Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2000, Az. I ZR 241/97

I. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 3314

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[X.] DES VOLKESURTEILI ZR 241/97Verkündet am:27. Januar 2000WalzJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z : [X.]: jaTelefonwerbung [X.] § 1;[X.] §§ 8, 9 A, [X.] - außerhalb einer Versicherungsfragen betreffenden laufenden Geschäfts-verbindung - unaufgefordert und ohne Einverständnis erfolgter Telefonanruf zudem Zweck, einen Besuchstermin zu vereinbaren, der dem Abschluß eines- 2 -Versicherungsvertrages dienen soll, ist wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG.Eine vorformulierte Klausel in einem Antrag auf Eröffnung eines Sparkontos, inder der Kunde sich mit der persönlichen und telefonischen Beratung in Geld-angelegenheiten durch die Bank einverstanden erklärt, stellt kein wirksamesEinverständnis mit einer solchen Telefonwerbung dar.[X.], [X.]. v. 27. Januar 2000 - I ZR 241/97 - [X.] Hechingen- 3 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 27. Januar 2000 durch [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], [X.] [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 22. August 1997 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin ist ein eingetragener Verein. Zu ihren satzungsgemäßenAufgaben gehört es, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Be-ratung wahrzunehmen. Die [X.] ist eine Genossenschaftsbank. Sie ver-mittelt im Rahmen eines [X.] auch Versicherungsverträge fürdie [X.].Eine Kundin der [X.]n unterzeichnete im [X.] 1994 zwei Anträgezur Eröffnung von Sparkonten, deren vorgedruckter Text unter Ziffer 3 lautet:- 4 -"Der Konto-/Depotinhaber ist mit der persönlichen und telefoni-schen Beratung in Geldangelegenheiten durch die [X.] nicht einverstanden".In beiden Anträgen ist das Kästchen vor dem Wort "einverstanden" [X.]. Ein Mitarbeiter der [X.]n rief im November 1995 bei der [X.] und vereinbarte mit ihr einen Besuchstermin "wegen einer Steuererspar-nissache". Während des Termins bot er ihr den Abschluß einer Kapitallebens-versicherung bei der [X.] an.Die Klägerin ist der Ansicht, der Anruf des Mitarbeiters der [X.]nhabe gegen § 1 UWG verstoßen, weil er ohne Aufforderung erfolgt sei unddem Zweck gedient habe, neue Geschäftsbeziehungen anzubahnen. Die inden [X.] formularmäßig erteilte Erlaubnis zur Beratung [X.] habe nur Anrufe in Bankgeschäften, nicht aber in [X.] abgedeckt.Die Klägerin hat zuletzt beantragt,es der [X.]n zu untersagen, Letztverbraucher außerhalb einerVersicherungsfragen betreffenden laufenden Geschäftsverbindungunaufgefordert und ohne deren Einverständnis anrufen zu lassen,um einen Besuchstermin zu vereinbaren, der dem Abschluß einesVersicherungsvertrages dienen soll, wobei es als Einverständnisinsbesondere nicht ausreicht, wenn der Angerufene bei der [X.] einen Antrag auf Eröffnung eines Sparkontos unterzeichnethat, der formularmäßig die Klausel enthält, daß der [X.] der persönlichen und telefonischen Beratung in Geldangele-genheiten durch die Bank einverstanden sei.- 5 -Die [X.] ist der Ansicht, der Anruf ihres Mitarbeiters sei nicht wett-bewerbswidrig i.S. des § 1 UWG, weil die Kundin in den [X.] ihr ausdrückliches Einverständnis mit einer persönlichen und telefonischenBeratung in Geldangelegenheiten durch die Bank erklärt habe; unter Geldan-gelegenheiten seien sämtliche üblichen Finanzdienstleistungen einer Bank,einschließlich der Vermittlung von Versicherungsverträgen, zu verstehen.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht [X.] [X.] antragsgemäß verurteilt ([X.] 1997, 2181 = [X.], 2054 = [X.] § 1 UWG 1.99).Mit ihrer (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die [X.], begehrt die [X.] weiterhin Abweisung der Klage.Entscheidungsgründe:[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der von der [X.]n [X.] sei wettbewerbswidrig. Telefonanrufe bei [X.] seien, auch wenn sie der Vorbereitung eines häuslichen Vertreter-besuches dienten, nur zulässig, wenn sich der Angerufene zuvor mit einemsolchen Anruf einverstanden erklärt habe. Ein derartiges Einverständnis seiden Erklärungen der Kundin in den [X.] nicht zu entneh-men. Ihr Einverständnis mit der telefonischen Beratung in [X.] durch die Bank erstrecke sich unter Berücksichtigung der Unklarheitenregeldes AGB-Gesetzes nicht auf die telefonische Vereinbarung eines Termins we-- 6 -gen einer Versicherungsangelegenheit. Auf ein mutmaßliches Einverständnisdes Angerufenen komme es bei dem gewerblichen Anruf im privaten Bereichnicht an.I[X.] Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im [X.] Erfolg. Der Klägerin steht gegen die [X.] nach §§ 1, 13 Abs. 2Nr. 3, Abs. 4 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.1. Die Klägerin ist als rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsgemä-ßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung [X.] wahrzunehmen, gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG befugt, den auf § 1UWG gestützten Unterlassungsanspruch geltend zu machen, da unerbeteneTelefonwerbung in erheblichem Maße die persönlichen Belange des [X.] beeinträchtigt und damit wesentliche Belange der Verbrau-cher berührt (vgl. [X.], [X.]. v. 8.6.1989 - I ZR 178/87, [X.], 753, 754 =[X.], 169 - Telefonwerbung II; [X.]. v. 8.11.1989 - [X.], [X.], 280, 281 = [X.], 288 - Telefonwerbung [X.] Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Te-lefonanruf im Privatbereich zu Werbezwecken grundsätzlich gegen die [X.] des [X.] verstößt und nur dann ausnahmsweise zulässig ist,wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnismit einem solchen Anruf erklärt hat. Das entspricht der ständigen Rechtspre-chung des [X.] zu den Grenzen geschäftlicher Telefonwer-bung ([X.], [X.]. v. 8.12.1994 - I ZR 189/92, [X.], 220 - Telefonwer-bung V, m.w.N; [X.]Z 141, 124 ff.; 141, 137 ff.). Dies gilt auch für Anrufe, die- wie hier - der Vorbereitung eines häuslichen Vertreterbesuchs dienen ([X.],[X.]. v. 16.12.1993 - I ZR 285/91, [X.], 380, 381 f. = WRP 1994, 262- 7 -- Lexikothek, m.w.[X.]). Ein mutmaßliches Einverständnis des Angerufenen [X.] Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich, nicht aber im privaten Bereichrechtfertigen (vgl. [X.]Z 113, 282, 284 f. - Telefonwerbung IV; [X.] GRUR1994, 380, 382 - Lexikothek).Es ist demnach grundsätzlich wettbewerbswidrig, den Inhaber einesFernsprechanschlusses in dessen privatem Bereich ohne dessen zuvor [X.] oder konkludent erklärtes Einverständnis anzurufen, um einen [X.] zu vereinbaren, der dem Neuabschluß eines Versicherungsvertra-ges dienen soll.3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend angenommen,daß kein wirksames Einverständnis der Kundin mit dem Anruf des [X.] [X.]n vorlag.a) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die inden [X.] enthaltene Einverständniserklärung nach § 1Abs. 1 [X.] als Allgemeine Geschäftsbedingung zu behandeln ist. Auch aufeine vom Verwender vorformulierte einseitige rechtsgeschäftliche [X.] anderen Teils, die im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis steht,sind mit Rücksicht auf den Schutzzweck des AGB-Gesetzes dessen Vorschrif-ten anzuwenden ([X.]Z 98, 24, 28, m.w.[X.]). Dabei ist es ohne Bedeutung, obder Kunde die Wahl zwischen bestimmten, vom Verwender vorgegebenen Al-ternativen hat ([X.], [X.]. v. 3.12.1991 - [X.], [X.], 503 f.; [X.]. v.7.2.1996 - [X.], NJW 1996, 1208, m.w.[X.]). Entscheidend ist, daß [X.] - wie im vorliegenden Fall - bei der von den Kunden abzugebendenErklärung die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in [X.] nimmt wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes, und daß der- 8 -Kunde nur darauf, ob er die Erklärung abgeben will, nicht aber auf ihren [X.] hat (vgl. [X.]Z 141, 124 [X.]) Die Auslegung der von der [X.]n vorformulierten Einverständ-niserklärung der Kundin durch das Berufungsgericht ist vom Revisionsgerichtuneingeschränkt nachzuprüfen (vgl. [X.], [X.]. v. 31.5.1990 - IX ZR 257/89,NJW 1990, 2313; [X.]Z 129, 297, 300; [X.], [X.]. v. 13.11.1997 - [X.]/95,WRP 1998, 615, 618), da die Allgemeine Geschäftsbedingung nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts bundesweit von allen [X.]banken verwendet wird.Der [X.] kann allerdings offenlassen, ob der Begriff der Geldangele-genheiten - wie das Berufungsgericht ausführt - sich im gegebenen Zusam-menhang auf Bankgeschäfte im Sinne des Kreditwesengesetzes beschränktoder - wie die Revision meint - nach heutigem Verständnis weit ausgelegt wer-den muß und Geldanlagen in Versicherungen, Bausparverträgen oder sonsti-gen Finanzdienstleistungsprodukten umfaßt (vgl. auch [X.]/[X.],[X.], [X.]., Stand August 1998, § 1 [X.]. 5a; [X.], [X.], [X.]., StandOktober 1999, § 1 [X.]. [X.] wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem [X.] der Kundin zur - auch telefonischen - Beratung in [X.] weit auszulegen wären und danach auch in Telefonwerbung der [X.]nfür den Abschluß einer Kapitallebensversicherung bei ihrer Kooperationspart-nerin eingewilligt worden wäre, so ist die Klausel doch als unangemesseneBenachteiligung nach § 9 [X.] unwirksam (vgl. [X.]Z 141, 124 ff.; 141,137 ff.).- 9 -Die Klausel ist gemäß § 8 [X.] am Maßstab des § 9 [X.] zu mes-sen, da sie von der gesetzlichen Regelung des § 1 UWG in ihrer Ausprägungdurch die Rechtsprechung abweicht, nach der Telefonwerbung gegenüber [X.] grundsätzlich unzulässig ist. Geboten ist insoweit in [X.] nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG ebenso wie bei [X.] 2 Nr. 1 [X.] eine generalisierende und die beiderseitigen Interes-sen abwägende Betrachtung. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen sind nach § 9 Abs. 1 [X.] unwirksam, wenn sie den [X.] Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessenbenachteiligen; dies ist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 [X.] im Zweifel anzunehmen,wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von derabgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind. So liegt es hier.Der wettbewerbsrechtlichen Mißbilligung unerbetener [X.] privaten Bereich liegt der Gedanke zugrunde, daß der Schutz der [X.] vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben [X.] ist und daß die berechtigten Interessen der gewerblichen Wirt-schaft, ihre Produkte werbemäßig anzupreisen, es angesichts der Vielfalt [X.] nicht erfordern, mit der Werbung auch in den privaten [X.] umworbenen Verbrauchers einzudringen (st. Rspr.; [X.] [X.], 220- Telefonwerbung V, m.w.[X.]; [X.]Z 141, 124 ff.; 141, 137 ff.). Danach ist es [X.] generalisierenden Abwägung der beiderseitigen Interessen gerade auchgegenüber dem in seiner Privatsphäre geschützten Werbeadressaten [X.], wenn [X.] von Banken eine [X.] des Kunden enthalten, die eine telefonische Werbung derBank für Vertragsabschlüsse in anderweitigen Geldangelegenheiten ermögli-chen soll, die über das Vertragsverhältnis mit der Bank, mit dem die Abgabeder Einverständniserklärung in Zusammenhang steht, hinausgehen ([X.]Z- 10 -141, 124 ff.). Die Unangemessenheit der Klausel wird entgegen einer imSchrifttum vertretenen Auffassung (vgl. v. Westphalen, [X.] 1999, 1131 f.;Imping, [X.] 1999, 857) nicht dadurch ausgeräumt, daß die [X.] jederzeit widerruflich ist, denn damit wird die Initiative zurWiederherstellung der ungestörten Privatsphäre in unzulässiger Weise auf [X.] verlagert ([X.]Z 141, 124 ff.; 141, 137 ff.).4. [X.] der beanstandeten Telefonwerbung als [X.] steht die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-tes vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen [X.] ([X.] - ABl. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997, S. 19), [X.] am 4. Juni 2000 abläuft, nicht entgegen. Zum einen enthält [X.] nur eine Mindestregelung, die den Mitgliedstaaten grundsätzlich ei-nen weitergehenden Schutz der Verbraucher freistellt (Art. 14 FernabsatzRL).Sodann findet die Richtlinie nach ihrem Art. 3 Abs. 1 1. Spiegelstrich keine An-wendung auf Verträge über Finanzdienstleistungen, zu denen gemäß [X.] auch Versicherungsgeschäfte zählen. Soweit eine spe-zielle Richtlinie für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen geplant ist, dienicht nur den Mindest-, sondern auch den zulässigen Höchststandard be-schreiben soll, kann dies noch nicht berücksichtigt werden. Insoweit liegt bis-lang lediglich der 1998 vorgelegte Vorschlag der Kommission vor.- 11 -II[X.] Die Revision war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung be-ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Erdmann v. Ungern-Sternberg [X.] [X.]

Meta

I ZR 241/97

27.01.2000

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2000, Az. I ZR 241/97 (REWIS RS 2000, 3314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3314

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