Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 5/14

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2014, 1096

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Gegenstand

Erlöschen des Notaramts wegen Erreichens der Altersgrenze


Leitsatz

Die in § 48a BNotO bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren, bei deren Erreichen das Amt des Notars erlischt (§ 47 Nr. 1 BNotO), ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt auch unter Berücksichtigung neuerer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters.

Tenor

Der Antrag des [X.], die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats für Notarsachen des [X.] in [X.] vom 7. März 2014 zuzulassen, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der am 12. Oktober 1943 geborene Kläger ist Rechtsanwalt und wurde 1979 "für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem [X.] zum Notar für den Bezirk des [X.]" bestellt. Er beantragte mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 an die Präsidentin des [X.] ihm zu gestatten, das [X.] auch nach Beendigung des 70. Lebensjahres weiter auszuüben. Der [X.]or für Justiz und Verfassung lehnte den Antrag ab.

2

Der Kläger hat beantragt, ihm die notarielle Tätigkeit über den 31. Oktober 2013 hinaus auf unbestimmte Dauer, mindestens jedoch bis zur Vollendung seines 75. Lebensjahres zu gestatten. Hilfsweise hat er die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] beantragt.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen.

II.

4

Der Antrag des [X.], die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen, ist zulässig aber unbegründet. Ein Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]) ist nicht gegeben. Insbesondere hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]) noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des [X.]s (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]).

5

1. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die [X.]sbeschlüsse vom 17. März 2014 ([X.]([X.]) 21/13, [X.], 111) und vom 22. März 2010 ([X.] 16/09, [X.], 30) sowie durch die Beschlüsse des [X.] vom 5. Januar 2011 (1 BvR 2870/10, NJW 2011, 1131) und vom 27. Juni 2014 (1 BvR 1313/14), mit denen die [X.] gegen diese Entscheidungen zurückgewiesen worden sind, bereits - weitgehend - zum Nachteil des [X.] geklärt. Danach verstoßen § 47 Nr. 1 und § 48a [X.] weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. [X.] 303/16) (fortan: Richtlinie 2000/78/[X.]) folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Hieran hält der [X.] auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte fest.

6

Der [X.] hat sich insbesondere in den Beschlüssen vom 25. November 2013 ([X.]([X.]) 8/13, [X.]([X.]) 11/13 und - [X.]([X.]) 12/13 jeweils aaO) mit der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zur beruflichen Altersgrenze auseinandergesetzt (aaO jeweils Rn. 5 ff.) und darauf im Beschluss vom 17. März 2014 ([X.]([X.]) 21/13 aaO Rn. 5) Bezug genommen.

7

Im Beschluss vom 25. November 2013 ([X.]([X.]) 11/13, D[X.] 2014, 313 juris Rn. 4 ff.) hat sich der [X.] ausführlich damit befasst, dass die Altersgrenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, weil die für [X.] Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass andernfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 [X.]) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit, gewährleistet wäre, dass [X.] Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere frei machen und diesen eine Perspektive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener [X.] ausüben zu können (vgl. hierzu auch [X.]sbeschluss vom 22. März 2010 - [X.] 16/09, [X.], 30 Rn. 29).

8

2. Soweit der Kläger geltend macht, es habe sich mittlerweile ein Mangel an Nachwuchsinteressenten für das Anwaltsnotariat eingestellt, rechtfertigt dies nicht, die Regelung in § 48a [X.] nicht mehr anzuwenden, selbst wenn dieser Befund zutreffen und sich verstetigen sollte. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen anpasst, liegt in seinem, von den Gerichten schon aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektierenden Gestaltungsspielraum. Dass sich die [X.] derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze des § 48a [X.] der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist nicht ansatzweise ersichtlich.

9

3. Zutreffend hat das [X.] einen Vertrauensschutz zugunsten des [X.] durch die in der Bestallungsurkunde aufgenommene Formulierung, dass der Kläger für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem [X.] zum Notar bestellt werde, nicht entnehmen können. Der [X.] teilt die Auffassung des [X.]s, dass die Bestallungsurkunde keine eigene den Kläger begünstigende Regelung hinsichtlich der Dauer der Bestellung zum Notar enthält, sondern lediglich festlegt, mit welcher der in § 3 [X.] zugelassenen Notariatsformen der Kläger betraut werden sollte.

4. Unbehelflich ist der Hinweis des [X.] darauf, dass das Erlöschen des [X.]s die wirtschaftliche Sicherung seines Alters gefährde, weil die nach seiner Auffassung zu hohe Zahl der Rechtsanwälte in [X.] einen Ausgleich der aufgrund der Altersgrenze entgehenden Einnahmen als Notar durch die anwaltliche Tätigkeit nicht zulasse. Maßgebend für die Altersgrenze des § 48a [X.] ist die Sicherung einer geordneten Altersstruktur des aktiven Notariats und die Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive jüngerer Anwärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen, weil im Interesse einer geordneten Rechtspflege die Limitierung der Stellenanzahl nach § 4 [X.] gilt (vgl. zur Vereinbarkeit der Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare mit Art. 43 [X.] und Art. 49 AEUV [X.], Urteil vom 24. Mai 2011 - [X.]/08, NJW 2011, 2941 Rn. 98). Diesen für die Altersgrenze maßgeblichen Gründen fehlt ein inhaltlicher Bezug zur Art und Weise, wie die Versorgung der Notare, deren Amt nach § 47 Nr. 1, § 48a [X.] erloschen ist, ausgestaltet ist.

5. Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des [X.]s an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 AEUV sind nicht erfüllt. Der [X.] nimmt insoweit auf die Ausführungen in seinen Beschlüssen vom 22. März 2010 ([X.] 16/09, aaO Rn. 32 ff.; siehe hierzu auch [X.] NJW 2011, 1131 Rn. 14) und vom 25. November 2013 ([X.]([X.]) 11/12 aaO Rn. 14 und - [X.]([X.]) 12/13 aaO Rn. 14) Bezug. Eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV scheidet nach den Maßstäben der so genannten acte-clair-Doktrin (siehe hierzu z.[X.] [X.]sbeschlüsse vom 22. März 2010 aaO Rn. 33 f. und vom 26. November 2007 - [X.] 23/07, [X.], 273 Rn. 34) aus. Dass die notarielle Tätigkeit gemäß § 1 [X.] ein öffentliches Amt ist, wird auch durch das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 24. Mai 2011 ([X.]/08, NJW 2011, 2941 Rn. 98) nicht in Frage gestellt (vgl. hierzu auch [X.]E 131, 130 Rn. 131 ff.). Nach der Auffassung des Gerichtshofs ist zwar die Beurkundungstätigkeit der Notare als solche nicht im Sinne von Art. 45 Abs. 1 [X.] mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Doch werden mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dies stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der etwaige Beschränkungen im Sinne von Art. 43 [X.] rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit ergeben, wie etwa den für die Notare aufgrund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorgaben, der Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Ämtern und ihrer Unabsetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind (vgl. aaO Rn. 93 ff.). Die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare gehört zu den Beschränkungen im Sinne von Art. 43 [X.] (= Art. 49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des allgemeinen Interesses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dementsprechend hat der Gerichtshof der [X.] im Urteil vom 6. November 2012 ([X.]/12, juris) zur Herabsetzung der Altersgrenze für [X.], Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt (aaO Rn. 60, 62 f. mwN). Der Gerichtshof hat einen Verstoß der betreffenden [X.]n Regelung gegen die Richtlinie nur deshalb beanstandet, weil die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaßnahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30 % ihres Gehalts hätten hinnehmen müssen (aaO Rn. 68, 70).

Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Kläger aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem 3. Februar 1991 (Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991, [X.]) in [X.] befindlichen Regelungen nicht betroffen.

6. [X.] folgt aus § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO. Die [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 111g Abs. 2 Satz 1 [X.].

Galke                      Diederichsen                       [X.]

             Strzyz                                 [X.]

Meta

NotZ (Brfg) 5/14

24.11.2014

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 7. März 2014, Az: 2 Not 1/13

§ 47 Nr 1 BNotO, § 48a BNotO, Art 1 EGRL 78/2000

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2014, Az. NotZ (Brfg) 5/14 (REWIS RS 2014, 1096)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1096

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1 BvR 2870/10

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