Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2012, Az. V ZB 167/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5942

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

31. Mai
2012

in der Zurückschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 417 Abs. 2 Nr. 5; [X.] § 72 Abs. 4 Satz 1
Der Haftantrag muss auch dann Ausführungen zu dem Einvernehmen der Staatsan-waltschaft mit der Abschiebung enthalten, wenn das Einvernehmen generell erteilt wurde und dies gerichtsbekannt ist.
[X.], Beschluss vom 31. Mai 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat
am 31.
Mai
2012
durch den Vor-sitzenden Richter Prof.
Dr.
Krüger, die Richterin [X.], [X.] Czub
und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland
beschlossen:
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Rechtsbe-schwerde gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 6.
Juni 2011
aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 19. Februar 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des
Betroffenen werden der [X.] [X.]
auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 19.
Februar 2011 aus [X.] in die [X.] ein und wurde in [X.]
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brücken von der [X.] aufgegriffen. Er gab an, mit Hilfe von Schleu-sern nach [X.] gelangt zu sein
und einen Asylantrag stellen zu wollen.
Eine Überprüfung im [X.] ergab, dass er in [X.] einen Asylantrag gestellt hatte.
Auf Antrag der Beteiligten zu 2, die beabsichtigte, den Betroffenen nach [X.] zurückzuschieben,
ordnete das Amtsgericht am selben Tag die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen bis zum 18. Mai 2011 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an.
Am 28. Februar 2011 stellte der Betroffene einen Asylantrag bei dem [X.]. Dieses teilte der Beteiligten zu 2 am 28. März 2011 mit, dass das Rückübernahmeersuchen von [X.] ab-gelehnt worden sei. Der Betroffene wurde daraufhin aus der Haft entlassen. Sein Antrag, die Rechtswidrigkeit des [X.] festzustellen, ist von dem [X.] zurückgewiesen worden. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde
des Betroffenen, deren Zurückweisung
die Beteiligte zu
2 beantragt.

II.
Das Beschwerdegericht meint, die Haft sei zu Recht angeordnet
worden. Der Haftantrag habe den Anforderungen des §
417 FamFG genügt. Zwar habe dieser keine Angaben zu einem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit einer Zurückschiebung enthalten, obwohl der Betroffene nach den
vorgelegten Unter-lagen wegen der Straftat der unerlaubten Einreise als Beschuldigter vernom-men worden sei. Es sei aber gerichtsbekannt, dass die zuständige [X.] generell ihr Einvernehmen mit Abschiebungen erklärt habe, soweit gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaub-ter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts geführt werde.
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III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Betroffene hat zwar die recht-zeitige Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt. Da dies auf
seiner Be-dürftigkeit beruhte, also unverschuldet war,
und er die Begründung nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe fristgerecht nachgeholt hat, ist ihm aber gemäß §
17 Abs.
1 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewäh-ren.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Ausführungen des [X.] rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten.
a) Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil es bereits an einem zulässigen Haftantrag nach §
417 FamFG fehlte. Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder La-ge des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010

[X.], [X.] 2010, 210, 211, Rn.
12; Beschluss vom 22. Juli 2010

[X.], NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn.
7). Der Haftantrag muss nach §
417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet wer-den. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durch-führbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs.
2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des [X.] (Senat, Beschluss vom 29.
April 2010

V
ZB 218/09, aaO, Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010

V
ZB 28/10, aaO, Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 -
V [X.], Rn. 7,
juris).

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aa) Zu den in dem Haftantrag [X.] gehört das nach §
72 Abs. 4 Satz
1 [X.] notwendige Einverneh-men der Staatsanwaltschaft. Ergibt sich -
wie hier -
aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtli-ches Ermittlungsverfahren anhängig ist, muss der Antrag daher Angaben zu dem Vorliegen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft enthalten
(vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2011

[X.], [X.] 2011, 144 Rn.
9). Das gilt entgegen der Auffassung des [X.] auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen generell erteilt hat, und dies dem [X.] bekannt ist (Beschluss vom 7.
Juni 2011

V
ZB 44/11,
Rn. 10,
juris). Denn der Haftantrag richtet sich nicht nur an das Gericht, sondern auch an den Betroffenen; die darin enthaltenen Darlegungen sollen ihm eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag geben (Senat, Beschluss vom 22.
Juli 2010

[X.], NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Der Betroffene muss [X.] erkennen können, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt (hier: Verfügung bzw. Mitteilung des [X.] vom 17.
Mai 1992); andernfalls kann er nicht überprü-fen, ob das Einvernehmen tatsächlich generell erteilt worden ist und auch sei-nen Fall erfasst.
Der Mangel des [X.] wäre zwar -
mit Wirkung für die Zukunft -
geheilt worden, wenn die Beteiligte zu
2 die fehlenden Angaben nachgeholt und der Betroffene Gelegenheit erhalten hätte, dazu in einer persönlichen Anhörung Stellung zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2011

V
ZB 61/11, Rn. 8, juris; Beschluss vom 6.
Oktober 2011

[X.]/11,
Rn. 12
f., juris). Hierzu ist es aber
nicht gekommen.
[X.]) Ein weiterer Mangel des [X.] liegt darin, dass entgegen §
417 Abs. 2 Satz
2 Nr. 4
und 5
FamFG jegliche Begründung zu der Durchführ-8
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barkeit der Zurückschiebung und zu der Erforderlichkeit der beantragten [X.] von drei Monaten fehlt. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen [X.] Abschiebungen bzw. Zurückschiebungen in das betreffende Land übli-cherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (vgl. Senat, [X.] vom 31.
Januar 2012

[X.], Rn. 7
f., juris; Beschluss vom
27. Oktober 2011

[X.], [X.] 2012, 82, 83 Rn. 12
f.).
Diese Angaben waren hier nicht deshalb entbehrlich, weil bei [X.] nach der [X.] (Verordnung [EG]
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, [X.] vom 25. Februar 2003)
grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Zurückschiebung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können. Denn das gilt nur, wenn [X.] ist, dass der Mitgliedstaat
zur
Rückübernahme verpflichtet ist (Senat, [X.] vom 29. September 2010

[X.], Rn. 13, juris
[insoweit in NVwZ 2011, 320 nicht abgedruckt]). Angaben zu
der Rücknahmeverpflichtung [X.]s nach der [X.] II-Verordnung enthält der Haftantrag jedoch nicht. Konnte
die Behörde unmittelbar nach der Verhaftung des Betroffenen noch keine solchen Angaben machen,
hätte
sie sich darauf beschränken
müs-sen, eine vorläufige Freiheitsentziehung gemäß §
427 FamFG zu beantragen.
b)
Ob der Haftantrag dem Betroffenen weder übersetzt noch ausgehän-digt worden ist, wie die Rechtsbeschwerde weiter geltend macht, und die Haftanordnung auch deshalb rechtswidrig ist (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 4.
März 2010

[X.], [X.]Z 184, 323, 330 Rn. 16
f.; Beschluss vom
21. Juli 2011

V
ZB 141/11, [X.] 2011, 257, 258 Rn. 6
ff.), bedarf keiner Entscheidung.

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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
83 Abs. 2, §
81 Abs.
1, §
430
FamFG. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, die [X.] [X.] zur Erstat-tung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des
Betroffenen zu verpflichten (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010

[X.], [X.] 2010, 316, 317). Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 KostO i.V.m. §
30 Abs. 2 KostO.
Krüger

Stresemann

Czub

[X.]

Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.02.2011 -
7 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 06.06.2011 -
5 [X.]/11 -

12

Meta

V ZB 167/11

31.05.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2012, Az. V ZB 167/11 (REWIS RS 2012, 5942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5942

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