Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.08.2018, Az. VII R 20/17

7. Senat | REWIS RS 2018, 5069

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Gegenstand

Zur Einreihung von Rundstäben aus Cermets


Leitsatz

NV: Die Formulierung "Stäbchen ... für Werkzeuge" umfasst sowohl die Herstellung eines Werkzeugs mit dem Stäbchen, die Herstellung eines Werkzeugs hieraus als auch die Verwendung des noch weiter verarbeiteten Stäbchens als Werkzeug .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 19. April 2017  4 K 1821/15 Z aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte in den Jahren 2008 bis 2010 Rundstäbe aus [X.] in das Zollgebiet der [X.] ein. Sie meldete die in den [X.] als "cemented [X.]" bezeichneten Waren mit der [X.]. 8209 00 80 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) an; die Zollstellen fertigten die Waren antragsgemäß zum freien Verkehr ab.

2

Die Rundstäbe bestanden aus einer Mischung von Wolframcarbid mit einem Anteil von Kobalt als Bindemittel. Sie wurden gesintert und anschließend feingeschliffen. Die Stäbe hatten unterschiedliche Längen, meist zwischen 100 und 300 mm, und unterschiedliche Durchmesser zwischen 2 und 40 mm. Sie verfügten über einen gleich bleibenden runden Querschnitt mit flachen Stabenden und besaßen in einigen Fällen einen bis drei Kühlkanäle. Die Klägerin verkaufte die Rundstäbe verschiedenen Werkzeugherstellern, die die Stäbe in weiteren Bearbeitungsprozessen zu Werkzeugen für die spanabhebende Bearbeitung von Metallen weiterverarbeiteten.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) zu dem Ergebnis, die Rundstäbe seien in die [X.]. 8113 00 90 [X.] einzureihen. In die [X.]. 8209 [X.] gehörten ausschließlich Waren, die als Formstücke für Werkzeuge einsetzbar seien.

4

Das [X.] erhob Zoll mit Bescheiden vom 17. Januar 2011 und vom 26. Mai 2011 nach. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

5

Das Finanzgericht (FG) urteilte, das [X.] habe die Klägerin zu Recht in Anspruch genommen. Der [X.]. 8113 [X.] seien [X.] und Waren daraus zuzuweisen. Eine Einreihung der streitgegenständlichen [X.]stäbe in die [X.]. 8209 [X.] sei nicht möglich, weil die in der [X.]. 8209 [X.] genannten Waren aus [X.] für Werkzeuge bestimmt sein müssten, d.h. sie müssten bei der Herstellung von Werkzeugen verwendet werden, auf die sie aufgeschweißt, aufgelötet oder in die sie eingespannt würden. Eine Verwendung zur Herstellung als Werkzeug sei jedoch nicht gegeben, wenn dazu aus den [X.]stäben aus [X.] selbst Werkzeuge hergestellt würden.

6

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, die [X.]stäbe entsprächen dem Wortlaut der [X.]. 8209 [X.], weil es sich um ungefasste [X.]-Rundstäbe handele, die für Werkzeuge bestimmt seien. Weder dem Wortlaut der [X.]. 8209 [X.] noch den Erläuterungen zum Harmonisierten System ([X.]) zu [X.]. 8209 sei zu entnehmen, die in [X.]. 8209 [X.] einzureihenden Waren würden ausschließlich bei der Herstellung von Werkzeugen verwendet und dürften nicht selbst Werkzeug sein.

7

Aufgrund der Beschaffenheitsmerkmale sei alleiniger Verwendungszweck der Waren die Bestimmung als Werkzeug.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Die Einreihung der eingeführten Waren in die [X.]. 8113 [X.] unter Ausschluss der [X.]. 8209 [X.] hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar weisen die [X.] die Merkmale der als Auffangposition ausgestalteten [X.]. 8113 [X.] auf, weil es sich nach den Feststellungen des [X.] um Waren aus [X.] handelt. Doch hat das [X.] im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats auch die Merkmale der spezielleren [X.]. 8209 [X.] vorliegen.

9

1. Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der [X.]itionen und Unterpositionen der [X.] und den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind, und nach den [X.] (AV) für die Auslegung der [X.]. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur [X.] ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2017 VII R 2/15, [X.], 1066, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2017, 275; vom 26. September 2017 VII R 17/16, [X.], 249, [X.] 2018, 139; Urteile des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- [X.] vom 22. März 2017 [X.]/15 und [X.]/15, [X.]:C:2017:232, [X.] 2017, 163; [X.] vom 5. März 2015 [X.], [X.]:C:2015:152; [X.] vom 27. November 2008 [X.]/07, [X.]:[X.], [X.] 2009, 15). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (Senatsurteile in [X.], 249, [X.] 2018, 139; vom 8. November 2016 VII R 9/15, [X.], 286, [X.] 2017, 103). Entscheidend ist dabei, ob sich der Verwendungszweck in den objektiven Eigenschaften und Merkmalen der Ware niedergeschlagen hat und er der Ware innewohnt (Senatsurteile in [X.], 249, [X.] 2018, 139, und in [X.], 286, [X.] 2017, 103; [X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2017:232, [X.] 2017, 163).

2. Die [X.]. 8209 [X.] erfasst u.a. "Stäbchen (...) und ähnliche Formstücke (...), nicht gefasst, aus [X.]".

a) Bei den streitgegenständlichen [X.]n handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] um ungefasste Waren aus [X.].

b) Die eingeführten Waren sind auch [X.]. Stäbe sind nach der [X.] 1 des Kapitels 81 i.V.m. Anmerkung 1 Buchst. d zu Kapitel 74 (...) massive Erzeugnisse, nicht in Rollen, mit über die gesamte Länge gleich bleibendem Querschnitt. Als Stangen (Stäbe) gelten auch gegossene oder gesinterte Erzeugnisse (...). Diese Voraussetzungen erfüllen die eingeführten Waren nach den Feststellungen des [X.].

c) Nach dem Wortlaut der [X.]. 8209 [X.] muss es sich um "Stäbchen (...) für Werkzeuge" handeln.

aa) Diese Formulierung in [X.]. 8209 [X.] umfasst sowohl die Herstellung eines Werkzeugs mit dem Stäbchen, die Herstellung eines Werkzeugs aus dem Stäbchen und auch die Verwendung des noch weiter verarbeiteten [X.] als Werkzeug. Aus dem Wortlaut folgt nicht, die Stäbchen müssten zur Herstellung von Werkzeugen dienen. Die Formulierung "für" ein Werkzeug im [X.]itionswortlaut schränkt den Verwendungszweck in keine Richtung ein.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den [X.] zu [X.]. 8209 [X.]. Die Erläuterungen sind nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des Senats lediglich ein nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel (Senatsurteil in [X.], 249, [X.] 2018, 139; [X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2017:232, [X.] 2017, 163).

Zudem folgt aus den Erläuterungen nicht die vom [X.] angenommene Beschränkung des Verwendungszwecks. Zwar werden nach den [X.] zu [X.]. 8209 [X.] die Formstücke "in sehr großem Maße bei der Herstellung von Werkzeugen verwendet, auf die sie aufgeschweißt, aufgelötet oder in die sie eingespannt werden" und können auch "auf andere Weise für ihre Verwendung als Werkzeugbelag zugerichtet sein" ([X.] zu [X.]. 8209 [X.], Rz 02.0). Allerdings ist dies nach dem Wortlaut nicht die einzige in Betracht kommende Verwendungsmöglichkeit, sondern auch eine andere Verwendung denkbar und möglich.

d) Im zweiten Rechtsgang hat das [X.] zu prüfen, ob aus den objektiven Eigenschaften und Merkmalen der eingeführten Ware ihr Verwendungszweck als Werkzeug im oben dargestellten weiten Sinn folgt und ihr i.S. der [X.]-Rechtsprechung innewohnt. Dabei hat das [X.] sowohl das Material, die Form, die erfolgte Bearbeitung durch Sintern und Schleifen, die Härte und die Biegefestigkeit der eingeführten Waren zu berücksichtigen, also u.a. die in den [X.] zu [X.]. 8209 [X.], Rz 01.0 und 02.0 aufgeführten maßgeblichen Kriterien. Unklar ist geblieben, ob das [X.] festgestellt hat, die eingeführten Waren könnten auf Grund ihrer Materialbeschaffenheit nur für die spätere Herstellung von Werkzeugen verwendet werden, oder ob dies lediglich die Wiedergabe des klägerischen Vortrags ist.

Auch hat das [X.] ausgehend von seinem Verständnis des [X.]itionswortlauts der [X.]. 8209 [X.] keine Feststellungen getroffen, ob sich aus dem teilweisen Vorhandensein von Kühlkanälen der Verwendungszweck der Rundstäbe als Werkzeug ergibt. Das [X.] hat die Kühlkanäle nur hinsichtlich der Rechtsfrage geprüft, ob insoweit die Beschaffenheitsmerkmale einer fertigen Ware der [X.]. 8209 [X.] erkennbar sind. Die Anwendung der [X.]. a ist nicht erforderlich, wenn nach der im zweiten Rechtsgang durchzuführenden Prüfung aus den Kühlkanälen unmittelbar auf den Verwendungszweck der [X.] "für Werkzeug" geschlossen werden kann.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 20/17

07.08.2018

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 19. April 2017, Az: 4 K 1821/15 Z, Urteil

Pos 8113 KN, Pos 8209 KN

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.08.2018, Az. VII R 20/17 (REWIS RS 2018, 5069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5069

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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