Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.03.2018, Az. 1 ABR 11/17

1. Senat | REWIS RS 2018, 12087

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Gegenstand

Vorlageanspruch des Betriebsrats - funktionelle Zuständigkeit


Leitsatz

1. Bei der Übermittlung einer Kopie der Anzeige zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen durch den Arbeitgeber einschließlich der Überwachung der Beschäftigungspflicht und der Ausgleichsabgabe (§ 163 Abs. 2 SGB IX) (juris: SGB 9 2018) sowie der Verzeichnisse über die in den einzelnen Betrieben beschäftigten schwerbehinderten Menschen (§ 163 Abs. 1 SGB IX) (juris: SGB 9 2018) handelt es sich um eine spezialgesetzlich geregelte Vorlagepflicht des Arbeitgebers gegenüber den jeweiligen Interessenvertretungen. Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebe, ist nicht der einzelne Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat anspruchsberechtigt.

2. Bei einer für den Arbeitgeber bestehenden Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 154 Abs. 1 SGB IX (juris: SGB 9 2018) handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, nicht aber um eine zugunsten der Arbeitnehmer geltende gesetzliche Regelung iSd. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Betriebsrat kann ein Auskunftsbegehren nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht darauf stützen, er wolle die Durchführung der gesetzlichen Bestimmung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG überwachen.

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 18. August 2016 - 1 [X.] - aufgehoben.

II. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 22. Juli 2015 - 7 [X.] - teilweise abgeändert:

Die Anträge zu 2. und zu 3. werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen [X.]s- und einen Vorlageanspruch.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit mehreren Betrieben. Sie beschäftigt ua. schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen. In ihrem Betrieb in [X.] besteht der antragstellende Betriebsrat. Es ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

3

Der Betriebsrat erhielt von der Arbeitgeberin eine Übersicht über diejenigen schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen im Betrieb [X.], die dort mit mehr als 18 Wochenstunden beschäftigt sind. Die Kopien der an die [X.] übermittelten Anzeige nach § 163 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht und der Ausgleichsabgabe sowie die Verzeichnisse der schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten Menschen sowie der sonstigen anrechnungsfähigen Personen iSd. § 163 Abs. 1 [X.] (idF ab dem 1. Januar 2018 durch das Gesetz zur Stärkung der [X.]eilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [[X.] - B[X.]HG] vom 23. Dezember 2016 [BGBl. I 3234]) wurden ihm nicht zur Verfügung gestellt.

4

Daraufhin begehrte der Betriebsrat [X.] über alle im Betrieb und im Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen iSd. § 2 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] sowie die Überlassung einer Kopie der für die [X.] bestimmten Anzeige nebst Verzeichnissen nach § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.]. Währenddessen hatte das [X.] mit Beschluss vom 17. Juni 2015 (- 8 [X.]aBV 8/15 -) einen Feststellungsantrag des bei der Arbeitgeberin gebildeten Gesamtbetriebsrats rechtskräftig abgewiesen, ihm eine Kopie der an die [X.] gerichteten Kopie sowie der Verzeichnisse nach § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu übermitteln. Hingegen hatte es dem weiteren Begehren des Gesamtbetriebsrats, ihm „[X.] über Namen und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten Menschen und der ihnen Gleichgestellten im Sinne des § 2 [X.] zu erteilen“ rechtskräftig stattgegeben. In diesem Verfahren sind der antragstellende wie die übrigen Betriebsräte nicht nach § 83 Abs. 3 [X.] angehört worden.

5

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch auf [X.] zu sämtlichen im Betrieb und im Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Menschen folge aus § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und aus § 154 [X.]. Er habe darüber zu wachen, ob die Arbeitgeberin ihrer Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nachkomme. Zudem sei er nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 [X.] verpflichtet, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen sowie den Abschluss von Inklusionsvereinbarungen zu fördern. Zur Erfüllung dieser Aufgaben müsse er die Namen sowie die Betriebsstätte aller betroffenen Arbeitnehmer im gesamten Unternehmen kennen. Darüber hinaus benötige er die für die [X.] bestimmte Anzeige sowie die nach § 163 Abs. 1 [X.] für sämtliche Betriebe zu erstellenden Verzeichnisse der schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten und der sonstigen anrechnungsfähigen Personen jeweils in Kopie. Ohnehin habe die Arbeitgeberin ihm diese Unterlagen nach der spezialgesetzlichen Regelung des § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] zur Verfügung zu stellen.

6

Der Betriebsrat hat beantragt,

        

1.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm [X.] über Anzahl und Namen der in der Betriebsstätte E-Center [X.] beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen iSd. § 2 SGB IX zu erteilen,

        

2.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm [X.] über Namen und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen iSd. § 2 SGB IX zu erteilen,

        

3.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfüllung und der Ausgleichsabgabe iSd. § 163 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Arbeitgeberin zuständigen Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln,

                 

hilfsweise,

                 

festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfüllung und der Ausgleichsabgabe iSd. § 163 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Arbeitgeberin zuständigen Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln.

7

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Der [X.]sanspruch stehe allenfalls dem Gesamtbetriebsrat zu.

8

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Die gegen die Stattgabe der Anträge zu 2. und zu 3. gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Begehren weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Das [X.] hat den in der [X.] angefallenen zulässigen Anträgen zu 2. und zu 3. rechtsfehlerhaft stattgegeben. Der Hilfsantrag, der ersichtlich nur für den Fall der Unzulässigkeit des [X.] zu 3. gestellt ist, fällt dem [X.] nicht zur Entscheidung an.

I. Der Gesamtbetriebsrat und die anderen Betriebsräte sind nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG anzuhören.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind diejenigen Stellen zu beteiligen, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sind. Voraussetzung für ein Betroffensein iSv. § 83 Abs. 3 ArbGG ist, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition des jeweils anderen Gremiums als Inhaber des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs oder Rechts materiell-rechtlich ernsthaft in Frage kommt ([X.] 28. März 2006 - 1 [X.] - Rn. 10 ff., [X.]E 117, 337).

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Der Gesamtbetriebsrat ist nicht mehr nach § 83 Abs. 3 ArbGG anzuhören. Aufgrund der Entscheidung des [X.]s München vom 17. Juni 2015 (8 [X.]aBV 8/15 -) steht ihm gegenüber bindend fest, dass ihm der hier begehrte [X.]sanspruch - vorliegend der Antrag zu 2. - zusteht und ein Vorlageanspruch - hier Antrag zu 3. - nicht besteht. Durch eine Entscheidung des [X.]s kann in betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen des Gesamtbetriebsrats nicht eingegriffen werden.

b) Zu Recht hat die Vorinstanz auch von einer Beteiligung der anderen Betriebsräte abgesehen. Dem antragstellenden Betriebsrat geht es ausschließlich um die Geltendmachung eigener [X.]s- und Vorlageansprüche.

II. Die Anträge sind ohne Erfolg.

1. Der iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmte Leistungsantrag zu 2. ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist er unbegründet.

a) Der auf eine einmalige [X.] gerichtete Leistungsantrag ist nur teilweise zulässig. Soweit er sich auf die Namen der beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen iSd. § 2 [X.] im Betrieb des antragstellenden Betriebsrats bezieht, fehlt bereits das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

aa) Das Rechtsschutzbedürfnis verlangt als Sachentscheidungsvoraussetzung das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Inanspruchnahme der Gerichte. Fehlt es daran, ist ein Antrag als unzulässig abzuweisen. Zwar ist das Rechtsschutzinteresse bei [X.] regelmäßig gegeben. Es folgt aus der Nichterfüllung des behaupteten Anspruchs. Ob dieser besteht, ist grundsätzlich eine Frage der Begründetheit. Besondere Umstände können aber bereits das Verlangen, in die materiell-rechtliche Sachprüfung einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ua. der Antragsteller offensichtlich gerichtlicher Hilfe zur Erreichung seines Ziels nicht (mehr) bedarf (vgl. [X.] 19. Februar 2008 - 1 [X.] - Rn. 12).

[X.]) Danach ist der Antrag insoweit unzulässig, als der Betriebsrat eine [X.] auch für den eigenen Betrieb begehrt. Aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung steht bereits rechtskräftig fest, dass die Arbeitgeberin zur Erteilung dieser [X.] verpflichtet ist.

b) Der darüber hinausgehende [X.]sanspruch ist unbegründet.

aa) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Ein solcher Informationsanspruch setzt daher voraus, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat darzulegen. Anhand seiner Angaben kann der Arbeitgeber und im Streitfall das Gericht prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht vorliegen (vgl. [X.] 7. Februar 2012 - 1 [X.] - Rn. 7, [X.]E 140, 350).

[X.]) Für sein [X.]sbegehren kann sich der Betriebsrat nicht auf eine [X.] iSd. § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 4 [X.] stützen. Die von ihm begehrte [X.] lässt keinen entsprechenden Aufgabenbezug erkennen.

Der Betriebsrat hat nicht dargelegt, für welche konkrete Aufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 [X.] - die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern - er die Namen der in anderen Betrieben der Arbeitgeberin Beschäftigten bedarf. Sein allgemeiner Hinweis auf eine enge Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Gesamtbetriebsrat nach § 182 Abs. 1 [X.] ist ersichtlich untauglich (vgl. [X.] 17. September 2013 - 1 ABR 26/12 - Rn. 16). Gleiches gilt für das nicht näher ausgeführte Vorbringen, er könne ggf. darauf hinwirken, dass die Beschäftigungsquote nach § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] in dem Betrieb, für den er gewählt wurde, erfüllt oder, wenn sie in anderen Betrieben nicht erreicht werde, sogar übererfüllt werde. Unabhängig davon, ob und inwieweit dieses Anliegen [X.]eil der [X.] des § 80 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist, bedarf es dazu keiner [X.] über die einzelnen schwerbehinderten und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen in allen anderen Betrieben. Es genügt, wenn die Arbeitgeberin über den Umfang der Beschäftigung [X.] erteilt.

cc) Entgegen der Auffassung des [X.]s folgt ein Anspruch des Betriebsrats auf die geforderte [X.] nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Der Betriebsrat hat keine Schutzvorschrift zugunsten von Arbeitnehmern benannt, deren Einhaltung er zu überwachen hat.

Die betriebsverfassungsrechtliche Überwachungsaufgabe iSd. § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die „Durchführung“ ua. von Gesetzen gerichtet. „Durchzuführen“ sind Verbote und Gebote ([X.] 27. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 32, [X.]E 136, 123). Die Pflicht des Arbeitgebers zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 154 [X.] ist aber keine „zugunsten der Arbeitnehmer“ geltende Bestimmung iSd. § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Sie begründet für den Arbeitgeber eine öffentlich-rechtliche Pflicht und führt nicht zu einer rechtlichen Verpflichtung zugunsten einzelner schwerbehinderter Arbeitnehmer oder Stellenbewerber. Die Vorschrift vermittelt diesem Personenkreis keine unmittelbaren subjektiven Rechte (sh. [X.] in [X.]/[X.]/Majerski-[X.] [X.] 12. Aufl. § 71 Rn. 3 mwN; zu § 5 [X.] aF [X.] 1. August 1985 - 2 [X.] - zu II 3 c der Gründe, [X.]E 49, 214). Darauf hat auch die Erörterungspflicht nach § 164 Abs. 1 Satz 7 bis Satz 9 [X.] keinen Einfluss. Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat ein Arbeitgeber zunächst zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit einem bei ihm beschäftigten oder einem arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Erfüllt er seine Beschäftigungspflicht gemäß § 154 [X.] nicht, hat er seine Entscheidung zur Nichtberücksichtigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers oder Stellenbewerbers mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat zu erörtern (§ 164 Abs. 1 Satz 7 [X.]). Eine Verletzung des Prüf- und Konsultationsverfahrens nach § 164 Abs. 1 [X.] kann zwar einen Betriebsrat zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bei einer beabsichtigten Einstellung berechtigen (vgl. [X.] 23. Juni 2010 - 7 [X.] - Rn. 29, [X.]E 135, 57). Das begründet aber keinen subjektiven Anspruch zugunsten betroffener schwerbehinderter Menschen.

2. Auch der Antrag zu 3. ist ohne Erfolg.

a) Der Antrag erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 259 ZPO. Ein solcher, auf eine zukünftige Leistung gerichteter Antrag ist zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen ([X.] 6. Mai 2003 - 1 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 106, 111). Das ist hier der Fall. Die Arbeitgeberin hat die begehrte Vorlage in der Vergangenheit verweigert. Daher ist zu besorgen, dass sie dem Betriebsrat ohne gerichtliche Entscheidung auch in Zukunft eine Kopie der geforderten Unterlagen nicht übermittelt.

b) Der Antrag ist unbegründet.

aa) Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht nach der spezialgesetzlich geregelten Vorlagepflicht des § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] die jährliche Übermittlung einer Kopie der aktuellen unternehmensbezogenen Anzeige nebst den Verzeichnissen für mehrere Betriebe verlangen. Entgegen der Auffassung des [X.]s steht ein solcher Anspruch nicht dem einzelnen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu, sofern im Unternehmen eines Arbeitgebers mehrere Betriebe bestehen.

(1) Der Betriebsrat ist nicht schon aufgrund des Wortlauts von § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] anspruchsberechtigt. Mit der Formulierung „Betriebsrat“ bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Übermittlungspflicht gegenüber dem nach den einschlägigen Gesetzen gebildeten Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwaltschafts- und Präsidialrat besteht. Damit wird nicht zugleich die funktionelle Zuständigkeit innerhalb der nach den betreffenden gesetzlichen Regelungen möglichen Beteiligungsebenen bestimmt.

(2) Abweichend von der nach dem [X.] geregelten Abgrenzung einer Zuständigkeit zwischen der Betriebs- und der Unternehmensebene für die Wahrnehmung eines Überwachungsrechts (dazu [X.] 16. August 2011 - 1 [X.] - Rn. 29 ff., [X.]E 139, 25) obliegt die spezialgesetzlich geregelte Vorlagepflicht des Arbeitgebers nach § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, wenn im Unternehmen mehrere Betriebe bestehen.

(a) Bereits der Inhalt der Anzeigepflicht nach § 163 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist unternehmensbezogen ausgestaltet. Er dient vor allem der Veranlagung zur Ausgleichsabgabe nach § 160 [X.]. Deren Inhalt wird durch die Vordrucke der [X.] (§ 163 Abs. 6 Satz 1 [X.]) näher festgelegt. Dementsprechend sind in der Anzeige nach Abs. 2 der Vorschrift die Zahl der Arbeitsplätze nach § 156 Abs. 1 [X.], die Stellen, die gemäß § 156 Abs. 2 [X.] nicht als Arbeitsplätze gelten, die Ausbildungsplätze entsprechend § 157 [X.] und die Zahl der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen (§ 158 Abs. 2 [X.]) sowie etwaige Mehrfachanrechnungen iSd. § 159 [X.] bezogen auf das gesamte Unternehmen aufzuführen. Beizufügen sind die - für jeden Betrieb iSd. [X.]es (§ 170 Abs. 1 Satz 2 [X.]) getrennt zu führenden - Verzeichnisse nach § 163 Abs. 1 [X.], die alle schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen nach § 2 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] sowie die sonstigen anrechenbaren Personen (§ 158 [X.]) nebst den in den Vordrucken geforderten Angaben zu den einzelnen Personen erfassen. Auf dieser Datengrundlage hat der Arbeitgeber im Wege der Selbstveranlagung zu ermitteln, ob und in welcher Höhe eine Ausgleichsabgabe für das gesamte Unternehmen zu entrichten ist.

(b) Die für das betreffende Unternehmen in § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] geregelte und im Übrigen voraussetzungslose [X.] an die jeweilige Interessenvertretung richtet sich an den Gesamtbetriebsrat, wenn in diesem mehrere Betriebe bestehen. Der Gesamtbetriebsrat ist - nicht zuletzt aufgrund seiner Zusammensetzung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 [X.] - in der Lage, die vorstehend dargestellten Angaben zur unternehmensbezogen ausgestalteten Beschäftigungspflicht auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und ggf. beim Arbeitgeber auf eine Berichtigung hinzuwirken. Über seine Mitglieder kann er sich erforderliche Kenntnisse über den jeweiligen Betrieb verschaffen. Aufgrund der seit dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Juli 2001 nicht mehr wie in der Vorgängerregelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] (in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung) „gesondert für jeden Betrieb“ zu erstellenden Anzeige ist dem jeweiligen Betriebsrat eine Aufschlüsselung der in der Anzeige unternehmensweit aufgeführten Daten mangels notwendiger Kenntnisse über die Beschäftigten und die Arbeitsplätze in den anderen Betrieben zumindest erschwert, wenn nicht unmöglich ([X.] in LPK-[X.] 4. Aufl. § 80 Rn. 10). Im anderen Fall käme es auch zu einer der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung entgegenstehenden Information der örtlichen Betriebsräte, wenn ihnen die jeweiligen Verzeichnisse iSd. § 163 Abs. 1 [X.] über alle anderen Betriebe übermittelt würden.

(c) Diese Auslegung führt auch nicht zu einer [X.] bei der Unterrichtung des Betriebsrats. Soweit im jeweiligen Betrieb eines Unternehmens mit mehreren Betrieben ein Betriebsrat besteht, kann er vom Arbeitgeber die notwendigen Auskünfte nach § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] verlangen, um die Durchführung der die Arbeitnehmer schützenden Vorschriften iSd. § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] überwachen zu können. Zur Wahrnehmung seiner weiteren Aufgaben nach § 80 Abs. 1 [X.], namentlich derer nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 [X.], ist der Betriebsrat gleichfalls im erforderlichen Umfang durch den Arbeitgeber zu unterrichten. Der Betriebsrat kann dann seiner Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern (§ 176 Satz 1 [X.]), auf Grundlage der für ihn erforderlichen Unterrichtung nachkommen.

[X.]) Ein weiterer spezialgesetzlich geregelter Vorlageanspruch des Betriebsrats folgt auch nicht aus § 176 Satz 2 [X.]. Dabei muss der [X.] nicht abschließend darüber befinden, ob aus den Überwachungspflichten ein eigenständiger [X.]s- oder Unterrichtungsanspruch über die Erfüllung der Beschäftigungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber folgt. Ein solcher wäre jedenfalls nicht auf diejenigen Daten gerichtet, die Inhalt der Anzeige nach § 163 Abs. 2 Satz 1 [X.] und der Verzeichnisse iSd. § 163 Abs. 1 [X.] sind.

cc) Ein betriebsverfassungsrechtlicher Vorlageanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] besteht nicht. Eine Überwachungsaufgabe iSd. Vorschrift hat der Betriebsrat nicht dargetan.

(1) Bei der Pflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Selbstveranlagung zur Ausgleichsabgabe und der hierbei zu fertigenden Anzeige nach § 163 Abs. 2 Satz 1 [X.] sowie den nach § 163 Abs. 1 [X.] beizufügenden Verzeichnissen handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht aber um ein zugunsten einzelner Arbeitnehmer geltendes Gesetz. Diese Beurteilung wird durch § 176 Satz 2 Halbs. 1 [X.] bestätigt. § 163 [X.] wird von denjenigen Bestimmungen ausgenommen, auf deren Erfüllung der Betriebsrat durch den Arbeitgeber zu achten hat. Eine etwaige Kontrolle wird über die spezialgesetzlich geregelte Übermittlungspflicht des § 163 Abs. 2 Satz 3 [X.] ermöglicht (oben II 2 b aa [2]).

(2) Gleiches gilt - wie bereits ausgeführt (oben II 1 b cc) - für die Erfüllung der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers nach § 154 Abs. 1 [X.].

dd) Schließlich kann sich der Betriebsrat nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 4 [X.] stützen. Es bleibt nach dem Vorbringen des Betriebsrats völlig offen, aus welchen Gründen er die in der Anzeige und den Verzeichnissen enthaltenen Daten (oben II 1 b [X.]) benötigt.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    [X.]reber    

        

        

        

    Berg    

        

    Rose    

                 

Meta

1 ABR 11/17

20.03.2018

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Nürnberg, 22. Juli 2015, Az: 7 BV 44/15, Beschluss

§ 163 Abs 2 SGB 9 2018, § 163 Abs 1 SGB 9 2018, § 154 Abs 1 SGB 9 2018, § 80 Abs 1 Nr 1 BetrVG, § 80 Abs 2 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.03.2018, Az. 1 ABR 11/17 (REWIS RS 2018, 12087)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12087

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