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5 StR 508/11
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
10. Januar 2012
beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Juli 2011 gemäß § 349 Abs.
4 [X.] aufgehoben
a)
mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der An-geklagte im Fall 3 der Urteilsgründe verurteilt ist, und
b)
im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 [X.] als unbegründet verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
[X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen dreier Fälle des uner-laubten Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge, im Fall 3 in [X.] mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge hinsichtlich der Verurteilung im Fall 3 Erfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].
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1. Das [X.] hat sich im Wesentlichen auf der Grundlage der Verurteilung des [X.] [X.]
durch das [X.] und [X.] ([X.]) am 29. April 2008 sowie der in großem Umfang ausge-werteten Geodaten der durch [X.]
genutzten Mobiltelefone sowie dessen mit dem Angeklagten geführten Telefongespräche rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte im Dezember 2007 mindestens 500 g sowie 987
g Kokain höherer Konzentration von [X.] nach [X.] exportieren ließ. Die dieserhalb gefundenen Schuld-
und Strafaussprüche (je vier Jahre Freiheitsstrafe) sind beanstandungsfrei.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge eines Fairnessversto-ßes ist unzulässig. Der erst nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft [X.] Hinweis des [X.]s auf veränderte Konkurrenzen hätte, wenn die Verteidigung ihn als verspätet beanstanden wollte, einen Zwischenrechtsbe-helf erfordert: Die als Maßnahme der Verhandlungsleitung unmittelbar da-nach ergangene Aufforderung an den Verteidiger, den [X.] zu [X.], wäre gemäß §
238 Abs. 2 [X.] zu beanstanden gewesen (vgl. [X.], [X.], 54.
Aufl., § 238 Rn. 22), anstatt
wie geschehen
wider-spruchslos den [X.] zu halten.
2. Dem Schuldspruch hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einsatzstrafe: fünf Jahre Freiheitsstrafe) hat das [X.] ausschließlich die Zeugenaussage des am 3. Juni 2008 nach Einreise in die [X.] mit 987 g Kokain (50 % [X.]) festgenomme-nen, in [X.] ansässigen Zeugen Am.
zugrunde gelegt. Dieser hatte bereits in seiner polizeilichen Vernehmung vom 6. Oktober 2008 den Ange-klagten als Auftraggeber der [X.] benannt ([X.]) und ist am 22.
Oktober 2008 durch das [X.] Kleve zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.
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3. Die Bewertung der den Angeklagten allein belastenden Zeugenaus-sage ist unter mehreren Aspekten fehlerhaft und vermag letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Dezem-ber
2001
5 StR 520/01, [X.], 235; Beschluss vom [X.]
2011
5 StR 308/11).
a) Das [X.] hat es unterlassen, die sich widersprechenden Angaben des Zeugen
und des die Tat bestreitenden Angeklagten zu ihrem Kennenlernen für die Glaubhaftigkeitsprüfung heranzuziehen (vgl. [X.], Ur-teil vom 29. Juli 1998
1 StR 94/98, [X.]St 44, 153, 158 f.). Der Zeuge Am.
hat
für sich wenig plausibel
ausgeführt, der Angeklagte habe ihn in [X.] während eines Friseurbesuchs angesprochen, ob er bereit sei, Kokain aus [X.] nach [X.] zu transportieren ([X.]). [X.] hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, er kenne Am.
als häufigen Besucher des von ihm betriebenen [X.]; Am.
habe bei ihm Schulden gehabt ([X.] 10).
b) [X.] hat daneben Besonderheiten der Zeugenaussage ohne kritische Prüfung von deren Auswirkungen auf die Bewertung der [X.] Aussage im Übrigen hingenommen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Ja-nuar 2002
5 StR 130/01, [X.]St 47, 220, 223 f.). Das [X.] hat fest-weitem Umfang von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 [X.] Gebrauch gund deren Relevanz für die Beweiswürdigung zu erwägen. Soweit das [X.] nicht der Wahrheit entsprechend und zu einem kriminellen Hintergrund gehörend gewürdigt hat ([X.] f.), fehlt es an der Einbeziehung dieses Aspektes in die gebotene
hier indes gar nicht angestellte
Gesamtbetrach-tung aller die Glaubhaftigkeit der Aussage in Frage stellenden Umstände (vgl. Brause, NStZ 2007, 505, 512 mwN).
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Der Senat besorgt ferner, dass die Strafkammer der Aussagekonstanz hinsichtlich der Umstände der [X.] ([X.]) eine zu große Bedeu-tung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Belastung des Angeklagten als [X.] zugemessen hat. Der Zeuge konnte nämlich ohne [X.] viele Details der selbst erlebten [X.] wiederholt schildern, ohne dass hierdurch die eher detailarm bekundete Beauftragung gerade durch den Angeklagten gestützt werden musste (vgl. [X.], Beschluss vom [X.] 2011
5 StR 308/11).
4. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich des [X.] neuer Auf-klärung und Bewertung. Sollte die gebotene
bis jetzt nach dem Inhalt [X.] nicht durchgreifender Verfahrensrügen unterbliebene
Aufklärung des [X.] keine Verbindung zu dem Angeklagten erbringen, könnte ressourcenschonend § 154 Abs. 2 [X.] an-gewandt werden.
Basdorf Brause Schaal
Schneider König
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Meta
10.01.2012
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2012, Az. 5 StR 508/11 (REWIS RS 2012, 10335)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 10335
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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