Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2014, Az. 8 AZR 733/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 2793

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Gegenstand

Betriebsübergang - neuer Tankstellenstandort und anderer Pächter - Nebenintervention


Tenor

1. Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten zu 2. als ihres Nebenintervenienten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Mai 2013 - 5 Sa 72/12 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin, die der Nebenintervention hat der Nebenintervenient zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob das ursprünglich zwischen dem Beklagten zu 2. und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis ab Ende September 2011 auf den Beklagten zu 1. übergegangen ist.

2

Die Klägerin war seit 1994 bei dem Beklagten zu 2. in der bis zum 30. September 2011 von ihm betriebenen [X.]ankstelle auf dem Gelände des [X.] ([X.]ankstelle [X.]) mit 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.600,00 Euro als Mitarbeiterin im [X.]ankstellen-Shop beschäftigt.

3

Diese [X.]ankstelle war 1994 von dem Mineralölunternehmen [X.] ([X.]) auf dem von der Hafenentwicklungsgesellschaft gepachteten Grundstück [X.] 13 errichtet und an den Beklagten zu 2. verpachtet worden. Eine Hauptverkehrsachse von den Überseefähren zur Autobahn läuft in der Nähe vorbei. Bis [X.] 2011 war sie - mit Ausnahme einer [X.] „A“ mit geringem Umsatz - die einzige [X.]ankstelle auf dem Gelände des [X.]. Der Beklagte zu 2. verkaufte in seinem [X.]ankstellenbetrieb Kraft- und Schmierstoffe im Namen und auf Rechnung der [X.] und erhielt dafür eine Provision von den Umsätzen. Zuletzt vermittelte er für [X.] einen Jahresumsatz von 17.507.000,00 Euro. Der [X.]ankstelle angeschlossen waren ein in [X.] des Beklagten zu 2. betriebener Shop mit Reiseutensilien, Lebensmitteln und einem Imbiss. Insgesamt beschäftigte er acht Arbeitnehmer/innen in Vollzeit und acht Aushilfskräfte. Mit einigen umsatzstarken Stammkunden aus dem Hafenbereich hatte der Beklagte zu 2. sog. [X.] geschlossen, die ein [X.]anken gegen Rechnung und zu Sonderkonditionen ermöglichten. Zudem konnten Kunden, wie an allen [X.]ankstellen von [X.], mit sog. „m“-Karten bezahlen; der Zahlungsfluss erfolgte dabei unmittelbar zwischen den jeweiligen [X.]ankkunden und [X.]. Laut einer Stammkundenanalyse (unter Auswertung der [X.] der Kassenjournale für die [X.] vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011) hatte die [X.]ankstelle [X.] einen Stammkundenanteil von 86 %. Zum 30. September 2011 kündigte [X.] das Pachtverhältnis mit dem Beklagten zu 2., der seit dem 1. Oktober 2011 keine [X.]ankstelle mehr betreibt.

4

[X.] baute anschließend die [X.]ankstelle [X.] zu einer reinen, von ihr selbst betriebenen [X.] mit je einer Säule für Diesel und [X.] um. Dort kann nur noch per Karte (drei im Speditionsgewerbe übliche Karten, darunter „m“) bezahlt werden. Der Beklagte zu 1. führt für [X.] eine Alarm-Überwachung dieser [X.] durch.

5

Die Hafenentwicklungsgesellschaft hatte vor dem [X.] 2011 ein weiteres Grundstück im Überseehafen an [X.] zur Errichtung einer [X.]ankstelle ([X.]ankstelle [X.]) verpachtet. Die neu erbaute [X.]ankstelle liegt etwa 800 Meter entfernt von der [X.]ankstelle [X.]. An ihr laufen zwei Hauptverkehrsadern zur Autobahn vorbei. Der Beklagte zu 1. erhielt den Zuschlag als Pächter und betreibt sie seit Ende September/Anfang Oktober 2011. Das Gebäude, die Organisation und die Verträge sind ähnlich gestaltet wie bei der [X.]ankstelle [X.]. Nahrungsmittellieferungen werden vom gleichen [X.]ankstellen-Lieferanten bezogen. Von der [X.]ankstelle [X.] übernahm der Beklagte zu 1. nur Kochtöpfe. [X.] hat er weder abgeschlossen noch übernommen. Der Beklagte zu 1. ging nicht auf eine Gemeinschaftsbewerbung aller Mitarbeiter der [X.]ankstelle [X.] ein. Nach [X.] auf seine Stellenausschreibung stellte er drei bis vier frühere Beschäftigte in Vollzeit und vier bis fünf als Aushilfen mit schlechteren Arbeitsbedingungen ein. Die Klägerin war nicht darunter.

6

Mit Schreiben vom 5. September 2011 kündigte der Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin „für den Fall, dass kein Betriebsübergang vorliegt“ zum 30. September 2011. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 kündigte er erneut - zum nächst zulässigen [X.]ermin - und berief sich auf betriebsbedingte Gründe.

7

Mit ihrer gegen den früheren Arbeitgeber und gegen den neuen [X.]ankstellenpächter gerichteten Klage, in deren Verfahren der frühere Arbeitgeber - der Beklagte zu 2. - jedenfalls zuletzt auch als Nebenintervenient auf Seiten der Klägerin aufgetreten ist, hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis bestehe ab Ende September 2011 nach erfolgtem Betriebsübergang mit dem Beklagten zu 1. fort. Beide Kündigungen des Beklagten zu 2. seien mangels Kündigungsgrundes und wegen Betriebsübergangs unwirksam. [X.] der Wertschöpfung“ einer [X.]ankstelle liege im Verkauf von Kraftstoffen auf und für Rechnung des jeweiligen [X.]s. Der jeweilige Pächter sei [X.] in wirtschaftlicher und rechtlicher Abhängigkeit vom [X.]. [X.] habe 2011 lediglich seine alte [X.]ankstelle im Überseehafen - einschließlich der darin befindlichen alten, „abgewirtschafteten“ sächlichen Betriebsmittel - durch eine neue in unmittelbarer Nähe ersetzt und dabei den Pächter gewechselt. Insofern sei die Situation vergleichbar mit der der Übertragung der Alleinvertriebsberechtigung von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke, was vom [X.] als ausreichend zur Bejahung eines Betriebsübergangs betrachtet worden sei. Zu dem danach wesentlichen Umstand der Übereinstimmung der Lieferbeziehung zu [X.] kämen weitere einen Betriebsübergang anzeigende Faktoren hinzu: die Übereinstimmung der Ausstattung beider [X.]ankstellen einschließlich der Anzahl der Zapfsäulen, der Bezug von Nahrungsmitteln für Shop und Bistro bei demselben Lieferanten und die gleichbleibenden Kundenbeziehungen. 99 % der Kunden der alten tankten seit [X.] 2011 an der neuen [X.]ankstelle. Das gelte insbesondere für die Stammkunden aus dem Überseehafen und für die zentrale Bedeutung des Fährverkehrs von und nach Skandinavien. Durch die Lage der neuen [X.]ankstelle an einer zweiten Hauptverkehrsachse habe sich die Kundschaft nicht verändert. Die Anzahl der übernommenen Mitarbeiter indiziere hier zwar keinen Betriebsübergang, spreche aber auch nicht dagegen. Die Übernahme der Gesamtbelegschaft sei bewusst vermieden worden.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass mit Wirkung ab dem 26. September 2011 zwischen dem Beklagten zu 1. und der Klägerin ein Arbeitsverhältnis zu den Konditionen des Arbeitsvertrags zwischen dem Beklagten zu 2. und der Klägerin besteht;

        

2.    

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, die Klägerin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags mit dem Beklagten zu 2. weiterzubeschäftigen;

        

3.    

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 5. September 2011 ausgesprochene Kündigung des Beklagten zu 2. unwirksam ist.

9

Der Beklagte zu 2. hat als Nebenintervenient auf der Seite der Klägerin ihren ersten Klageantrag unterstützt. Ein Betriebsübergang zum Beklagten zu 1. liege vor. Hätte die Mineralölgesellschaft die [X.]ankstelle unter Beibehaltung des Standortes abgerissen und neu aufgebaut, läge bei [X.] ohne Frage ein Betriebsübergang vor. Es habe im Wege der Ersetzung alter durch neue ein Übergang der wesentlichen Betriebsmittel - Erdtanks, [X.]anksäulen, Leitungen, flüssigkeitsdichte Fahrbahn, Preismast, Kassenhäuschen mit Shop, Wassereimer, Reinigungsschwämme, Papier- und Handtuchspender - von der alten auf die neue [X.]ankstelle stattgefunden. Die Standortverlagerung von 800 Metern stehe dem nicht entgegen. Aus einer Kundenbefragung - angefertigt auf Beweisbeschluss des [X.] für ein Klageverfahren zum Handelsvertreterausgleichsanspruch zwischen dem Beklagten zu 2. und [X.] - ergebe sich, dass die Stammkunden der alten zur neuen [X.]ankstelle gewechselt seien. Es komme nicht darauf an, ob am neuen Standort neue Kunden hinzugekommen seien. Die nur eingeschränkte [X.] spreche nicht gegen einen erfolgten Betriebsübergang; der Beklagte zu 1. habe durch das Angebot wesentlich schlechterer Arbeitsbedingungen einen weiteren Personalwechsel verhindert.

Der Beklagte zu 1. hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nicht vorliegen. Die Pacht funktionsgleicher Gegenstände von einer Mineralölgesellschaft reiche dafür nicht aus. Kundenbeziehungen seien nicht übergegangen. Ein wesentlicher [X.]eil der Kundschaft der alten sei nicht zur neuen [X.]ankstelle gewechselt. So nutzten einige bisherige gewerbliche Kunden der [X.]ankstelle [X.] nun die dort verbliebene [X.]. Das vom Beklagten zu 2. zur Akte gereichte Gutachten (Kundenbefragung) sei nicht repräsentativ. Daraus gehe zudem eine weit geringere Stammkundenübereinstimmung hervor als die, die der Beklagte zu 2. behaupte.

Das Arbeitsgericht ist nicht von einem Betriebsübergang ausgegangen und hat festgestellt, dass die Kündigung vom 5. September 2011 das Arbeitsverhältnis erst zum 31. März 2012 beendet hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 2. zurückgewiesen. Dem tritt die Klägerin mit der vom [X.] zugelassenen Revision entgegen, unterstützt vom Beklagten zu 2. als Nebenintervenienten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Betriebsübergang von dem Beklagten zu 2. auf den Beklagten zu 1. sei nicht erfolgt. Wesentliche Gesichtspunkte der Wertschöpfung einer [X.]ankstelle seien - zusammengenommen - Ort und Inventar der [X.]ankstelle, der Kundenstamm und die Arbeitnehmer. Diese Aspekte sprächen hier nicht für einen Betriebsübergang. Weder materielle Betriebsmittel noch eine wesentliche Zahl von Arbeitnehmern seien übernommen worden, der Kundenkreis sei nicht im Wesentlichen gleich. Die für einen Betriebsübergang sprechenden Umstände - gleiche Lieferanten, gleiche Branche, vergleichbare Organisation und von [X.] mutmaßlich geplante zeitliche Nähe der Schließung der alten und der Eröffnung der neuen [X.]ankstelle - reichten nicht aus.

Diese Entscheidung stehe mit dem Urteil [X.] und [X.] des [X.] (7. März 1996 - [X.]/94 - Slg. 1996, [X.]) im Einklang. Die Sachverhalte seien unterschiedlich. Im damaligen Fall sei ein Übergang der [X.] auf Standorte in anderen Gemeinden bei Übernahme von 14 von 64 Arbeitnehmern als Betriebsübergang angesehen worden. Jedoch seien im Fall [X.] und [X.] Exklusivvertriebsrechte für ein bestimmtes Gebiet übertragen worden, während vorliegend eine Änderung von einer [X.]ankstelle mit [X.]-Alleinvertrieb im Hafengebiet zu einer [X.]ankstelle erfolgt sei, die mit einer [X.]-Automatentankstelle konkurrieren müsse. Auch liege bei Personenkraftwagen eine stärkere Markenbindung vor als bei [X.]reibstoff. Der Prozentsatz der Wissensträger unter den Arbeitnehmern sei bei Autohäusern außerdem erheblich höher als bei [X.]ankstellen. Demgegenüber fielen bestehende Ähnlichkeiten der Fallgestaltungen - Entzug der [X.] bei gleichzeitiger Vergabe einer ähnlichen [X.], ohne dass Übernahme von Arbeitnehmern, Betriebsmitteln und Ort klar für einen Betriebsübergang sprächen - nicht wesentlich ins Gewicht.

B. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

I. Die Nebenintervention des Beklagten zu 2. erfüllt die Voraussetzungen von §§ 66, 70 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG. Dabei muss die Erklärung des Beitritts (§ 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO) nicht wörtlich und ausdrücklich erfolgen ([X.] 31. Jan[X.]r 2008 - 8 [X.] - Rn. 30 [X.]; vgl. [X.] 16. Jan[X.]r 1997 - I ZR 208/94 - zu II 1 der Gründe; 10. März 1994 - [X.]/93 - zu II 2 der Gründe). Es genügt eine dem Sinne nach eindeutige Äußerung, aus der sich die aktive Beteiligung am Prozess auf einer bestimmten Seite ergibt (vgl. [X.] 31. Jan[X.]r 2008 - 8 [X.] - Rn. 30 [X.]). Unerheblich ist, dass das [X.] die Nebenintervention nicht als solche erkannt hat. Die gebotene Auslegung der [X.] - hier die der Antragstellung und -begründung des Beklagten zu 2. - in ihrer Wirkung insbesondere auf die Prozessbeteiligten (zu diesem Maßstab vgl. [X.] 31. Jan[X.]r 2008 - 8 [X.] - Rn. 30 [X.]) kann grundsätzlich auch noch in einer späteren Instanz erfolgen (vgl. [X.] 10. März 1994 - [X.]/93 - zu II 2 der Gründe). Vorliegend haben zudem sowohl der Beklagte zu 2. als auch die Klägerin und der Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diese Auslegung der erfolgten [X.] des Beklagten zu 2. als zutreffend und mit ihrer Wahrnehmung übereinstimmend bestätigt. Als Nebenintervenient der Klägerin ist der Beklagte zu 2. zur Revisionseinlegung befugt ([X.]. [X.] 31. Jan[X.]r 2008 - 8 [X.] - Rn. 27 [X.]).

II. Die Revisionen der Klägerin und ihres Nebenintervenienten sind nicht begründet. Das [X.] ist von den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung zum Betriebsübergang ausgegangen und hat sie zutreffend auf den Streitfall angewendet.

1. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/[X.] liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. [X.] 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] [X.].] Rn. 30 [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 40 [X.]; 15. Dezember 2011 - 8 [X.] - Rn. 39 [X.]). Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren [X.]ätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen [X.]ätigkeit mit eigenem Zweck ([X.] 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] [X.].] Rn. 31 f. [X.]). Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten [X.]ätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher [X.] 15. Dezember 2005 - [X.] und [X.]/04 - [[X.] und [X.]] Rn. 35, Slg. 2005, [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 40 ff. [X.]). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden [X.]atsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten [X.]ätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser [X.]ätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur [X.]eilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. [X.]. [X.] 20. Jan[X.]r 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 34 [X.], Slg. 2011, [X.]; [X.] 23. Mai 2013 - 8 [X.] - Rn. 22; 15. Dezember 2011 - 8 [X.] - Rn. 39). Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende [X.]ätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen [X.]eil des Personals übernimmt ([X.] 6. September 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 49, Slg. 2011, [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 41). Hingegen stellt die bloße Fortführung der [X.]ätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine [X.] (vgl. [X.] 20. Jan[X.]r 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 36, aaO; [X.] 23. September 2010 - 8 [X.] - Rn. 30). Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. [X.] 20. November 2003 - [X.]/01 - [[X.] [X.].] Rn. 37, Slg. 2003, [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 42). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist ([X.] 20. November 2003 - [X.]/01 - [[X.] [X.].] Rn. 41 [X.], aaO; [X.] 11. Dezember 1997 - 8 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 87, 296). Der Begriff „durch Rechtsgeschäft“ des § 613a BGB ist wie der Begriff „durch vertragliche Übertragung“ in Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2001/23/[X.] (dazu [X.]. [X.] 7. März 1996 - [X.]/94 - [[X.] und [X.]] Rn. 28, Slg. 1996, [X.]; 6. September 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 63, aaO) weit auszulegen, um dem Zweck der Richtlinie - dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens - gerecht zu werden. So ist es nicht erforderlich, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines [X.], wie zB des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen ([X.]. [X.] 20. November 2003 - [X.]/01 - [[X.] [X.].] Rn. 39 [X.], aaO).

Die Bewertung der maßgeblichen [X.]atsachen ist nach Unionsrecht Sache der nationalen Gerichte (vgl. [X.]. [X.] 15. Dezember 2005 - [X.] und [X.]/04 - [[X.] und [X.]] Rn. 35, Slg. 2005, [X.]) und im [X.] Arbeitsrecht Sache der [X.]atsacheninstanzen, die dabei einen Beurteilungsspielraum haben (vgl. [X.]. [X.] 18. August 2011 - 8 [X.] - Rn. 21, [X.]E 139, 52).

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das [X.] ohne Rechtsfehler einen Betriebsübergang iSv. § 613a BGB auf den Beklagten zu 1. verneint.

a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die vom Beklagten zu 2. bis zum 30. September 2011 betriebene [X.]ankstelle [X.] eine abtrennbare wirtschaftliche Einheit mit eigener Identität war. Dies sehen die Parteien im Übrigen nicht anders. Es handelt sich bei dieser [X.]ankstelle, die über eine eigene Leitung (den Beklagten zu 2. als Pächter) verfügte, um eine hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen (neben dem Beklagten zu 2. acht Arbeitnehmer/innen in Vollzeit und acht Aushilfskräfte) und Sachen ([X.]. die übliche [X.]ankstellenausstattung mit Erdtanks, acht Zapfsäulen, spezieller Fahrbahn, Überdachung, Preismast, Shop mit [X.]ankstellenkasse) zur Ausübung einer wirtschaftlichen [X.]ätigkeit mit eigenem Zweck. Dieser Zweck war insbesondere der Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen - im Namen und auf Rechnung der [X.] - sowie der in [X.] betriebene Verkauf diverser weiterer Artikel bis hin zu Lebensmitteln und zubereiteten Mahlzeiten im Bistro. Wesentliche Lieferantenbeziehungen bestanden zu [X.] - gleichzeitig Verpächter der [X.]ankstelle - und, in Bezug auf Nahrungsmittel für Shop und Bistro, zu einem bestimmten [X.]ankstellen-Lieferanten. Laut einer Stammkundenanalyse hatte die [X.]ankstelle einen Stammkundenanteil von 86 %, davon hatten einige umsatzstarke Stammkunden aus dem Bereich des [X.] sog. [X.] mit dem Beklagten zu 2. geschlossen, die ein [X.]anken auf Rechnung und zu Sonderkonditionen ermöglichten.

b) Die Würdigung des [X.]s, nach der diese bis Ende September 2011 bestehende wirtschaftliche Einheit nicht unter Wahrung ihrer Identität vom Beklagten zu 1. fortgeführt wird, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Für die Feststellung eines Betriebsübergangs im Hinblick auf das gesetzliche [X.]atbestandsmerkmal „durch Rechtsgeschäft“ kann grundsätzlich die vertragliche Beziehung eines bisherigen und eines zukünftigen [X.]ankstellenpächters zu [X.] ausreichen.

bb) Das [X.] hat bei seiner Gesamtbewertung der maßgeblichen [X.]atsachen fehlerfrei die Art des betroffenen [X.]ankstellenbetriebs berücksichtigt und geschlossen, dass hier nicht ausreichend [X.]eilaspekte für einen Betriebsübergang sprechen.

(1) Die Art des Betriebs und die Produktions- oder Betriebsmethoden unterscheiden sich nicht bei den beiden 800 Meter voneinander entfernt gelegenen [X.]ankstellen [X.] und [X.]. Darin liegt jedoch kein besonders für einen Betriebsübergang sprechender Umstand einer Betriebsidentität, da [X.]ankstellen - insbesondere, wenn sie wie hier zur selben Mineralölgesellschaft gehören - regelmäßig eine gleiche oder ähnliche Struktur aufweisen.

(2) Angesichts der besonderen Anlagen, die für den Betrieb einer [X.]ankstelle erforderlich sind ([X.]. spezielle Erdtanks, Zapfsäulen, Fahrbahn, Überdachung), hat das [X.] zutreffend deren Nichtübernahme durch den Beklagten zu 1. als einen wesentlichen Gesichtspunkt angesehen, der gegen einen Betriebsübergang spricht.

Dies wird nicht durch das von der Klägerin und dem Beklagten zu 2. vorgebrachte Argument entkräftet, wonach in einem hypothetischen Fall des Pächterwechsels unter Beibehaltung des [X.]ankstellenstandortes trotz Umbau - mit Abriss und Ne[X.]ufbau der [X.]ankstelle - ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB gegeben wäre. Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist regelmäßig eine Frage der Gesamtbewertung der Umstände. Sprechen in dem angeführten hypothetischen Fall andere Umstände - wie die Beibehaltung des [X.] am selben Standort - als [X.]eilaspekte für einen Betriebsübergang, kann einer Ersetzung (Nichtübernahme) von Betriebsmitteln, die in die Jahre gekommen sind, eine andere Bedeutung in der Gesamtbewertung zukommen als vorliegend.

(3) Ebenso zutreffend hat das [X.] erkannt, dass die Übernahme eines [X.]eils der Belegschaft hier nicht für einen Betriebsübergang spricht. Es ist weder behauptet worden noch ersichtlich, dass es sich insofern um Arbeitnehmer mit einer besonderen, speziellen Q[X.]lifikation handelt. Also könnte nur eine etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft ein für die Annahme eines Betriebsübergangs sprechender [X.]eilaspekt der vorzunehmenden Gesamtbewertung sein. Eine Übernahme der Hauptbelegschaft ist jedoch nicht erfolgt. Von acht Arbeitnehmer/innen in Vollzeit sind nur drei bis vier zum Beklagten zu 1. gewechselt, also die Hälfte oder weniger. Das stellt nicht die „Hauptbelegschaft“ dar. Ein anderes Bild ergibt sich nicht durch Berücksichtigung des Wechsels von [X.]. Ohne dass hier eine Auseinandersetzung mit deren Stundenaufkommen und Bedeutung für den Betrieb erforderlich wäre, ist eine Übernahme von vier bis fünf von acht kein Umstand, der die Übernahme der Hauptbelegschaft anzeigen könnte.

Soweit die Klägerin und der Beklagte zu 2. hervorheben, ein [X.]eil der Belegschaft sei durch das Angebot schlechterer Arbeitsbedingungen davon abgehalten worden, für den Beklagten zu 1. zu arbeiten, ergibt sich daraus nichts anderes. Nur wenn ausreichend Umstände in der vorzunehmenden Gesamtbewertung für einen Betriebsübergang sprechen, könnten nicht übernommene Beschäftigte, die der wirtschaftlichen Einheit angehören, die vom neuen Inhaber unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt wird, sich mit Erfolg auf § 613a BGB berufen.

(4) Auch eine Übernahme von Kundschaft spricht hier nicht als [X.]eilaspekt einer Gesamtbewertung für einen Betriebsübergang. Die sog. [X.], die der Beklagte zu 2. mit Stammkunden aus dem Hafenbereich geschlossen hatte, hat der Beklagte zu 1. nicht übernommen und auch nicht mit denselben Kunden in Fortsetzung neu abgeschlossen. Auch Kundenbeziehungen in Gestalt einer exklusiven [X.] für ein bestimmtes Gebiet wie im Fall [X.] und [X.] ([X.] 7. März 1996 - [X.]/94 - Slg. 1996, [X.] zu Autohäusern mit Ausrichtung auf einen bestimmten Autohersteller) liegen hier nicht vor. Bei [X.]reibstoff fehlt es an einer vergleichbaren Markenbindung wie bei Automarken. Selbst wenn eine solche unterstellt würde, sind im Bereich des [X.] mittlerweile zwei [X.]ankstellen von [X.] vertreten, nämlich die vom Beklagten zu 1. betriebene [X.]ankstelle [X.] und - als Konkurrenz, wenn auch im Umfang reduziert - die auf [X.] umgestellte [X.]ankstelle [X.].

Fehlen nach allem gewichtige, die Identität der wirtschaftlichen Einheit der [X.]ankstelle [X.] betreffende und mit der [X.]ankstelle [X.] weitergeführte [X.]eilaspekte, die einen Betriebsübergang anzeigen könnten, und fehlt es zudem an einer besonderen, eine Ortsveränderung überstehenden „Markenbindung“, macht vorliegend der isolierte Umstand einer eventuell hohen Übereinstimmung von [X.]ankkunden, an deren Weg die alte [X.]ankstelle lag und die neue womöglich liegt, keinen mit Durchschlagskraft für einen Betriebsübergang sprechenden Umstand aus.

(5) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2. und Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin besteht kein Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren zum [X.]. Der Rechtsprechung des [X.], die der Senat ebenso wie das [X.] herangezogen hat, sind die zur Entscheidung über die Subsumtionsfragen notwenigen Vorgaben zum Verständnis von § 613a BGB in Ansehung der Richtlinie 2001/23/[X.] und ggf. der Vorgängerregelungen zu entnehmen.

cc) Weitere, den [X.]ankstellenbetrieb zuvor und hernach prägende Aspekte hat weder die Klägerin noch ihr Nebenintervenient hervorgehoben. Eine besondere Prägung des Betriebs durch den [X.]ankstellen-Shop und/oder den Imbiss sind nicht vorgetragen worden. Im Gegenteil hat die Klägerin geäußert, [X.] der Wertschöpfung“ liege vorliegend im Verkauf von Kraftstoffen auf und für Rechnung des jeweiligen Mineralölkonzerns.

III. Da kein Betriebsübergang vorliegt, hat die Kündigung vom 5. September 2011 des Beklagten zu 2., dessen [X.]ankstellenbetrieb stillgelegt ist, das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Die Formulierung „für den Fall, dass kein Betriebsübergang vorliegt“ ist als vorsorgliche Kündigung oder auch als Ausdruck einer Rechtsbedingung (zusammenfassend [X.]/[X.] 14. Aufl. § 620 BGB Rn. 22 [X.]) unproblematisch. Das Arbeitsgericht ist bei seiner Entscheidung von der nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BGB zutreffenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats ausgegangen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Bloesinger    

                 

Meta

8 AZR 733/13

18.09.2014

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rostock, 27. März 2012, Az: 2 Ca 1442/11, Urteil

§ 613a Abs 1 S 1 BGB, Art 1 Abs 1 Buchst a EGRL 23/2001, § 622 Abs 2 S 1 Nr 6 BGB, § 66 ZPO, § 70 Abs 1 S 2 Nr 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2014, Az. 8 AZR 733/13 (REWIS RS 2014, 2793)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 973 REWIS RS 2014, 2793

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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