Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.07.2012, Az. 8 C 15/11

8. Senat | REWIS RS 2012, 4973

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Gegenstand

Auswirkung eines Verzichts bzgl. der Rückgabe entzogener Vermögenswerte auf den Zusammenhang zwischen der aufgehobenen Vermögenseinziehung und der begehrten Rückgabe


Leitsatz

Der von § 1 Abs. 7 VermG vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der im Wege der strafrechtlichen Rehabilitierung aufgehobenen Vermögenseinziehung und der zum Zwecke der Wiedergutmachung begehrten Rückgabe kann fehlen, wenn der Geschädigte vor der Rehabilitierung auf die Rückgabe der entzogenen Vermögenswerte verzichtet hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung, den Erlös aus der Veräußerung der Flurstücke a und b der Gemarkung [X.] (mit 5 655 qm und 66 432 qm, eingetragen im Grundbuch von [X.] Bl. 121 und 995) an die Beigeladenen als Rechtsnachfolger nach Herrn [X.] auszukehren. Beide Grundstücke gehörten als land- und forstwirtschaftliche Flächen zu einer [X.], die [X.] 1949 nach dem Verzicht des [X.] zugeteilt worden war. Ansprüche wegen der Veräußerung der Hofstelle (Flurstück c der Gemarkung [X.] mit 3 127 qm, Grundbuch von [X.] Bl. 150) sind Gegenstand des Verfahrens BVerwG 8 C 16.11.

2

[X.] wurde am 27. Januar 1953 in Untersuchungshaft genommen und am 24. März 1953 durch das Kreisgericht ... wegen "Wirtschaftsverbrechen und Preisvergehen" rechtskräftig zu einer Haftstrafe von einem Jahr sowie zur Vermögenseinziehung verurteilt. Wegen der Kreditbelastung des Hofgebäudes mit rund 21 000 DM fand sich kein Bewerber für eine Neuzuteilung der [X.]. Die Felder wurden seit der Inhaftierung des [X.] durch die LPG "Pionier" [X.] bewirtschaftet, die auch das landwirtschaftliche Inventar übernahm. Einen Teil des [X.] veräußerte sie, um damit besicherte Verbindlichkeiten des [X.] abzulösen.

3

Am 13. Mai 1953 wurde [X.] - wohl aufgrund einer Amnestie - aus der Haft entlassen. Aufgrund einer Verordnung vom 11. Juni 1953 wurden Härtefallkommissionen gebildet, die zu entscheiden hatten, ob strafgerichtlich eingezogenes Vermögen den rechtskräftig Verurteilten zur persönlichen Nutzung überlassen werden sollte. Die Richtlinie 2 vom 1. Februar 1954 betreffend das Vermögen, das aufgrund rechtskräftiger Strafurteile in Volkseigentum übergegangen war, fasste die einschlägigen Durchführungsbestimmungen zusammen. Die Härtefallkommission des [X.] ... beschloss nach Überprüfung einer ersten, ablehnenden Entscheidung am 30. Oktober 1953 die Übergabe des eingezogenen Vermögens zur Nutzung an [X.] Mit Schreiben vom 6. November 1953 teilte sie ihm den Beschluss zur sofortigen Nutzungsüberlassung mit und wies ihn auf die Pflicht hin, die überlassenen Vermögenswerte pfleglich und gewissenhaft zu behandeln und durch erforderliche Reparaturen und Erneuerungen instand zu halten. Zwecks weiterer Veranlassungen habe er sich mit dem Sekretär des [X.] in Verbindung zu setzen.

4

Am 4. Dezember 1953 erklärte [X.] gegenüber dem Rat des [X.] schriftlich, er verzichte auf die Flurstücke, für die er infolge der Bodenreform als Eigentümer eingetragen sei. Daraufhin beschloss die Kreisbodenkommission am 7. Dezember 1953, dass die Felder bei der LPG bleiben und die Gebäude in das Eigentum des Volkes überführt werden sollten. Am 29. Januar 1954 wurden die land- und forstwirtschaftlichen Flurstücke der [X.] einschließlich der Flurstücke a und b auf den [X.] als Eigentümer umgeschrieben. Das Flurstück c mit dem weiterhin von [X.] bewohnten Hofgebäude wurde in das Eigentum des Volkes überführt; Rechtsträger wurde der Rat der Gemeinde [X.]. In einem Bericht an das [X.] erläuterte der Rat des [X.] im September 1954, die [X.] sei mit dem Verzicht in den Bodenfonds zurückgefallen. Wegen der schlechten Bewirtschaftung und des geringen [X.] habe kein Übernahmebewerber gefunden werden können.

5

Am 23. August 1954 erließ das [X.] der [X.] die Richtlinie Nr. 7/54 betreffend die gnadenweise Rückgabe von Vermögen, das aufgrund rechtskräftiger Verurteilung zur Einziehung gelangt und dem mit bedingtem Strafaufschub aus der Haft Entlassenen zur persönlichen Nutzung überlassen worden war. Die Gnadenkommission des [X.] ... beschloss am 22. Oktober 1954, die im Strafurteil vom 24. März 1953 ausgesprochene Vermögenseinziehung in Ausübung des Gnadenrechts aufzuheben. Dies wurde [X.] mit Schreiben vom 28. Oktober 1954 mitgeteilt. Ein Bericht vom 3. November 1954 verwies wegen der Durchführung des Beschlusses auf die Verzichtserklärung des [X.] und erläuterte, wegen dessen Schulden habe der Erlös für das Inventar nicht ausgezahlt werden können. Das Hofgebäude sei mit einem hohen Kredit belastet und stark reparaturbedürftig. Andere Vermögenswerte seien nicht eingezogen oder gesperrt worden. Der Vorgang sei also abgeschlossen.

6

Mit Schreiben vom 30. November 1990 beantragte [X.] die Rückübertragung sämtlicher Flurstücke. Am 21. Dezember 1990 verstarb er und wurde zu je 1/6 von den Beigeladenen zu 1 bis 5 und Herrn [X.] beerbt. Dieser verstarb 1999; seine Erben waren Frau [X.] und [X.] zu je 1/2. Frau [X.] verstarb 2007 und wurde vom Beigeladenen zu 6 und von Herrn [X.] beerbt, der 2008 verstarb und vom Beigeladenen zu 6 allein beerbt wurde.

7

Das Landratsamt ... lehnte den [X.] mit [X.] vom 28. September 1994 ab. Den Widerspruch dagegen wies das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1996 zurück. Der Vermögensverlust sei auf den Verzicht des [X.] zurückzuführen. Eine Schädigung nach § 1 Abs. 3 [X.] liege nicht vor. Für einen Machtmissbrauch oder eine Nötigung seien keine Anhaltspunkte erkennbar. Dieser Widerspruchsbescheid wurde dem damaligen Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft am 27. September 1996 zugestellt.

8

Bereits im Mai 1995 hatte die Klägerin als Bevollmächtigte der Klägerin des Verfahrens BVerwG 8 C 16.11 das Flurstück b in deren Namen mit zahlreichen anderen Grundstücken zu einem Gesamtpreis von 23 Mio. DM an die [X.] verkauft. Das Flurstück a veräußerte sie im Oktober 1999 im eigenen Namen mit weiteren Grundstücken zu einem Gesamtpreis von 108 000 DM an den [X.] Das Flurstück c wurde von der Klägerin des Verfahrens BVerwG 8 C 16.11 im November 1995 an die Eheleute [X.] verkauft. Anschließend wurden die Flurstücke im Grundbuch auf die jeweiligen Erwerber umgeschrieben.

9

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2005 hob das [X.] ... das Urteil des [X.] ... vom 24. März 1953 einschließlich der Vermögenseinziehung auf. Es stellte fest, das Strafverfahren sei rechtsstaatswidrig gewesen, und rehabilitierte [X.] Daraufhin beantragte der Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 30. November 2005 im Namen der Erbengemeinschaft und unter Hinweis auf die Rehabilitierung "Entschädigung" für das Vermögen des [X.] und trug vor, der Rat des [X.] habe diesen zum Verzicht genötigt. Im Rahmen der Anhörung erläuterte er, soweit die Vermögenswerte wegen der Veräußerung nicht zurückgegeben werden könnten, beanspruche die Erbengemeinschaft den Erlös oder den Verkehrswert und nur hilfsweise eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz.

Die Landesdirektion ... stellte mit [X.] vom 15. September 2008 fest, die Beigeladenen zu 1 bis 5 und Herr [X.] seien Berechtigte bezüglich des ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebes des Herrn [X.] (Ziffer 1). Ihnen stehe ein Anspruch auf [X.] für die [X.] und ... (richtig: a) gegen die Klägerin (Ziffer 2) sowie ein Anspruch auf [X.] für das Flurstück c gegen die Klägerin des Verfahrens BVerwG 8 C 16.11 zu (Ziffer 3).

Am 16. Oktober 2008 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 [X.] lägen nicht vor. Die [X.] gehe ins Leere, da die Vermögensentziehung mit der Nutzungsüberlassung, jedenfalls aber mit der Gnadenentscheidung aufgehoben worden sei. Der Vermögensverlust sei nicht aufgrund des Strafurteils, sondern durch den Verzicht des [X.] eingetreten. Außerdem hätten die Beigeladenen nur Entschädigung beantragt und den Anspruch auf [X.] nicht fristgerecht angemeldet.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. November 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Den Beigeladenen stehe als vermögensrechtlich Berechtigten ein [X.]anspruch gemäß § 6 Abs. 6a Satz 3 [X.] zu. Die Vorschrift sei nach § 1 Abs. 7 [X.] entsprechend anzuwenden, da [X.] sein landwirtschaftliches Unternehmen, die [X.], mit Rechtskraft der inzwischen im Rehabilitierungsverfahren aufgehobenen strafgerichtlichen Verurteilung verloren habe. Ein etwa erforderlicher faktischer Zugriff liege in der Übernahme des Inventars und der Grundstücke durch die LPG. Die [X.] gehe auch nicht ins Leere, da die Vermögenseinziehung in der [X.] nicht rückgängig gemacht worden sei. Die von der Härtefallkommission beschlossene Überlassung zur persönlichen Nutzung stelle keine Rückübereignung dar. Der Verzicht habe sich nicht auf eine [X.] noch immer überlassene [X.] bezogen, sondern sei nur ein Indiz, dass ihm möglicherweise die Überlassung zur persönlichen Nutzung angeboten wurde. Ein solches Angebot, zudem noch ausgeschlagen, sei nicht identisch mit einer Aufhebung der Vermögenseinziehung. Gleiches gelte für die Gnadenentscheidung vom 22. Oktober 1954. Sie habe weder die rechtliche Qualität einer Rehabilitierung, noch führe sie eine Rückübertragung des Eigentums herbei. Der [X.] sei auch nicht tatsächlich rückgängig gemacht und [X.] nicht wieder im Grundbuch eingetragen worden. Wegen der Stilllegung des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Veräußerung der [X.]leibe den Beigeladenen nur der Anspruch auf [X.]. Mit dem sinngemäß auszulegenden Schreiben vom 30. November 2005 liege eine rechtzeitige Anmeldung vor.

Die Revision der Klägerin rügt eine Verletzung des § 1 Abs. 7 [X.]. Nicht das aufgehobene Strafurteil, sondern der Verzicht des [X.] habe den Verlust der [X.] bewirkt. Die faktische Entziehung sei durch die stattgebende Entscheidung der Härtefallkommission rückgängig gemacht worden. Die Gnadenentscheidung habe eine etwaige konstitutive Wirkung der Vermögenseinziehung beseitigt. Die gegenteiligen Annahmen des [X.] seien aktenwidrig und denkfehlerhaft.

Die Klägerin beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2010 ergangene Urteil des [X.] Dresden zu ändern und den [X.] der Landesdirektion ... vom 15. September 2008 in Ziffer 1 und 2 aufzuheben.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Die Verzichtserklärung des [X.] könne nicht als Verzicht auf die Rückgabe des Eigentums ausgelegt werden, da die Gnadenentscheidung für ihn damals nicht absehbar gewesen sei.

Die Beigeladenen haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt § 1 Abs. 7 und § 6 Abs. 6a Satz 3 [X.]. Es beruht auf diesen [X.] und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Den Beigeladenen steht kein Anspruch auf den Veräußerungserlös für die verfahrensgegenständlichen Flurstücke zu.

1. Zu Unrecht meint das angegriffene Urteil, die Regelung zur Restitution von [X.] in § 6 Abs. 6a Satz 3 [X.] sei wegen der Rehabilitierung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen nach § 1 Abs. 7 [X.] entsprechend anzuwenden. Dabei übersieht es, dass § 1 Abs. 7 [X.] einen Zusammenhang zwischen der aufgehobenen [X.] und der begehrten Wiedergutmachung voraussetzt, und dass dieser Zusammenhang wegen eines wirksamen Verzichts auf die Rückgabe der Neubauernstelle fehlt.

a) Nach § 1 Abs. 7 [X.] gelten die Vorschriften des [X.]es entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsst[X.]tswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht. Diese Vorschrift stellt eine Rechtsfolgenverweisung dar und geht von einem zweistufigen Verfahren aus. Sie setzt voraus, dass die nach den anderen Vorschriften zuständige Stelle die Vermögensentziehung als rechtsst[X.]tswidrig aufgehoben und dadurch den Rechtsgrund des [X.] beseitigt hat. Die [X.] gewordene Vermögensverschiebung wird anschließend nach Maßgabe des [X.]es rückabgewickelt (stRspr, vgl. Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 [X.] 9.98 - BVerwGE 108, 315 <318 f.> = [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 1 S. 1 <3 f.>; Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 8 [X.] - [X.] 2009, 137 f.).

Eine Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 7 [X.] liegt in der strafrechtlichen Rehabilitierung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen mit Beschluss des [X.] ... vom 24. Oktober 2005. Die Entscheidung der [X.] vom 22. Oktober 1954 erfüllt den Tatbestand noch nicht, weil sie keine rechtsst[X.]tliche Missbilligung der Verurteilung erkennen lässt (vgl. Urteile vom 25. Februar 1999 a.a.[X.] bzw. <6> und vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 [X.] 16.99 - BVerwGE 111, 182 <185> = [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 4). Erst der [X.] vom 24. Oktober 2005 bezeichnet die strafrechtliche Verurteilung und die [X.] als rechtsst[X.]tswidrig und hebt sie darum insgesamt auf. Für die Rechtsfolgen verweist § 3 Abs. 2 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ([X.]) auf das [X.].

b) Eine vermögensrechtliche Rückgabeberechtigung folgt aus der [X.] nach § 1 Abs. 7 [X.] jedoch nur, wenn die begehrte Rückgabe im Zusammenhang mit der Aufhebung der rechtsst[X.]tswidrigen Entscheidung steht. Das setzt voraus, dass der zurückzugebende Vermögenswert durch die aufgehobene rechtsst[X.]tswidrige Entscheidung entzogen wurde. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die rechtsst[X.]tswidrige Entscheidung noch im Zeitpunkt der Rehabilitierung den Rechtsgrund des Vermögensverlusts bildete, sodass ihre Aufhebung die Vermögensverschiebung [X.] werden ließ.

Ob diese Voraussetzungen vorliegen ist hier umfassend zu prüfen. Die Bindungswirkung des strafrechtlichen [X.]es nach § 3 Abs. 2 [X.] steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich nur auf Fragen, über die im Rehabilitierungsverfahren entschieden wurde (vgl. Urteil vom 19. Juli 2000 - BVerwG 8 [X.] 6.99 - [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 5 S. 21). Außerdem wirkt sie nicht zulasten derjenigen Verfügungsberechtigten, die - wie die Klägerin - nicht am Rehabilitierungsverfahren beteiligt waren und deshalb effektiven Rechtsschutz nur im vermögensrechtlichen Verfahren erlangen können (vgl. Urteile vom 24. Juni 2004 - BVerwG 7 [X.] 21.03 - [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 14 S. 50 f., vom 19. Mai 2005 - BVerwG 7 [X.] 18.04 - [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 15 S. 56 und vom 6. August 2008 - BVerwG 8 [X.] 2.08 - [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 19 S. 56; Beschluss vom 15. Juli 2010 - BVerwG 8 B 4.10 - [X.] 2010, 223).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die strafgerichtliche [X.] die verfahrensgegenständlichen Flurstücke erfasste ([X.]) und nicht schon vor der Rehabilitierung rückgängig gemacht wurde ([X.]). Das angegriffene Urteil übersieht aber, dass der Zusammenhang zwischen der rehabilitierungsrechtlichen Aufhebung der [X.] und der begehrten Rückgabe auch mit einem wirksamen Verzicht auf die Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts entfällt und dass ein solcher Verzicht hier vorliegt (cc).

[X.]) Die strafgerichtliche [X.] erstreckte sich auf die gesamte Neubauernwirtschaft des [X.] und erfasste alle dazu gehörenden [X.]. Offen bleiben kann, ob der endgültige Vermögensverlust schon mit der Rechtskraft des Strafurteils eintrat (vgl. Urteile vom 19. Juli 2000 a.a.[X.] und vom 6. August 2008 a.a.[X.] Rn. 21) oder ob er wegen des faktischen Enteignungsbegriffs des [X.] einen tatsächlichen Zugriff voraussetzte (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 7 [X.] 18.05 - BVerwGE 126, 213 = [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 17). Ein solcher Zugriff liegt hier jedenfalls darin, dass die LPG "Pionier" L. das landwirtschaftliche Inventar übernahm und die Felder nicht nur während der Haftzeit des [X.] bestellte, sondern trotz seiner Haftentlassung ab dem 30. Juni 1953 dauerhaft zur Eigenbewirtschaftung erhielt. An diese verwaltungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ist der Senat mangels wirksamer Verfahrensrügen nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Dass die [X.] im Grundbuch zunächst nicht umgeschrieben wurden, schließt den faktischen Zugriff auf den landwirtschaftlichen Betrieb nicht aus. Die Verzögerung der Umschreibung erklärt sich aus der bodenreformrechtlichen Bindung der Grundstücke, die eine Neuzuteilung an einen anderen Neubauern erforderte, und aus den aktenkundigen Schwierigkeiten, einen Interessenten für die Übernahme der hoch verschuldeten Hofstelle mit dem reparaturbedürftigen Gebäude zu finden. Dies ermöglichte [X.] auch, weiterhin dort zu wohnen.

[X.]) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in der Entscheidung der Härtefallkommission oder dem [X.] keine Rückgabe der entzogenen Neubauernstelle gesehen. Eine die Vermögensentziehung aufhebende, die vermögensrechtliche Restitution erübrigende Rückabwicklung liegt nur vor, wenn die Entziehung vollständig rückgängig gemacht und der Betroffene wieder in seine vorherige Rechtsstellung eingesetzt wurde (vgl. Urteile vom 20. März 2002 - BVerwG 8 [X.] 2.01 - [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 8 S. 30 <33> und vom 29. Juni 2006 a.a.[X.] Rn. 14). Das ist hier nicht geschehen.

Die stattgebende Entscheidung der Härtefallkommission vom 30. Oktober 1953 führte keine vollständige Wiedergutmachung herbei. Sie hob weder die [X.] auf, noch setzte sie [X.] erneut in das entzogene Bodenreformeigentum ein. Das Strafurteil und die damit verhängte [X.] blieben ausdrücklich aufrecht erhalten. Die Entscheidung, [X.] die Flurstücke zur persönlichen Nutzung zu überlassen, verlieh ihm ein Nutzungsrecht nach Maßgabe der Richtlinie 2, ohne ihm wieder Bodenreformeigentum zuzuteilen. Dass er nach wie vor als Bodenreformeigentümer im Grundbuch eingetragen war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Solange die [X.] wirksam blieb, erschöpfte die Eintragung sich in einer bloßen Buchposition.

Der [X.] vom 22. Oktober 1954 bewirkte ebenfalls keine vollständige Rückabwicklung der [X.]. Entgegen dem angegriffenen Urteil folgt dies allerdings nicht schon daraus, dass die Gnadenentscheidung keine Rehabilitierung vornahm. Zur Rückabwicklung einer Entziehung genügt, dass das entzogene Recht wieder eingeräumt und der Vermögenswert zurückgegeben wird. Aus welchem Rechtsgrund dies geschieht, ist unerheblich. Die Rückabwicklung kann daher auch durch eine nicht rehabilitierende Maßnahme bewirkt werden. [X.] fehlerfrei hat das Verwaltungsgericht jedoch angenommen, der [X.] habe mangels sachenrechtlicher Gestaltungswirkung keine Rückabwicklung herbeigeführt. Die dagegen erhobenen Verfahrensrügen der Klägerin gehen fehl. Die tatrichterlichen Feststellungen zum [X.] sind weder aktenwidrig noch denkfehlerhaft. Das Verwaltungsgericht verneint weder die Aufhebung der [X.] noch deren unmittelbare Wirkung. Es geht lediglich davon aus, dass damit - wie im Fall einer [X.] nach § 3 Abs. 2 [X.] - nur der Rechtsgrund der Entziehung beseitigt, das eingezogene Vermögen aber noch nicht rechtsgestaltend in das Eigentum des Betroffenen überführt wurde. Aus der Richtlinie 7/54 ergibt sich nicht, dass diese Schlussfolgerung denklogisch unmöglich wäre. Vielmehr gehen Ziffern [X.] und [X.] der Richtlinie von der Notwendigkeit einer Übertragung oder Rückgabe des entzogenen Vermögens "in das Eigentum" des Betroffenen aus. Die von der Klägerin zitierte Regelung der Berichtspflicht zur Rückübertragung spricht ebenfalls für die Notwendigkeit eines Vollzugsakts. Hier unterblieb die Rückgabe, weil die st[X.]tlichen Stellen davon ausgingen, mit der Verzichtserklärung des [X.] habe sich die Rückgabe der entzogenen Neubauernstelle erledigt. Wertersatz für das Inventar wurde unter Hinweis auf abgelöste und noch offene Verbindlichkeiten abgelehnt.

cc) Entgegen dem angegriffenen Urteil folgt aus dem Unterbleiben der Rückgabe aber noch nicht, dass der Vermögensverlust im Zeitpunkt der Rehabilitierung noch auf der rechtsst[X.]tswidrigen [X.] beruhte. Vielmehr stellt der am 4. Dezember 1953 erklärte Verzicht einen selbstständigen Rechtsgrund für den Vermögensverlust dar.

Mit der schriftlichen Erklärung vom 4. Dezember 1953 hat [X.] gegenüber dem Rat des [X.] wirksam auf die Rückgabe des entzogenen [X.] verzichtet. Die gegenteilige Auslegung der Vorinstanz, dass [X.] nur das Angebot auf Nutzungsüberlassung abgelehnt habe, widerspricht den gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, die im Zeitpunkt der Erklärung auch in der [X.] galten. Danach ist der erklärte Wille bei empfangsbedürftigen Erklärungen anhand des Wortlauts unter Berücksichtigung der für den Adressaten erkennbaren Umstände zu ermitteln.

Der Wortlaut der Verzichtserklärung vom 4. Dezember 1953 ist eindeutig. [X.] verzichtete ausdrücklich auf die Grundstücke, für die er als Bodenreformeigentümer eingetragen war. Diese Erklärung bezieht sich nicht nur auf die Nutzungsüberlassung oder auf ein entsprechendes Angebot, sondern auf das Bodenreformeigentum selbst. Der Verzicht darauf geht nicht schon wegen der strafgerichtlichen [X.] ins Leere. Soweit die Einziehung vollzogen wurde, schließt er einen künftigen Rückgabeanspruch aus. Darüber hinaus erstreckt er sich auf die Eigentumseintragung im Grundbuch, die [X.] verblieben war und die ihm wegen der stattgebenden Entscheidung der Härtefallkommission nach Teil B Abschnitt [X.] Ziffer 3 Abs. 2, Abschnitt [X.] der Richtlinie 2 trotz der [X.] und selbst bei Verweigerung der Nutzungsübernahme nicht mehr entzogen werden durfte. Dieser Buchposition konnte [X.] sich nur durch Verzicht auf das Eigentum selbst entledigen.

Für einen umfassenden Verzicht sprechen auch die für den Adressaten erkennbaren Umstände der Erklärung. Danach wollte [X.] jede Rückgabe der Neubauernstelle abwenden, die ihn gezwungen hätte, die absehbar unrentable Bewirtschaftung der hoch verschuldeten Hofstelle samt allen damit verbundenen Lasten zu übernehmen. Das galt sowohl für eine nur faktische Rückgabe durch die bereits beschlossene Nutzungsüberlassung als auch für eine vollständige, die Rückübertragung des [X.] einschließende Rückabwicklung der Entziehung.

Bereits die Nutzungsüberlassung hätte [X.] wieder eine dem Bodenreformeigentum vergleichbare Rechtsstellung verschafft. Das Recht zur persönlichen Nutzung entsprach dem Recht zur Bewirtschaftung der Neubauernstelle, das [X.] des [X.] bildete. Der persönliche [X.]harakter des Nutzungsrechts bildete den Zuweisungsgehalt dieses Eigentums ab, das nur dem Neubauern selbst zustand und nicht veräußert oder verpfändet werden durfte (vgl. dazu §§ 1, 13 der im Zeitpunkt der Härtefallentscheidung geltenden Verordnung über die Auseinandersetzung bei Besitzwechsel von [X.] aus der Bodenreform vom 21. Juni 1951, GBl [X.] I S. 629; Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 7 [X.] 32.92 - BVerwGE 95, 170 <172 ff.> = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 17 S. 10 f.). Der Hinweis der Härtefallkommission auf die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des überlassenen Vermögens machte deutlich, dass mit dem Nutzungsrecht die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung verbunden war. Für das Bodenreformeigentum ergab sie sich aus dessen rechtlicher Ausgestaltung als persönliches Arbeitseigentum (Urteil vom 25. Februar 1994 a.a.[X.] S. 11).

Wegen der hohen Verschuldung der Neubauernstelle, des erheblichen Reparaturbedarfs und der Vorgeschichte der strafgerichtlichen Verurteilung musste [X.] davon ausgehen, dass die Neubauernstelle nicht zu bewirtschaften war, ohne erneut die Erfüllung von [X.] oder die Existenz seiner Familie zu gefährden. Dieses Dilemma war auch für den Rat des [X.] erkennbar, der um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wusste. Es bestand nicht nur bei der beschlossenen Nutzungsüberlassung, sondern auch und erst recht bei einer vollständigen Rückübertragung des [X.]. Das Kreisgericht hatte [X.] in den Entscheidungsgründen des Strafurteils darauf hingewiesen, dass er seiner Notlage nicht durch Rechtsbruch, sondern nur durch Verzicht auf die Neubauernstelle hätte entgehen können. Mit der Verzichtserklärung auf dem dafür vorgesehenen Formular zog er die entsprechenden Konsequenzen.

Für die Wirksamkeit seines Verzichts ist unerheblich, ob die spätere Aufhebung der [X.] für ihn absehbar war. Zum einen konnte er auch auf eine ungewisse künftige Rückübertragung des [X.] verzichten. Zum anderen ergibt sich aus den dargelegten Umständen, dass er seinen Verzicht gerade in Kenntnis der Folgen einer Rückgabe endgültig und vorbehaltlos erklärte, um die Neubauernstelle auf keinen Fall wieder zurücknehmen zu müssen. Der Verzicht ist auch nicht wegen [X.] unwirksam. Dass er nicht auf eine Nötigung, einen Machtmissbrauch oder sonstige unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 [X.] zurückzuführen war, hat das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen bereits mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1996 bestandskräftig auch gegenüber den Beigeladenen festgestellt.

Der Verzicht stellt keine bloß hypothetische und deshalb unbeachtliche Reserveursache für den Vermögensverlust dar. Allerdings entfällt ein vermögensrechtlicher Anspruch wegen einer Schädigung nicht schon, wenn der Vermögenswert andernfalls durch eine spätere, tatsächlich ins Leere gehende Entziehungsmaßnahme verloren gegangen wäre (Urteil vom 19. Juli 2000 - BVerwG 8 [X.] 6.99 - [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 5 S. 21). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der Verzicht stellt keine zweite, tatsächlich wirkungslose Schädigung dar, die nur bei Fehlen der Erstschädigung Bedeutung gewonnen hätte. Vielmehr knüpfte er gerade an die [X.] und die Milderung ihrer Rechtsfolgen durch die Entscheidung der Härtefallkommission an. Er ließ die dadurch geschaffene Rechtsposition entfallen und schloss eine Rückabwicklung der Enteignung aus. Als selbstständiger Rechtsgrund für den dauerhaften Vermögensverlust blieb er von der späteren Aufhebung der [X.] im Rehabilitierungsverfahren unberührt. Da die Vermögensverschiebung nicht [X.] wurde, konnte die Rehabilitierung keinen Anspruch auf vermögensrechtliche Restitution auslösen.

c) Bezüglich des Flurstücks b ist die Annahme eines [X.] gegen die Klägerin nach § 6 Abs. 6a Satz 3 [X.] außerdem fehlerhaft, weil dieser Anspruch sich nur gegen den Verfügungsberechtigten richtet, die Klägerin aber nicht Verfügungsberechtigte des betreffenden Grundstücks war. Mit [X.] vom 6. Juli 1993 war es der Klägerin des Verfahrens BVerwG 8 [X.] 16.11 - unter ihrer früheren Bezeichnung als [X.] (vgl. § 1 der Verordnung vom 20. Dezember 1994, [X.]) - zugeordnet worden. Ausweislich des Kaufvertrages handelte die Klägerin des vorliegenden Verfahrens bei der Veräußerung lediglich als notariell Bevollmächtigte der Verkäuferin.

2. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht auf den dargelegten rechtlichen Mängeln und ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Aus § 1 Abs. 3 [X.] können die Beigeladenen keine vermögensrechtliche Berechtigung herleiten, weil eine Schädigung durch unlautere Machenschaften mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1996 bestandskräftig verneint wurde. Sonstige [X.] kommen nicht in Betracht. Auf die rechtzeitige Anmeldung von [X.] und die Auslegung des Schreibens vom 30. November 2005 kommt es danach nicht mehr an.

3. Die verwaltungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen erlauben eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Klage ist nach § 113 Abs. 1 VwGO stattzugeben, weil Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, finden die Berechtigungsfeststellung und die Feststellung des [X.] gegen die Klägerin im [X.] keine Grundlage.

Meta

8 C 15/11

05.07.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Dresden, 25. November 2010, Az: 7 K 1725/08, Urteil

§ 3 Abs 2 StrRehaG, § 1 Abs 3 VermG, § 1 Abs 7 VermG, § 6 Abs 6a S 3 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.07.2012, Az. 8 C 15/11 (REWIS RS 2012, 4973)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4973

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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