Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2007, Az. IV ZR 149/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5383

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am:

7. Februar 2007

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja _____________________ AHaftpflichtVB ([X.]) § 3, § 5 a) Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzverpflichtung) ist Haupt-leistungspflicht des [X.]; sie umfasst nach den [X.] die [X.] auf seine Kosten einschließlich der Auswahl und Beauftragung des Anwalts. b) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer rechtzeitig unmissverständlich zu erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt. c) Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vereinbarung, mit der die Ab-wehr des Anspruchs dem Versicherungsnehmer übertragen wird.

[X.], Urteil vom 7. Februar 2007 - [X.]/03 - [X.]

LG Nürnberg-Fürth - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2007 für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivil-senats des [X.] vom 16. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Klägerin hat gegen die Versicherungsnehmerin des beklagten [X.] Schadensersatzansprüche erhoben. Mit der Klage macht sie diese Schadensersatzansprüche und den Anspruch der [X.]in auf Deckungsschutz aus zwei von dieser bei der [X.] unterhaltenen Betriebshaftpflichtversicherungen mit einer De-ckungssumme von insgesamt 11 Mio. DM geltend. Den Verträgen liegen Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung ([X.]) zugrunde, 1 - 3 -

die den vom [X.] empfohlenen Musterbedingungen - Stand Juni 1997 - entsprechen (abgedruckt bei [X.], Haftpflichtversicherung S. 22 ff.). Die Klägerin stellt Kolben für Automotoren her, die sie unter ande-rem an die [X.] und die [X.] liefert. Ab Juni 1999 beauf-tragte sie die Versicherungsnehmerin der Beklagten, die [X.]Metall-veredelung GmbH ([X.]), die Kolben durch einen Waschvorgang auf die anschließend von ihr selbst vorzunehmende Graphitbeschichtung [X.]. Am 23. Dezember 1999 meldete die [X.]AG der [X.] Motorschäden wegen defekter Kolben aus der Produktionszeit von Mitte Oktober bis Mitte November 1999. Die [X.] AG nahm die Klägerin wegen der Kosten für den Rückruf von Fahrzeugen und Repara-turen in Höhe von circa 39 Mio. DM in Anspruch. 2 Mit Schreiben vom 9. Februar 2000 meldete die Klägerin bei der [X.] Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe an mit der Begründung, Ursache des Schadens sei ein fehlerhafter Waschvorgang, der zur Ablö-sung der [X.] geführt habe. Die [X.] leitete das Schreiben an die Beklagte weiter. Diese erbat von der [X.] mit Schreiben vom 16. Februar 2000 nähere Auskünfte zum Schadenshergang. [X.] fragte sie, weshalb der Erstbeitrag erst am 6. Dezember 1999 aus-geglichen worden sei, obwohl der Versicherungsschein bereits Anfang Oktober zugegangen sei. Ferner wies sie darauf hin, dass der Schaden an den Kolben als Bearbeitungsschaden nach § 4 I Nr. 6 b [X.] nicht gedeckt sei. Am 30. März 2000 trat die [X.] ihre Ansprüche auf Versi-cherungsschutz gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Anfang April 2000 übersandte die [X.] den Entwurf der gegen sie beabsichtigten Schadensersatzklage an die Beklagte. Mit Schreiben vom 10. April 2000 erbat diese von der [X.] weitere Auskünfte und kündigte die Einholung 3 - 4 -

eines Sachverständigengutachtens zur Schadensursache an. Weiter wies sie darauf hin, dass für Lieferungen zwischen Erhalt des [X.]s und Zahlung des [X.] am 6. Dezember 1999 kein Versicherungsschutz bestehe. Hinsichtlich anderer Lieferungen bestehe Deckungsschutz nur unter der auflösenden Bedingung, dass die [X.] nur deshalb für den Schaden hafte, weil sie die Klägerin in der [X.] vom Juni 1999 von der Untersuchungs- und Rü-gepflicht nach § 377 HGB befreit habe. Der Ausschluss für Bearbei-tungsschäden wurde erneut erwähnt. Schließlich wurde die [X.] gefragt, ob sie mit einem Anwalt zusammenarbeite, den sie auch in dieser Sache beauftragen möchte. Am 8. Mai 2000 wurde der [X.] die angekündigte Klage zugestellt, die sie der Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai 2000 zuleitete. Gleichzeitig teilte sie mit, bisher noch keinen Anwalt beauftragt zu haben, und stellte die Frage nach Unterstützung durch die Beklagte. Diese versprach mit Schreiben vom 16. Mai 2000 "bestmögliche [X.]", die Untersuchungen durch den Sachverständigen würden noch laufen. Weiter heißt es, es sei allerdings unbedingt erforderlich, dass die [X.] zur Wahrung der Fristen einen Anwalt mit der Vertretung ihrer rechtlichen Interessen beauftrage. Sie solle mitteilen, welchem Rechtsanwalt sie das Mandat erteilt habe, damit eine Kontaktaufnahme möglich sei. Am 17. und 31. Mai 2000 telefonierte der Sachbearbeiter der Beklagten mit dem Geschäftsführer der [X.]. Der Inhalt der Gesprä-che ist streitig.
Da die [X.] sich nicht anwaltlich vertreten ließ, erging am 29. Mai 2000 im schriftlichen Verfahren Versäumnisurteil, das beiden Parteien am 6. Juni 2000 zugestellt und nach Ablauf der Einspruchsfrist rechts-kräftig wurde. Von der Zustellung des Versäumnisurteils informierte die [X.] die Beklagte nicht. Die [X.] wurde zur Zahlung eines Teilbetrages 4 - 5 -

von 1.116.799 DM nebst Zinsen verurteilt. Ferner wurde festgestellt, dass sie jeden weiteren Schaden zu ersetzen habe, den die V.

AG und die [X.] gegen die Klägerin wegen der Ablösung der Graphitbeschichtung der Kolben geltend mache. Aufgrund des [X.] ließ die Klägerin die Ansprüche der [X.] gegen die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungssumme pfänden und sich zur Einzie-hung überweisen. Dadurch erfuhr die Beklagte vom Erlass des [X.]. Mit Schreiben vom 24. Juli 2000 versagte sie den [X.] wegen Obliegenheitsverletzung nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 3 [X.] mit der Begründung, die [X.] habe entgegen ihrer Ankündigung keinen Anwalt mit der Abwehr der Ansprüche beauftragt und sie nicht von der Zustellung des Versäumnisurteils unterrichtet. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der vollen De-ckungssumme von 11 Mio. DM, hilfsweise die Feststellung, dass die [X.] ihrer Versicherungsnehmerin wegen des [X.] aus beiden Versicherungsverträgen zu gewähren habe. Die Klägerin meint, aufgrund der Abtretung der Versicherungsansprüche vom 30. März 2000 und des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses könne sie die Beklagte unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen. 5 Die Beklagte bestreitet die Verursachung des Schadens durch die [X.] und beruft sich im Übrigen auf das Abtretungsverbot in § 7 Nr. 3 [X.] und weist darauf hin, dass der Pfändungs- und Überweisungsbe-schluss die Versicherungsansprüche nur in Höhe des Zahlungsan-spruchs im Versäumnisurteil erfasse. Sie sei, wie im Ablehnungsschrei-ben vom 24. Juli 2000 ausgeführt, wegen Obliegenheitsverletzung von der Leistungspflicht frei. Die Hinnahme des Versäumnisurteils stelle zu-dem ein Anerkenntnis dar, das nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 5 [X.] zur [X.] - 6 -

tungsfreiheit führe. Der Versicherungsschutz sei im Übrigen nach § 4 I Nr. 1 [X.] ausgeschlossen, weil die Freistellung der Klägerin von der Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB die Haftung der [X.] über den gesetzlichen Umfang hinaus erweitert habe. In der die Produkt-haftpflicht einschließenden Versicherung mit der [X.] wegen verspäteter Zahlung der [X.] kein Versicherungsschutz. Schließlich sei sie wegen Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 [X.] leistungsfrei.
Das [X.] hat dem [X.] in Höhe von 1.116.779 DM nebst Zinsen und dem hilfsweise gestellten [X.] mit Ausnahme solcher Ansprüche stattgegeben, die Schäden an den von der [X.] bearbeiteten Kolben selbst betreffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die geltend gemach-ten Ansprüche in vollem Umfang weiter. 7 Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 8 I. Das [X.] hält die Beklagte wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 3 und 5 [X.] für leis-tungsfrei. 9 - 7 -

10 Die [X.] habe die Weisung der Beklagten gemäß § 5 Nr. 3 [X.] nicht beachtet, als sie das Versäumnisurteil vom 29. Mai 2000 gegen sich ergehen und nachfolgend habe rechtskräftig werden lassen. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen das [X.] nach § 5 Nr. 5 [X.]. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte die [X.] angewiesen habe, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen. Die Beklagte habe Versicherungsschutz nicht verweigert, son-dern im Schreiben vom 16. Mai 2000 ausdrücklich bestmögliche [X.] zugesagt. Das weisungswidrige Verhalten der [X.], nämlich Nichteinschalten eines Rechtsanwalts, Nichtanzeige der Verteidigungs-bereitschaft und Rechtskräftigwerdenlassen des Versäumnisurteils, ver-liere seine Eigenschaft als Obliegenheitsverletzung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb, weil die Beklagte abweichend von § 3 II [X.] die Prozessführung vollständig auf die [X.] übertragen hätte. Sie habe der [X.] lediglich die Auswahl des Rechtsanwalts überlassen, um dem von ihr für möglich gehaltenen Vorwurf zu entgehen, durch die Wahl ei-nes möglicherweise ungeeigneten Rechtsanwalts zu einem denkbaren existenzbedrohenden [X.] beigetragen zu haben.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat, wie die Revision zutreffend ausführt, den Inhalt der Leistungspflicht der Beklagten einerseits und der Obliegenheiten der [X.] andererseits verkannt. 11 1. a) Die Leistungspflicht der Beklagten umfasst - wie allgemein in der Haftpflichtversicherung - nach § 3 II Nr. 1 [X.] die Prüfung der Haft-pflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung, welche der Versicherungsnehmer aufgrund eines von 12 - 8 -

dem Versicherer abgegebenen oder genehmigten Anerkenntnisses, ei-nes von ihm geschlossenen oder genehmigten Vergleichs oder einer richterlichen Entscheidung zu zahlen hat. Die Abwehr unberechtigter [X.] (Rechtsschutzverpflichtung) ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ebenso wie die Befriedigung begründeter [X.] eine mit dieser gleichrangige Hauptleistungspflicht des Versicherers und nicht nur eine untergeordnete Nebenpflicht ([X.]Z 119, 276, 281; Urteile vom 21. Januar 1976 - [X.] - [X.], 477 unter I und vom 20. Februar 1956 - [X.] - [X.], 186 unter 2). Der Versicherer hat nicht das Recht, die mit der Abwicklung der Haft-pflichtverbindlichkeiten verbundenen Mühen und Kosten auf den Versi-cherten abzuwälzen ([X.]Z 15, 154, 159). Den Inhalt der Rechtsschutz-verpflichtung hat der Senat in dem Urteil in [X.]Z (119 aaO) wie folgt beschrieben: "[X.] er (der Versicherer) den Anspruch bestreiten, so muss er alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist; er allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung. Demgemäß hat er im [X.] die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragter Anwalt tun würde. Weil grundsätzlich sein Abwehrinteresse dem des Versicherten entspricht, ist das im Regelfall unproblematisch. Wegen des umfassend versprochenen Rechtsschutzes gilt das aber sogar dann, wenn eine Kollision zwischen den Inte-ressen des Versicherten und denen des Versicherers ein-mal nicht zu vermeiden ist. In diesem Fall muss der [X.] seine eigenen Interessen hintanstellen. Nur diese weite Auslegung des [X.] kann den mit der Haftpflichtversicherung bezweckten Schutz gewährleis-ten." Die umfassende Verantwortlichkeit des Versicherers für die Ab-wehr des [X.] ergibt sich insbesondere für den Fall des Rechtsstreits unmissverständlich aus weiteren Klauseln der [X.] -

Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (z.T. anders in der [X.], vgl. [X.]/[X.] in [X.]/ [X.], [X.] 27. Aufl. [X.]/[X.] § 5 [X.]. 3 § 1 [X.]. 1). Nach § 3 II Nr. 3 [X.] führt der Versicherer den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten. Den Versicherungsnehmer trifft die Obliegenheit, die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen, dem von dem Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig gehaltenen [X.] zu geben (§ 5 Nr. 4 [X.]). Zur Disposition über den Haftpflichtan-spruch durch Anerkenntnis oder Befriedigung ist der Versicherungsneh-mer ohne vorherige Zustimmung des Versicherers nicht berechtigt (§ 5 Nr. 5 [X.]). Nach § 5 Nr. 7 [X.] gilt der Versicherer als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erschei-nenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - [X.] - [X.], 1676 unter [X.]). Wird gegen den Versicherungsnehmer ein [X.] gerichtlich geltend gemacht, hat er dies dem Versicherer nur un-verzüglich anzuzeigen (§ 5 Nr. 2 Abs. 4 [X.]), alles Weitere ist Sache des Versicherers, insbesondere die Auswahl und Beauftragung des Rechtsanwalts auf seine Kosten (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 1963 - [X.] - VersR 1963, 421 unter [X.]). b) Der Versicherer, der seiner so beschriebenen Rechtsschutzver-pflichtung nicht nachkommt, verhält sich vertragswidrig. 14 aa) Ist der Versicherer von seiner Leistungsfreiheit überzeugt und lehnt er den Deckungsschutz vorbehaltlos ab, lässt er dem Versiche-rungsnehmer konkludent zur Regulierung freie Hand und gibt seine um-fassende Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auf ([X.]Z 15 - 10 -

119, 276, 282). Die Gefahr, bei dieser freien Entscheidung die [X.] unrichtig zu beurteilen, kann er nicht auf den [X.]. Er kann nicht gleichzeitig einerseits sich seiner vertraglichen Hauptpflicht entledigen, den Versicherungsnehmer von der Führung und den Folgen des [X.] zu befreien, und ande-rerseits dennoch in Anspruch nehmen, an das Ergebnis des notgedrun-gen vom Versicherungsnehmer allein geführten [X.] nicht gebunden zu sein. Nach [X.] hat der Versiche-rungsnehmer auch keine Obliegenheiten mehr zu erfüllen ([X.]Z 107, 368, 370 f.; [X.], Urteile vom 7. November 1966 - [X.] - VersR 1967, 27 unter [X.] und vom 21. Februar 1963 aaO; [X.] in [X.]/[X.], aaO § 6 [X.]. 33).
[X.]) Hat der Versicherer ernsthafte Anhaltspunkte für seine Leis-tungsfreiheit, kann er aber wegen noch unklarer Sachlage darüber nicht abschließend befinden, muss er sich entscheiden, ob er Deckungsschutz gewährt oder nicht, und seine Entscheidung dem Versicherungsnehmer bekannt geben. Der Versicherer kann seiner Rechtsschutzverpflichtung in einer solchen Lage auch dadurch genügen, dass er den Rechtsschutz übernimmt unter dem Vorbehalt, die Deckung je nach dem Ausgang des [X.] abzulehnen ([X.], Urteile vom 20. September 1978 - [X.] - VersR 1978, 1105 unter I und vom 7. November 1966 aaO). 16 cc) Dagegen stellt es keine ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsschutzverpflichtung dar, wenn der Versicherer dem Versiche-rungsnehmer gegenüber leistungsbefreiende Umstände ins Feld führt, den Versicherungsnehmer aber im Unklaren darüber lässt, ob er De-ckungsschutz erhält. Seine Entscheidung darüber hat der Versicherer 17 - 11 -

dem Versicherungsnehmer unverzüglich, spätestens aber dann mitzutei-len, wenn er die Anzeige von der gerichtlichen Geltendmachung des [X.] nach § 5 Nr. 2 Abs. 4 [X.] erhalten hat. Der [X.] weiß, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt dringender Handlungs-bedarf besteht, weil dem Versicherungsnehmer allein wegen Fristablaufs Rechtsnachteile in Gestalt eines Vollstreckungsbescheids oder [X.] drohen. Deshalb hat der Versicherer dem Versicherungs-nehmer rechtzeitig unmissverständlich zu erklären, ob er den [X.] geschuldeten Rechtsschutz gewährt, gegebenenfalls unter dem Vorbehalt, später je nach dem Ausgang des [X.] Leistungsfreiheit geltend zu machen. Gibt der Versicherer eine solche Erklärung nicht ab, nimmt er seine Pflicht zur Abwehr des Anspruchs nicht wahr und gibt damit zugleich seine Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auf. Er ist deshalb, solange er seiner Rechtsschutz-verpflichtung nicht bedingungsgemäß nachkommt, so zu behandeln, als habe er dem Versicherungsnehmer zur Regulierung freie Hand gelassen. Der Versicherungsnehmer ist demgemäß auch nicht mehr obliegenheits-gebunden. Die Versicherungsbedingungen gestatten es dem Versicherer nicht, sich einer klaren Entscheidung über seine Verpflichtung zum Rechtsschutz zu enthalten, den Versicherungsnehmer darüber im Unge-wissen zu lassen und die Arbeits- und Kostenlast sowie das Risiko des [X.]es einseitig auf ihn abzuwälzen, sich aber gleichwohl vor-zubehalten, an die Regulierungsentscheidung des Versicherungsneh-mers nicht gebunden zu sein, ihn an seinen Obliegenheiten festzuhalten und sich über die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten hinaus wegen mangelhafter oder weisungswidriger Prozessführung auf Leistungsfrei-heit zu berufen. - 12 -

18 c) Den Parteien des Versicherungsvertrages ist es allerdings nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht verwehrt, nach Erhebung des Anspruchs auf Deckungsschutz von den Bedingungen abweichende [X.] darüber zu treffen, wie die Leistungspflicht des Versicherers erfüllt werden soll. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Versicherer nach [X.] und Glauben gehalten ist, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunut-zen. Die Abwehrfunktion der Haftpflichtversicherung ist unter den [X.] nicht immer genügend bekannt ([X.], Haftpflicht-versicherung Vorbemerkungen [X.]. 48). Insbesondere ist für den [X.] nur schwer durchschaubar, was die Abwehrverpflich-tung im Einzelnen bedeutet. Gewährt der Versicherer Versicherungs-schutz, will er aber die Abwehr des Anspruchs (ganz oder teilweise) in die Hand des Versicherungsnehmers legen, hat er darüber aufzuklären, dass die Gewährung von Rechtsschutz nach dem [X.] ist, er den Prozess zu führen und den Anwalt auszuwählen, zu beauftragen und zu bezahlen hat (vgl. zu Vereinbarungen über die Leistungspflicht in der Berufsunfähigkeitsversicherung die Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - [X.]/03 - zur [X.] vorgesehen - und vom 12. November 2003 - [X.] - VersR 2004, 96 unter [X.]). Nur so ist der Versicherungsnehmer in der Lage, verantwortlich [X.] zu entscheiden, auf welche Beschränkungen seiner vertraglichen Rechte er sich einlassen will. Übernimmt der Versicherungsnehmer [X.] die Prozessführung, gilt für eine Verletzung von [X.] dann nicht das Recht der Obliegenheiten, sondern das all-gemeine Schadensersatzrecht ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO § 5 [X.] [X.]. 2). Denn insoweit hat er sich nur verpflichtet, die Aufgabe des Versicherers zu übernehmen. - 13 -

19 2. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Abwehr des [X.] verletzt und ist deshalb so zu behandeln, als habe sie der [X.] freie Hand zur Regulierung gelassen. Demgemäß ist sie an das rechtskräftige Versäumnisurteil gebunden und kann sich nicht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 3 und Nr. 5 [X.] berufen. Auch der Vorwurf, die [X.] habe in [X.] Zusammenwirken mit der Klägerin die Beklagte vorsätzlich geschä-digt, ist nicht berechtigt. a) Die [X.] hatte ihre Obliegenheiten zur Anzeige des Versiche-rungsfalles und der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs [X.] und vollständig erfüllt. Sie hatte damit alles getan, damit die [X.] ihrer Verpflichtung nachkommen konnte, einen Rechtsanwalt aus-zuwählen und zu beauftragen und den Prozess im Namen der [X.] zu führen. Diese wäre auf Verlangen der Beklagten gehalten gewesen, dem Anwalt Vollmacht und die nötige Aufklärung zu erteilen. Im Schreiben vom 8. Mai 2000, dem die Klageschrift beigefügt war, hat die [X.] in lai-enhafter Weise um Unterstützung, also für die Beklagte erkennbar um Deckungsschutz gebeten. Beim Telefongespräch vom 17. Mai 2000 hat der Geschäftsführer der [X.] den Sachbearbeiter der Beklagten, den [X.], erneut um Rechtsschutz gebeten, wie dessen [X.] vor dem [X.] zu entnehmen ist. 20 b) Diesem Ersuchen gegenüber hat sich die Beklagte pflichtwidrig verhalten. Sie hat sich bei der Betriebs-/Produkthaftpflichtversicherung ersichtlich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Zahlung des [X.] berufen (dazu unten [X.]. 1.). Weiterhin hat sie sich er-sichtlich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit nach § 4 I Nr. 1 [X.] wegen der Befreiung der Klägerin von der Untersuchungs- und Rügepflicht nach 21 - 14 -

§ 377 HGB berufen (dazu unten [X.]. 2.). Im Schreiben vom 16. Mai 2000 hat die Beklagte zwar bestmögliche Unterstützung zugesagt, die [X.] aber bedingungswidrig angewiesen, selbst einen Anwalt mit der [X.] ihrer rechtlichen Interessen zu beauftragen. Die bestmögliche und allein vertragsgemäße Unterstützung hätte darin bestanden, dass die Beklagte den Anwalt beauftragt und die Prozessführung übernimmt. Bei dem Telefongespräch vom 17. Mai 2000 hat der Geschäftsführer der [X.] den Sachbearbeiter der Beklagten gefragt, wie sich aus dessen Zeugenaussage ergibt, ob nicht die Beklagte den Rechtsanwalt bestellen und einen Spezialisten benennen könne. Dies hat der Zeuge mit der [X.] abgelehnt, er habe einen solchen auch nicht nennen können. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge, Abteilungsleiter der [X.] und selbst Rechtsanwalt, dazu nicht in der Lage gewesen ist. Diese erneute Weigerung der Beklagten, selbst einen Anwalt zu beauf-tragen oder auch nur zu benennen, schließt es aus, darin ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung zu sehen, die Auswahl des Anwalts der [X.] zu überlassen. Die Beklagte hat vielmehr wie schon im [X.] vom 16. Mai 2000 die Auswahl und die Beauftragung des Anwalts vertragswidrig einseitig der [X.] zugeschoben. Der Zeuge de J. hat dies damals selbst so gesehen. In seinem Aktenvermerk vom 19. Juni 2000 über das Gespräch vom 17. Mai 2000 ist nicht von einer einver-nehmlichen Regelung die Rede, sondern von einer "Entscheidung" der Beklagten, mit der der Geschäftsführer der [X.] "nicht ganz glücklich" gewesen sei, sie also nur notgedrungen hingenommen hat. Auch das [X.] stellt kein Einvernehmen fest, sondern spricht von Wei-sungen der Beklagten und wertet die Nichteinschaltung eines Anwalts als weisungswidriges Verhalten der [X.]. Fehlt es schon an einer Vereinba-rung, kommt es nicht mehr darauf an, dass die Beklagte sich darauf - 15 -

mangels der gebotenen Aufklärung (s.o. unter [X.]) nicht zum Nachteil der [X.] berufen könnte.
c) Dieses Verhalten der Beklagten legt es nahe, darin schon eine verschleierte Ablehnung des Deckungsschutzes zu sehen mit den sich daraus ergebenden Folgen. So hat es der Geschäftsführer der [X.] nach seinen Bekundungen auch verstanden. 22 Jedenfalls aber hat die Beklagte in einem Zeitpunkt, in dem drin-gender Handlungsbedarf bestand, der [X.] nicht unmissverständlich er-klärt, ob sie ihre Rechtsschutzverpflichtung erfüllt oder dies ablehnt. Sie hat damit die Arbeits- und Kostenlast und das Risiko des Prozessverlus-tes einseitig auf die [X.] abgewälzt. Den Weg, sich gleichwohl wegen weisungswidriger Prozessführung auf Leistungsfreiheit berufen zu [X.], konnte sie sich damit nicht frei halten. 23 [X.]. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen ganz oder teilweise als richtig dar. 24 1. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Zahlung der [X.] in der Betriebs-/Produkthaftpflicht-versicherung, bei der der Versicherungsfall vor Zahlung der [X.] eingetreten sein soll. Das [X.] hat die Berufung auf Leistungs-freiheit mit Recht an der fehlenden Belehrung scheitern lassen. Der [X.] stammt vom 17. Dezember 1998, ab 1. Januar 1999 hatte die Beklagte unstreitig vorläufige Deckung zugesagt. Der [X.] ist erst mit Schreiben vom 4. Oktober 1999 übersandt [X.]. Die Rechnung selbst enthält nicht einmal einen Hinweis darauf, bis 25 - 16 -

wann die [X.] zu zahlen ist, naturgemäß deshalb auch keine Be-lehrung über die Folgen verspäteter Zahlung. Im Versicherungsschein ist nur die übliche erweiterte Einlösungsklausel enthalten, wonach der [X.] erst mit Zahlung der [X.] beginnt. Sollte also der materielle Versicherungsschutz aus dem Hauptvertrag erst mit [X.] der [X.], wie üblich, beginnen, endete auch die vorläufige Deckung erst in diesem Zeitpunkt. Eine Belehrung darüber, welche Rechtsfolgen eine verspätete Prämienzahlung für die vorläufige Deckung hat, ist nicht erteilt worden. Deshalb kann sich die Beklagte, wie ihrem Sachbearbeiter hätte bekannt sein müssen, nicht auf Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 [X.] berufen (st. [X.]. des Senats, zuletzt Urteil vom 26. April 2006 - [X.] - [X.], 913 unter [X.]; zum Beginn des materiellen Versicherungsschutzes erst mit Zahlung der [X.] [X.]Z 47, 352, 354 und Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - [X.] - [X.], 409 unter 2 [X.]). Die vorläufige Deckung endete nicht schon mit dem formellen Versicherungsbeginn, also dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
2. Die Beklagte hält sich zu Unrecht nach § 4 I Nr. 1 [X.] für leis-tungsfrei, weil die [X.] die Klägerin von der Untersuchungs- und Rüge-pflicht nach § 377 HGB befreit hat und dadurch eine über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehende Zusage gemacht habe. Das Waschen der Kolben ist ein reiner Werkvertrag. Darauf sind die §§ 377, 381 Abs. 2 HGB nicht anzuwenden ([X.], Urteile vom 9. Oktober 2001 - [X.]/00 - [X.] 2002, 93 unter [X.] und 3 und vom 4. Februar 1992 - [X.] - NJW-RR 1992, 626 unter [X.]). Auch dies hätte der Sachbe-arbeiter der Beklagten ohne weiteres feststellen können. 26 - 17 -

27 3. Die Beklagte ist auch nicht nach § 12 Abs. 3 [X.] leistungsfrei. Die Klägerin klagt in zulässiger Weise auf Feststellung der [X.] (vgl. Senatsurteil vom 15. November 2000 - [X.] - [X.], 90 unter 2 a). Diese rechtzeitig erhobene Klage hat die Frist gewahrt (siehe dazu auch [X.]/[X.], aaO § 156 [X.]. 1 und Langheid in [X.]/Langheid, [X.] 2. Aufl. § 156 [X.]. 1). Dem [X.] ist auch in diesem Punkt zuzustimmen.
4. Die Abtretungserklärung der [X.] vom 30. März 2000 enthält kein verbotenes Anerkenntnis, sondern beschreibt nur den Haftungs-grund, wie das [X.] auf S. 20 seines Urteils zutreffend ausgeführt hat. 28 [X.] Im Übrigen ist die Sache mangels ausreichender Feststellun-gen des Berufungsgerichts nicht entscheidungsreif und deshalb zurück-zuverweisen. 29 Zum Antrag der Klägerin auf Zahlung in Höhe der vollen De-ckungssumme wird auf Folgendes hingewiesen: 30 Auf Zahlung kann die Klägerin die Beklagte nur in Anspruch [X.], wenn sie durch Pfändung und Überweisung oder Abtretung an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist, also Haftpflichtanspruch und Versicherungsanspruch sich bei ihr in einer Hand vereinigt haben (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 1980 - [X.] - [X.], 522 unter I; vom 12. März 1975 - [X.] - [X.], 655 unter 1 und vom 17. März 2004 - [X.]/03 - VersR 2004, 634 unter [X.]). 31 - 18 -

32 1. Das ist hier hinsichtlich des Zahlungsausspruchs des [X.] im [X.] i.V. mit dem Pfändungs- und Überwei-sungsbeschluss der Fall. Der Feststellungsausspruch des [X.] im [X.] ist nicht vollstreckungsfähig, kann also nicht zu einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss führen. 2. Die Abtretung vom 30. März 2000 verstößt gegen das [X.] [X.]. Die Ablehnung des Deckungsschutzes mit Schreiben vom 24. Juli 2000 ist keine endgültige Feststellung des Versicherungsanspruchs, um den allein es geht (Senatsurteil vom 26. März 1997 - [X.] - [X.], 1088 unter 5 c). Das [X.] kann nicht durch gewillkürte Prozessstandschaft umgangen werden. Ob die Berufung der Beklagten auf das [X.] ist, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. 33 - 19 -

34 Das Abtretungsverbot scheitert nicht an § 354a HGB, weil es sich bei dem Anspruch auf Deckungsschutz in der Haftpflichtversicherung nicht um eine Geldforderung handelt (vgl. [X.]/[X.], § 354a [X.]. 6).
Terno

[X.] [X.] Dr. Kessal-Wulf [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.10.2001 - 9 O 11050/00 - [X.], Entscheidung vom 16.06.2003 - 8 U 3959/01 -

Meta

IV ZR 149/03

07.02.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2007, Az. IV ZR 149/03 (REWIS RS 2007, 5383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5383

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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