Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2001, Az. I ZR 53/99

I. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3755

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:25. Januar 2001FühringerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaTelefonwerbung für [X.] § 1Zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer unaufgeforderten te-lefonischen Bewerbung von in staatlich anerkannten [X.] her-gestellten Waren gegenüber Gewerbetreibenden mit dem Ziel, Neukunden zugewinnen.[X.], [X.]. v. 25. Januar 2001 - [X.] - OLG [X.] Duisburg- 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 25. Januar 2001 durch [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.],Pokrant und Dr. Schaffertfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des [X.] [X.] vom 12. Januar 1999 aufge-hoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die [X.] unterhält staatlich anerkannte [X.] in D.und [X.].. Ihre Erzeugnisse - sogenannte [X.], [X.]und andere Waren - vertreibt sie im gesamten [X.]. Im April 1997 rief- 3 -ein Mitarbeiter der [X.]n unaufgefordert bei dem Bauingenieurbüro [X.].in F. an, um für Produkte der [X.]n zu werben. Er übermitteltediesem Büro, zu dem die [X.] bis dahin keine geschäftlichen Beziehungenunterhielt, noch am selben Tag wunschgemäß per Telefax eine Preisliste unddas Inhaltsverzeichnis einer Preisliste.Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbse.V., hat in dem Verhalten des Mitarbeiters der [X.]n eine wettbewerbs-rechtlich unzulässige Telefonwerbung gegenüber einem Gewerbetreibendenerblickt, weil weder ein ausdrückliches noch ein konkludentes Einverständnisdes angerufenen Unternehmens vorgelegen habe. Das erforderliche [X.] könne insbesondere nicht aus den Bestimmungen des [X.] und des [X.]es hergeleitet werden.Die Klägerin hat beantragt,1.der [X.]n unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zuuntersagen, im geschäftlichen Verkehr zum Absatz von [X.] Behindertenwerkstatt außerhalb bestehender Geschäfts-verbindungen unaufgefordert telefonisch Kontakt zu den Inha-bern oder Angestellten von Gewerbebetrieben aufzunehmen, essei denn, daß es sich um Angebote handelt, die deren eigentli-chen Geschäftsgegenstand [X.] zu verurteilen, an die Klägerin 315,65 [X.] % Zinsen seit dem 8. August 1997 zu [X.] 4 -Die [X.] ist dem entgegengetreten. Sie hat hauptsächlich geltendgemacht, Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden für Produkte ausanerkannten [X.] sei seit Jahrzehnten geläufig und branchen-üblich. Jede andere Werbe- und Vertriebsform sei wesentlich kostenaufwendi-ger. Dies müsse bei der [X.]erstellung zu einer beträchtlichen Verteuerung von[X.] führen mit der Folge, daß derartige Erzeugnisse auf dem Marktpraktisch nicht mehr absetzbar seien. Eine Werbung für Artikel, die in [X.] hergestellt worden seien, stoße bei vielen Geschäftskunden zudemauf lebhaftes Interesse, da Zahlungen für solche Erzeugnisse in [X.] auf eine nach dem Schwerbehindertengesetz zu leistende Ausgleichs-abgabe anzurechnen seien. Unter diesen Umständen sei bei der Werbung [X.] aus anerkannten [X.] ein Einverständnis derEmpfänger von Telefonanrufen zu vermuten.Das [X.] hat dem auf Zahlung gerichteten Antrag in vollem [X.] stattgegeben. Die beanstandete Telefonwerbung hat es - unter [X.] weitergehenden Klage - insoweit untersagt, als diese nicht ausschließlich[X.] und [X.] i.S. der §§ 1 und 2 der Verordnung zur [X.] des [X.]es ([X.]) betreffe.In der Berufungsinstanz hat die Klägerin den einschränkenden [X.]albsatzam Ende ihres [X.] wie folgt neu gefaßt:"..., es sei denn, daß deren Einverständnis vorliegt oder zu vermutenist."- 5 -Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Auf die [X.] der [X.]n hat das Berufungsgericht auch die auf Zahlung [X.] abgewiesen.Mit ihrer (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegeh-ren, soweit diesem bislang nicht stattgegeben worden ist, und ihren Antrag aufZurückweisung der Anschlußberufung weiter. Die [X.] beantragt, die [X.] zurückzuweisen.Entscheidungsgründe:[X.] Das Berufungsgericht hat - in Übereinstimmung mit dem [X.] -die unaufgeforderte telefonische Bewerbung von [X.] und Zusatzwa-ren gegenüber geschäftlichen Neukunden für wettbewerbsrechtlich zulässigerachtet. Dazu hat es ausgeführt:Die Gewinnung von Kunden im geschäftlichen Bereich durch [X.] sei nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig. Die Zulässigkeit werben-der Telefonanrufe gegenüber Gewerbetreibenden hänge wesentlich von demGrad des Interesses ab, das der Angerufene der jeweiligen Werbung entge-genbringe. Dementsprechend erfordere eine zulässige Telefonwerbung grund-sätzlich einen konkreten, aus dem Interessenbereich des Angerufenen herzu-leitenden Grund, der in der Regel nur angenommen werden könne, wenn [X.] zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis mitdem Anruf erklärt habe, oder wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhalts-punkte ein sachliches Interesse des [X.] vermutet werden [X.] an diesen Grundsätzen wäre der streitgegenständliche Anruf ansich als wettbewerbsrechtlich unzulässig zu bewerten, da kein konkreter An-schaffungsbedarf des Angerufenen beworben worden sei und dieser vor oderwährend des entgegengenommenen Telefonats auch kein Einverständnis mitdem Anruf bekundet habe. Ein mutmaßliches Interesse und ein Einverständnisdes Angerufenen mit einer telefonischen Kontaktaufnahme unter dem von [X.] angeführten Gesichtspunkt des Schwerbehindertengesetzes kommenicht in Betracht. Die Bestimmungen des [X.]es ge-statteten den [X.] ebenfalls keine unmittelbare Telefonwerbung.Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Telefonwerbung für [X.] gegenüber Geschäftskunden beurteile sich daher nachden allgemeinen Bestimmungen, insbesondere nach § 1 UWG. Dabei müssebeachtet werden, daß nur solche Wettbewerbshandlungen als sittenwidrig i.S.von § 1 UWG anzusehen seien, die dem Anstandsgefühl eines verständigenDurchschnittsgewerbetreibenden widersprächen oder von der Allgemeinheitmißbilligt und für untragbar gehalten würden. Die Feststellung eines derartigenUnwerturteils erfordere eine Interessenabwägung anhand aller betroffenenschutzwürdigen Belange, wobei auch die Auswirkungen der angegriffenen[X.]andlung zu berücksichtigen seien.Danach gebe es an einer telefonischen Werbung für [X.], diesich an geschäftliche Neukunden wende, unter dem Gesichtspunkt des § 1UWG nichts auszusetzen. Bei der vorzunehmenden Wertung sei von Bedeu-tung, daß das [X.] einen anerkennenswerten [X.]Zweck verfolge. Der allgemeine Verkehr sei bereit, eine Werbung, die [X.] förderungswürdigen Zweck verfolge, eher entgegenzunehmen und imeinzelnen Fall bewußt zur Kenntnis zu nehmen als die ansonsten verbreitete- 7 -Werbung. Zudem könne bei Geschäftsleuten und Gewerbetreibenden im [X.] davon ausgegangen werden, daß sie den Anrufen ihnen bislang un-bekannter Dritter aufgeschlossener gegenüberstünden als private Telefonan-schlußinhaber. Ferner sei bei der gebotenen Interessenabwägung von maß-geblicher Bedeutung, daß die [X.] unbestritten vorgetragen habe, alle[X.] bedienten sich seit Jahrzehnten der Methode der [X.] gegenüber geschäftlichen Kunden, ohne daß dies jemals von [X.] Seite beanstandet worden sei. Die Klägerin habe den Sachvortrag [X.] betreffend die Üblichkeit einer Telefonwerbung zwar in der mündli-chen Berufungsverhandlung in Abrede gestellt; dieses Bestreiten sei jedochgemäß § 296 Abs. 1, § 527 ZPO nicht zuzulassen, da eine Zulassung die Erle-digung des Rechtsstreits verzögern würde. Schließlich müsse bei der [X.] auch berücksichtigt werden, daß sich die angegriffene Werbung- gemessen an der Gesamtheit des Angebots an gleichartigen Waren - auf [X.] wirtschaftlicher [X.]insicht allenfalls am Rande bedeutsames Marktsegmentbeziehe. Ein belästigendes Umsichgreifen der angegriffenen Werbe- und Ver-triebsform im Bereich der gewöhnlichen geschäftlichen Werbung sei dahernicht zu befürchten.Die Anschlußberufung der [X.]n sei begründet, da der Klägeringemäß den §§ 683, 677, 670 BGB kein Anspruch auf Erstattung einer Ab-mahnpauschale zustehe. Ihr Vorbringen lasse erkennen, daß das [X.]auptziel [X.] die Feststellung der geltend gemachten Wettbewerbswidrigkeit einertelefonischen Werbung für [X.] und [X.] gegenüber Gewer-betreibenden gewesen sei. Mit diesem Begehren sei die Klägerin unterlegen.I[X.] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen[X.]eils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] 8 -1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß [X.] im geschäftlichen Bereich mit dem Ziel, Neukunden zu gewinnen,grundsätzlich gemäß § 1 UWG unzulässig ist, solange der [X.] wederausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit derartigen [X.] hat und ein solches vom Anrufer auf Grund konkreter tatsächlicher Um-stände auch nicht vermutet werden kann. Denn es muß berücksichtigt werden,daß unerbetene Telefonanrufe bei Gewerbetreibenden - wenn auch auf andereWeise und mit anderer Richtung als im privaten Bereich - ebenfalls zu [X.] führen können, nämlich zu belästigenden odersonst unerwünschten Störungen in dessen beruflicher Tätigkeit und zu einerden Geschäftsgang störenden Belegung des Telefonanschlusses für die Dauerdes Anrufs. Ob und inwieweit der gewerbliche [X.] trotz derartigerBeeinträchtigungen bereit ist, telefonische Werbemaßnahmen hinzunehmenmit der Folge, daß die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer solchen [X.] zu bejahen ist, hängt daher grundsätzlich von dem Grad des [X.], das der anzurufende Gewerbetreibende der jeweiligen Werbung [X.]. Dabei vermag ein bloßer allgemeiner Sachbezug zu seinem Geschäfts-betrieb im allgemeinen für sich allein ein ausreichend großes Interesse inso-weit nicht zu begründen. Denn ließe man eine nur allgemeine Sachbezogen-heit ausreichen, liefe dies auf eine nahezu unbeschränkte Zulässigkeit der Te-lefonwerbung im geschäftlichen Bereich mit den genannten belästigenden,nicht generell hinnehmbaren Folgen hinaus. Es muß daher, um die [X.] im geschäftlichen Bereich als i.S. des § 1 UWG wettbewerbsgemäßansehen zu können, grundsätzlich ein konkreter, aus dem Interessenbereichdes [X.] herzuleitender Grund hinzukommen, der diese Art der [X.] rechtfertigt. Davon kann - mit Blick auf das Interesse des [X.]an telefonischer Werbung - regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn- 9 -dieser ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufenerklärt hat oder wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein [X.] Interesse des [X.] daran vom Anrufer vermutet werden kann(vgl. [X.]Z 113, 282, 284 f. - Telefonwerbung [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, bei Zugrundelegung dieserGrundsätze müßte der in Rede stehende Telefonanruf des Mitarbeiters der [X.] bei dem Bauingenieurbüro [X.]. an sich als wettbewerbsrechtlichunzulässig bewertet werden, weil kein konkreter Anschaffungsbedarf des [X.] ersichtlich gewesen sei und dieser vor oder während des [X.] Telefonats auch kein Einverständnis mit dem Anruf bekundethabe. Es hat die angegriffene unaufgeforderte telefonische Bewerbung [X.] und [X.] gleichwohl für wettbewerbsrechtlich zulässig erach-tet, weil sie nicht das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 1 [X.]) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im rechtlichen [X.] davon ausgegangen, daß nur solche Wettbewerbshandlungen ge-gen § 1 UWG verstoßen, die dem Anstandsgefühl eines verständigen Durch-schnittsgewerbetreibenden widersprechen oder von der Allgemeinheit mißbilligtund für untragbar gehalten werden. Es hat auch mit Recht angenommen, daßdiese Beurteilung eine Interessenabwägung anhand aller betroffenenschutzwürdigen Interessen - insbesondere derjenigen der Mitbewerber, [X.] und der Allgemeinheit - im Rahmen der Gesamtumstände [X.] auf die Auswirkungen des wettbewerblichen Vorgehens erfordert (vgl.[X.]Z 81, 291, 295 f. - [X.]; [X.], [X.]. [X.], [X.], 220, 222 = [X.], 104 - PS-Werbung II; [X.]/[X.], UWG, 2. Aufl., Einf. [X.]. 267).- 10 -b) [X.]iervon ausgehend hat das Berufungsgericht die Unlauterkeit der [X.] Telefonwerbung verneint, weil sie dem anerkennenswerten [X.] Zweck des Absatzes von [X.] diene und die unaufgefordertetelefonische Bewerbung dieser Waren gegenüber Gewerbetreibenden in[X.] nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der [X.]n seitJahrzehnten branchenüblich sei, so daß sich eine entsprechende Verkehr-sauffassung gebildet habe, zumal die in [X.]andarbeit hergestellten [X.]anderenfalls nicht mit industriell gefertigten Produkten konkurrieren könnten.Ferner hat es darauf abgestellt, daß die wirtschaftliche Bedeutung des Ver-triebs von [X.] relativ gering sei, so daß ein belästigendes Umsich-greifen dieser Werbe- und Vertriebsform im Bereich der gewöhnlichen ge-schäftlichen Werbung nicht zu befürchten sei. Schließlich hat das Berufungs-gericht bei der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigt,daß der Verkehr die telefonische Werbung für [X.] bereitwilliger ent-gegennehme als sonstige Werbung.3. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht inallen Punkten stand.a) Entgegen der Auffassung der Revision ist es rechtlich allerdings nichtzu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei seiner Interessenabwägungmitberücksichtigt hat, daß die angegriffene Werbemaßnahme dem [X.] [X.] Zweck des Absatzes von [X.] dient. Die [X.] wendet hiergegen ein, der Umstand, daß der Gesetzgeber trotz [X.] Problems der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von unaufgeforderterTelefonwerbung für [X.] davon abgesehen habe, deren [X.] -positiv zu regeln, sei dahin zu werten, daß die Telefonwerbung gerade nichthabe erlaubt werden sollen.aa) Dem ist nicht beizutreten. Das Berufungsgericht hat - von der Revi-sion unbeanstandet - im einzelnen dargelegt, daß der Gesetzgeber mit [X.] des [X.]es im Jahre 1965 vor allem [X.] verfolgt hat, die gewerberechtliche Seite des Vertriebs von [X.] regeln. Der vom Berufungsgericht daraus abgeleitete Schluß, die Bestim-mungen des [X.]es enthielten sich jeder Aussage(und zwar sowohl in einem positiv als auch in einem negativ zu verstehendenSinn) über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Telefonwerbung in demhier in Rede stehenden Bereich, läßt danach einen Rechtsfehler nicht erken-nen.bb) Da das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß angenommen hat, [X.] des [X.]es regelten nicht die wettbe-werbsrechtliche Zulässigkeit bestimmter [X.]n für [X.],geht auch die weitere Rüge der Revision fehl, das Berufungsgericht habe, daes über die gesetzliche Regelung hinaus noch andere Werbeformen für zuläs-sig erachtet habe, die ausdrückliche Detailregelung des [X.]ver-triebsgesetzes unterlaufen und damit dieses im Wege einer Interessenabwä-gung "ausgehöhlt".Die Revision läßt bei ihrer Sichtweise zudem unbeachtet, daß das Be-rufungsgericht bei der gebotenen Interessenabwägung nicht nur einseitig [X.] des Werbenden, sondern auch das Interesse des gewerblichenAdressaten berücksichtigt hat, nicht durch unerbetene Telefonanrufe in derberuflichen Tätigkeit behindert zu werden. Es hat in diesem [X.] -rechtsfehlerfrei mit in seine Wertung einbezogen, daß durch die Erleichterungdes Absatzes der von Blinden hergestellten Erzeugnisse mittelbar deren Ar-beitsmöglichkeiten und deren allgemeine [X.] Situation verbessert werden,und daß das [X.] selbst zur Erreichung dieser Zweckeeine wesentliche Bereichsausnahme vornimmt, indem es in § 1 Abs. 1 einenVertrieb von [X.] unter [X.]inweis auf die Beschäftigung von [X.] die Fürsorge für Blinde gestattet.cc) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das [X.] von einem Erfahrungssatz ausgegangen ist, wonach der [X.] bereit sei, eine Werbung für [X.] eher entgegenzu-nehmen als sonstige Werbung. Das Berufungsgericht hat nachvollziehbar [X.], weshalb (auch) Gewerbetreibende, an die sich die [X.] aus-schließlich mit Telefonwerbung wendet, der Werbung für [X.] aufge-schlossener gegenüberstehen als sonstiger [X.]) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auchkeine allgemeinen sozialpolitischen Gesichtspunkte in das Wettbewerbsrechtintegriert und damit eine außerhalb des Schutzzwecks des UWG liegende Ent-scheidung getroffen.Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandenderWeise darauf abgestellt, daß Gewerbetreibende und Geschäftsleute erfah-rungsgemäß den Anrufen ihnen bisher unbekannter Dritter aufgeschlossenergegenüberstehen als private Telefonanschlußinhaber. Auch wenn der Gewer-betreibende einen Telefonanschluß vorwiegend im eigenen Interesse unterhält,so rechnet er doch im allgemeinen mit Anrufen möglicher Geschäftspartnersowie solcher Personen, die im eigenen geschäftlichen Interesse mit ihm in- 13 -Verbindung treten wollen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf [X.], daß hierin gerade der innere Grund dafür liegt, daß die für eine [X.] gegenüber Privaten entwickelten Grundsätze auf eine Anrufwer-bung im geschäftlichen Bereich nicht uneingeschränkt anwendbar sind (vgl.[X.]Z 113, 282, 284 - Telefonwerbung [X.] hat das Berufungsgericht berücksichtigt, daß bei der [X.] konkreten, aus dem Interessenbereich des [X.] [X.] für die Rechtfertigung der Telefonwerbung nicht auf eine generalisie-rende Betrachtungsweise abzustellen ist, sondern daß es maßgeblich daraufankommt, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Annahme gerechtfertigtist, der [X.] werde der telefonischen Kontaktaufnahme jedenfalls posi-tiv gegenüberstehen (vgl. [X.]Z 113, 282, 286 - Telefonwerbung [X.]) Aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe des [X.] ergibt sich indessen, daß das Berufungsgericht allein die zuvor ge-nannten Umstände für die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der beanstan-deten [X.] nicht hat ausreichen lassen. Das Berufungsgericht hatbei seiner Annahme, die angegriffene Telefonwerbung verstoße nicht gegen§ 1 UWG, vor allem maßgeblich auf die Behauptung der [X.]n abgestellt,alle [X.] bedienten sich seit Jahrzehnten der Methode der Te-lefonwerbung gegenüber geschäftlichen Kunden, ohne daß dies jemals vonirgendeiner Seite beanstandet worden sei. Das Bestreiten des [X.] [X.]n durch die Klägerin hat das Berufungsgericht gemäß § 296Abs. 1, § 527 ZPO nicht zugelassen, weil sich andernfalls die Erledigung [X.] verzögert hätte. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.- 14 -aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] der nach § 1 UWG gebotenen Interessenabwägung maßgebliche Bedeu-tung zu, ist revisionsrechtlich allerdings nicht zu beanstanden. Denn bei [X.], ob die angegriffene Werbemaßnahme der [X.]n als sittenwid-rig im Sinne von § 1 UWG anzusehen ist, kommt es entscheidend auf die [X.] der angesprochenen Verkehrskreise an, die ihrerseits in erster [X.] beeinflußt wird, ob entsprechende [X.]n in der in Frage ste-henden Branche üblich sind; die Verkehrsauffassung bildet und orientiert sichregelmäßig an dem, was ihr in der Branche begegnet (vgl. [X.]Z 103, 349, [X.]; [X.], [X.]. v. 2.10.1981 - I ZR 116/79, [X.], 56, 57= WRP 1982, 22 - [X.]; [X.]. v. 29.3.1984 - I ZR 41/82, GRUR 1984,664, 665 = [X.], 396 - Winterpreis).Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, daß das Berufungsgericht in die-sem Zusammenhang zusätzlich zugunsten der [X.]n berücksichtigt hat,daß sich die angegriffene Werbung - gemessen an der Gesamtheit des Ange-bots an gleichartigen Waren - auf ein in wirtschaftlicher [X.]insicht nur am [X.] Marktsegment bezieht. Die Revision erhebt insoweit auch [X.]) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber das Bestreiten der vonder [X.]n behaupteten Branchenüblichkeit durch die Klägerin nicht [X.].Aus dem Zusammenhang der für seine Annahme gegebenen [X.] ergibt sich, daß das Berufungsgericht offenbar davon ausgegangen ist,daß die Klägerin den Sachvortrag der [X.]n zur [X.] in der mündlichen Berufungsverhandlung bestritten hat. Das wird von der- 15 -Revision zu Recht beanstandet. Sie weist zutreffend darauf hin, daß die Kläge-rin bereits in ihrer Replik zur Klageerwiderung ausdrücklich bestritten hat, "daßalle staatlich anerkannten [X.] in [X.] in gleicher Weiseden Absatz ihrer Produkte organisieren, insbesondere vom Mittel der unauf-geforderten Telefonwerbung Gebrauch machen". In demselben Schriftsatz vom27. Oktober 1997 hat sie auch bestritten, "daß sich dies in der B[X.]republik[X.] eingebürgert hätte". Dieses Bestreiten hat die Klägerin in der Be-rufungsinstanz wirksam wiederholt, obwohl sie in ihrer Berufungsbegründungnicht erneut konkret auf die von der [X.]n behauptete Branchenüblichkeitder angegriffenen Telefonwerbung eingegangen ist. Sie hat sich zur [X.] ihres Rechtsmittels jedoch auch auf ihren gesamten erstinstanzlichenVortrag bezogen und ergänzend darauf verwiesen, daß die tatsächlichen Be-hauptungen der [X.]n bestritten würden, soweit sie deren Richtigkeit in [X.] nicht ausdrücklich zugestehe. Eine solche pauschaleBezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen reichte hier ausnahmsweiseaus, um das Bestreiten der Branchenüblichkeit zum Gegenstand des [X.] zu machen.In der Rechtsprechung ist zwar allgemein anerkannt, daß es [X.] keine ordnungsgemäße Begründung darstellt, wenn lediglich auf den er-stinstanzlichen Parteivortrag verwiesen wird. Das folgt aus dem Zweck der ge-setzlichen Regelung des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, formale und nicht auf denkonkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, umdadurch die Zusammenfassung und [X.]eunigung des zweitinstanzlichenRechtszuges zu erreichen. Der Berufungskläger muß daher eine auf den [X.] stehenden Fall zugeschnittene Begründung liefern, die erkennenläßt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene[X.]eil nach seiner Ansicht unrichtig ist und aus welchen Gründen er die in er-- 16 -ster Instanz vorgenommene rechtliche oder tatsächliche Würdigung beanstan-det (vgl. [X.], [X.]. v. 25.1.1990 - IX ZB 89/89, NJW 1990, 1184; [X.]. v.29.9.1993 - [X.], NJW 1993, 3333, 3334).Von diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung aus Gründen der [X.] und [X.] jedoch Ausnahmen zugelassen. Eine nurpauschale Bezugnahme auf das Vorbringen erster Instanz genügt ausnahms-weise dann den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, wenn das erstin-stanzliche Gericht ein unter Beweis gestelltes Vorbringen für unerheblich er-achtet hat, das Berufungsgericht diese Rechtsauffassung jedoch nicht teilt [X.] deshalb nunmehr auf den Sachvortrag ankommt (vgl. [X.] 36, 92, 99 f.;60, 305, 311 f.; [X.], [X.]. v. 13.3.1981 - [X.], NJW 1982, 581, 582; [X.].v. 3.6.1997 - VI ZR 133/96, [X.], 155). So liegt der Fall hier.Das [X.] hat der behaupteten Branchenüblichkeit bei seiner Ent-scheidung keine Bedeutung beigemessen. Es hat die beanstandete [X.] für [X.] aus anderen Gründen für wettbewerbsrechtlich zu-lässig erachtet. Unter diesen Umständen war es verständlich und zur [X.] Begründung der Berufung auch ausreichend, daß die [X.] zweiten Rechtszug nicht ausdrücklich auf die von der [X.]n behaupteteBranchenüblichkeit eingegangen ist, sondern sich allein mit den ihr ungünsti-gen Ausführungen zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der angegriffenenTelefonwerbung befaßt hat (vgl. [X.] [X.], 155). Das Berufungsgerichthatte aufgrund des [X.]inweises in der Berufungsbegründung, daß die tatsächli-chen Behauptungen der [X.]n bestritten würden, soweit sie - die Klägerin -diese nicht nachfolgend ausdrücklich zugestehe, keinen Anlaß zu der [X.], die Klägerin wolle ihr erstinstanzliches Bestreiten der Branchenüblichkeitnicht mehr aufrechterhalten. Nach der Rechtsauffassung des [X.] -richts kam dem Bestreiten der Klägerin gerade erst im zweiten [X.] Bedeutung zu. Aus den genannten Gründen war die [X.] nicht verpflichtet, ihr Bestreiten vor der mündlichen Verhandlung des Be-rufungsgerichts nochmals ausdrücklich schriftlich zu wiederholen, nachdemsich die [X.] in ihrer Berufungserwiderung erneut auf die Branchenüblich-keit berufen hatte.Danach hätte das Berufungsgericht - sofern es den Beweisantritt alsausreichend erachtete - den von der [X.]n für die Branchenüblichkeit derbeanstandeten Telefonwerbung benannten Zeugen S. durch prozeßleitendeVerfügung gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zum Verhandlungstermin laden undvernehmen müssen, da es die Frage der Branchenüblichkeit zu Recht als ent-scheidungserheblich angesehen hat.4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht im Sinne des § 563 ZPO ausanderen Gründen als richtig dar. Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit derangegriffenen Telefonwerbung ergibt sich entgegen der Auffassung der [X.]serwiderung nicht bereits ohne weiteres aus den Regelungen der [X.] 97/7/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ([X.] - ABl. [X.] Nr. L 144/19 v. [X.]), die durch das am [X.] in [X.] getretene Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragendes Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf [X.] ([X.] 897 - FernAbsG) umgesetzt worden ist. Die genannteRichtlinie läßt zwar, wie sich aus ihrem Art. 10 ergibt, die telefonische Kommu-nikation mit Verbrauchern auch ohne deren vorherige Zustimmung zu und ver-bietet sie lediglich dann, wenn der Verbraucher sie offenkundig abgelehnt hat.Jedoch läßt Art. 14 Satz 1 den Mitgliedstaaten Raum für den Erlaß oder die- 18 -Aufrechterhaltung strengerer Bestimmungen, um ein höheres Schutzniveau fürdie Verbraucher sicherzustellen. Die (strengere) [X.] Rechtsprechung [X.] bleibt schon deshalb von der Richtlinienregelung [X.] unberührt (vgl. [X.], [X.]. v. [X.] - I ZR 241/97, [X.], 818, 820= [X.], 722 - Telefonwerbung VI). An dieser Beurteilung ändert [X.]. 14 Satz 2 der Richtlinie nichts, da diese Bestimmung sich nur auf Ver-triebsverbote (im Sinne von § 134 BGB) bezieht, mithin Art. 14 Satz 1 nur kon-kretisiert, aber nicht einschränkt ([X.]/[X.] aaO § 1 UWG [X.]. 140; a.A.Böhm, [X.], 643, 647). Der [X.] Gesetzgeber hat bei [X.] durch das [X.] davon Abstand genom-men, die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Telefonwerbung zu regeln(vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 FernAbsG). Im übrigen erstreckt sich die [X.]/7/[X.] ohnehin nicht auf die Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden([X.]/[X.] aaO § 1 UWG [X.]. 140).- 19 -II[X.] Danach war das angefochtene [X.]eil auf die Revision der Klägerinaufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen.[X.]. [X.]

Meta

I ZR 53/99

25.01.2001

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2001, Az. I ZR 53/99 (REWIS RS 2001, 3755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3755

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