängt es sich nach den im Übrigen getroffenen Feststellungen auf, dass der Angeklagte die in seiner Wohnung sichergestellten Amphetamine im Rahmen eines einheitlichen Ankaufgeschäfts erlangt hat. Hierfür sprechen insbesondere die Portionierungsgrößen der Betäubungsmittel. Während die weitaus größere Teilmenge im Kühlschrank lediglich auf zwei Plastiktüten aufgeteilt war, waren die im Wohnzimmer - neben mehreren Feinwaagen, etwa 5.000 Verpackungstüten und einer "Schuldnerliste" – verwahrten Amphetamine offensichtlich bereits vom Angeklagten in abgabeübliche Kleinmengen portioniert worden. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass die im Wohnzimmer aufgefundenen Betäubungsmittelportionen dem in der Küche gelagerten [X.] entnommen waren und es sich insoweit um einen einheitlichen Gesamtvorrat handelte.

9

2. Mit der Annahme einer einheitlichen Gesamtmenge und damit einer einzigen Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge reicht es für die Verwirklichung des Mitsichführens einer Schusswaffe gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG aus, wenn wie hier bezüglich der im Wohnzimmer gelagerten Betäubungsmittel jedenfalls hinsichtlich einzelner Teilmengen festgestellt ist, dass der Täter sich der Waffe jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann (vgl. BGHSt 43, 8, 10; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 1, 5; [X.], 533; [X.] aaO § 30a Rn. 68 mwN). Auf die bei Annahme unterschiedlicher Mengen bedeutsame Frage, ob auch hinsichtlich der im Kühlschrank verwahrten Teilmenge das Merkmal des Mitsichführens der im Wohnzimmer gelagerten Waffe gegeben wäre, kommt es nicht an.

III.

Die Erwägungen der Strafkammer zur Strafzumessung sind im Ergebnis revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass die Strafkammer im Strafrahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch Art und Menge der Betäubungsmittel strafschärfend berücksichtigt hat, begegnet - auch wenn hinsichtlich einer allerdings rechtlich nicht selbstständigen Teilmenge möglicherweise das Merkmal des Mitsichführens einer Waffe nicht gegeben wäre - keinen rechtlichen Bedenken.

Fischer                                Appl                               Berger

                    [X.]

Meta

2 StR 286/11

21.09.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Limburg, 5. April 2011, Az: 3 Js 15031/10 - 5 KLs

§ 30a Abs 2 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.09.2011, Az. 2 StR 286/11 (REWIS RS 2011, 3175)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3175

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 286/11 (Bundesgerichtshof)


1 StR 99/20 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Konkurrenzverhältnis bei Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge; räumliche …


4 StR 303/19 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Einschränkende Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion; griffbereit zur Verfügung stehende …


2 StR 205/12 (Bundesgerichtshof)


2 StR 589/12 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Schusswaffen in einem anderen Raum als die Betäubungsmittel als Mitsichführen von …


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.