Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.06.2021, Az. 2 A 1/20

2. Senat | REWIS RS 2021, 4995

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Gegenstand

Urlaubsabgeltungsanspruch bei in Anspruch genommenem Urlaub aus dem Vorjahr


Leitsatz

Ein Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 10 EUrlV, Art. 7 RL 2003/88/EG) besteht nicht, soweit im betreffenden Jahr der unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaub in Anspruch genommen wurde; dies gilt unabhängig davon, ob es sich um neuen oder um aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (wie BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 23).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Kläger beansprucht die Zahlung von Urlaubsabgeltung für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage.

2

Der Kläger ist Ruhestandsbeamter. Bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit zum 1. September 2019 war er [X.] (Besoldungsgruppe [X.]) im [X.] und wurde beim [X.] ([X.]) verwendet.

3

Im [X.] nahm der Kläger 29 Tage und im [X.] 24 Tage Erholungsurlaub in Anspruch. Hierbei handelte es sich jeweils um übertragenen Urlaub aus dem vorherigen Urlaubsjahr.

4

Mit Schreiben vom 2. April 2019 beantragte der Kläger die finanzielle Abgeltung seines nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs aus dem [X.]. Dabei berief er sich auf das Senatsurteil vom 31. Januar 2013 im Verfahren 2 C 10.12 ([X.] 232.3 § 1 [X.] Nr. 1). Er verwies darauf, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach dem Ende des [X.]s - hier zum 30. Juni 2019 - verfalle. Für den Fall, dass seinem Antrag nicht entsprochen werde, bat er um einen "klagefähigen Bescheid", es sei denn der [X.] erkläre, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Nach seiner Berechnung stand ihm für das [X.] ein [X.] für 15 Urlaubstage (sowie für 2018 für 20 Tage und für 2019 für 15 Tage) zu.

5

Mit Schreiben vom 26. August 2019 beantragte der Kläger Urlaubsabgeltung für die [X.], 2018 und 2019 und wiederholte sein Vorbringen aus seinem Schreiben vom 2. April 2019.

6

Mit Bescheid vom 27. September 2019 gab der [X.] dem Kläger bekannt, dass ihm für die [X.] 2018 und 2019 ein [X.] für 33,33 nicht in Anspruch genommene Urlaubstage (20 Tage für 2018, 13,33 Tage für 2019) zustehe; die Höhe des [X.] werde durch die [X.] ermittelt und ihm ausgezahlt. Für das Urlaubsjahr 2017 werde ein gesonderter Bescheid ergehen.

7

In einem weiteren Schreiben vom 27. September 2019 wies der [X.] den Kläger u.a. darauf hin, dass sein Antrag auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs aus dem [X.] "noch in Bearbeitung sei". Es müsse noch geprüft werden, ob der Anspruch ggf. gemäß § 7 Abs. 3 [X.] verfallen sei. Er erhalte zeitnah einen Bescheid.

8

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 erinnerte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger unter Fristsetzung zum 31. Januar 2020 an die Bescheidung seines Begehrens für das [X.]; bei einer dreijährigen Verjährungsfrist müsse der Anspruch aus dem [X.] spätestens bis zum Jahresende 2021 geltend gemacht werden.

9

Im März 2020 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben und zur Begründung auf die Ausführungen in seinen vorgerichtlichen Schreiben Bezug genommen.

Er hat zunächst sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm für insgesamt 15 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage des Jahres 2017 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

Später hat er einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 20 Urlaubstage als in den Jahren 2017 oder 2016 entstanden angesehen. Letztlich habe er jeweils aus dem Vorjahr übertragenen Urlaub genommen und es seien vor seinem Eintritt in den Ruhestand krankheitsbedingt Urlaubstage verfallen.

Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,

die Beklagte zu verpflichten, ihm eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand für insgesamt 20 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage aus den Jahren 2017 und 2016 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den zuletzt gestellten Klageantrag für nicht hinreichend bestimmt; es sei unklar, für welchen Zeitraum ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werde. Dem Kläger stehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch weder für das [X.] noch für das [X.] zu. Insbesondere habe er in beiden Jahren mehr als den Mindesturlaub in Anspruch genommen. Es sei unerheblich, ob es sich jeweils um neuen Urlaub oder um übertragenen Urlaub aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr handele.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die zu entscheiden das [X.] erst- und letztinstanzlich zuständig ist (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klageänderung ist wegen als Einwilligung zu wertender rügeloser Sacheinlassung der [X.]eklagten zulässig (§ 91 Abs. 2 VwGO). Die geänderte Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) ebenfalls zulässig; die [X.]edenken der [X.]eklagten hinsichtlich der [X.]estimmtheit des nunmehr gestellten Klageantrags greifen nicht durch, weil sich dem Klagevorbringen entnehmen lässt, dass für die beiden Jahre 2016 und 2017 zusammen ein Urlaubsabgeltungsanspruch für insgesamt 20 Tage geltend gemacht wird.

2. Die Klage ist unbegründet, der Kläger hat keinen Urlaubsabgeltungsanspruch.

Nach § 10 Abs. 1 Erholungsurlaubsverordnung i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 11. November 2004 ([X.] I S. 2831 - EUrlV) wird Erholungsurlaub abgegolten, soweit er in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten [X.] (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/[X.]) vor [X.]eendigung des [X.]eamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist. § 10 Abs. 2 EUrlV bestimmt, dass im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/[X.]) unabhängig davon anzurechnen ist, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist.

Ein Urlaubsabgeltungsanspruch steht dem Kläger hiernach nicht zu. Er hat im Jahr 2016 29 Urlaubstage und im Jahr 2017 24 Urlaubstage und damit jeweils mehr als den unionsrechtlich (Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.]) gewährleisteten Mindesturlaub von 20 Urlaubstagen in Anspruch genommen. [X.]ei der [X.]erechnung der dem [X.]eschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 [X.] 2003/88/[X.] kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wieviel Urlaub der [X.]etreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (stRspr, [X.]VerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - [X.] 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 23; [X.]eschlüsse vom 25. Juli 2014 - 2 [X.] 57.13 - juris Rn. 8 und vom 16. Juni 2016 - 2 [X.] 72.15 - [X.] 232.3 § 10 EUrlV Nr. 1 Rn. 10; gebilligt von [X.]VerfG, [X.] vom 15. Mai 2014 - 2 [X.]vR 324/14 - NVwZ 2014, 1160 Rn. 13 ff.).

Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abgeltung solchen nicht genommenen Urlaubs, der über den Mindesturlaub hinausgeht, besteht nicht.

3. [X.] ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

2 A 1/20

15.06.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

Art 7 EGRL 88/2003, § 10 BUrlV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.06.2021, Az. 2 A 1/20 (REWIS RS 2021, 4995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4995

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1 WRB 2/11 (Bundesverwaltungsgericht)

Urlaubsanspruch; Mindesturlaub; finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub


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2 BvR 324/14

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