Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2016, Az. IX ZR 197/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13017

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:140416UIXZR197.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 197/15

Verkündet am:

14. April 2016

Kirchgeßner

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 512, 321a Abs. 5
Das Rechtsmittelgericht hat die Entscheidung des unteren Gerichts, aufgrund einer Anhörungsrüge das Verfahren fortzuführen, darauf
zu überprüfen, ob die Anhörungs-rüge statthaft, zulässig und begründet war.
ZPO § 321a; GG Art. 103 Abs. 1
Mit einer Anhörungsrüge muss eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleis-teten Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG geltend
gemacht werden. § 321a ZPO eröffnet keine Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft bei anderen Verfahrensverstößen (im [X.] an [X.], Beschluss vom 13. [X.] -
I ZR 47/06, [X.], 2126).
[X.], Urteil vom 14. April 2016 -
IX ZR 197/15 -
LG
[X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2016 durch den Richter [X.] als Vorsitzenden, [X.]
Dr. Gehrlein, die Richterin [X.], die Richter [X.] und Dr.
Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 27. August 2015 wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin -
eine nach eigenen Angaben aus zwei Anwälten [X.] Anwaltssozietät, die in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auftritt
-
verlangt von den Beklagten restliches Anwaltshonorar in Höhe von 387,35

bürgerlichen Rechts
existiere, und weiter behauptet, sie hätten nur einem der beiden Anwälte, nicht aber der Klägerin ein Mandat erteilt. Zudem sei die Hono-rarrechnung überhöht, die Klägerin bereits überzahlt und es stünden ihnen [X.] aus schuldhafter Verletzung des [X.] zu.

Mit Urteil vom 27.
Januar 2012 hat das Amtsgericht die Klage als unbe-gründet abgewiesen, weil die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten habe, dass sie als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehe. Auf die dagegen von 1
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der Klägerin erhobene Anhörungsrüge gemäß §
321a ZPO hat das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 19.
Juni 2012 fortgesetzt und die mit der An-hörungsrüge benannten Zeugen vernommen. Die Beklagten rechneten [X.] mit Schadensersatzansprüchen auf und erhoben [X.], mit der sie Zahlung von 758,47

als Schadensersatz aus Anwaltsverschulden
verlangten. Mit Urteil vom 16.
April 2013 hat das Amtsgericht das Urteil vom 27.
Januar 2012 aufrecht erhalten, weil die Klage unzulässig sei. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie tatsächlich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet sei. Die Klägerin erhob wiederum Anhörungsrüge; am 4.
Februar 2014 hat das [X.] beschlossen, das Verfahren fortzusetzen.

Mit Urteil vom 6.
November 2014 hat das Amtsgericht die Beklagten ver-urteilt, an die Klägerin 387,35

Oktober 2011 im Wege der Aufrechnung gezahlter 257,42

Übrigen hat es die Klage und die [X.] abgewiesen. Auf die dagegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht diese
Entscheidung
des Amtsgerichts aufgehoben und die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Amtsge-richts vom 16.
April 2013 -
unter Zurückweisung der von der Klägerin eingeleg-ten [X.]berufung
-
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zugelassenen Revision, mit der sie die vollständige Verurteilung der Beklagten und die Abweisung der [X.] anstrebt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Zulässigkeit und Begrün-detheit einer [X.] sei im [X.] zu überprüfen. Anders als §
321a Abs.
4 ZPO enthalte §
321a Abs.
5 ZPO für die erfolgreiche [X.] keine Bestimmung, dass die Entscheidung unanfechtbar sei. Die [X.] der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.
April 2013 sei unbe-gründet. Eine Gehörsverletzung habe nicht vorgelegen. Das Amtsgericht sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin nach durchgeführter Beweisaufnahme darauf hinzuweisen, dass es den Beweis bislang nicht als erbracht ansehe. Das Amtsgericht habe die Zeugenaussagen vollständig zur Kenntnis genommen; die Würdigung der Zeugenaussagen stelle keinen
Gehörsverstoß dar. Ebenso [X.] sich das Amtsgericht mit dem Antrag auf Einholung einer amtlichen Auskunft auseinandergesetzt.

Der Rechtsstreit sei daher mit dem Urteil des Amtsgerichts vom 16.
April 2013 rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Deshalb sei die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.
April 2013 zurückzuweisen. Über die [X.] sei mangels Bedingungseintritts nicht mehr zu entscheiden.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Entschei-dung eines Gerichts, auf eine Anhörungsrüge hin das Verfahren fortzuführen, vom Rechtsmittelgericht darauf zu überprüfen ist, ob die Anhörungsrüge [X.], zulässig und begründet war.

aa) Zu Unrecht meint die Revision, eine Überprüfung der Entscheidung des Amtsgerichts, das Verfahren gemäß §
321a Abs. 1, 5 ZPO fortzuführen, scheide aufgrund der Selbstbindung des Amtsgerichts aus. Es mag sein, dass 5
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ein Gericht an die von ihm getroffene Entscheidung, ein Verfahren auf die An-hörungsrüge einer Partei gemäß §
321a Abs.
1, 5 ZPO fortzusetzen, selbst ge-bunden ist. Dieses aus §
318 ZPO ([X.], [X.], 497, 498; [X.]/Musielak, 4.
Aufl. §
321a Rn. 16; [X.], ZPO, 22.
Aufl. §
321a Rn. 56; vgl. auch [X.], [X.], 296; a.[X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 74.
Aufl. §
321a Rn.
54) hergeleitete Ergebnis sagt jedoch nichts darüber aus, ob die Entschei-dung des Gerichts, das Verfahren gemäß §
321a Abs.
1, 5 ZPO fortzusetzen, in der Rechtsmittelinstanz überprüft werden kann. §
318 ZPO regelt eine Innen-bindung für das Gericht, das die Entscheidung in der Instanz gefällt hat (vgl. [X.]/Vollkommer, ZPO, 31.
Aufl. §
318 Rn. 10; [X.]/Musielak, aaO §
318 Rn. 8); eine bindende Wirkung im Instanzenzug folgt daraus nicht.

[X.]) Das Rechtsmittelgericht hat vielmehr -
wie das Berufungsgericht [X.] angenommen hat
-
die Entscheidung des unteren Gerichts, ein Verfah-ren gemäß §
321a Abs.
1, 5 ZPO fortzuführen, nach einem zulässigen [X.] zu überprüfen. Dies folgt aus den allgemeinen Bestimmungen des Rechtsmittelrechts. Danach ist ein im Instanzenzug höheres Gericht nicht an die der Endentscheidung vorausgehenden Entscheidungen des unteren [X.] in derselben Sache gebunden (arg. §§
512, 557 Abs.
2 ZPO). Es ist ge-rade Sinn eines Rechtsmittels, dass auch solche Entscheidungen
überprüft werden, die der Endentscheidung vorausgegangen sind ([X.]/
Schütze/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
512 Rn. 2; [X.]/
[X.], 4.
Aufl. § 512 Rn. 1). Ausnahmen ergeben sich aus ausdrück-lichen gesetzlichen Anordnungen oder aus dem Sinn
und Zweck der pro-zessualen Vorschriften. Beides ist für die Fortsetzung des Verfahrens nach §
321a Abs.
5 ZPO nicht der Fall.

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(1) Eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, dass die vom Gericht gemäß §
321a Abs.
5 Satz 1 ZPO getroffene Entscheidung unanfechtbar ist, besteht nicht. Der Gesetzgeber hat lediglich die Entscheidung des Gerichts, die Rüge als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen, für unanfechtbar erklärt (§
321a Abs.
4 Satz 4 ZPO). Für die Entscheidung des [X.], das Verfahren fortzuführen (§
321a Abs.
5 ZPO), fehlt es jedoch an einer solchen gesetzlichen Anordnung.

(2) Ebensowenig kann aus Sinn und Zweck der Regelungen über die Rüge nach §
321a ZPO angenommen werden, dass die Entscheidung des [X.], das Verfahren fortzusetzen, in der Rechtsmittelinstanz nicht überprüfbar ist. Im Gegenteil ergibt sich aus den gesetzlichen Wertungen, dass das Rechtsmittelgericht aufgrund eines zulässigen Rechtsmittels auch zu prüfen hat, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war und ob das erstinstanzliche Gericht den Umfang der sich aus §
321a Abs.
5 ZPO ergeben-den Abänderungsbefugnis eingehalten hat.

(a) So ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die nachträgliche Zulassung des Rechtsmittels aufgrund einer Anhörungsrüge un-wirksam, wenn kein auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag der Parteien [X.] übergangen worden ist ([X.], Urteil vom 4.
März 2011 -
V
ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 4, 6; vom 1.
Dezember 2011 -
IX
ZR 70/10, [X.], 325
Rn. 7
f; vom 16.
September 2014 -
VI
ZR 55/14, [X.], 82, Rn. 7, 9). Denn die Anhörungsrüge nach §
321a ZPO räumt dem [X.] keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein dazu, [X.] gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör zu beheben ([X.], NJW 2009, 3710 Rn.
17; [X.], Urteil vom 4.
März 2011 aaO Rn. 6; vom 1.
Dezember 2011 aaO Rn. 8; vom 16.
September 2014 aaO Rn. 9). Fehlt es an einer ent-11
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scheidungserheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs, ist das Ausgangs-gericht vielmehr gemäß §
318 ZPO an die von ihm getroffene Entscheidung gebunden ([X.], Urteil vom 4.
März 2011 aaO Rn. 4; vom 1.
Dezember 2011 aaO Rn. 7; vom 16.
September 2014 aaO Rn. 7).

(b) Hierfür sprechen weiter rechtssystematische Überlegungen. Das vom Gesetz für eine Anhörungsrüge vorgesehene Verfahren lehnt sich an die Rege-lungen des [X.] an (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 86; 15/1508 S.
19). Für das [X.] entspricht es aber allgemeiner Auffas-sung, dass auch das [X.] wegen zu überprüfen hat, ob der Einspruch statthaft und zulässig war ([X.], Urteil vom 21.
Juni 1976 -
III
ZR 22/75, NJW 1976, 1940; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl. §
341 Rn. 6). Ebenso hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung statthaft und zulässig war ([X.], Urteil vom 30.
September 1987 -
IVb
ZR 86/86, [X.]Z 102, 37, 38 mwN).

Soweit der Anhörungsrüge eine mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder der Wiederaufnahme vergleichbare prozessuale Funktion zukommt (BT-Drucks. 15/3706 S. 14, 16; Musielak/[X.]/Musielak, ZPO, 13.
Aufl., §
321a Rn. 2; [X.]/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. §
321a Rn. 2), ergibt sich daraus nicht, dass die Entscheidung des Gerichts, das Verfahren gemäß §
321a Abs. 1, 5 ZPO fortzusetzen, unanfechtbar ist. So ist die Entscheidung, ein durch rechts-kräftiges Endurteil geschlossenes Verfahren aufgrund einer Nichtigkeits-
oder Restitutionsklage wiederaufzunehmen, im Rechtsmittelzug überprüfbar
(vgl. [X.], Urteil vom 21.
Oktober 2004 -
IX ZR 59/04, [X.]Z 161, 1, 3). Soweit §
238 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass Entscheidungen, mit denen einer Partei Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, unanfechtbar sind, fehlt eine vergleichbare Bestimmung in §
321a Abs. 5 ZPO für die Entscheidung des Ge-14
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richts, das Verfahren fortzusetzen. Da der Gesetzgeber in §
321a Abs. 4 ZPO ausdrücklich die Verwerfung und die Zurückweisung der Rüge für unanfechtbar erklärt hat, eine solche Regelung für die Fortführung des Verfahrens in §
321a Abs. 5 ZPO jedoch fehlt, spricht dies für eine bewusst getroffene Entscheidung des Gesetzgebers. Dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich nichts dafür ent-nehmen, dass es sich hierbei um ein Versehen handelt. Eine vergleichbare un-terschiedliche Regelung der Anfechtbarkeit findet sich vielmehr auch in anderen Bestimmungen der ZPO (vgl. etwa §
46 Abs. 2, §
406 Abs. 5 ZPO).

(c) Die Überlegung der Revision, es widerspreche dem Gebot der Rechtssicherheit, eine Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz zu überprüfen, trifft nicht zu. Auch wenn -
wie die Revi-sion geltend macht
-
eine zunächst parallel zur Anhörungsrüge anhängig ge-machte Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den Erfolg der Anhörungsrüge in der Instanz für erledigt erklärt worden ist, steht dies einer Überprüfung der Anhörungsrüge nicht entgegen. Da im Rechtsmittelzug zu prüfen ist, ob tat-sächlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, werden die Rechte des Beschwerdeführers durch eine solche Überprüfungsmöglichkeit nicht
ver-kürzt. Fehlt es an einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, wäre auch die Ver-fassungsbeschwerde unbegründet gewesen; liegt sie vor, bleibt es bei der Fort-setzung des Verfahrens.

(d) Schließlich ergibt sich auch aus der vom Ausgangsgericht nach einer Fortführung des Verfahrens durchgeführten weiteren materiellen Prüfung des Falles nichts dafür, dass die Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens auch im Rechtsmittelzug unanfechtbar ist.

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Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass [X.] zugelassenes Vorbringen einer Partei im Rechtsmittelzug nicht mehr zurückge-wiesen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 1.
März 2006 -
XII
ZR 210/04, [X.]Z 166, 283 Rn. 22). Hierzu zählt etwa die Zulassung verspäteten Vorbringens entgegen §
296 Abs. 1, 2 ZPO ([X.], Urteil vom 21.
Januar 1981 -
VIII
ZR 10/80, NJW 1981, 928 unter 2.; vom 26. Oktober 1983 -
IVb
ZR
14/82, NJW 1984, 305 unter [X.].; vom 11.
Juni 2010 -
V
ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 27 mwN), entgegen §
528 Abs. 3 ZPO aF ([X.], Beschluss vom 26.
Februar 1991 -
XI
ZR 163/90, NJW 1991, 1896
f) oder entgegen §
531 Abs. 2 ZPO ([X.], Beschluss vom 22.
Januar 2004 -
V
ZR 187/03, NJW 2004, 1458, 1459
unter 4.; Urteil vom 27.
Februar 2007 -
XI
ZR 56/06, NJW 2007, 3127 Rn. 19). Ebenso kann mit einem Rechtsmittel nicht überprüft werden, ob die vom [X.] durchgeführte erneute Tatsachenfeststellung gemäß §
529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig war ([X.], Urteil vom 9.
März 2005 -
VIII
ZR 266/03, [X.]Z 162, 313, 319). Hintergrund ist, dass die Zulassung des verspäteten Vorbrin-gens der Wahrheitsfindung dient; das Interesse an einer materiell richtigen Ent-scheidung ist höher als das Interesse an einer prozessual richtigen Behandlung der [X.].

Diese Sachlage ist jedoch nicht
vergleichbar mit der Frage, ob ein Ver-fahren nach §
321a Abs.
5 ZPO fortzusetzen ist. Denn im Fall des §
321a ZPO ist das Verfahren durch eine Endentscheidung bereits abgeschlossen und ge-gen diese Entscheidung kein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf mehr ge-geben (§
321a Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Es liegt also eine für das Gericht ge-mäß §
318 ZPO bindende und regelmäßig zudem formell rechtskräftige Ent-scheidung vor. Die Anhörungsrüge betrifft damit einen Fall der gesetzlich ange-ordneten Rechtskraftdurchbrechung ([X.], Beschluss vom 24.
Februar 2005 -
III
ZR 263/04, NJW 2005, 1432; vom 15.
Juni 2010 -
XI
ZB 33/09, [X.], 18
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1424 Rn. 17 f; [X.]/Vollkommer, ZPO, 31.
Aufl. §
321a Rn. 2); es handelt sich um einen Rechtsbehelf eigener Art, durch den das Gericht von der Bindungs-wirkung des § 318 ZPO sowie von der formellen und materiellen Rechtskraft freigestellt wird ([X.], Beschluss vom 24.
Juni 2009 -
IV
ZB 2/09, [X.], 40 Rn. 15; Musielak/[X.]/Musielak, ZPO, 13.
Aufl. §
321a Rn.
2).

Sowohl aus den mit der Rechtskraft verfolgten Zielen einer streitbeen-denden Wirkung und einer rechtssicheren Klärung der streitigen Fragen als auch dem Postulat der Rechtsmittelklarheit ([X.]E 107, 395, 416
ff; 122,
190, 203) ergibt sich, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in Betracht kommt. Andernfalls stünde die Rechtskraft und die Bindungswirkung gemäß §
318 ZPO bei einer Anhö-rungsrüge nach §
321a ZPO letztlich zur Disposition des Gerichts. Das ist mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar. Das Interesse an einer Verteidigung der rechtskräftigen Entscheidung ist im Gegenteil schutzwürdig, wenn die Voraussetzungen einer Anhörungsrüge nicht vorliegen. Mithin ist es -
anders als bei der Zulassung verspäteten Vorbringens
-
in den Fällen, in de-nen die Anhörungsrüge nicht statthaft, unzulässig oder unbegründet war, das Gericht aber gleichwohl das Verfahren fortsetzt, geboten, diese Entscheidung im Rechtsmittelzug zu korrigieren.

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Amtsge-richt mit seinem Urteil vom 16.
April 2013 den Anspruch der Klägerin auf [X.] Gehör nicht verletzt hat.

aa) §
321a ZPO eröffnet ausschließlich die Möglichkeit, einen Verstoß gegen den in Art.
103 Abs. 1
GG verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör geltend zu machen (BT-Drucks. 15/3706 S. 14;
[X.], Beschluss vom 13.
De-20
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zember 2007 -
I
ZR 47/06, [X.], 2126 Rn. 4
f; Urteil vom 16.
September 2014 -
VI
ZR 55/14, [X.], 82 Rn. 9; [X.], ZPO, 22. Aufl. §
321a Rn. 38); andere Rechtsverletzungen können nach §
321a ZPO nicht gerügt werden ([X.], Beschluss vom 13.
Dezember 2007 aaO Rn.
5; [X.], NJW 2009, 3710 Rn.
17; [X.]/Schütze/[X.], ZPO,
4.
Aufl., § 321a Rn.
56, 60). Daher ist auf eine Anhörungsrüge hin nur zu prüfen, ob das Gericht gegen Art.
103 Abs. 1 GG verstoßen hat.

[X.]) Die Klägerin hat mit ihrer -
fristgemäß
-
erhobenen Anhörungsrüge vom 26.
April 2013 keine Verletzungen des rechtlichen Gehörs gerügt, die für die Entscheidung des Amtsgerichts erheblich waren. Soweit das Berufungsge-richt angenommen hat, das Amtsgericht habe weder die Hinweispflicht nach §
139 Abs.
3 ZPO verletzt noch die Zeugenaussagen unzureichend zur Kennt-nis genommen, erhebt die Revision die Rügen
der Unverständlichkeit und damit der Willkür. Die entsprechende Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beurteilung des [X.] lässt Willkür nicht erkennen. Insbesondere sind die Gerichte nach Art.
103 Abs.
1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Vorbringens auch ausführlich zu bescheiden ([X.], Beschluss vom 1.
Juli 2008 -
VI
ZR 5/08, [X.], 130 Rn. 1). So liegt der Fall hinsichtlich der Beweis-würdigung durch das Amtsgericht. Hingegen dient eine
Anhörungsrüge nicht dazu, dass das Amtsgericht seine (von der die Anhörungsrüge erhebenden [X.] als falsch angesehene) Beweiswürdigung erneut überprüft und ändert.

Gleiches gilt für die Revisionsrüge der Klägerin, es sei willkürlich, in der Entscheidung des Amtsgerichts über die von der Klägerin beantragte Einholung einer amtlichen Auskunft keine Gehörsverletzung zu sehen. Soweit die Klägerin 23
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gerügt hat, das Amtsgericht habe ihren Antrag auf Einholung einer amtlichen Auskunft nur unvollständig zur Kenntnis genommen, weil sie die Auskunft nicht nur zum Beweis der Tatsache beantragt habe, dass sie beim Finanzamt K.

zum 1.
Juli 2007 zum Zwecke der steuerlichen Erfassung angemel-det worden sei, sondern diese sich auch auf die Tatsache erstrecke, dass sich seit der Anmeldung zum Zweck der steuerlichen Erfassung "daran seither nichts geändert habe", ist damit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darge-tan. Das Amtsgericht hat den Antrag der Klägerin, eine amtliche Auskunft ein-zuholen, zur Kenntnis genommen und in seinem Urteil darüber entschieden. Es hat hierzu ausgeführt, dass eine solche amtliche Auskunft allenfalls diese Mel-dung bestätigen würde, hingegen nicht klären könne, ob die Klägerin fortbe-stand beziehungsweise tatsächlich auch gegründet worden ist. Damit hat das Amtsgericht die von der Klägerin mit der amtlichen Auskunft unter Beweis ge-stellten Tatsachen als wahr unterstellt. Eine solche Vorgehensweise ist im
Beweisrecht zulässig. Dass das Amtsgericht aus der als wahr unterstellten

-
13
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Tatsache nicht die von der Klägerin gewünschten Schlüsse zog,
verletzt das von §
321a ZPO geschützte rechtliche Gehör der Klägerin nicht.

[X.]
Gehrlein
[X.]

Pape
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.11.2014 -
17 [X.]/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 27.08.2015 -
6 [X.]/14 -

Meta

IX ZR 197/15

14.04.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2016, Az. IX ZR 197/15 (REWIS RS 2016, 13017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13017

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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