Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2022, Az. 5 StR 328/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5633

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen verspäteter Einreichung eines Verteidigerschriftsatzes: Verzögerung bei der Einrichtung des elektronischen Anwaltspostfachs als vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung


Tenor

Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 18. Mai 2022 gewährt.

Der Beschluss des [X.] vom 6. Juli 2022 ist damit gegenstandslos.

Mit der Zustellung des Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und anderer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am 18. Mai 2022 in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündet, Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Angeklagte über seinen Verteidiger Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2022 hat das [X.] Berlin die Revision als unzulässig verworfen, weil die [X.] nicht den Formvorschriften des § 32d Satz 2 StPO entspreche, wonach der Verteidiger die Revision als elektronisches Dokument übermitteln müsse. Gegen diesen dem Verteidiger am 14. Juli 2022 zugegangenen Beschluss richtet sich der am 15. Juli 2022 bei Gericht eingegangene „Antrag auf gerichtliche Entscheidung des [X.]“. In diesem trägt der Verteidiger mittels „eidesstattlicher Versicherung“ u.a. vor, im Zeitpunkt der [X.] sei er aus technischen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Revision über das besondere elektronische Anwaltsfach zu versenden, weil er dieses erst ab dem 4. Juli 2022 nach zeitaufwändiger vollständiger Neuinstallation des Computersystems nebst Konfiguration der [X.] abschließend habe installieren können. Aus diesem Grund greife § 32d Satz 3 StPO.

2

Der Senat nimmt das Vorbringen des Verteidigers zum Anlass, dem Angeklagten nach § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des [X.]s Berlin vom 18. Mai 2022 zu gewähren. Das [X.] hat die Revision des Angeklagten zwar zu Recht als unzulässig verworfen, da die Formvorschrift des § 32d Satz 2 StPO nicht eingehalten wurde (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Juli 2022 – 4 StR 68/22; vom 24. Mai 2022 – 2 [X.]). Die vorübergehende Unmöglichkeit aus technischen Gründen wurde entgegen § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO weder bei der Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach glaubhaft gemacht, so dass die Ausnahmevorschrift des § 32d Satz 3 StPO nicht greift. Hinzu kommt, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich für das Vorhalten der entsprechenden einsatzbereiten technischen Infrastruktur zu sorgen hat und eine Verzögerung bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltsfachs regelmäßig keine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darstellt (vgl. BT-Drucks. 18/9416, [X.]; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-ERV Band 4, 2. Aufl., § 32d StPO Rn. 16 mwN).

3

Da der Verteidiger mit Schriftsatz vom 14. Juli 2022 aber die Glaubhaftmachung nach § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO nachgeholt hat, nicht nach § 32d Satz 4 Halbsatz 2 StPO zur Nachreichung eines elektronischen Dokuments aufgefordert wurde und es sich ersichtlich noch um technische Übergangsprobleme handelt, liegt ein Verschulden des Angeklagten am Fristversäumnis fern.

4

Damit wird der Beschluss des [X.]s Berlin vom 6. Juli 2022 gegenstandslos. Da das [X.] bereits ein vollständiges (und nicht nach § 267 Abs. 4 StPO nur ein abgekürztes) Urteil abgefasst hat, das zudem wirksam zugestellt worden ist, bedarf es keiner Rückgabe der Akten an das [X.] zur Ergänzung der Urteilsgründe (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 10. September 2008 – 2 [X.], [X.]St 52, 349) oder zur Zustellung des Urteils. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juni 2019 – 5 StR 18/19).

[X.]     

      

[X.]     

      

[X.]

      

von Häfen     

      

Werner     

      

Meta

5 StR 328/22

27.09.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 18. Mai 2022, Az: 503 KLs 19/21

§ 32d S 2 StPO, § 32d S 3 StPO, § 32d S 4 Halbs 1 StPO, § 45 Abs 2 S 3 StPO, § 349 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2022, Az. 5 StR 328/22 (REWIS RS 2022, 5633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5633

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