Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 5/14

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2014, 1088

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]([X.]) 5/14
vom

24. November 2014

in dem Verfahren

wegen Erlöschen des [X.]s

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 48a
Die in § 48a [X.] bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren, bei deren Erreichen das Amt des Notars erlischt (§ 47 Nr. 1 [X.]), ist mit dem Grundgesetz ver-einbar und verstößt auch unter Berücksichtigung neuerer Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] nicht ge-gen das aus der Richtlinie 2000/78/[X.]
des Rates vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbe-handlung in Beschäftigung und Beruf folgende Verbot der Diskriminierung auf-grund des Alters.
[X.], Beschluss vom 24. November 2014 -
[X.]([X.]) 5/14 -
[X.]

-
2
-

Der [X.], [X.], hat am 24. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die
Richterin [X.], [X.] Dr. Radtke sowie
die Notare
Dr. [X.] und [X.]

beschlossen:

Der Antrag
des
[X.], die Berufung
gegen das Urteil des 2. Se-nats
für Notarsachen
des Hanseatischen [X.]s in Bremen
vom 7.
März 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger
hat
die Kosten des Zulassungsverfahrens
zu tragen.

Der Streitwert wird auf 50.000

gesetzt.

Gründe:

I.

Der
am 12.
Oktober 1943 geborene Kläger ist Rechtsanwalt und wurde 1979 "für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem [X.] zum Notar für den Bezirk des [X.]" bestellt. Er beantragte mit Schreiben vom 14.
Oktober 2013
an die Präsidentin des [X.] ihm zu gestatten, das [X.] auch nach Beendigung des 70. Lebensjahres weiter auszuüben. Der [X.]or für Justiz und Verfassung lehnte den Antrag ab.

1
-
3
-

Der Kläger hat
beantragt, ihm die notarielle Tätigkeit über den 31.
Oktober 2013 hinaus auf unbestimmte Dauer, mindestens jedoch bis zur Vollendung seines 75. Lebensjahres zu gestatten. Hilfsweise
hat er die [X.] einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] bean-tragt.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen.

II.

Der Antrag des [X.], die
Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen, ist zulässig aber unbegründet. Ein
Zulassungsgrund (§
124 Abs.
2 VwGO i.V.m. §
111d Satz
2
[X.]) ist nicht gegeben. Insbesondere hat die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung (§
124 Abs.
2 Nr.
3 VwGO i.V.m. §
111d Satz
2 [X.]) noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des [X.]s (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO i.V.m. §
111d Satz
2 [X.]).

1. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die [X.] vom 17.
März 2014 ([X.]([X.]) 21/13, [X.], 111)
und vom 22.
März 2010 ([X.] 16/09, [X.]Z 185, 30)
sowie durch die Beschlüsse des [X.] vom 5.
Januar 2011 (1
BvR 2870/10, [X.], 1131) und vom 27.
Juni 2014
(1
BvR 1313/14), mit denen die [X.] gegen diese Entscheidungen zurückgewiesen
worden
sind,
bereits -
weitgehend
-
zum Nachteil des [X.] geklärt. Danach verstoßen §
47 Nr.
1 und §
48a [X.] weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines 2
3
4
5
-
4
-

allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäf-tigung und Beruf (ABl. [X.] L
303/16) (fortan: Richtlinie 2000/78/[X.]) folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Hieran hält der [X.] auch un-ter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte fest.

Der [X.] hat sich insbesondere in den Beschlüssen vom 25. November 2013 ([X.]([X.]) 8/13, [X.]([X.]) 11/13 und
-
[X.]([X.]) 12/13 jeweils aaO) mit der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur beruflichen Altersgrenze auseinandergesetzt (aaO
jeweils
Rn.
5
ff.)
und darauf im Beschluss vom 17. März 2014 ([X.]([X.]) 21/13 aaO Rn. 5) Bezug genom-men.

Im Beschluss vom 25.
November 2013 ([X.]([X.]) 11/13, D[X.] 2014, 313
juris Rn. 4 ff.)
hat sich der [X.] ausführlich damit befasst, dass die Alters-grenze
nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, weil die für [X.] Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass andernfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§
4 Satz
1 [X.]) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbar-keit und Planbarkeit,
gewährleistet wäre, dass [X.] Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere frei machen und diesen eine Perspek-tive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener [X.] ausüben zu können (vgl. hierzu
auch
[X.]sbeschluss
vom
22.
März
2010 -
[X.] 16/09, [X.]Z 185, 30 Rn.
29).

2. Soweit der Kläger geltend macht, es habe sich mittlerweile ein Mangel an Nachwuchsinteressenten für das Anwaltsnotariat eingestellt, rechtfertigt dies nicht, die Regelung in §
48a [X.] nicht mehr anzuwenden, selbst wenn dieser 6
7
8
-
5
-

Befund zutreffen und sich verstetigen sollte. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen an-passt, liegt in seinem, von den Gerichten schon aus Gründen der Gewaltentei-lung zu respektierenden Gestaltungsspielraum. Dass sich die [X.] derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Alters-grenze des §
48a [X.] der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist nicht ansatzweise ersichtlich.

3. Zutreffend hat das [X.] einen Vertrauensschutz zuguns-ten des [X.] durch die in der Bestallungsurkunde aufgenommene [X.], dass der Kläger für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem [X.] zum Notar bestellt werde, nicht entnehmen können. Der [X.] teilt die Auffassung des [X.]s, dass die Bestallungsurkunde keine eigene den Kläger begünstigende Regelung hinsichtlich der Dauer der Bestel-lung zum Notar enthält, sondern lediglich festlegt, mit welcher der in §
3 [X.] zugelassenen Notariatsformen der Kläger betraut werden sollte.

4. [X.] ist der Hinweis des [X.] darauf, dass
das Erlöschen des [X.]s die wirtschaftliche Sicherung seines Alters gefährde, weil die nach seiner Auffassung zu hohe Zahl der Rechtsanwälte in B.
einen Ausgleich der aufgrund der Altersgrenze entgehenden Einnahmen als Notar durch die anwaltliche Tätigkeit nicht zulasse. Maßgebend für die Altersgrenze des §
48a [X.] ist die Sicherung einer geordneten Altersstruktur des aktiven Notariats und die Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive jüngerer An-wärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen, weil im Interesse einer ge-ordneten Rechtspflege die Limitierung der Stellenanzahl nach §
4 [X.] gilt (vgl. zur Vereinbarkeit der Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der
Notare mit Art.
43 [X.] und Art.
49 AEUV [X.], Urteil vom 24.
Mai 2011 9
10
-
6
-

-
[X.]/08, [X.], 2941 Rn.
98). Diesen für die Altersgrenze maßgeblichen Gründen fehlt ein inhaltlicher Bezug zur Art und Weise, wie die Versorgung der Notare, deren Amt nach §
47 Nr.
1, §
48a [X.] erloschen ist, ausgestaltet ist.

5. Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des Se-nats an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 AEUV sind nicht erfüllt.
Der [X.] nimmt insoweit auf die Ausführungen in seinen Be-schlüssen vom 22. März 2010 ([X.] 16/09, aaO Rn. 32 ff.; siehe hierzu auch [X.] [X.], 1131 Rn. 14) und vom 25. November 2013 ([X.]([X.]) 11/12 aaO Rn. 14 und -
[X.]([X.]) 12/13 aaO Rn. 14) Bezug. Eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV scheidet nach
den Maßstäben der so genannten acte-clair-Doktrin (siehe hierzu z.B. [X.]sbeschlüsse vom 22. März 2010 aaO Rn.
33 f.
und vom 26. November 2007 -
[X.] 23/07, [X.]Z 174, 273 Rn. 34) aus.
Dass die notarielle Tätigkeit gemäß § 1 [X.] ein öffentliches Amt
ist,
wird auch durch das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 24.
Mai 2011 ([X.]/08, [X.], 2941
Rn. 98) nicht in Frage gestellt
(vgl. hierzu auch [X.]E 131, 130 Rn. 131 ff.). Nach der Auffassung des Gerichts-hofs
ist zwar die Beurkundungstätigkeit der Notare als solche nicht im Sinne von Art. 45 Abs.
1 [X.] mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung [X.] Gewalt verbunden. Doch werden mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt, die insbesondere
dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dies
stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der etwaige Beschränkungen im Sinne von Art. 43 [X.] rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit ergeben, wie etwa den für die Notare aufgrund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorga-ben, der Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Äm-11
-
7
-

tern und ihrer Unabsetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind
(vgl. aaO
Rn.
93 ff.). Die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare gehört zu den Beschränkungen
im Sinne von Art.
43 [X.] (= Art.
49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des allgemeinen Interesses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssi-cherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. [X.] hat der Gerichtshof der [X.] im Urteil vom 6.
November 2012 ([X.]/12, juris) zur Herabsetzung der Altersgrenze für [X.] Rich-ter, Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Be-schäftigungs-
und Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt (aaO Rn.
60, 62
f. [X.]). Der Gerichtshof hat einen Verstoß der betreffenden ungari-schen Regelung gegen die Richtlinie nur deshalb beanstandet, weil die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaß-nahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30
% ihres [X.] hätten hinnehmen müssen (aaO Rn.
68, 70).

Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Kläger aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem 3.
Februar 1991 (Art.
1 Nr.
12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom 29.
Januar 1991, BGBl.
I S.
150) in [X.] befindlichen Regelungen nicht betroffen.

12
13
-
8
-

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §
111b Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs.
2 VwGO. Die [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwen-dung des §
111g Abs.
2 Satz
1 [X.].

Galke
[X.]
Radtke

[X.]
Frank

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 07.03.2014 -
2 Not 1/13 -

Meta

NotZ (Brfg) 5/14

24.11.2014

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 5/14 (REWIS RS 2014, 1088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1088

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

NotZ (Brfg) 5/14 (Bundesgerichtshof)

Erlöschen des Notaramts wegen Erreichens der Altersgrenze


NotZ (Brfg) 21/13 (Bundesgerichtshof)


NotZ (Brfg) 21/13 (Bundesgerichtshof)

Erlöschen des Notaramts: Vereinbarkeit der Altersgrenze für Notare mit der Grundrechtscharta der Europäischen Union


NotZ (Brfg) 10/14 (Bundesgerichtshof)


NotZ (Brfg) 10/14 (Bundesgerichtshof)

Erlöschen des Notaramts mit Erreichen der Altersgrenze: Geltung für einen vor Einführung der Altersgrenze bestellten …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.