Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.11.2020, Az. I R 24/18

1. Senat | REWIS RS 2020, 3743

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 18.11.2020 I R 25/18 - Besteuerung des Einbringungsgewinns II)


Leitsatz

1. NV: Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 gilt zwar die Veräußerung der im Rahmen eines qualifizierten Anteilstauschs erhaltenen Anteile als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (Rückwirkungsfiktion). Die Korrektur eines bereits bestandskräftig gewordenen Steuerbescheids zur Erfassung eines durch die Veräußerung ausgelösten Einbringungsgewinns II gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setzt aber des Weiteren voraus, dass der Veräußerungstatbestand nach Erlass des zu ändernden Bescheids verwirklicht worden ist.

2. NV: Wird die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt, führt dies zu einer Veräußerung des eingebrachten Anteils i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006.

3. NV: Zur Anwendung der Fusionsrichtlinie bei der Besteuerung des Einbringungsgewinns II.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 10.07.2018 - 2 K 881/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie Beteiligten streiten darüber, ob die einem qualifizierten [X.] nachfolgende formwechselnde Umwandlung der übernehmenden Gesellschaft einen Einbringungsgewinn II auslöst.

2

[X.]er Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Alleingesellschafter einer [X.] Kapitalgesellschaft (B [X.]); [X.] war die Alleingesellschafterin der [X.] [X.]ie genannten Personen kamen überein, ihre jeweiligen Beteiligungen in einer gemeinsamen Holdinggesellschaft zusammenzuführen. Zu diesem Zweck brachten sie ihre Geschäftsanteile gegen Gewährung von [X.] zum ...09.2007 in die [X.] ein (qualifizierter [X.]). Steuerlich setzte diese die eingebrachten Geschäftsanteile gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr (2007) geltenden Fassung (UmwStG 2006) mit einem Wert an, der unterhalb des gemeinen Werts lag.

3

Zum ...08.2008 wurde die [X.] gemäß § 190 des Umwandlungsgesetzes in die [X.] umgewandelt. [X.]ie Eintragung des Formwechsels im Handelsregister erfolgte am ...09.2008. Steuerlich wurde der Formwechsel gemäß § 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG 2006 zu Buchwerten vollzogen.

4

[X.]er Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erblickte im Formwechsel eine innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist vollzogene Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006, änderte deshalb den gegenüber dem Kläger für das [X.] ergangenen Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) und erfasste auf diese Weise einen Einbringungsgewinn II. [X.]en Einspruch gegen den Bescheid wies das [X.] ebenso zurück wie den vom Kläger gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

5

[X.]ie Klage blieb erfolglos. [X.]as [X.] ([X.]) beanstandete weder die geänderte Steuerfestsetzung noch die Entscheidung des [X.] zur beantragten [X.] (Urteil vom 10.07.2018 - 2 K 881/15, Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1045).

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung sachlichen Rechts.

7

Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2015 den Bescheid für 2007 über Einkommensteuer vom 18.07.2014 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 2007 ohne Ansatz eines Einbringungsgewinns II festgesetzt wird;

hilfsweise unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2015 das [X.] zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2007 aus Billigkeitsgründen ohne Berücksichtigung eines Einbringungsgewinns II festzusetzen.

8

[X.]as [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der gegenüber dem Kläger ergangene Einkommensteuerbescheid 2007 vom 16.02.2009 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] geändert werden durfte, um einen [X.] zu erfassen. Ob die Änderung dieses Bescheids auf der Grundlage einer anderen Korrekturnorm zulässig ist, kann der [X.] mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden.

1. Soweit im Rahmen eines [X.] i.S. des § 21 Abs. 1 [X.] 2006 unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende [X.] veräußert werden und der [X.] keine durch § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) begünstigte Person ist, ist der Gewinn aus der Einbringung im Wirtschaftsjahr der Einbringung rückwirkend als Gewinn des [X.]n aus der Veräußerung von Anteilen gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 zu versteuern ([X.]). Aus der in § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2006 angeordneten entsprechenden Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2006 folgt, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile insoweit als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] gilt.

2. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Formwechsel der [X.] in die [X.] eine den [X.] auslösende Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 darstelle und das [X.] verfahrensrechtlich ermächtigt gewesen sei, den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 16.02.2009 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu ändern. Dies hat die Vorinstanz damit begründet, dass aufgrund der in § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.]. § 22 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2006 angeordneten Fiktion unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses stets eine Änderungsmöglichkeit bestehe und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das die Besteuerung des [X.] auslösende Ereignis vor oder nach dem Erlass des erstmaligen Steuerbescheids liege.

Dem ist nicht zu folgen. Die umwandlungssteuerrechtlichen Regelungen fingieren lediglich, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] darstellt. Sie entbinden nicht von der Prüfung der weiteren Voraussetzungen dieser Korrekturnorm.

a) § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass das Ereignis, dem steuerliche Rückwirkung zukommt, nachträglich eingetreten ist. Konnte das Ereignis bereits bei Erlass des zu ändernden Bescheids berücksichtigt werden, greift die Änderungsnorm nicht ein (vgl. [X.]surteil vom 10.07.2002 - I R 69/00, [X.] 2002, 1545; Urteile des [X.] --[X.]-- vom 22.07.2008 - IX R 79/06, [X.], 464, [X.], 227; vom 25.02.2009 - IX R 95/07, [X.] 2009, 1393, und [X.] vom 13.05.2005 - VIII [X.]205/03, [X.] 2005, 1741). War das fragliche Ereignis den Finanzbehörden bei Erlass des Bescheids nicht bekannt, kommt eine Korrektur gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in Betracht. Danach schließen sich die Anwendungsbereiche der genannten Änderungstatbestände wechselseitig grundsätzlich aus ([X.]-Urteil vom 19.04.2005 - VIII R 68/04, [X.], 476, [X.] 2005, 762).

Im Streitfall ist der vom [X.] als Anteilsveräußerung qualifizierte Formwechsel im September 2008 im Handelsregister eingetragen worden und hätte somit bei Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 16.02.2009 berücksichtigt werden können. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist danach im Streitfall nicht einschlägig.

Hätte das [X.] bei Erlass dieses Bescheids allerdings keine Kenntnis vom Formwechsel gehabt, dann wäre grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] eröffnet.

b) Die umwandlungssteuerrechtlichen Normen führen zu keinem anderen Ergebnis. Nach ihrem Wortlaut ordnen sie allein an, dass eine Veräußerung als rückwirkendes Ereignis gilt. Durch diese Fiktion ist der Rechtsanwender von der im Einzelfall schwierigen Prüfung entbunden, ob einem Ereignis steuerliche Rückwirkung zukommt, da bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung die etwaige steuerliche Rückwirkung aus dem Sinn der jeweiligen materiellen Einzelsteuernorm abgeleitet werden muss (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]sbeschluss vom 28.03.2018 - I R 90/15, [X.] 2018, 1094, m.w.N.). Eine darüber hinausgehende Wirkung vermag der [X.] der gesetzlichen Fiktion in § 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 [X.] 2006 nicht zu entnehmen. Die vom [X.] zitierten [X.] stützen dessen Rechtsauffassung nicht. Auch sonst sprechen keine Sachgründe für das Regelungsverständnis des [X.]. So kommt es insbesondere zu keiner Lücke im gesetzlichen Korrektursystem, die eine extensive Interpretation des § 22 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2006 rechtfertigen könnte. Denn bei fehlender Kenntnis des für die Besteuerung des [X.]n zuständigen Finanzamts von einem zur Zeit der Veranlagung bereits erfolgten Veräußerungsvorgang ist eine Änderung des Steuerbescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] grundsätzlich zulässig. Soweit das [X.] ausführt, dass es sich bei der Bezugnahme auf § 175 [X.] um einen bloßen [X.] handele, vermag der [X.] dem nicht zu folgen. Denn das von der ständigen [X.]-Rechtsprechung geforderte Merkmal der Nachträglichkeit des Eintritts des rückwirkenden Ereignisses dient der systematischen Abgrenzung der Änderungsnormen --§ 173 [X.] einerseits, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] andererseits-- und bezieht hieraus seine sachliche Rechtfertigung.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Formwechsel ist entgegen der Auffassung des [X.] als Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 zu qualifizieren, so dass eine Klagestattgabe ausscheidet (nachfolgend unter a). Der [X.] kann aber auch nicht durch Klageabweisung selbst in der Sache entscheiden. Denn dies würde das Eingreifen einer Korrekturnorm voraussetzen, was der [X.] mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht prüfen kann (nachfolgend unter b). Schließlich könnte dem Ansatz eines [X.] die sog. Fusionsrichtlinie entgegenstehen (nachfolgend unter c). Auch diesbezüglich fehlen allerdings ausreichende tatrichterliche Feststellungen.

a) Der Formwechsel stellt eine Veräußerung des eingebrachten Anteils an der [X.][X.] durch die [X.] dar.

aa) Unter einer Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 [X.] 2006 ist --jedenfalls soweit unmittelbare Veräußerungen betroffen sind-- grundsätzlich die Übertragung von [X.]santeilen auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen. Zudem folgt aus dem Umstand, dass durch die --wenn auch negative-- Bezugnahme auf § 8b Abs. 2 [X.] dessen Definition des Veräußerungsgewinns --und damit auch der Begriff des [X.] für die Anwendung des § 22 Abs. 2 [X.] 2006 vorausgesetzt wird und zugleich in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 [X.]. § 22 Abs. 2 Satz 6 [X.] 2006 die entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 2 Sätze 1 bis 5 [X.] 2006 für die unentgeltliche Übertragung durch die übernehmende [X.] angeordnet wird, dass die Veräußerung entgeltlich --d.h. gegen eine Gegenleistung-- erfolgen muss. [X.] Vorgänge sind einer Veräußerung des von § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 angesprochenen eingebrachten Anteils gleichzustellen (vgl. [X.]surteil vom 24.01.2018 - I R 48/15, [X.], 8, [X.] 2019, 45, m.w.N.).

Aus diesem Grund hat der [X.] die Aufwärtsverschmelzung einer Tochter- auf die Muttergesellschaft aus Sicht der Muttergesellschaft als Veräußerung qualifiziert, obgleich diese im Gegenzug für das erhaltene Vermögen (der Tochtergesellschaft) keine unmittelbare Gegenleistung an die "untergehende" Tochtergesellschaft gewährt, aber in einer dem Tausch ähnlichen Weise mit dem Untergang ihrer bisherigen Beteiligung an der Tochtergesellschaft einen "Preis" gezahlt hat ([X.]surteil in [X.], 8, [X.] 2019, 45). Die Qualifikation einer Sacheinbringung gegen Gewährung von Rechten an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als tauschähnlicher Vorgang beruht auf ähnlichen Wertungen. Auch hier tritt an die Stelle einer im Gegenzug für das erhaltene Vermögen "vollwertigen" Gegenleistung durch die Kapitalgesellschaft die "bloße" Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft, deren Vermögen durch den Wert der eingebrachten Gegenstände erhöht wurde ([X.]-Urteil vom 23.01.1986 - IV R 335/84, [X.], 236, [X.] 1986, 623; [X.]surteil vom 16.02.1996 - I R 183/94, [X.], 97, [X.] 1996, 342). Vielfach hat der [X.] auch sonstige Umwandlungen, insbesondere den Formwechsel, als tauschähnlich und damit als Veräußerungsvorgänge qualifiziert ([X.]-Urteil vom 23.01.2002 - XI R 48/99, [X.]E 198, 124, [X.] 2002, 875; [X.]surteile vom 19.10.2005 - I R 38/04, [X.]E 211, 472, [X.] 2006, 568; vom 25.11.2014 - I R 78/12, [X.] 2015, 523, jeweils zum Formwechsel).

bb) Nach diesen Maßgaben ist auch der streitgegenständliche Formwechsel als tauschähnlicher Vorgang hinsichtlich der eingebrachten Anteile zu werten. Denn diese Anteile gehen aus steuerrechtlicher Sicht zusammen mit dem sonstigen Vermögen der [X.] auf die [X.], mittelbar auf deren [X.]er, und damit auf andere Rechtsträger über. Als "Gegenleistung" verlieren dessen [X.]er zugleich ihre bisherige Beteiligung an der [X.] (gleicher Auffassung z.B. Schreiben des [X.] vom 11.11.2011, [X.], 1314, Rz 22.07 [X.]. Rz 00.02; Pung, [X.] 2012, 158; vgl. auch BTDrucks 16/2710, S. 47; a.A. z.B. [X.], Der Konzern 2020, 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 22 Rz 140; [X.]/[X.], § 22 [X.] 2006 Rz 38c; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 22 [X.] Rz 41). Die geforderte, aber auch ausreichende "Ähnlichkeit" mit einem Tausch bedingt, dass die Transaktion nicht sämtliche Merkmale eines "vollwertigen" Austauschs von Leistung und Gegenleistung bei beiden [X.] aufweisen muss. Ansonsten würde es sich ohnehin um einen Tausch --und nicht um einen tauschähnlichen [X.] handeln. Deshalb ist es im Streitfall für die Annahme eines tauschähnlichen Geschäfts nicht schädlich, dass der Formwechsel aus Sicht der [X.] "lediglich" zu einer Übertragung von Vermögen (auf die [X.] und mittelbar deren [X.]er) und aus Sicht des Empfängers dieses Vermögens zu einem Vermögenserwerb und zugleich zu einer "Gegenleistung" in Gestalt des Verlusts der bisherigen Kapitalgesellschaftsbeteiligung kommt.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision kommt im Streitfall eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 nicht in Betracht.

aaa) Mit § 22 Abs. 2 [X.] 2006 will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die im Zeitpunkt des [X.] in den eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteilen ruhenden stillen Reserven, die in der Hand des [X.]n nach Maßgabe des § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) steuerverstrickt waren, bei einer binnen sieben Jahren erfolgten Veräußerung durch die übernehmende [X.] der Besteuerung unterliegen (vgl. [X.]surteil vom 11.07.2019 - I R 13/18, [X.]E 266, 272). Zu einer solchen Besteuerung der nämlichen stillen Reserven könnte es ohne die Regelung des § 22 Abs. 2 [X.] 2006 nicht kommen. Denn bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft hätte der Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile gemäß § 8b Abs. 2 [X.] grundsätzlich außer Ansatz zu bleiben. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass es hinsichtlich der steuerlichen Verstrickung der stillen Reserven durch den streitgegenständlichen Formwechsel zu keiner Verbesserung des steuerlichen Status gekommen ist (zum Verständnis der Statusverbesserung vgl. z.B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 22 Rz 169). Denn die stillen Reserven im Anteil an der [X.][X.] unterlagen vor dem [X.] dem Besteuerungsregime des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 EStG. Durch den [X.] kam es zur [X.] im Hinblick auf die in die [X.] eingebrachten Anteile, die jetzt im Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 [X.] lagen. Nach dem zu Buchwerten vollzogenen Formwechsel befand sich in der Hand des [X.] aber wieder ein Anteil, der dem Teileinkünfteverfahren unterworfen ist. Die eingebrachten Anteile sind daher, um mit den Worten der Revision zu sprechen, "schlicht in den steuerlichen Status vor der sperrfristauslösenden Einbringung zurück" gefallen.

bbb) Im Streitfall kommt es aber im Zuge des [X.] zu einem Transfer stiller Reserven zwischen dem Kläger und der [X.]. Denn zunächst standen die stillen Reserven in den Anteilen an der [X.][X.] und der [X.] den jeweiligen [X.] jeweils "exklusiv" zu. Es handelte sich also um bestimmte stille Reserven, die von einem Steuersubjekt leistungsfähigkeitserhöhend erwirtschaftet worden und diesem steuerlich persönlich zuzurechnen waren (zu dieser Subjektbindung der stillen Reserven vgl. [X.]surteil vom 30.05.2018 - I R 31/16, [X.]E 262, 45, [X.] 2019, 136). Diese nämlichen stillen Reserven eines bestimmten Steuerrechtssubjekts hat der Gesetzgeber im Blick, wenn er nach Maßgabe des § 22 Abs. 2 [X.] 2006 deren rückwirkende Besteuerung zum Einbringungszeitpunkt anordnet. Nach dem [X.] waren der Kläger und die [X.] an der [X.] beteiligt und damit wechselseitig auch an den stillen Reserven der nunmehr zum Betriebsvermögen dieser GmbH gehörenden Anteile an der [X.][X.] und der [X.]. Nach Vollzug des [X.] blieb diese wechselseitige "Beteiligung" an den stillen Reserven des jeweils anderen [X.]ers erhalten. Der [X.] könnte einer teleologischen Reduktion des § 22 Abs. 2 [X.] 2006 jedoch nur unter der Prämisse nähertreten, dass es zu keinem solchen interpersonellen Transfer von stillen Reserven kommt. Das ist bei [X.] denkbar, in der Konstellation des Streitfalls aber nicht.

dd) § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 [X.] 2006, wonach die Regelungen über die rückwirkende Besteuerung des [X.] nicht anzuwenden sind, wenn der [X.] die erhaltenen Anteile veräußert hat, ist im Streitfall nicht anzuwenden. Der [X.] folgt insoweit der Auffassung des [X.] im angegriffenen Urteil. Danach geht aus dem Gesetzeswortlaut "veräußert hat" klar hervor, dass § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 [X.] 2006 nur eingreift, wenn der [X.] (hier: der Kläger) den erhaltenen Anteil (hier: an der [X.]) zeitlich vor der sperrfristverletzenden Veräußerung des eingebrachten Anteils (hier: an der [X.][X.]) durch die übernehmende Kapitalgesellschaft (hier: die [X.]) veräußert hat ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 22 Rz 482). Auch wenn der Formwechsel, wofür einiges spricht (vgl. nachfolgend unter [X.] cc der Gründe des Urteils), aus Sicht des [X.] als Veräußerung des erhaltenen Anteils an der [X.] zu qualifizieren wäre, ist im Streitfall zu konstatieren, dass diese Veräußerung zeitlich nicht vor der durch den Formwechsel bewirkten Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die [X.] erfolgt ist. Auch im Übrigen hat der Kläger nicht über den erhaltenen Anteil an der [X.] verfügt.

b) Obgleich hiernach der Formwechsel als Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 zu qualifizieren ist, kann der [X.] nicht durcherkennen und die Klage abweisen.

aa) Zwar ist materiell-rechtlich vom Vorliegen eines [X.] auszugehen. Dieser Gewinn könnte jedoch nur dann im Einkommensteuerbescheid 2007 erfasst werden, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturnorm erfüllt wären. Wie oben ausgeführt, scheidet § 175 Abs. 1 [X.] als Rechtsgrundlage aus. Es kommt aber im Streitfall die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in Betracht. Ob sämtliche Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind und ob, wie vom Kläger bereits vorgerichtlich geltend gemacht, das [X.] seine Amtsermittlungspflicht verletzt hat, sind Fragen, die wiederum zuvörderst vom [X.] im zweiten Rechtsgang in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht zu prüfen sein werden.

bb) Der [X.] weist ergänzend darauf hin, dass sich aus den Akten weitere Anhaltspunkte für verfahrensrechtliche Besonderheiten ergeben, die das [X.] in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht im zweiten Rechtsgang zu würdigen haben wird. Bei der Einkommensteuerveranlagung 2007 hat das [X.] am 09.06.2008 die Steuer festgesetzt. Gegen diesen Erstbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 10.06.2008 Einspruch eingelegt. Es ist unklar, ob über diesen Einspruch entschieden wurde. So heißt es in dem auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gestützten Einkommensteueränderungsbescheid für 2007 vom 25.08.2008, dass das Einspruchsverfahren weiterhin ruhe. Am 16.02.2009 erging dann der --chronologisch vierte-- Einkommensteuerbescheid, der mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.07.2014 geändert wurde. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger wiederum Einspruch eingelegt. Dieser "zweite" Einspruch könnte unzulässig gewesen sein (vgl. § 365 Abs. 3 [X.]; [X.]/Rätke, [X.], 15. Aufl., § 365 Rz 12).

Wenn der Einkommensteueränderungsbescheid für 2007 vom 16.02.2009 während eines noch offenen [X.] ergangen wäre, dann wäre er unmittelbar zum Gegenstand dieses [X.] geworden. In diesem Falle müsste davon ausgegangen werden, dass die Einkommensteuerveranlagung 2007 insgesamt noch nicht formell bestandskräftig abgeschlossen war. Dieser Umstand könnte für die Frage, ob sich das [X.] hinsichtlich des streitgegenständlichen Änderungsbescheids vom 18.07.2014 auf die Korrekturnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] berufen kann oder ob der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] eröffnet ist, Bedeutung erlangen (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 19.08.2003 - VIII R 67/02, [X.]E 203, 309, [X.] 2004, 107, Rz 18; in [X.], 464, [X.], 227; vom 28.10.2009 - IX R 17/09, [X.]E 227, 349, [X.] 2010, 539).

c) Für den Fall, dass das [X.] die Anwendbarkeit einer Korrekturvorschrift bejaht, wird es abschließend noch zu prüfen haben, ob die Besteuerung eines [X.] im Streitfall gegen die Vorgaben der sog. Fusionsrichtlinie (Richtlinie 2005/19/[X.] [X.] zur Änderung der Richtlinie 90/434/[X.] über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die [X.]en verschiedener Mitgliedstaaten betreffen --[X.]--, [X.] 2005, Nr. L 58, 19) verstößt (vgl. z.B. [X.], [X.] 2009, 837; [X.], Der Konzern 2020, 6; zur unmittelbaren Anwendbarkeit der [X.] vgl. [X.]sbeschluss vom 07.03.2007 - I R 25/05, [X.]E 217, 419, [X.] 2007, 679; Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 11.12.2008 - [X.]-285/07, [X.]:[X.]:2008:705, [X.], 940). Hierbei wird das [X.] vor allem folgende Fragen in den Blick zu nehmen haben.

aa) Da keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zur [X.][X.] vorliegen, wird zunächst zu klären sein, ob diese [X.] unter die im Anhang der [X.] aufgelisteten [X.]sformen fällt. Feststellungen fehlen auch zur Frage der Ansässigkeit der [X.][X.] i.S. des Art. 3 [X.]. Einiges könnte dafür sprechen, dass sich im Inland die tatsächliche Geschäftsleitung befunden haben könnte, so dass möglicherweise von einer Doppelansässigkeit auszugehen wäre. Ob dies der Anwendung der [X.] entgegenstehen könnte, wird zu prüfen sein.

bb) Mangels einer Definition in der [X.] muss des Weiteren entschieden werden, ob der Kläger als natürliche Person [X.]er i.S. des Art. 8 [X.] ist (bejahend z.B. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., Rz 16.57; unklar z.B. [X.] in [X.], Umwandlungen im [X.], 2013, Rz 3.184).

cc) Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 8 [X.], der grundsätzlich einen Anspruch auf [X.] beim [X.] gewährt, ist insbesondere fraglich, ob die in Art. 8 Abs. 4 [X.] genannte Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist. Nach Aktenlage dürfte die [X.] die erworbene Beteiligung an der [X.][X.] mit einem Zwischenwert angesetzt haben. Ob dies zum vollständigen oder --im Sinne eines im Wortlaut nicht angelegten "[X.] zum partiellen Wegfall des Anspruchs auf [X.] führt (so z.B. [X.], a.a.[X.], Rz 16.60), wird ebenfalls zu entscheiden sein. Zwar könnte der Formwechsel auch dazu geführt haben, dass von einer Veräußerung des erworbenen Anteils (an der [X.]) durch den [X.]er (Kläger) i.S. des Art. 8 Abs. 6 [X.] auszugehen wäre. Doch dürften die steuerrechtlichen Konsequenzen hieraus nicht im Streitjahr 2007 gezogen werden, sondern gegebenenfalls im Jahr des [X.] (2008).

dd) Schließlich wird sich das [X.] mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die von § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2006 angeordnete Besteuerung des [X.] materiell die Vorgaben der [X.] verletzt (zum Streitstand vgl. z.B. Desens in [X.]/[X.], [X.], 2019, § 22 [X.] Rz 23, m.w.N.).

4. Auch hinsichtlich des [X.] besteht keine Spruchreife. Der Kläger hat diesbezüglich lediglich hilfsweise einen Revisionsantrag gestellt. Da die Revision aber bereits im Hauptantrag Erfolg hat, dies zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache führt und der Haupt- und der Hilfsantrag auf einem einheitlichen Sachverhalt beruhen, musste der [X.] über den Hilfsantrag nicht entscheiden (vgl. [X.]surteil vom 26.02.2014 - I R 12/14, [X.] 2014, 1544; [X.]-Urteil vom [X.] - VIII R 21/69, [X.]E 107, 202, [X.] 1973, 55).

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 24/18

18.11.2020

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 10. Juli 2018, Az: 2 K 881/15, Urteil

§ 21 Abs 1 S 2 UmwStG 2006, § 22 Abs 2 UmwStG 2006, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, Art 3 EGRL 19/2005, Art 8 EGRL 19/2005, EStG VZ 2007, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 190 UmwG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.11.2020, Az. I R 24/18 (REWIS RS 2020, 3743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3743

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