Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.05.2023, Az. 25 W (pat) 518/21

25. Senat | REWIS RS 2023, 4665

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 116 185.8

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 25. Mai 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, der Richterin [X.] sowie der Richterin [X.], LL.M.,

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

Weißbuch

3

ist am 11. Dezember 2019 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] geführte Register für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 35:

5

Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen.

6

Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]s, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, vom 29. Oktober 2020 wurde die Anmeldung vollumfänglich zurückgewiesen, weil dem beanspruchten Zeichen für die beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das angemeldete Wort „Weißbuch“ zum einen im Bereich der Diplomatie ein mit weißem Einband oder Umschlag versehenes ([X.]) Farbbuch und zum anderen im Bereich der Politik eine zur Information der Öffentlichkeit von einer staatlichen Stelle erarbeitete Zusammenfassung von Dokumenten, Statistiken o. Ä. bezeichne. [X.] würden sowohl von staatlichen Stellen als auch von nichtstaatlichen Einrichtungen und Organisationen zu unterschiedlichen Themengebieten herausgegeben und enthielten in der Regel fachliche Perspektiven, konkrete Vorschläge, Empfehlungen und Prognosen, trügen Fragen, Erkenntnisse und Lösungsansätze zusammen oder gäben Orientierung zu bestimmten Themenkomplexen. [X.] könnten auch den Arbeits- und Personalbereich betreffen. So habe das [X.] ein „Weißbuch Arbeiten 4.0“ veröffentlicht, das als Ergebnis eines breiten gesellschaftlichen Dialogs Impulse für die Gestaltung der künftigen Arbeitswelt setzen solle. Die angebotenen Dienstleistungen könnten auf der Basis eines „[X.]“ erbracht werden. Das angemeldete Zeichen beschreibe die beanspruchten Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar. Es werde aber ein enger Bezug zu den angemeldeten Dienstleistungen hergestellt und deshalb sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Verkehr den sachbezogenen Begriffsinhalt des Zeichens ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasse sowie in der Bezeichnung nicht ein Mittel zur Unterscheidung der Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen sehe. Ein Weißbuch könne ein wesentliches Hilfsmittel sein, um die „Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen“ durchzuführen. Beispielsweise könnten in einem Weißbuch Informationen, Konzepte und Ansätze für die Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen enthalten und zusammengestellt sein oder fortentwickelt werden, die als Grundlage oder Impuls für die Dienstleistungserbringung dienen. Auch sei es möglich, darin Verfahrensschritte festzulegen, bestehende Fragen zu klären sowie allgemeine Informationen und Handlungsempfehlungen rund um die Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen schriftlich festzuhalten. Die beteiligten Verkehrskreise würden der Bezeichnung deshalb nicht den Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen entnehmen.

7

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 3. Dezember 2020. Sie ist der Auffassung, dem angemeldeten Zeichen fehle nicht jegliche Unterscheidungskraft. Mit der Markenanmeldung werde nur Schutz für eine eng begrenzte Dienstleistung beansprucht. Das vom [X.] zur Begründung herangezogene „Weißbuch Arbeiten 4.0“ befasse sich mit dem digitalen und gesellschaftlichen Wandel sowie dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt, also mit politischen Themen. Die Dienstleistung „Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen“ sei Teil der allgemeinen Unternehmensberatung und lasse sich nicht dem Themenbereich dieses Weißbuchs zuordnen. Die angesprochenen Fachkreise würden das „Weißbuch“ der Anmelderin als deren Produkt zur Steuerung und Umsetzung von Personalabbauprogrammen erkennen. Die Unternehmensberatung „[X.]“ zähle mit 300 Beratern in 11 Ländern zu den zehn umsatzstärksten [X.] Beratungsunternehmen. Der „[X.]“ sei schon sehr lange in der Branche bekannt. So sei 2015 im Rahmen des größten Fachkongresses für Personalverantwortliche im [X.] Raum ein Vortrag dazu gehalten worden. Auch im unternehmenseigenen Magazin sei bereits vor fünf Jahren über ihn berichtet worden.

8

Die Anmelderin beantragt,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]s vom 29. Oktober 2020 aufzuheben.

Mit schriftlichem Hinweis vom 17. Januar 2023 hat der Senat der Anmelderin mitgeteilt, dass nach seiner Auffassung dem angemeldeten Wortzeichen in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehle.

Die Anmelderin hat darauf erwidert, dass die Auffassung des [X.], dass der Begriff „Weißbuch“ in den Bereichen Diplomatie, Politik oder Gesellschaft als beschreibender Begriff verstanden werde, nachvollziehbar sei. Im hier maßgeblichen Sektor der Personalverwaltung von Wirtschaftsunternehmen bestehe ein solches Verständnis jedoch nicht. Die angemeldete Marke beanspruche keinen Schutz für politische oder gesellschaftliche Themenkreise. Sie werde in dem sehr engen Bereich der „Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen“ nicht beschreibend verstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss, die Schriftsätze der Anmelderin, den schriftlichen Hinweis des [X.] vom 17. Januar 2023 nebst der ihm beigefügten Rechercheergebnisse und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens

Weißbuch

als Marke steht in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.], 569 Rn. 10 - [X.]; [X.], 731 Rn. 11 - [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 - [X.]; [X.], 270 Rn. 8 - Link economy; [X.], 1100 Rn. 10 - [X.]!; [X.], 825 Rn. 13 - [X.]; [X.], 850 Rn. 18 - [X.]).

Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 604 Rn. 60 - [X.]; [X.], 565 Rn. 17 - [X.]). Bei der Beurteilung von [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. [X.] [X.], 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rn. 24 - [X.] 2; [X.] [X.], 850 Rn. 18 - [X.]) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. [X.] [X.], 1143, 1144 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 - [X.]; GRUR 2014, 483 Rn. 22 - test; [X.] MarkenR 2010, 439 Rn. 41 bis 57 - Flugbörse).

Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.] [X.], 850 Rn. 19 - [X.]; [X.] [X.], 674 Rn. 86 - Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache, die - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. [X.] [X.], 270 Rn. 8 - Link economy; [X.], 778 Rn. 11 - [X.]; [X.], 640 Rn. 13 - hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. [X.] [X.], 850 Rn. 19 - [X.]).

a) Das beanspruchte Zeichen spricht Fachleute in den Bereichen „Personalumbau“ und „Personalabbau“ sowie Unternehmensinhaber und Angehörige der Managementebene in Unternehmen an.

b) Ein „Weißbuch“ ist ein „mit weißem Einband oder Umschlag versehenes ([X.]) Farbbuch“ bzw. eine „zur Information der Öffentlichkeit von einer staatlichen Stelle erarbeitete Zusammenstellung von Dokumenten, Statistiken o. Ä. zu einem bestimmten Bereich“ (vgl. „www.duden.de“, Suchbegriff „Weißbuch“, als Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023). „Das Weißbuch im ursprünglichen Sinn ist eines der internationalen politischen Bunt- oder Farbbücher. Darunter versteht man Dokumentensammlungen, welche die Regierung eines Staates veröffentlicht, um Orientierung über politische Fragen zu geben. Oft dient ein Weißbuch der Rechtfertigung des eigenen politischen Handelns, insbesondere der Außenpolitik“ (vgl. „[X.]“ als Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023).

In [X.] gibt es das Weißbuch der [X.], das jeweils durch das [X.] erarbeitet und durch die Bundesregierung verabschiedet wird. Es handelt sich dabei um ein Grundlagendokument, das die sicherheitspolitische Lage der Bundesrepublik [X.] und der Verbündeten für die kommenden Jahre aus Sicht der Regierung darstellt und als Leitfaden für sicherheitspolitische Entscheidungen und Handlungen in [X.] dienen soll (vgl. „[X.]“ als Anlage 2 und „https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/weissbuch/faq/was-ist-ein-weissbuch--12388“ als Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023).

Das [X.] hat 2016 ein „Weißbuch Arbeit 4.0“ veröffentlicht, in dem die Schlussfolgerungen aus einer gesellschaftlichen Debatte über die Gestaltung der Zukunft der Arbeit dokumentiert werden (vgl. „https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/a883-weissbuch.html“ als Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023).

„Die [X.] veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen sowohl [X.] als auch [X.]. … Die von der [X.] veröffentlichten [X.] enthalten Vorschläge für Maßnahmen der [X.] in einem bestimmten Bereich. Wird ein Weißbuch vom Rat positiv aufgenommen, kann es die Grundlage für ein Aktionsprogramm der Union im betreffenden Bereich bilden“ (vgl. „https://www.eu-info.de/europa-punkt/gesetzgebungsverfahren/weissbuch“ als Anlage 5 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023).

Der Begriff des „Weißbuchs“ wird aber nicht nur im Zusammenhang mit politischen Fragestellungen verwendet. So definiert ihn das [X.] wie folgt: „Unter einem White Paper (dt. Weißbuch) wird eine Sammlung von Ratschlägen und Empfehlungen zu einem bestimmten Vorgehen verstanden“ (vgl. „[X.]“ als Anlage 6 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023).

Auch im nichtstaatlichen Bereich werden Fakten und Handlungsvorschläge in „[X.]n“ gesammelt und veröffentlicht. So haben der [X.] das „Weißbuch Lehrkräftefortbildung“ (vgl. „[X.]“ als Anlage 7 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023), der [X.]“ als Anlage 7 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023), der [X.] das Weißbuch „Nachhaltigkeit im Interaktiven Handel“ (vgl. „https://www.bevh.org/presse/weissbuecher.html“ als Anlage 8 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023), das [X.] das „[X.] Patientensicherheit“ (vgl. Anlage 9 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023) und der [X.] das „Weißbuch Geriatrie“ (vgl. Anlage 9 zum gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023) herausgegeben.

c) Unter Zugrundelegung dieser auch den Zeitraum vor der Anmeldung des gegenständlichen Zeichens betreffenden Fundstellen werden die vorliegend angesprochenen Fachkreise in Unternehmen den Begriff „Weißbuch“ nur dahingehend verstehen, dass die beanspruchten Dienstleistungen „Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen“ auf der Grundlage einer Zusammenstellung von Fragestellungen, Fakten und Lösungsansätzen, die in einem Weißbuch niedergeschrieben sind, erbracht werden.

Da [X.] ausweislich obiger Belege in allen Bereichen des politischen und wirtschaftlichen Lebens eingesetzt werden, ist entgegen der Auffassung der Anmelderin selbst im Kontext spezifischer Personalumbau- und -abbauprogramme nicht davon auszugehen, dass das in Rede stehende Zeichen insoweit als Unterscheidungsmittel angesehen wird. Der Begriff „Weißbuch“ wird allgemein als „Sammlung von Ratschlägen und Empfehlungen zu einem bestimmten Vorgehen“ definiert (vgl. „[X.]“, a. a. O.). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die maßgeblichen Verkehrskreise dem Begriff „Weißbuch“ in Verbindung mit den Dienstleistungen „Planung und Umsetzung von Personalumbau- und Personalabbau-Programmen“ eine andere, geschweige denn eine herkunftshinweisende Bedeutung beimessen.

2. Trotz entsprechender Anregung des [X.] im gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023 hat die Anmelderin keine Ausführungen zur Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 [X.] gemacht und hierzu auch keine Belege vorgelegt. Insofern besteht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fort.

Die Beschwerde war demzufolge zurückzuweisen.

Meta

25 W (pat) 518/21

25.05.2023

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.05.2023, Az. 25 W (pat) 518/21 (REWIS RS 2023, 4665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4665

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.