Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2005, Az. 4 StR 500/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2005, 4957

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 500/04 vom 17. Februar 2005 in der Strafsache gegen

wegen des Verdachts der Brandstiftung u.a.- 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 17. Februar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.],

[X.] am [X.] Maatz, Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.] [X.],

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin

als Vertreterin der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. [X.] wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine [X.] des [X.]. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Brandstif-tung, der versuchten Brandstiftung und der Sachbeschädigung in vier Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer vom [X.] vertretenen [X.], mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit einer auf die Verletzung des § 244 Abs. 3 und Abs. 6 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg; eines [X.] auf die weite-ren [X.] bedarf es daher nicht. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, daß das [X.] ihre im [X.] vom 23. April 2004 gestellten unbedingten [X.] nicht durch [X.] beschieden, sondern sich mit diesen erst im Urteil auseinandergesetzt hat. - 4 - 1. Der zulässig erhobenen Rüge liegt folgender, durch das Protokoll (§ 274 StPO) und freibeweislich (BGHSt 16, 164, 166; 45, 227, 228) durch die dienstlichen Stellungnahmen der Vorsitzenden und des [X.] der Staatsanwaltschaft erwiesener Verfahrensablauf zugrunde: Im [X.] vom 14. April 2004 waren die Beweisauf-nahme geschlossen und die [X.] gestellt worden. Am folgenden Verhandlungstag, dem 23. April 2004, überreichte der [X.] der Staatsanwaltschaft zu Beginn der Verhandlung dem Gericht Beweisanträge, die er der Vorsitzenden bereits vorab übermittelt hatte. Diese ließ daraufhin folgenden Vermerk in das Sitzungsprotokoll aufnehmen: "Die Beweisaufnahme ist geschlossen. In der Entgegennahme der Anträge und in der dann stattfin-denden Beratung über die Beweisanträge liegt kein Wiedereintritt in die Be-weisaufnahme". Sodann verlas der [X.] der Staatsanwaltschaft die Beweisanträge, mit denen die Vernehmung von fünf Zeugen zu näher be-zeichneten Beweisthemen begehrt wurde. Der Verteidiger des Angeklagten äußerte sich dahingehend, daß er bat, die soeben verlesenen Beweisanträge nicht zuzulassen, da die Beweisaufnahme geschlossen sei. Nach kürzerer Un-terbrechung der Hauptverhandlung wurde das freisprechende Urteil verkündet, ohne daß zuvor nach § 244 Abs. 6 StPO über die Beweisanträge entschieden worden war. 2. Dies beanstandet die Beschwerdeführerin zu Recht. Das Verfahrensrecht kennt keine Präklusion von [X.] auf Grund Zeitablaufs, weil dies dem Prinzip der materiellen Wahrheit [X.] würde (vgl. [X.] in [X.]. § 246 Rdn. 1). Das Gericht ist - 5 - vielmehr gemäß § 246 Abs. 1 StPO verpflichtet, bis zum Beginn der Urteilsver-kündung Beweisanträge entgegenzunehmen und darüber zu entscheiden, auch wenn die Urteilsberatung bereits abgeschlossen und der neue Termin lediglich für die Verkündung des Urteils vorgesehen ist (st. Rspr., vgl. BGHSt 16, 389, 391; 21, 118, 123, 124 m.w.[X.]; [X.], 218, 219; vgl. auch [X.] 47. Aufl. § 246 Rdn. 1, § 244 Rdn. 33 m.w.[X.]). Der Verpflichtung zur Entgegennahme der Beweisanträge ist die Ju-gendkammer auch nachgekommen. Mit der Verlesung der Beweisanträge durch die Staatsanwaltschaft, deren Erörterung in der Hauptverhandlung und der Ankündigung, über die Beweisanträge zu beraten, ist sie konkludent in die Beweisaufnahme wiedereingetreten; die entgegenstehende, im Protokoll nie-dergelegte Auffassung der Vorsitzenden ist unbeachtlich (vgl. [X.], 505, 507 m.w.[X.]). Über die Beweisanträge ist rechtsfehlerhaft nicht in der Hauptverhandlung, sondern erst in den Urteilsgründen entschieden worden. Das Gericht darf den Grundsatz, daß über einen Beweisantrag durch Gerichts-beschluß in der Hauptverhandlung zu befinden ist (§ 244 Abs. 6 StPO), nur dann durchbrechen, wenn es sich bei dem Antrag um einen [X.] handelt. Dies ist hier nicht der Fall, weil die Beschwerdeführerin ihre Anträge - wie sich aus deren Wortlaut ergibt - nicht von der Entscheidung über einen ver-fahrensabschließenden Hauptantrag abhängig gemacht hat. Die Entscheidung darüber, ob ein Beweisantrag als Haupt- oder Hilfsantrag gestellt werden soll, liegt allein beim Antragsteller. Das Gericht hat insoweit keine Bestimmungs- oder Gestaltungsrechte und kann demgemäß einen Beweisantrag nicht eigen-mächtig in einen [X.] "umwandeln" (vgl. [X.], 372). - 6 - 3. Der Senat kann in Anbetracht des übrigen Beweisergebnisses nicht ausschließen, daß das angefochtene Urteil auf dem aufgezeigten [X.] beruht. Durch die Nichtbescheidung ihrer Beweisanträge in der [X.] wurde der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit genommen, durch weitere Beweisanträge und argumentative Äußerungen und Stellungnahmen auf die bei der Ablehnung der Beweisanträge zum Ausdruck kommende Auf-fassung der [X.] zu reagieren (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Hilfs-beweisantrag 1). Dies gilt insbesondere für den Beweisantrag auf Vernehmung des [X.]zur Frage der psychischen Verfassung des Angeklagten unmittelbar vor dessen richterlicher Vernehmung am 19. Dezember 2001. Vor dem Hintergrund wechselnden Einlassungsverhaltens des Angeklagten, der in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. Dezember 2001 alle sechs verfah-rensgegenständlichen Taten, in seiner richterlichen Vernehmung am Folgetag noch fünf davon eingestanden und nach der im April 2003 erfolgten [X.] alle Vorwürfe bestritten hat, kam dieser Frage besondere Bedeutung zu. Das [X.] hat die Einlassung des Angeklagten, er habe nur deshalb falsche Geständnisse abgelegt, weil er "gestreßt" gewesen sei, als nicht wider-legt angesehen. Insoweit ist nicht auszuschließen, daß die [X.] das richterliche Geständnis nach Vernehmung des Zeugen Dr. B.

anders bewer-tet hätte. - 7 - [X.] muß daher neu verhandelt werden. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes [X.] zurückzuverwei-sen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Tepperwien

Maatz [X.]

[X.]

[X.]

Meta

4 StR 500/04

17.02.2005

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2005, Az. 4 StR 500/04 (REWIS RS 2005, 4957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4957

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