Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2016, Az. 5 AZR 337/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 13972

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Gegenstand

ERA-Strukturkomponente - Auskunfts- und Zahlungsanspruch


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Mai 2015 - 14 [X.] - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als zurzeit unbegründet abgewiesen wird.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Auskunft und Zahlung aus einem [X.]-[X.].

2

Der Kläger ist bei der [X.], einem Unternehmen der Metallindustrie, beschäftigt. An den drei Standorten der [X.] sind Betriebsräte gebildet und es besteht ein [X.]esamtbetriebsrat. Die Rechtsvorgängerin der [X.], die [X.], schloss mit der [X.] einen „Übernahmetarifvertrag“, wonach bestimmte Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie des Tarifgebiets nordwestliches [X.] auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung finden. Hierzu gehörten der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte, das [X.]emeinsame Entgeltrahmenabkommen [X.] und der Einführungstarifvertrag [X.] (im Folgenden ETV [X.]). Des Weiteren wurde mit der [X.] vereinbart, dass der [X.] erst ab 1. Jan[X.]r 2009 gelten solle und der [X.]-[X.] bis dahin ausgesetzt werde.

3

Der ETV [X.] vom 11. September/18. Dezember 2003/26. März 2008 regelt in § 9 [X.].:

        

„3. Die auf dem [X.]-Konto befindlichen Beträge sind eine Verbindlichkeit des Arbeitgebers aus tariflichen Entgelten, die in früheren Tarifperioden entstanden sind, aber nicht ausgezahlt wurden. … Demgemäß sind sie

        

- entweder zur Deckung betrieblicher Kosten … zu verwenden; …

        

- oder, soweit die Beträge hierfür nicht verbraucht werden, sind sie an diejenigen Beschäftigten auszuzahlen, die zum Aufbau der [X.]-Strukturkomponenten beigetragen haben.

        

4. Stellt sich heraus, dass eine weitere Verwendung von Mitteln des [X.]-[X.] nach den Regeln der betrieblichen Kostenneutralität nicht erforderlich ist, werden die verbleibenden Mittel ausgezahlt. Die Auszahlungsmodalitäten sind in einer Betriebsvereinbarung zu regeln.

        

5. Zu Anspruchsberechtigten im Sinn der Ziff. 3 können nur diejenigen Beschäftigten bestimmt werden, die zum Aufbau der [X.]-Strukturkomponenten beigetragen haben und im Zeitpunkt der späteren Auszahlung in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb stehen.

        

6. Individuelle Ansprüche auf Beträge aus dem [X.]-[X.] bestehen vor Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung gemäß § 4 Ziff. 2 S. 3 bzw. Ziff. 4 dieses Tarifvertrages nicht. …“

4

§ 16 des [X.] enthält eine zweistufige Ausschlussfrist zur [X.]eltendmachung von Ansprüchen.

5

Ab Jan[X.]r 2009 wurde im Betrieb [X.], in dem der Kläger beschäftigt ist, Kurzarbeit geleistet. Die dies regelnde Betriebsvereinbarung bestimmt [X.]. eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds unter Verwendung eines Fonds, ersatzweise der [X.]-Strukturkomponente.

6

Am 24. August 2009 schloss die [X.] mit den [X.] und der [X.] eine Vereinbarung zur Ergänzung und Änderung des [X.], die [X.]. regelt:

        

„§ 1   

        

Termin der [X.]-Einführung

        

Der Termin der [X.]-Einführung in den drei Betrieben … wird auf den 01.04.2010 verschoben.

        

…       

        

§ 3     

        

Verteilung auf die Betriebe

        

Die erstgenannte Rückstellung … wird zu je einem Drittel für jeden der drei Betriebe verwendet; die Rückstellungen in Höhe von … werden ausschließlich für die Mitarbeiter des Betriebes [X.] verwendet.

        

[X.]emäß der Betriebsvereinbarung … werden die für den Betrieb [X.] getätigten oder noch zu tätigenden Rückstellungen zunächst zur Aufstockung des [X.] bis zum Ablauf der … genehmigten Kurzarbeit verwendet. ... Nur soweit die Rückstellungen nicht für diese Aufstockungen zum Kurzarbeitergeld zum Zeitpunkt der Einführung von [X.] verwendet wurden, kommt die restliche Rückstellung aus dem [X.]-Strukturfonds zur Auszahlung an die dann im jeweiligen Betrieb tätigen Arbeitnehmer, soweit die betriebliche Kostenneutralität bei Einführung von [X.] gewahrt ist.

        

Insofern vereinbaren die Betriebspartner, dass die für jeden Betrieb reservierte Rückstellung gleichmäßig an die Mitarbeiter ausbezahlt wird.

        

…       

        

§ 7     

        

Die Regelung in § 3 stellt eine Betriebsvereinbarung im Sinne § 4 Ziff. 2 und § 9 Ziff. 4 des Einführungstarifvertrags [X.] … dar.“

7

Die [X.] schloss am 18./22. Dezember 2009 wiederum mit der [X.] und den [X.] eine Vereinbarung über die Einführung des Entgeltrahmenabkommens ab, wonach [X.] in den Betrieben zum 1. April 2010 eingeführt und der [X.] entsprechend dem Tarifvertrag/der Vereinbarung vom 24. August 2009 an die Mitarbeiter ausgezahlt werde.

8

In Ergänzung der Vereinbarung vom 24. August 2009 schlossen die [X.], die [X.] und die Betriebsräte eine weitere, auf den 15. April 2010 datierte Vereinbarung, die [X.]. regelt:

        

„§ 1   

        

§ 3 der Vereinbarung vom [X.] wird folgendermaßen geändert und ergänzt:

        

Die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung dem jeweiligen Betrieb zugeordneten Rückstellungen aus dem [X.]-[X.] … werden - sofern diese zum Zeitpunkt der Einführung von [X.] am 01.04.2010 nicht bereits zur Aufstockung des [X.] verwendet wurden - auch zukünftig für die Aufstockung des [X.] verwendet, wenn und soweit sich die jeweiligen Betriebsparteien innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten nach Abschluss dieser Vereinbarung über die Anordnung von Kurzarbeit und die Aufstockung des [X.] verständigen.

        

Nach Ablauf eines Zeitraumes von 18 Monaten nach Abschluss dieser Vereinbarung ist die für jeden Betrieb zugeordnete und nicht zur Aufstockung des [X.] verwendete Rückstellung nach den Regelungen der Vereinbarung vom [X.] an die betreffenden Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebs auszuzahlen.

        

…       

        

§ 2     

        

Ziff. [X.] der Vereinbarung vom 22.12.2009 wird dahingehend geändert, dass sich die Verwendung und Auszahlung des [X.]-[X.] ausschließlich nach dieser Vereinbarung richtet.

        

§ 3     

        

1. Die Regelung in § 1 stellt eine Betriebsvereinbarung i.S.v. §§ 4 Ziff. 2, 9 Ziff. 4 des Einführungstarifvertrags [X.] … dar. ...“

9

Am 16. April 2010 gingen die Arbeitsverhältnisse aufgrund Betriebsübergangs von der [X.] auf die Beklagte über. Im November 2010 sicherte die Beklagte den Mitarbeitern mittels [X.]esamtzusage zu,

        

„dass ab dem 16.04.2011 auf die Arbeitsverträge die Bestimmungen des Übernahmetarifvertrages … einschließlich der … Anlagen und seiner Ergänzungsregelungen Anwendung finden.“

Im März 2011 machte der [X.]esamtbetriebsrat der [X.] geltend, die Vereinbarung vom 15. April 2010 sei unwirksam. Er forderte den Abschluss einer Auszahlungsvereinbarung. Die Beklagte berief sich auf fehlende Fälligkeit. Diese könne allenfalls mit Ablauf von 18 Monaten nach Abschluss der Vereinbarung vom 15. April 2010 eintreten.

Nachdem das [X.] ([X.]. - 3 [X.] -) einen Antrag der [X.] zur Einsetzung einer tariflichen Einigungsstelle zur Auszahlung der [X.]-Strukturkomponente zurückgewiesen hatte, wies das [X.] [X.] mit Beschluss vom 27. November 2012 ([X.]. - 1 [X.] -) einen Antrag des [X.]esamtbetriebsrats auf Einsetzung einer betrieblichen Einigungsstelle zur Auszahlung der [X.]-Strukturkomponente zurück. Zur Begründung führte es an, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, weil das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Auszahlung bereits durch die Vereinbarungen vom 18./22. Dezember 2009 und 15. April 2010 abschließend ausgeübt worden sei.

Nach erfolgloser außergerichtlicher [X.]eltendmachung hat der Kläger im Wege der Stufenklage Auskunft und Zahlung geltend gemacht. Er meint, ihm sei ein Anteil am [X.]-[X.] auszuzahlen, weil die [X.]-Einführung im Betrieb kostenneutral durchgeführt und eine Auszahlungsvereinbarung durch die Betriebsparteien getroffen worden sei. Die Beklagte sei zur Erteilung der Auskunft verpflichtet, denn er sei allein nicht in der Lage, seinen Anspruch zu beziffern.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen,

                 

a)    

über die Höhe des [X.]-[X.] gemäß § 9 [X.]-Einführungstarifvertrag für den Betrieb [X.] am 1. April 2010,

                 

b)    

über die Anzahl der im Betrieb [X.] Beschäftigten, die zum Aufbau der [X.]-Strukturkomponente beigetragen haben und zum 1. April 2010 in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb stehen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den sich aus der Auskunft ergebenden Auszahlungsanspruch aus dem [X.]-[X.] an den Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der [X.] sei zur Herstellung der betrieblichen Kostenneutralität verwendet worden. Jedenfalls seien Auskunfts- und Zahlungsanspruch verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil hinsichtlich der Auskunftsstufe stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] das Teilurteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zurückzuweisen. Das [X.] hat die Klage allerdings zu Unrecht als umfassend unbegründet abgewiesen. Die Klage ist als zurzeit unbegründet abzuweisen.

I. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch auf Auskunft und Zahlung aus dem [X.]. Eine Betriebsvereinbarung, welche die Voraussetzungen der § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 [X.] [X.] zur Regelung der [X.] des [X.] erfüllt, ist zwischen den Betriebspartnern noch nicht vereinbart worden.

1. Die Regelungen des [X.] [X.] finden auf das Arbeitsverhältnis des [X.] jedenfalls aufgrund der von der Beklagten im November 2010 erteilten Gesamtzusage Anwendung. Mit dieser hat sich die Beklagte verpflichtet, spätestens ab dem 16. April 2011 die im Übernahmetarifvertrag genannten Tarifverträge im Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt ist, anzuwenden. Hierzu zählt auch der [X.] [X.].

2. Nach § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 [X.] [X.] werden die verbleibenden Mittel des [X.] ausgezahlt, wenn sich am [X.] herausstellt, dass eine weitere Verwendung dieser Mittel nach den Regeln der betrieblichen Kostenneutralität nicht erforderlich ist. Die [X.] sind in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Gemäß § 9 Nr. 5 [X.] [X.] können zu Anspruchsberechtigten nur diejenigen Beschäftigten bestimmt werden, die zum Aufbau der [X.]-Strukturkomponenten beigetragen haben und im Zeitpunkt der späteren Auszahlung noch „in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb“ stehen.

a) Der Inhalt der Vereinbarungen der Betriebspartner vom 24. August 2009 und 15. April 2010 genügt den tariflichen Anforderungen an eine Betriebsvereinbarung nach § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 [X.] [X.] nicht.

Die Regelungen der § 9 Nr. 4, § 4 Nr. 2 [X.] [X.] setzen voraus, dass die Betriebsvereinbarung jedenfalls den Auszahlungszeitpunkt des [X.], dh. die Fälligkeit der Zahlung bestimmt. Ohne Bestimmung der Fälligkeit kann der Kreis der Anspruchsberechtigten nicht festgestellt werden. Dieser kann in Abhängigkeit vom Auszahlungszeitpunkt täglich einer Veränderung unterliegen, weil nach § 9 Nr. 5 [X.] [X.] anspruchsberechtigt nur sein kann, wer im Zeitpunkt der Auszahlung in einem Arbeitsverhältnis im Betrieb steht.

Die Bestimmung der Fälligkeit der Auszahlung fehlt in den Vereinbarungen der Betriebspartner. Es mangelt deshalb an einer den tariflichen Vorgaben entsprechenden Betriebsvereinbarung. Da nach § 9 Nr. 6 [X.] [X.] individuelle Ansprüche auf Beträge aus dem [X.] vor Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung nicht bestehen, ist die Klage auf Auskunft und Auszahlung zurzeit unbegründet.

b) Die rechtskräftige Entscheidung des [X.]s Niedersachsen vom 27. November 2012 (- 1 [X.] -) zur offensichtlichen Unzuständigkeit einer betrieblichen Einigungsstelle steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Entscheidung entfaltet keine Bindungswirkung für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit, weil sie in einem Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG (§ 100 ArbGG nF) ergangen ist.

In dem [X.] wird nicht abschließend und für die Betriebspartner verbindlich die Frage entschieden, ob das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht. Auch die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden mit der Begründung, das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht bestehe offensichtlich nicht, ist keine die Betriebspartner bindende Entscheidung über das Bestehen des Mitbestimmungsrechts. Streitgegenstand des [X.]s ist allein die Errichtung der Einigungsstelle durch Benennung des Vorsitzenden und ggf. durch Bestimmung der Zahl der Beisitzer jeder Seite (vgl. [X.] 25. April 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 62, 1; 9. Mai 1995 - 1 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe). Erst recht entfaltet eine solche Entscheidung keine Bindungswirkung im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer.

II. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Zoller    

        

    Bormann    

                 

Meta

5 AZR 337/15

23.03.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 11. Dezember 2013, Az: 3 Ca 517/13, Teilurteil

§ 98 ArbGG vom 10.12.2001, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2016, Az. 5 AZR 337/15 (REWIS RS 2016, 13972)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13972

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