Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2015, Az. 8 AZR 150/14

8. Senat | REWIS RS 2015, 13769

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Gegenstand

Betriebsübergang - Abgrenzung gegen Funktionsnachfolge - Übergang materieller Betriebsmittel


Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des [X.] vom 21. November 2013 - 2 Sa 413/13 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das Urteil des [X.] vom 20. März 2013 - 1 [X.]/12 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und die der [X.] zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ein Arbeitsverhältnis, das zwischen dem [X.]läger und der [X.] zu 2. bestanden hat, infolge eines Betriebsübergangs am 1. März 2012 auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist.

2

Beide [X.] betreiben Zustelldienste. Sie gehören jeweils zu 75 % der [X.] und zu 25 % der [X.] Neben den beiden [X.] existieren noch weitere Zustellgesellschaften mit gleicher Gesellschafterstruktur, die im Stadtgebiet [X.] in gegeneinander abgegrenzten Sektoren [X.]er und andere regionale und überregionale Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, an Abonnenten zustellen. Einziger Auftraggeber dieser Gesellschaften ist die [X.], eine 100-prozentige Tochter der [X.]

3

Der [X.]läger war seit dem 16. November 2000 bei der [X.] zu 2. als Zeitungszusteller mit 20 Wochenstunden beschäftigt. Nach seiner Darstellung betrug sein Bruttomonatseinkommen 816,00 [X.]. Er war Mitglied des im Betrieb der [X.] zu 2. gebildeten Betriebsrats.

4

Mit Schreiben vom 30. November 2011 kündigte die [X.] den mit der [X.] zu 2. geschlossenen [X.] zum 29. Februar 2012. Das [X.]ündigungsschreiben war ua. von [X.] als einem der Geschäftsführer der [X.] unterzeichnet. Am 12. Januar 2012 beschlossen die Gesellschafter der [X.] zu 2. die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Betriebsstilllegung zum 29. Februar 2012. Davon unterrichtete die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom gleichen Tag den bei ihr gebildeten Betriebsrat und forderte ihn zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich auf.

5

Am 13. Februar 2012 wurde [X.] zum Geschäftsführer der [X.] zu 1. bestellt. Deren jetzige Firma war - bei unverändertem Geschäftsgegenstand - zuvor am 4. Oktober 2011 in das Handelsregister eingetragen worden. Die [X.] und die Beklagte zu 1. schlossen am 29. Februar 2012 einen Dienstleistungsvertrag über die Zustellung von [X.] und weiteren adressierten Sendungen in den [X.] 80331, 80333, 80539, 81541, 81543 und 81547. Dies entsprach dem [X.], den bisher die Beklagte zu 2. mit dem gekündigten [X.] wahrgenommen hatte. Sieben der im Januar 2012 noch bei der [X.] zu 2. beschäftigten 57 Arbeitnehmer schlossen neue Arbeitsverträge mit der [X.] zu 1. ab.

6

Am 1. März 2012 begann die Beklagte zu 1. mit der Zustellung. Sie stellte die Touren der Zusteller neu zusammen und reduzierte sie von 140 auf 98 Touren. Einzelne Großkunden wurden nunmehr direkt beliefert. Die drei Verteilstellen, an denen sich die Zusteller der [X.] zu 2. noch die Zeitungen abholten, entfielen. Die Zusteller wurden von der [X.] direkt beliefert. Die Beklagte zu 1. erhielt von der [X.] zu 2. die für die Zustellung benötigten Hauseingangsschlüssel der Abonnenten ausgehändigt, die sie entsprechend der neu zusammengestellten Touren umsortierte.

7

Nach Anhörung ihres Betriebsrats kündigte die Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis mit dem [X.]läger schriftlich am 28. April 2012 zum 31. August 2012 wegen Stilllegung ihres Betriebs.

8

Am 18. Mai 2012 hat der [X.]läger eine dagegen gerichtete [X.]ündigungsschutzklage erhoben und zugleich die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs zum 1. März 2012 auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist. Die [X.]ündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht [X.] am 20. März 2013 - 1 [X.]/12 - rechtskräftig abgewiesen.

9

Zur Begründung der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Feststellungsklage hat der [X.]läger die Auffassung vertreten, dass diese den Betrieb von der [X.] zu 2. übernommen habe. Sie habe in vollem Umfang die bisherige Verteilung der Zeitungen nahtlos fortgeführt und die Hausschlüssel, die den Zugang zu den [X.] ermöglichten, von der [X.] zu 2. übernommen. Diese Schlüssel seien entscheidend für die Zustellung der Zeitungen in die Hausbriefkästen in den frühen Morgenstunden und für die Ausübung der [X.]erntätigkeit des [X.] unverzichtbar. Hintergrund der Neuvergabe des Auftrags an die Beklagte zu 1. sei es gewesen, dass der Betriebsrat der [X.] zu 2. sich nach 18 Jahren ohne Lohnerhöhung für eine Erhöhung der Zustellvergütungen eingesetzt habe.

Soweit für die Revision von Belang hat der [X.]läger zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der [X.] zu 1. zu unveränderten Bedingungen über den 29. Februar 2012 hinaus fortbesteht;

        

2.    

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zeitungszusteller weiterzubeschäftigen.

Die [X.] haben zur Begründung des Antrags auf [X.]lageabweisung bestritten, dass es zu einem Betriebsübergang gekommen sei. Dieser scheitere bereits daran, dass die Beklagte zu 1. einen betriebsmittelarmen Betrieb betreibe und keinen nach Zahl und Sachkunde erheblichen Teil der früheren Arbeitnehmer der [X.] zu 2. übernommen habe. Die früher von der [X.] zu 2. genutzten Hausschlüssel seien nur für rd. 80 % der Zustellungen erforderlich gewesen. Sie bildeten zudem nicht [X.] des wirtschaftlichen Wertschöpfungszusammenhangs, sondern seien ein reines Hilfsmittel. Es handele sich um einen Fall der [X.], der keinen Betriebsübergang darstelle.

Das Arbeitsgericht hat den gegen die Beklagte zu 1. gerichteten [X.]lageanträgen stattgegeben. Die Berufung der [X.] zu 1. blieb vor dem [X.] ohne Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 1., unterstützt durch die Beklagte zu 2. als Nebenintervenientin, ihren Antrag auf [X.]lageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage zu Unrecht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis des [X.] ist nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB infolge eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1. übergegangen.

Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die wirtschaftliche Identität des Betriebs der [X.] zu 1. und zu 2. sei maßgeblich nicht durch die Arbeitskraft der beschäftigten Arbeitnehmer, sondern durch die genutzten Hausschlüssel zusammen mit anderen Kriterien geprägt. Die Schlüssel seien auf dem freien Markt nicht erhältlich, sondern nur über die jeweiligen Wohnungseigentümer oder Hausverwaltungen zu erlangen. Daher seien sie für die Wahrung der wirtschaftlichen Einheit von deutlich größerer Bedeutung als Hilfsmittel, die der [X.] anderweitig käuflich erwerben könne und auf deren Übergabe er daher nicht angewiesen sei. Der Auftragsneuvergabe komme großes Gewicht zu, da sie nicht über den Wettbewerb auf dem freien Markt erfolgt sei, sondern von der [X.] und der sie beherrschenden [X.] bewusst gesteuert worden sei. Ohne wesentliche Änderung sei innerhalb des Konzerns der Auftrag von einem Tochterunternehmen auf das andere verschoben worden. Dabei sei die [X.] nicht bereit gewesen, den [X.] der [X.] zu 2. neu zu vergeben oder zu geänderten Bedingungen zu verlängern, ja überhaupt noch mit der [X.] zu 2. über eine neue Auftragserteilung zu verhandeln. Der [X.] im Konzern werde auch im Kündigungsschutzrecht erhebliches Gewicht beigemessen. Die Entscheidung eines Unternehmens, einen Betriebsteil durch eine noch zu gründende finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft mit von dieser neu einzustellenden Arbeitnehmern weiterbetreiben zu lassen, stelle kein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 [X.] dar. Diese Überlegung sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Die im Konzern weiterbestehende Beschäftigungsmöglichkeit müsse im Rahmen einer Gesamtwürdigung als für einen Betriebsübergang sprechender Umstand angesehen werden.

B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/[X.] vom 12. März 2001 ([X.][X.] L 82 vom 22. März 2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. nur [X.] 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] ua.] Rn. 30 [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 40 [X.]; 15. Dezember 2011 - 8 [X.] - Rn. 39 [X.]).

1. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck ([X.] 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] ua.] Rn. 31 [X.]; vgl. auch [X.] 10. November 2011 - 8 [X.] - Rn. 17).

2. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher [X.] 15. Dezember 2005 - [X.] und [X.]/04 - [[X.] und [X.]] Rn. 35 [X.], [X.]. 2005, [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 40 ff. [X.]). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. [X.] 20. Januar 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 34 [X.], [X.]. 2011, [X.]; [X.] 23. Mai 2013 - 8 [X.] - Rn. 22; 15. Dezember 2011 - 8 [X.] - Rn. 39).

3. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt ([X.] 6. September 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 49 ff., [X.]. 2011, [X.]; vgl. auch 20. Januar 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 36, 39 [X.], [X.]. 2011, [X.]; [X.] 22. August 2013 - 8 [X.] - Rn. 41; 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 31).

4. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen ([X.]) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine [X.] (vgl. [X.] 20. Januar 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 39 ff., [X.]. 2011, [X.]; [X.] 23. September 2010 - 8 [X.] - Rn. 30).

II. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend ein Betriebsübergang verneint werden.

1. Beim Betrieb der [X.] zu 2. handelt es sich um eine eigenständige, abgrenzbare und auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit. Diese hat die Beklagte zu 1. aufgrund einer Gesamtbewertung nicht übernommen, sondern sie führt lediglich im Wege der [X.] einen Auftrag aus, der früher der [X.] zu 2. erteilt worden war.

2. Die zu prüfenden Merkmale führen in der Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt.

a) Bei Zustellbetrieben, wie sie beide [X.] unterhalten bzw. unterhielten, handelt es sich um klassische Dienstleistungsunternehmen, bei denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht ([X.] 25. Juni 2009 - 8 [X.]/08 - Rn. 29). Fehlten nennenswerte materielle oder immaterielle Vermögenswerte oder wurden sie nicht übernommen, so ist von einer Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit dann auszugehen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt. Vorliegend hat die Beklagte zu 1. nur mit sieben der bei der [X.] zu 2. beschäftigten 57 Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge abgeschlossen, wobei das [X.] nicht festgestellt hat, dass es sich um den für die Sachkunde wesentlichen Teil des Personals der [X.] zu 2. handelte. Damit ist in Betrieben, in denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht (früher als „betriebsmittelarme Betriebe“ bezeichnet), eine wichtige Voraussetzung für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht erfüllt.

b) Immaterielle Aktiva bei einem Zeitungszustellbetrieb sind die Organisation und Durchführung und damit die Zuverlässigkeit der Zustellung. Nach den Feststellungen des [X.]s hat die Beklagte zu 1. diese immateriellen Aktiva nicht so wie die Beklagte zu 2. fortgeführt. Vielmehr hat sie die [X.] neu zusammengestellt und sie um ein Drittel reduziert. Die [X.] sind weggefallen, Großkunden werden außerhalb der Zustelltouren direkt beliefert. Rechtlich zutreffend ist daher das [X.] der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Beklagte zu 1. die [X.] der [X.] zu 2. erhalten hat, nicht nachgegangen. Denn diese sind jedenfalls nicht weiterhin Grundlage des von der [X.] zu 1. neu organisierten Betriebs der Zeitungszustellung geworden.

c) Ebenso zutreffend ist das Berufungsgericht nicht der Frage nachgegangen, ob die Beklagte zu 1. teilweise Fahrräder oder Handwagen, die früher die Zusteller der [X.] zu 2. benutzten, weiterhin in ihrem Betrieb verwendet. Es wurde weder vorgetragen noch festgestellt, dass diese Betriebsmittel Besonderheiten aufwiesen, etwa eine besondere werbliche Gestaltung, die ihre Beschaffung auf dem freien Markt nicht ohne Weiteres ermöglicht hätten. Es kann daher unterstellt werden, dass die Beklagte zu 1. derlei Hilfsmittel weiterverwendet.

Nicht ohne Rechtsfehler hat das [X.] dagegen angenommen, dass die Übernahme der für die Zustellung wichtigen Hausschlüssel bei wertender Betrachtungsweise [X.] des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache“ und daher bei den Betrieben der [X.] von betriebsmittelgeprägten wirtschaftlichen Einheiten auszugehen sei. Es trifft zu, dass die Hausschlüssel für etwa 80 % der Zustellungen unverzichtbar sind und ohne sie die Zeitungen nicht in die derzeit vorhandenen Briefkästen der Abonnenten eingeworfen werden könnten. Damit handelt es sich um ein materielles Betriebsmittel von Gewicht, aber auch nicht um mehr. Das Berufungsgericht hat gesehen, dass die eigentliche Leistung der Zustellung nicht durch die Hausschlüssel, sondern nur mit ihrer Hilfe erbracht werden kann. Es handelt sich daher um wichtige Hilfsmittel, die jedoch nicht die Identität der Einheit prägen.

d) Bei den weiteren, den Vorgang kennzeichnenden Umständen ist zu berücksichtigen, ob sie eine „Übernahme“ iSd. Fortführung des beim potentiellen Veräußerer bestehenden Betriebs darstellen oder ob sie nicht vielmehr durch die Eigenart des übernommenen Auftrags bedingt sind und daher als Begleiterscheinung der [X.] nicht prägend für die Annahme eines Betriebsübergangs sein können.

aa) Die Beklagte zu 1. hat von der [X.] zu 2. nicht „die Art ihres Unternehmens“ übernommen. Die Beklagte zu 1. war unstreitig schon vorher eine der Zustellgesellschaften, die die beiden Hauptgesellschafter unterhielten. Die vom Kläger betonte Umfirmierung der [X.] zu 1. im Oktober 2011 ist rechtlich nicht erheblich. Der Unternehmenszweck der [X.] zu 1. blieb unverändert und war auch schon vor der Umfirmierung auf die Zustellung von Printmedien im Gebiet der [X.] durch Austräger einer eigenen [X.] definiert. Die Beklagte zu 1. verfolgt also einen Unternehmenszweck, der schon vor der Übernahme des [X.]s bestand und nicht etwa von der [X.] zu 2. „übernommen“ wurde.

bb) Entsprechendes gilt für die Kontinuität des „Kunden“. Auch dieser Kunde und Auftraggeber, die [X.], wurde nicht von der [X.] zu 2. „übernommen“, sondern beide [X.] hatten diesen Auftraggeber schon vor dem Wechsel als einzigen Kunden, wie andere Zustellgesellschaften, die die Gesellschafter neben den beiden [X.] unterhalten.

cc) Es trifft zu, dass von beiden [X.] der gleiche [X.] bedient wird und dass dies ohne Unterbrechung nahtlos vom 29. Februar zum 1. März 2012 erfolgte. Dies beides liegt jedoch in der Natur dieser [X.], ist also für sich genommen kein besonderes Indiz für einen Betriebsübergang. An sich richtig ist, dass vorliegend der Auftrag nicht über den freien Markt, sondern innerhalb des [X.] neu vergeben wurde. Die vom [X.] übernommene Parallele in Sonderfällen des Kündigungsschutzgesetzes geht jedoch rechtlich zu weit. Eine Auftragsneuvergabe und [X.] wird nicht dadurch zum Betriebsübergang, dass sie im Rahmen eines [X.] oder Konzerns erfolgt.

In der Gesamtbetrachtung sprechen also unter Berücksichtigung der Eigenart des Betriebs, den sowohl die Beklagte zu 2. unterhielt als nunmehr die Beklagte zu 1. unterhält, nur Merkmale von geringerem Gewicht für einen Betriebsübergang. Außerhalb der Tatsache einer [X.] mit den damit notwendig verbundenen Merkmalen wie gleicher Zustellbezirk und nahtlose Fortsetzung der Zustellung, die für sich allein genommen einen Betriebsübergang nicht ausmachen können, ist es nur die Übernahme eines wichtigen, jedoch nicht prägenden materiellen Betriebsmittels. Die Kundenbeziehung sowie die Art des Unternehmens sind bei der [X.] zu 1. schon vor der Auftragsübernahme festzustellen. Die [X.] hat die Beklagte zu 1. geändert. Die Übernahme des für das Dienstleistungsunternehmen prägenden Personals in nach Zahl oder Sachkunde wichtigen Teilen liegt nicht vor. Daher ist im Ergebnis ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. zu verneinen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Volz    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 150/14

19.03.2015

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 20. März 2013, Az: 1 Ca 5883/12, Urteil

§ 613a BGB, EGRL 23/2001

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2015, Az. 8 AZR 150/14 (REWIS RS 2015, 13769)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13769

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Referenzen
Wird zitiert von

5 Sa 35/17

7 Sa 82/16

7 Sa 206/18

1 Ca 5462/15

14 Sa 274/16

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