Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.09.2016, Az. X B 146/15

10. Senat | REWIS RS 2016, 5642

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Gegenstand

Nichtzulassung der Revision bei behaupteten Schätzungsfehlern - Rüge eines Verstoßes gegen den Akteninhalt


Leitsatz

1. NV: Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen.

2. NV: Es besteht weder für das FA noch für das FG die Pflicht, ein aufgrund einer Schätzungsmethode gewonnenes Ergebnis durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern. Es ist Sache der Tatsacheninstanz zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2015  3 K 876/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden in den Streitjahren 2004 bis 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin betrieb in diesen Jahren ein Restaurant der gehobenen [X.] Küche. Die daraus erzielten Gewinne ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. [X.] erstatteten die Kläger Selbstanzeige wegen nicht erklärter Einkünfte, die ihnen aus der Anlage von Erträgen zweier Lebensversicherungen zugeflossen waren. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) ordnete in der Folge bei den Klägern eine Außenprüfung für die Streitjahre an.

2

Im Rahmen der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung des [X.] traf der Prüfer eine Vielzahl von Einzelfeststellungen, die nach seiner Auffassung dazu führten, dass die Buchführung als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen sei, und nahm für die Streitjahre erhebliche Zuschätzungen vor. Das [X.] folgte dem und änderte die bisherigen Steuerfestsetzungen. Ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gab das Finanzgericht ([X.]) teilweise statt ([X.] Nürnberg, Beschluss vom 15. März 2013  3 V 1009/12). Dementsprechend änderte das [X.] die Einkommensteuerbescheide. Die dagegen gerichteten Einsprüche wies es zurück. Das [X.] gab der Klage wegen anderer Streitpunkte statt, bestätigte aber sowohl die Schätzungsbefugnis des [X.] als auch die Höhe der [X.], die den [X.] zugrunde lag. Lediglich für den Veranlagungszeitraum 2004 setzte es den Schätzungsbetrag herab, um den betrieblichen Besonderheiten Rechnung zu tragen.

3

Die Kläger begründen ihre Nichtzulassungsbeschwerde zum einen mit dem Erfordernis einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O. Zum anderen [X.] sie Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O, insbesondere weil das [X.] gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen und das rechtliche Gehör nicht gewährt habe.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

5

1. Zur Rechtsfortbildung ist die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O zuzulassen, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der [X.] noch nicht erwogen hat. Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O, dass die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen muss (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse vom 2. April 2014 XI B 16/14, [X.]/NV 2014, 1098, Rz 14, und vom 15. Dezember 2004 [X.], [X.]/NV 2005, 698, Rz 2, m.w.N.).

6

An solchen Darlegungen fehlt es im Streitfall.

7

a) Sofern die Kläger die Rechtsfrage aufwerfen, ob ein Steuerbescheid nichtig sei, weil der Gewinn der [X.] mit einer Umsatzschätzung nach amtlichen [X.] ermittelt wurde, bei der der höhere [X.]ssatz für eine Pizzeria zugrunde gelegt wurde, obwohl es sich um eine Gaststätte ohne Pizzaherstellung und -verkauf handele, übersehen die Kläger, dass die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre auf der Schätzung des [X.] im AdV-Verfahren 3 V 1009/12 beruhen: Im AdV-Verfahren hat das [X.] ausdrücklich die Auffassung der Kläger geteilt, nicht die Vergleichszahlen für eine Pizzeria, sondern die für Gaststätten seien heranzuziehen, so dass im Grundsatz in den beanstandeten Schätzungen von den Mittelwerten der [X.] für vergleichbare Gaststätten ausgegangen worden ist.

8

b) Die Rechtsfrage, ob eine Buchführung als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen ist, wenn der Steuerpflichtige die Bargeschäfte über Kassenberichte ermittelt und nicht über eine vorhandene Registrierkasse, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Das [X.] hat zwar in den Urteilsgründen den nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch der Registrierkasse angesprochen. Die ordnungsgemäße Buchführung der Klägerin hat es aber aufgrund der Gesamtumstände des Streitfalls verneint und dazu zusammenfassend auf S. 54 des Urteils die dieser Würdigung zugrundeliegenden wesentlichen Aspekte ausdrücklich aufgezählt, nämlich Mängel in der Kassenführung, fehlende aufzubewahrende Unterlagen und das Ergebnis der Teilkalkulation. Lediglich ergänzend hat es noch auf die durchgeführten analytischen Tests hingewiesen. Den Einsatz der Registrierkasse als "Rechenmaschine" hat es indes nicht als Gesichtspunkt der Gesamtwürdigung genannt, so dass die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage für die Gesamtwürdigung des [X.] nicht entscheidend war und damit auch für den Ausgang des künftigen Revisionsverfahrens keine Relevanz hat.

9

c) Die Rechtsfrage, ob das [X.] in den Jahren 2004 bis 2008 wegen der angeblichen formellen Kassenführungsmängel, fehlender aufzubewahrender Unterlagen, [X.] nur für 2004 und analytischer Tests zu Schätzungen befugt war, ist nicht hinreichend abstrakt. Die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O kann "zur Fortbildung des Rechts" nur zugelassen werden, wenn im Allgemeininteresse über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 2016 [X.]130, 131/15, [X.]/NV 2016, 915, Rz 12; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 41). Eine solche Rechtsfrage wurde von den Klägern nicht formuliert, weil es für deren Beantwortung entscheidend auf die vom [X.] als Tatsacheninstanz zu würdigenden und damit regelmäßig nicht klärungsbedürftigen Umstände des Einzelfalls ankommt.

d) Sofern die Kläger eine Zulassung der Revision zur Beantwortung der Rechtsfrage anstreben, ob bei der Lieferung von gekochtem Essen eine Dienstleistung --wie das [X.] im Rahmen seiner Schätzung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage meint-- oder eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ermäßigt zu besteuernde Leistung --wie sie meinen-- vorliegt, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, die nicht mehr besteht. Sie selbst haben auf die Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 282/2011 vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --[X.]-- ([X.], 1) hingewiesen. Die [X.] regelt mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 in Art. 6 Abs. 2, dass die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen nicht als --nicht begünstigte, dem Regelsteuersatz unterliegende-- Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung anzusehen sind (s. dazu auch [X.] in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 12 Rz 23 ff.).

2. Die von den Klägern gerügten Rechtsprechungsdivergenzen liegen nicht vor.

Eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O setzt voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist. Dies bedingt zum einen, dass in dem angefochtenen [X.]-Urteil dieselbe Rechtsfrage wie in der angeblichen Divergenzentscheidung entschieden wurde und die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind. Zum anderen muss die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren klärbar und auch für beide Entscheidungen rechtserheblich gewesen sein. Außerdem muss eine Entscheidung des [X.] zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich sein (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2015 [X.]43/15, [X.]/NV 2016, 201, Rz 12).

a) Die Kläger meinen, das [X.] sei von dem Senatsurteil vom 25. März 2015 [X.] ([X.]E 249, 390, [X.], 743) dadurch abgewichen, dass es die Befugnis des [X.] zu einer nur auf einer Richtsatzschätzung basierenden Umsatzschätzung auch ohne vorgenommene Geldverkehrsrechnung bejaht hat. Demgegenüber habe der angerufene Senat in seinem Urteil in [X.]E 249, 390, [X.], 743 dargelegt, dass individuelle Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen (z.B. Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung) vorrangig heranzuziehen seien.

Eine Divergenz ist indes nicht gegeben, da die genannten Aussagen zu unterschiedlichen Sachverhalten ergangen sind. Der angerufene Senat hat den Vorrang der die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigenden Schätzungsmethoden, zu denen er die Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung und die Aufschlagkalkulation zählt, in Relation zum Zeitreihenvergleich ausgesprochen, und zwar in den Fällen, in denen die Buchführung des Steuerpflichtigen formell nicht ordnungsgemäß ist, materielle Unrichtigkeiten aber nicht konkret nachgewiesen werden konnten.

Im Streitfall hat das [X.] jedoch die materielle Unrichtigkeit der Buchführung aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls (Mängel in der Kassenführung, fehlende aufzubewahrende Unterlagen, Ergebnis der Teilkalkulation) bereits bejaht.

Der Senat hat in dem vermeintlichen Divergenzurteil in [X.]E 249, 390, [X.], 743 (unter Rz 61) zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat. In diesem Zusammenhang hat er konkret den Senatsbeschluss vom 27. Januar 2009 [X.]28/08 ([X.]/NV 2009, 717) genannt, in dem unter 3.b ausgeführt wird, dass das [X.] nicht dadurch, dass es keine Vermögenszuwachsrechnung erstellt, gegen seine Aufklärungspflicht verstößt. Weder das [X.] noch das [X.] sind grundsätzlich verpflichtet, das aufgrund einer Schätzungsmethode (hier die Nachkalkulation anhand [X.] Daten) gewonnene Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern. Es ist Sache der Tatsacheninstanz, zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet sei, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen.

b) Eine Divergenz ist auch nicht zu bejahen, wenn die Kläger dem Senatsurteil in [X.]E 249, 390, [X.], 743 den Rechtssatz entnehmen, dass formelle [X.] nur insoweit zur Umsatzschätzung berechtigten, als sie Anlass gäben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Dieser Rechtssatz wäre im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da das [X.] --wie bereits dargestellt-- von einer materiellen Unrichtigkeit der Buchführung ausgegangen ist.

c) Die behauptete Divergenz des finanzgerichtlichen Urteils zum Senatsurteil in [X.]E 249, 390, [X.], 743 ist auch nicht wegen der Konsequenzen eines nicht bestimmungsgemäßen Einsatzes einer Registrierkasse gegeben. Aus den unter [X.] dargestellten Gründen war dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungserheblich und kann daher nicht zur Zulassung der Revision führen.

d) Die Kläger erfüllen nicht die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O, soweit sie die Divergenz der finanzgerichtlichen Erwägungen zur Ermittlung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage wegen der Qualifizierung der [X.] als Umsätze, die dem Regelsteuersatz und nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, zu den folgenden Urteilen rügen: Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 10. März 2011 [X.]/09, [X.]/09, [X.]/09 und [X.]/09 ([X.]. 2011, [X.]) sowie [X.]-Urteile vom 12. Oktober 2011 V R 66/09 ([X.]E 235, 525, [X.], 250), vom 8. Juni 2011 XI R 37/08 ([X.]E 234, 443, [X.], 238), vom 30. Juni 2011 V R 3/07 ([X.]E 234, 484, [X.], 241), [X.] ([X.]E 234, 491, [X.], 244) und [X.] ([X.]E 234, 496, [X.], 246) und vom 23. November 2011 XI R 6/08 ([X.]E 235, 563, [X.], 253).

Es fehlen insbesondere Ausführungen dazu, inwieweit das [X.]-Urteil und die genannten Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind. Diese Darlegungen wären umso wichtiger gewesen, als die Entscheidungen zwar zur Abgabe von Mahlzeiten ergangen sind, nämlich in Imbissständen ([X.]-Urteile in [X.]E 234, 443, [X.], 238; in [X.]E 234, 491, [X.], 244, und in [X.]E 234, 496, [X.], 246), in Kinos ([X.]-Urteil in [X.]E 234, 484, [X.], 241), als Partyservice ([X.]-Urteil in [X.]E 235, 563, [X.], 253; s. zu den vorstehend genannten Umsätzen auch das [X.]-Urteil in [X.]. 2011, [X.]) sowie in einem Altenwohn- und Pflegeheim ([X.]-Urteil in [X.]E 235, 525, [X.], 250). Im Streitfall war aber die Abgabe von Mahlzeiten durch ein Restaurant der gehobenen [X.] Küche zu beurteilen, so dass erhebliche Unterschiede erkennbar sind, auf die die Kläger hätten eingehen müssen.

3. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O erfordert neben den Fällen der Divergenz auch dann eine Entscheidung des [X.], wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des [X.] gesichert werden kann, weil beispielsweise dem [X.] bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie nicht von einem Rechtsmittelgericht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, [X.]E 206, 226, [X.], 896, m.w.N.). Im Streitfall ist es jedoch nicht ersichtlich, dass dem [X.] ein solcher Fehler unterlaufen ist.

Sofern die Kläger den [X.] für das [X.] in Höhe von 210 % beanstanden, ist nicht erkennbar, worin der schwerwiegende Fehler des [X.] liegen soll, zumal es in seinem [X.] 3 V 1009/12 auf S. 31 f. den Aufschlagsatz ausdrücklich mit der Überlegung begründet hat, die Gaststätte sei Mitte des Jahres aufgegeben worden, so dass davon ausgegangen werden könne, dass dementsprechend Getränke vermehrt kostenfrei ausgeschenkt worden seien.

4. Auch die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler können nicht zur Zulassung der Revision führen.

a) Soweit sie in Bezug auf den Ansatz des [X.]es einen Verstoß gegen den klaren Akteninhalt rügen, erfüllen sie nicht die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O. Wird gerügt, das [X.] habe entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt und somit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O verstoßen, ist darzulegen, dass der vom [X.] zugrunde gelegte Sachverhalt dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht. Es müssen die Aktenteile genau bezeichnet werden, die das [X.] nach Ansicht des [X.] nicht berücksichtigt hat (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 12. Oktober 2012 III B 212/11, [X.]/NV 2013, 78, Rz 9). Die Kläger führen lediglich an, dass ein [X.] in der Kalkulation nicht angesetzt worden sei, ohne indes zu konkretisieren, aus welcher Akte oder welchem Schriftsatz sich dies ergeben soll. Zudem steht diese Behauptung in Widerspruch zur Aussage des [X.], der in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2015 laut Protokoll bekundet hat, er sei beim [X.] mit 50 % (Spirituosen) und 10 % (offene Weine auf der Basis von 138 €) an die obere Grenze gegangen.

b) Mit der Rüge, das [X.] hätte die kostenlose oder verbilligte Weinabgabe in der Kalkulation berücksichtigen müssen, machen die Kläger keinen Verfahrensmangel geltend, sondern die Verletzung materiellen Rechts.

Das [X.] hat in den Urteilsgründen zum behaupteten kostenlosen Weinausschank und zur verbilligten Getränkeabgabe ausführlich Stellung genommen, ist aber zu einem von der Einschätzung der Kläger abweichenden Ergebnis gekommen. Selbst wenn es sich um eine unzutreffende Beweiswürdigung handelte, wäre dies ein materiell-rechtlicher Mangel, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann (ständige [X.]-Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 11. Juli 2012 [X.]41/11, [X.]/NV 2012, 1634, Rz 8).

c) Dasselbe gilt in Bezug auf die vom [X.] vorgenommene Umqualifizierung der [X.] als Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Die Kläger machen zwar geltend, das [X.] habe gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen, weil es nicht auf ihre im Tatbestand des Urteils dargestellten Argumente eingegangen sei. Aber auch hier richtet sich ihr Vorbringen im [X.] gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des [X.] und stellt lediglich die Rüge der nicht zur Zulassung der Revision führenden Verletzung materiellen Rechts dar.

d) Sofern die Kläger geltend machen, das [X.] sei weder auf die Einwendungen in ihrem Schriftsatz vom 5. Juli 2013 eingegangen, die sich auf den der Kalkulation zugrunde zulegenden Wareneinsatz beziehen, noch habe es berücksichtigt, dass die frische [X.] Küche hohe Einkaufspreise zur Folge habe, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Allein aus dem Umstand, dass das [X.] --etwa in Bezug auf den [X.] einzelne Akteninhalte in seinem Urteil nicht angesprochen hat, kann nicht geschlossen werden, es habe diese nicht zur Kenntnis genommen. § 96 [X.]O gebietet es nämlich nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern; vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt und Vortrag in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, [X.]/NV 2012, 774, Rz 12, m.w.N.).

Abgesehen davon weist der angerufene Senat darauf hin, dass sich das [X.] in den Urteilsgründen (S. 58 f. des Urteils) sehr wohl mit dem klägerischen Vortrag zum Wareneinsatz auseinandergesetzt hat, wenn auch nicht mit dem von den Klägern gewünschten Ergebnis.

e) Sofern die Kläger die Höhe der vom [X.] zugrunde gelegten Aufschlagsätze rügen, die im Widerspruch zueinander stünden, richtet sich ihr Vorbringen gegen die Richtigkeit der Schätzung. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das [X.] im Rahmen einer Schätzung ist im [X.] grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 [X.]125/08, [X.]/NV 2009, 951, Rz 19).

Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des [X.] wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Senatsbeschluss in [X.]/NV 2009, 951, Rz 20). Hiervon kann im Streitfall jedoch nicht im Geringsten ausgegangen werden, da sich die Schätzungen des [X.] an den Mittelwerten der jeweiligen Jahre orientiert haben und im letzten Jahr der Schätzung berücksichtigt worden ist, dass das Restaurant Mitte des Jahres 2008 geschlossen wurde.

f) Wenn die Kläger rügen, das [X.] habe gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen, weil es die Beanstandungen des Prüfers aus den Anlagen 2.1 bis 2.5 seines Schreibens vom 18. November 2011 ungeprüft übernommen und sich nicht mit ihren im Klageverfahren vorgetragenen Einwendungen auseinandergesetzt habe, erreichen sie mit diesem Vorbringen ebenfalls keine Revisionszulassung.

So ist zum einen darauf hinzuweisen, dass ein Abgleich der Prüfungsfeststellungen in den von den Klägern genannten Anlagen mit den Beanstandungen, die das [X.] in seinem Urteil aufführt, zeigt, dass das [X.] die Prüfungsfeststellungen nicht lediglich übernommen, sondern sich mit den einzelnen Prüfungsfeststellungen sowie auch mit dem klägerischen Vorbringen sehr wohl beschäftigt hat, wenn auch nicht mit dem von den Klägern gewünschten Ergebnis.

Dass das [X.] aufgrund der von ihm im Urteil dargestellten Beanstandungen zur Auffassung gelangt ist, die Kassenführung der Klägerin sei nicht ordnungsgemäß, ist zum anderen das Ergebnis seiner Beweiswürdigung, die im Grundsatz nicht revisibel ist (s. dazu auch oben unter II.4.e).

g) Zu Unrecht machen die Kläger geltend, das [X.] habe ihre Einwendungen und umfangreichen Ausführungen zu den [X.] nicht zur Kenntnis genommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Erläuterungen unter II.4.d verwiesen.

h) Das [X.] hat auch nicht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O und § 76 Abs. 2 [X.]O), weil es [X.] die [X.] auf die gerade genannten Einwendungen weder in der mündlichen Verhandlung noch im Urteil nicht eingegangen sei. Weder liegt deshalb eine Überraschungsentscheidung vor noch bestand eine weitergehende Hinweispflicht des [X.].

aa) Eine Überraschungsentscheidung kann zwar vorliegen, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste ([X.]-Beschluss vom 13. Juli 2012 I[X.]3/12, [X.]/NV 2012, 1635). Einer umfassenden Erörterung der für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte bedarf es dabei aber nicht (so schon [X.]-Beschluss vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, [X.]/NV 2000, 1235).

Im vorliegenden Fall scheidet eine solche Überraschungsentscheidung aus, weil die beanstandete Kassenführung der Klägerin das zentrale Thema des Verfahrens war und die Kläger daher mit einer Einschätzung des [X.], diese sei nicht ordnungsgemäß, rechnen mussten.

bb) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das [X.] auch nicht, den Beteiligten die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte anzudeuten und diese mit den Beteiligten umfassend zu erörtern ([X.]-Beschluss vom 12. Juli 2012 I B 131/11, [X.]/NV 2012, 1815). Das Gesagte gilt erst Recht im Verhältnis zu einem Beteiligten, der --wie im Streitfall die [X.] rechtskundig beraten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2013 [X.]139/12, [X.]/NV 2013, 978, m.w.N.).

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

X B 146/15

13.09.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 22. Juli 2015, Az: 3 K 876/13, Urteil

§ 162 AO, § 15 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.09.2016, Az. X B 146/15 (REWIS RS 2016, 5642)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5642

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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