Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. 3 StR 146/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10132

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 146/15
vom
9. Juni 2015
in der Strafsache
gegen

1.

2.
3.

wegen besonders schweren Raubes
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der Beschwerde-führer und des [X.] am 9. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen
der Angeklagten wird das Urteil der auswärti-gen großen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 18.
Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu
neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der
Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen besonders schweren [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten ([X.]

), fünf Jahren ([X.]

) und drei Jahren (O.

) verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen besaß der Geschädigte auf seinem Handy Aufnahmen der Angeklagten [X.]

, auf denen erkennbar war, dass diese als Prostituierte arbeitete. Um an diese Bilddateien zu gelangen, wollte die Angeklagte
[X.]

dem Geschädigten das Mobiltelefon wegnehmen und ihm gleichzeitig einen Denkzettel verpassen. Mit der Behauptung, der Geschädigte drohe ihr, die Fotos ihrer Familie zu zeigen, um sie zur Prostitution zu zwingen, 1
2
-
3
-
gelang es ihr, die gesondert
verfolgten U.

und E.

sowie die Mitangeklagten [X.]

und O.

zur Mithilfe bei der Wegnahme des Handys zu gewinnen. Nach dem abgesprochenen [X.] wollte die Angeklagte
[X.]

den Geschädigten zu einem Feldweg locken, wo ihm die Angeklagten [X.]

und O.

sowie
die beiden gesondert Verfolgten das Mobiltelefon abnehmen sollten. Auf der gemeinsamen Fahrt besprachen die vier Männer ihr Vorgehen. Sie fassten den Plan, die erwartete Gegenwehr des Geschädigten mit personeller Überlegenheit und Gewalt zu überwinden. [X.] zur Wegnahme des Mobiltelefons nahmen sie jedenfalls billigend in Kauf. Außerdem zeigte der Angeklagte
[X.]

eine Schusswaffe oder ein Schusswaffenimitat
(im Folgenden: die Waffe), wobei Einigkeit bestand, dass dieser Gegenstand jedenfalls zur Drohung eingesetzt werden sollte. Die vier Mittäter beabsichtigten, dem Geschädigten das Handy wegzunehmen und nicht wiederzugeben. Sie wollten es auf etwaige Aufnahmen untersuchen und diese löschen. Danach sollte "jedenfalls"
der gesondert verfolgte U.

über den Verbleib des Mobiltelefons entscheiden. Während U.

in dem abseits geparkten Fahrzeug verblieb, erwarteten die Angeklagten [X.]

und O.

sowie der gesondert verfolgte E.

den Geschädigten und die Angeklagte
[X.]

am verabredeten Ort. Als diese vorfuhren, riss E.

die Beifahrertür auf und begann, den Geschädigten aus dem Auto zu zerren. Dabei hielt der Angeklagte
[X.]

diesem die Waffe an den Kopf. Dann
zog er ihn zusammen mit dem gesondert verfolgten
E.

aus dem Fahrzeug und schlug mit der Waffe
auf den
Kopf des Geschädigten ein, wobei E.

diesen
an den Beinen festhielt. Währenddessen durchsuchte der Angeklagte
O.

den Geschädigten und das Fahrzeug nach dem Mobiltelefon, fand es schließlich auf dem "Feld" und übergab es dem inzwischen hinzugekommenen U.

, der es einsteckte. Das von dem ursprünglichen [X.] abweichende Vorgehen des
Angeklagten
[X.]

, -
4
-
der
mit der Waffe zuschlug, nahm der Angeklagte
O.

während der Suche nach dem Mobiltelefon in seinen Vorsatz auf. Auch die Angeklagte
[X.]

, die im Vorfeld keine Kenntnis vom beabsichtigten Einsatz dieses Gegenstandes hatte, diesen
aber während der von ihr beobachteten Durchsuchung des Geschädigten durch den Angeklagten O.

bemerkte, nahm die Verwendung jedenfalls einer Scheinwaffe als [X.] in Kauf. Allerdings billigte sie lediglich den Einsatz als Drohmittel, nicht den als Schlaginstrument. Der Verbleib des Handys konnte nicht geklärt werden. Eine Überwachung der [X.] ergab, dass das Mobiltelefon einige Wochen später nochmals kurzzeitig in Betrieb genommen worden war.

2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten, wie von §
249 Abs. 1 StGB
vorausgesetzt, die Absicht hatten, das Mobiltelefon des Geschädigten sich oder einem [X.] zuzueignen. Die [X.] ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen [X.] erlangen
und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines [X.] "einverleiben" oder zuführen will ([X.], Urteil vom 28. Juni 1961 -
2 [X.], [X.]St 16, 190, 192; Beschluss vom 5. März 1971 -
3 [X.], [X.]St 24, 115, 119; Urteil vom 27. Januar 2011 -
4 [X.], [X.], 699, 701). An dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des [X.], den Bestand seines Vermögens oder den des Vermögens eines [X.] zu ändern, fehlt es dagegen, wenn er das [X.] nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen 3
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-
Sachentzug zu ärgern (vgl. [X.], Urteile vom 26. September 1984 -
3 [X.], NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 -
4 [X.], [X.], 699, 701 jeweils mwN).

Nach diesen Maßstäben ist die [X.] der Angeklagten hier nicht belegt. Sie wollten das Handy auf kompromittierende Aufnahmen der An-geklagten [X.]

untersuchen, um diese zu löschen. Was weiter mit dem Handy geschehen sollte, stand zum Tatzeitpunkt hingegen noch nicht fest. Vielmehr sollte erst später über seinen Verbleib entschieden werden. Zwar kann die [X.] auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich
erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei ([X.], Urteil vom 25.
Oktober 1968 -
4 StR 398/68,
GA 1969, 306, 307). Doch ergeben die Feststellungen gerade nicht, dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Wegnahme das Handy -
wenn auch
nur
vorübergehend -
über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus be-halten wollten. Dass die von den Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und die Identifizierung der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lagen, ändert [X.] nichts, denn diese
führten
nicht zu deren Verbrauch ([X.], Beschluss vom 14. Februar 2012 -
3 [X.], [X.], 627 mwN). Soweit das [X.] in der rechtlichen Würdigung ausführt, der gesondert verfolgte U.

ha-be das Handy seinem Vermögen einverleiben und in der Folgezeit verkaufen wollen, findet dies weder in den Feststellungen noch in der Beweiswürdigung eine Stütze.

Auch eine -
bei fehlender [X.] mögliche (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 1960 -
5 [X.], [X.]St 14, 386) -
Strafbarkeit wegen räuberi-scher Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt auf der Grundlage der 4
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getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Die Angeklagten handelten nicht in der Absicht, sich oder einen [X.] zu bereichern. [X.] Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirt-schaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren [X.] führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen
will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat ver-bundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur [X.], Urteil vom 27. Januar 2011 -
4 [X.], [X.], 699, 701;
Beschluss vom 14. Februar 2012 -
3 [X.], [X.], 627).

Nach alledem kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache bedarf vielmehr neuer Verhandlung und Entscheidung.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Rechtsfehlerhaft hat das [X.] auch die von dem Angeklagten [X.]

mit der Waffe ausgeführten Schläge gegen den Geschädigten dem Angeklagten O.

hinsichtlich der [X.] begangenen gemeinschaftli-chen Körperverletzung zugerechnet und deshalb neben dem Qualifikations-merkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch das Merkmal des §
224 Abs. 1 Nr.
2 StGB als verwirklicht angesehen. Ein gemeinsamer [X.], der den [X.] dieses Gegenstandes als Schlagwerkzeug vorsah, bestand nach den Feststellungen nicht. Der Angeklagte O.

nahm diesen zwar während der Suche nach dem Handy wahr und nutzte ihn aus, um mit dieser ungestört fort-fahren zu können. Seine Beteiligung an den [X.] war 6
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hingegen zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Eine Zurechnung der Schläge mit dem Gegenstand lässt sich damit auch nicht mit der vom [X.] angeführten Erwägung begründen, dass der Angeklagte O.

seine Tatausführung fortsetzte, nachdem der Angeklagte [X.]

mit den Schlä-gen begonnen hatte, und damit die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges in seinen Vorsatz mit aufnahm. Denn es ist nicht erkennbar, dass er hierdurch einen täterschaftlichen Beitrag zu den von dem Angeklagten [X.]

mit der Waffe ausgeführten Schlägen leistete oder diese auch nur im Sinne psychischer Beihilfe förderte

b) Soweit das [X.] die
Angeklagte [X.]

wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, leidet das Urteil noch an einem weiteren Rechtsfehler: Die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand verwendet ([X.], [X.] vom 17. Juni 1998 -
2 StR 167/98, [X.]St 44, 103). Das ist beim [X.] von [X.], wie er vorliegend nicht ausgeschlossen werden konnte, nicht der Fall ([X.], Beschluss vom 7. Januar 1999 -
4 [X.], [X.], 209). Zwar wurde die Waffe
bei Tatbegehung auch als Schlagwerkzeug ver-

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wendet. Dieser Einsatz war aber vom Vorsatz der Angeklagten [X.]

nicht um-fasst. Das [X.] geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass die Ange-klagte [X.]

lediglich den Einsatz der möglichen Scheinwaffe als Drohmittel, nicht aber als Schlaginstrument billigte. Mithin stellte sich das Verhalten des Angeklagten [X.]

in Bezug auf sie als Mittäterexzess dar. Ihre Bestra-fung wegen besonders schweren Raubes kam damit nicht in Betracht.

Becker

Schäfer

Ri[X.] [X.] befindet sich

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

Becker

Gericke

Spaniol

Meta

3 StR 146/15

09.06.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. 3 StR 146/15 (REWIS RS 2015, 10132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 146/15

4 StR 502/10

3 StR 392/11

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