Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2017, Az. VI ZR 436/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2000

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:211117UVIZR436.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

21. November 2017

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 839 E; ZPO § 301 Abs. 1, § 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7

Wird eine Amtshaftungsklage (hier: gegen einen beamteten Oberarzt einer Uni-versitätsklinik) wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen [X.] (hier: die Universitätsklinik) verbunden und ist die Frage, ob diesen eine Ersatz-pflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitge-nossen durch Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (Be-stätigung [X.]surteil vom 17. Februar 2004 -
VI [X.], [X.], 785).

[X.], Urteil vom 21. November 2017 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
21. November 2017
durch die Richterin von [X.] als Vorsitzende, [X.], die Richterinnen Dr.
[X.], [X.] und [X.]
Klein
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel
der Klägerin werden
das Urteil des 5. Zivilse-nats des [X.] vom 2. September 2016 und das Teilurteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 6.
November 2013 aufgehoben, soweit
über die Klage gegen den [X.]n zu 3 entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittelzüge, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die [X.]n zu 1 bis 5 auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens
wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch.
Die Klägerin wurde am 22.
November 2004 im Hause der [X.]n zu
1, einer Universitätsklinik, durch den [X.]n zu 2 an der Bandscheibe operiert. Der [X.] zu 3 und
Revisionsbeklagte war [X.] be-amteter Oberarzt der Anästhesie, die von den [X.]n zu 4 und 5 durchge-1
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-

3

-

führt wurde. Während der [X.] kam es bei der in Bauchlage gelagerten Klägerin zu einem Husten und einer Spontanbewegung, woraufhin der [X.] zu 2 mit einem Wurzelhaken in die Duraöffnung geriet und diese erweiterte, so dass Liquor abfloss. Postoperativ entwickelte sich bei der Klägerin ein inkom-plettes Cauda-Syndrom, u.a.
mit Blasenlähmung.
Das [X.] hat die Klage
hinsichtlich der [X.]n zu 3 und 4 durch Teilurteil abgewiesen. Etwaige Ansprüche der Klägerin gegen diese seien jedenfalls verjährt. Die Berufung der Klägerin hat das [X.] zu-rückgewiesen. Mit der vom [X.] hinsichtlich des [X.]n zu 3 zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren gegen diesen weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch erheb-lich, den erstinstanzlichen Erlass eines [X.] für zulässig gehalten, da die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen gewesen sei. In der Sache seien etwaige deliktische Ansprüche der Klägerin gegen den [X.]n zu 3
wegen behaupteter
Behandlungsfehler bei Durchführung der Anästhesie sowie wegen eines vermeintlichen Verschuldens bei Auswahl und Überwachung der [X.]n zu 4 und 5 zwar nicht verjährt.
Der [X.] zu 3 könne sich insoweit aber als beamteter Oberarzt auf das [X.] des §
839 Abs.
1 Satz 2 [X.] berufen. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift sei durch die -
tatsächlich auch erfolgte
-
Inanspruchnahme der [X.]n zu 1, 4 und 5 gegeben.
3
4
-

4

-

Verjährt seien dagegen etwaige vertragliche und deliktische Ersatzan-sprüche der Klägerin gegen den [X.] wegen eines Verstoßes desselben
gegen die von der Klägerin mit der liquidationsberechtigten Ärztin für anästhesiologische wahlärztliche Leistungen geschlossenen Wahlleistungsver-einbarung, nach welcher der Revisionsbeklagte als Individualvertreter mit der Erbringung der wahlärztlichen Leistung beauftragt gewesen sei.

II.
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung
nicht stand.
Mit Erfolg wendet sich die Revision bereits dagegen, dass das Berufungsgericht die Abweisung der gegen den [X.]n zu 3 gerichteten Klage durch das [X.] in einem Teilurteil für zulässig gehalten hat.
1.
Ein Teilurteil darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des [X.] nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entschei-dungen -
auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelge-richt
-
ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen [X.] geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch
das Gericht nach §
318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht na-mentlich bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwi-schen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Ver-zahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind ([X.]surteile vom 11.
April 2017 -
VI
ZR 576/15, [X.], 888 5
6
7
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5

-

Rn. 10; vom 1.
März 2016 -
VI
ZR 437/14, [X.], 745 Rn. 30, insoweit in [X.], 157 nicht abgedruckt; vom 29.
März 2011 -
VI
ZR 117/10, [X.], 79 Rn. 15;
jeweils mwN). Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge, aber auch bei [X.] gegen mehrere Personen (subjektive Klagehäufung)
auftreten (vgl. [X.],
Urteil vom 28.
November 2003 -
V
ZR 123/03, [X.]Z 157, 133, 143). Ein [X.] über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist [X.] in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in [X.], auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Ent-scheidungen kommt (vgl. [X.]surteile vom 24.
Februar 2015 -
VI
ZR 279/14, [X.], 271 Rn. 7; vom 25.
November 2003 -
VI
ZR 8/03, [X.], 645, 646; vom 12.
Januar 1999 -
VI
ZR 77/98, VersR
1999, 734 f.). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entschei-dung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist ([X.]surteil vom 24.
Februar 2015 -
VI
ZR 279/14, [X.], 271 Rn. 7; [X.], Urteil vom 13.
Oktober 2008 -
II
ZR 112/07, [X.], 230 Rn.
8). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die aus-schließlich diesen Streitgenossen berühren ([X.] ZPO/Dressler, Stand 15.
September 2017,
§
61 Rn. 12; vgl. zum Ganzen [X.]surteil vom 20.
De-zember 2016 -
VI
ZR 395/15, [X.], 495 Rn. 7).
2.
Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht das Teilurteil des [X.]s nicht mit der Erwägung bestätigen, der [X.] zu 3 könne sich hinsichtlich seiner deliktischen Eigenhaftung auf das [X.] des §
839 Abs.
1 Satz 2 [X.] berufen
und die Klägerin müsse sich auf die an-derweitigen [X.] gegen die [X.]n zu 1, 4 und 5 verweisen lassen. Solange nämlich diese Ersatzmöglichkeit nicht endgültig geklärt ist, be-steht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen.
8
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Eine Ersatzmöglichkeit gegen den [X.]n zu 4 scheidet bereits [X.] aus, weil das Berufungsgericht die Klageabweisung wegen Verjährung -
rechtskräftig
-
bestätigt
hat. Damit ist keine Aussage darüber getroffen, ob der [X.] zu 4 ursprünglich ersatzpflichtig gewesen ist
und ob die Klägerin eine -
vorrangige
-
erfolgreiche Inanspruchnahme des [X.]n zu 4 lediglich schuldhaft versäumt hat, in welchem Fall sie sich auf den Wegfall der Ersatz-möglichkeit nicht berufen dürfte ([X.], Urteil vom 19.
März 1992 -
III
ZR 117/90, [X.], 698, 700; [X.]/[X.], [X.], 2013, §
839 Rn.
297 f.; [X.]/[X.], [X.], 76.
Aufl., §
839 Rn. 58). Sollte das [X.] nach wei-terer Beweisaufnahme auch eine Haftung der [X.]n zu 1
und
5 verneinen, bestünde keine anderweitige Ersatzmöglichkeit
der Klägerin, so dass eine per-sönliche Haftung des [X.]n zu 3 aus §
839 Abs.
1 Satz 1 [X.]
nicht [X.] wäre. Das reicht aus, um ein Teilurteil unzulässig zu machen (vgl. [X.]surteil vom 17.
Februar 2004 -
VI
[X.], [X.], 785).
Ist ein Beamter wegen einer Amtspflichtverletzung nach §
839 [X.] auf Leistung von Schadensersatz allein verklagt, so kann zwar, wenn eine ander-weitige Ersatzmöglichkeit nicht auszuschließen ist, die Klage als (derzeit) unbe-gründet abgewiesen werden. Wird aber die Amtshaftungsklage -
wie hier
-
we-gen desselben Schadens mit der
Klage gegen einen [X.] verbunden, und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, dann darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen durch
Teilurteil abgewiesen wer-den, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist ([X.]surteile vom 17.
Februar 2004
-
VI
[X.], [X.], 785
f.; vom 8.
Dezember 1992 -
VI
ZR 349/91, [X.]Z
120, 376, 380).
III.
9
10
-

7

-

Da etwaige deliktische Ansprüche der Klägerin gegen den [X.]n zu
3 auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht verjährt sind und das [X.] des §
839 Abs.
1 Satz 2 [X.] wie ausgeführt eine Klagabweisung im Wege des [X.] nicht rechtfertigt, stellt dessen Erlass einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Angesichts der teilweise noch ausstehenden, teilweise
vom [X.] zwischenzeitlich [X.] umfangreichen Beweisaufnahme wäre das Berufungsgericht im Streitfall auch nicht aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit befugt, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits zur Beseitigung des Verfahrensfehlers an sich zu ziehen und darüber mitzuentscheiden
(vgl. hierzu [X.], Urteile
vom 13.
Juli 2011 -
VIII
ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn.
33; vom 10.
Oktober 1991 -
III
ZR 93/90, NJW 1992, 511, 512 unter [X.]
mwN). Das Berufungsgericht hätte das erstinstanzliche Urteil vielmehr auf-heben und die Sache gemäß §
538 Abs.
2 Satz 1 Nr.
7 ZPO an das [X.] zurückverweisen müssen. Der [X.] holt diese Entscheidung gemäß §
563 Abs.
3 ZPO im Umfang der Anfechtung durch die Revision nach (vgl. [X.], Ur-teile vom 11.
Mai 2011 -
VIII
ZR 42/10, [X.], 356 Rn. 29; vom 4.
Oktober 2000 -
VIII
ZR 109/99, NJW 2001, 155,
156; vom 12.
Januar 1994 -
XII
ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381; vom 21.
Februar 1992 -
V
ZR 253/90, NJW 1992, 1769, 1770 unter [X.]; vom 29.
Oktober 1986 -
IVb
ZR 88/85, NJW 1987, 441, 442 unter II.; vom 18.
Dezember 1954 -
II
ZR 76/54, [X.]Z 16, 71, 82).
11
-

8

-

Das [X.] wird im Rahmen des weiteren erstinstanzlichen Verfah-rens
Gelegenheit haben, auch das übrige Vorbringen der Parteien
im Revisi-onsrechtszug zu berücksichtigen.
von [X.]
[X.]
[X.]

Roloff
Klein

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.11.2013 -
10 [X.] (2) -

O[X.], Entscheidung vom 02.09.2016 -
5 [X.] -

12

Meta

VI ZR 436/16

21.11.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2017, Az. VI ZR 436/16 (REWIS RS 2017, 2000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2000

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 436/16

5 U 156/13

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