Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2012, Az. NotZ (Brfg) 15/11

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2012, 4388

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.](Brfg)
15/11
vom

23. Juli 2012

in dem Verfahren

-

2

-

Der Bundesgerichtshof, [X.], hat
durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die Richterinnen [X.] und von
Pentz, die
Notarin Dr.
Doyé
sowie den Notar Müller-Eising

am 23.
Juli 2012

beschlossen:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Se-nats für Notarsachen des [X.] vom 10.
Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf
50.000

festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel
ist zulässig.

a) Der Kläger hat sein Recht, die Zulassung der Berufung zu beantragen, nicht dadurch verloren, dass er seinen zunächst gestellten Antrag vom 19.
Oktober 2011 mit Schriftsatz vom 31.
Oktober 2011 zurückgenommen hat. Die Zurücknahme eines Rechtsbehelfs hindert den Rechtsbehelfsführer grund-sätzlich nicht daran, den Rechtsbehelf innerhalb der noch laufenden Frist er-1
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neut einzulegen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsbehelfsrück-nahme zugleich einen Rechtsbehelfsverzicht enthält (vgl. Kopp/[X.], VwGO, 17.
Aufl., §
126 Rn.
2 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

b) Der erneute Zulassungsantrag des [X.] vom 11.
November 2011 ist innerhalb der noch laufenden
Antragsfrist des §
111d Satz 2 [X.], §
124a Abs.
4 Satz
1 VwGO beim [X.] eingegangen. Entgegen der [X.] des Beklagten hat der Kläger den Antrag
auch ordnungsgemäß
be-gründet

111d Satz 2 [X.], §
124a Abs.
4 Satz
4 VwGO). Zwar bezog sich die [X.] vom 9.
November 2011 auf den bereits zurückgenom-menen Antrag vom 19.
Oktober 2011. Der Kläger hat aber in seinem erneuten Zulassungsantrag vom 11.
November 2011
konkludent auf die bereits einge-reichte Antragsbegründung Bezug genommen. Er hat darauf hingewiesen, dass er "erneut" beantrage, die Berufung zuzulassen, weil der Antrag vom 19.
Oktober 2011 "infolge eines [X.] zurückgenommen worden" sei,
und damit zum Ausdruck gebracht, dass der zweite Antrag gewissermaßen an die Stelle des ersten treten sollte.

2. Der Zulassungsantrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulas-sungsgrund ist nicht gegeben. Der Kläger kann sich weder auf den Zulas-sungsgrund des §
124 Abs.
2 Nr.
1 noch auf den des §
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO berufen.

a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) bestehen nicht. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Bestimmung des §
48a [X.], die die Altersgrenze für die Ausübung des [X.] auf das Ende des Monats
festlegt,
in dem der Notar das
70. [X.] vollendet, weder verfassungs-
noch europarechtswidrig.
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aa) Das [X.] hat die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für die Ausübung des [X.] in seinem
Beschluss vom 29.
Oktober 1992 ([X.] 1993, 260
ff.) bejaht. Der Senat hat sich dieser Beurteilung in seinem Beschluss vom 22.
März 2010 ([X.] 16/09, [X.], 30 Rn.
6
ff.) angeschlossen. Auf diese Entscheidun-gen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Gründe, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass geben, sind weder ersichtlich noch dargetan. Entgegen der Auffassung des [X.] verstößt das
Gesetz zur Ände-rung des Berufsrechts der Notare
und der Rechtsanwälte vom 29.
Januar 1991 ([X.] I S.
150) nicht deshalb gegen Art.
3 Abs.
1 GG, weil es keine Über-gangsregelung enthalte. Der Kläger übersieht, dass der Gesetzgeber in Art.
3 dieses Gesetzes eine Regelung geschaffen hat, nach der sämtliche Notare, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 3.
Februar 1991 das 58. Lebensjahr vollen-det hatten, für weitere zwölf Jahre im Amt bleiben durften (vgl. [X.] [X.] 1993, 260; [X.]/[X.]/Püls, [X.], 9.
Aufl., §
48a Rn.
2). Bei dieser [X.] Festlegung brauchte der Gesetzgeber keine Rücksicht auf die Belange und Interessen einzelner zu nehmen, sondern durfte bei [X.] Be-trachtungsweise im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis davon ausgehen,
dass eine Amtstätigkeit von zwölf Jahren genügt, um die im Hinblick auf die Amtsübernahme getätigten Investitionen zu erwirtschaften und die Vorausset-zungen für die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards nach Vollen-dung des 70.
Lebensjahres zu schaffen (vgl. [X.] [X.] 1993, 260).

bb) Die Regelung in §
48a [X.] steht auch im Einklang mit europa-rechtlichen Vorgaben. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das -
einen all-gemeinen Grundsatz des Unionsrechts
darstellende und durch die Richtlinie 2000/78 [X.] des Rates vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allge-7
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meinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf konkretisierte
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Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters (vgl. Senatsbeschluss vom 22.
März 2010 -
[X.] 16/09, [X.], 30
Rn. 22 ff.; [X.], NJW 2011, 1131). Die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters ist gemäß Art.
6 Abs.
1 Satz
1 der Richtlinie zulässig. Die Regelung verfolgt das legitime sozialpolitische Ziel, die Berufschancen zwischen den Ge-nerationen gerecht zu verteilen, und ist zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen. Denn ohne die gesetzliche Altersgrenze wäre für die Beset-zung der nur in
begrenzter Zahl
zur Verfügung stehenden Stellen (§
4 Satz
1 [X.]) nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewähr-leistet, dass [X.] Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjün-gere Bewerber frei machen (vgl. Senatsbeschluss vom 22.
März 2010 -
[X.] 16/09, aaO Rn.
28
f.; [X.] [X.] 1993, 260; NJW 2011, 1131 Rn.
12
f.). Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Altersgrenze für Notare nicht des-halb unangemessen und nicht erforderlich im Sinne des Art.
6 Abs.
1 Satz
1 der Richtlinie, weil "Versorgungslücken
in allen Teilen des Notariats" drohten.
Ein Mangel an jüngeren Bewerbern, der vorliegend allerdings weder ersichtlich noch hinreichend konkret dargetan ist, mag die Erforderlichkeit einer Alters-grenze auf solchen Teilen des Arbeitsmarktes
in Frage stellen, zu denen
neue Berufsangehörige
jederzeit Zugang haben (vgl. [X.],
Urteil vom 12. Januar 2010 -
C-341/08, Slg.
2010, [X.]-100 -
Petersen, Rn.
68). Dies gilt aber nicht, wenn
der Besetzung einer Stelle, wie im Streitfall,
zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege ein Ausschreibungsverfah-ren vorausgehen muss und die Ausschreibung
von dem Ergebnis einer Bedürf-nisprüfung abhängt, die sicherstellt, dass dem jeweiligen Amtsinhaber ein aus-reichendes
Maß sachlicher und finanzieller Unabhängigkeit gewährleistet ist
(vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2011 -
C-54/08, [X.] 2011, 462 Rn. 98; Se-natsbeschluss vom 22.
März 2010 -
[X.] 16/09, aaO Rn.
8
f.; [X.] [X.] -

6

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1993, 260). Blieben [X.] Notare so lange im Amt, wie es ihnen beliebt, könnten die zur Verfügung stehenden jüngeren [X.] nicht oder nur sehr spät berücksichtigt werden. Mangels Vorhersehbarkeit und Planbarkeit des Zugangs verlöre der Beruf des Notars an Attraktivität.

cc) Entgegen der Auffassung des [X.] setzte das Erlöschen seines Amtes auch nicht die Rücknahme seiner Bestellung zum Notar voraus. Denn seine für die Dauer seiner Anwaltszulassung erteilte Bestellung zum Notar ist mit Erreichen der Altersgrenze kraft Gesetzes erloschen, ohne dass es eines [X.] bedurfte (vgl. [X.] [X.] 1993, 260 unter II.
1.).

b) Auch der Zulassungsgrund des §
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO ist nicht ge-geben. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Eine Vorlage an den [X.] ist nicht geboten. In-soweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 22.
März 2010 ([X.] 10/09, [X.], 30 Rn.
32) Bezug
genommen, die durch das Vorbringen des [X.] nicht entkräf-tet werden (vgl. auch [X.] NJW 2011, 1131).

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c) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
111d Satz
2 [X.], §
154 Abs.
2 VwGO. Die [X.] beruht auf
einer entsprechenden Anwen-dung des §
111g Abs.
2 Satz
1 [X.].

Galke
[X.]
von Pentz

Doyé
Müller-Eising

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 10.10.2011 -
2 X (Not) 12/10 -

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Meta

NotZ (Brfg) 15/11

23.07.2012

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2012, Az. NotZ (Brfg) 15/11 (REWIS RS 2012, 4388)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4388

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