Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2015, Az. 3 StR 385/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 2426

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren wegen Raubes: Einziehung eines Pkw als Tatmittel und Surrogatsgegenstand; Anforderungen an die Einziehungsentscheidung; Nichtanordnung der Einziehung wegen Gefährdung von Geschädigtenansprüchen; Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2015 im Ausspruch über die Einziehung des Pkw [X.], amtliches Kennzeichen      , nebst Fahrzeugschlüssel aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Weiter hat es einen Pkw im Eigentum des Angeklagten nebst Schlüssel eingezogen. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand. Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Die Entscheidung über die Einziehung des Pkw [X.] … gemäß § 74 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB … lässt … nicht erkennen, ob das [X.] bei seiner Ermessensentscheidung in Betracht gezogen hat, dass es sich bei dem Pkw nicht nur um ein Tatmittel i.S.d. § 74 Abs. 1 StGB im Fall [X.] handelt, sondern auch um einen Surrogatgegenstand i.S.d. § 73 Abs. 2 S. 2 StGB für die Tatbeute der - zeitlich früheren - Tat [X.] Die Besonderheit bei der vorliegenden Fallkonstellation lag darin, dass der bei der Tat [X.] als Tatmittel verwendete ([X.], 68) und im Eigentum des Angeklagten stehende ([X.] f.) Pkw mit dem Beuteanteil des Beschwerdeführers aus dem [X.] finanziert wurde ([X.], 24). Insoweit lässt sich den Ermessenserwägungen des [X.]s zu § 74 Abs. 1 StGB nicht entnehmen, ob es bedacht hat, dass die Einziehungsentscheidung die Durchsetzbarkeit der Ansprüche des Geschädigten im [X.] gefährden und dass deshalb nach einer Gesamtabwägung aller in Betracht kommenden Umstände diese eine staatliche Einziehung sperren könnten (vgl. auch [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 74 Rn. 56). … Über § 73 Abs.1 S. 2, Abs. 2 S. 2 StGB i.V.m. § 111i Abs. 2 StPO hätte daher vorliegend eine Entscheidung getroffen werden können, die einerseits dem aus der Tat [X.] Verletzten ausreichend [X.] gewährt, sich wegen offener Ansprüche aus der gegen ihn gerichteten Tat einen zivilrechtlichen Titel zu verschaffen und aus diesem in den sichergestellten Pkw zu vollstrecken, andererseits durch den Auffangrechtserwerb des Staates sicherstellt, dass der Beschwerdeführer den als Tatmittel verwendeten Pkw nicht wieder zurück erlangt, wenn der Geschädigte seine Ansprüche nicht geltend macht und die Zwangsvollstreckung in das sichergestellte Kraftfahrzeug nicht betreibt. …

Eine [X.] anstelle einer Entscheidung nach § 73 Abs.1 S. 2, Abs. 2 S. 2 StGB i.V.m. §111i Abs. 2 StPO dürfte bei der vorliegenden Fallkonstellation sich allenfalls dann noch im Rahmen des dem Tatrichter nach § 74 Abs. 1 StGB zustehenden Ermessens bewegen, wenn die Befriedigung der [X.] anderweit gesichert oder der Verletzte bereits entschädigt ist (vgl. [X.] da Rosa NStZ 2012, 419, 421). Solches aber hat das [X.] weder festgestellt noch bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Daher kann diese nicht bestehen bleiben.

Eine Aufhebung der zur Einziehung getroffenen Feststellungen ist nicht veranlasst. Die fehlerhafte Ermessensausübung wirkt sich auf die Feststellungen nicht aus. … [Es] kommen jedoch ergänzende Feststellungen in Betracht.

Einer Entscheidung nach § 73 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 StGB i.V.m. § 111i Abs. 2 StPO anstelle der [X.] stünde in einem neuen tatrichterlichen Urteil § 358 Abs. 2 StPO … nicht entgegen (vgl. auch [X.], [X.], [X.], 292), zumal im Falle einer Vollstreckung des Geschädigten der Tat [X.] in den sichergestellten Pkw sich die gegen den Angeklagten gerichteten zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche reduzieren würden und dieser günstige Umstand bei einer Einziehungsentscheidung nicht eintreten kann."

3

Dem verschließt sich der Senat nicht.

Becker                          Hubert                          Mayer

                 Gericke                          Spaniol

Meta

3 StR 385/15

12.11.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 6. Mai 2015, Az: 4 KLs 63/14

§ 73 Abs 1 S 2 StGB, § 73 Abs 2 S 2 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 358 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2015, Az. 3 StR 385/15 (REWIS RS 2015, 2426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2426

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 385/15 (Bundesgerichtshof)


1 StR 261/23 (Bundesgerichtshof)


2 StR 444/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten einer Bande: Strafzumessung und Einziehung sichergestellter Gegenstände und Bargeld; Behandlung gezahlter Beträge …


4 StR 297/18 (Bundesgerichtshof)

Strafrechtliche Vermögensabschöpfung im Verfahren wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen und Umfang der Einziehung bei …


3 StR 415/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Ermessensentscheidung hinsichtlich der Einziehung von Tatmitteln; Einziehung von Kryptowährungen und Wertersatzeinziehung


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 385/15

2 StR 444/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.