Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2012, Az. V ZB 127/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9621

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 127/11
vom

31. Januar 2012
in der Zurückschiebungshaftsache

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2
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2012 durch [X.] [X.], die Richterin
Dr. [X.], den
Richter
Dr.
[X.] und
die Richterinnen
Dr. Brückner
und Weinland

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 11.
Mai 2011 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 6.
Februar 2011 den Betroffenen in
seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.

Gründe:
I.
Der Betroffene ist [X.] Staatsangehöriger. Er hielt sich zwischen 2008 und 2010 in [X.] auf und stellte dort einen Asylantrag. Im März 2010 kehrte er nach [X.] zurück, von wo aus er
Anfang des Jahres 2011 1
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mit Hilfe eines
Schleusers wieder ausreiste.
Nachdem er
über verschiedene [X.] Länder
nach [X.] gelangt war, reiste er von dort ohne Pass und ohne Visum nach [X.] ein und wurde am 5.
Februar 2011 in [X.] von Beamten der Beteiligten zu 2 festgenommen.
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das
Amtsgericht mit Beschluss vom
6.
Februar 2011
gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschie-bung nach [X.] bis längstens 5.
Mai 2011
angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen, mit der er nach seiner Haftentlassung am 9.
März 2011 die Feststellung beantragt hat, dass ihn die Haftanordnung und ihr Vollzug in sei-nen Rechten verletzt haben,
hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet er sich mit der
Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 2 beantragt.

II.
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei unerlaubt in das [X.] eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig. Der von ihm aus der
Si-cherungshaft heraus gestellte Asylantrag stehe
der Haftanordnung nicht entge-gen. Damit entfalle zwar der Haftgrund des §
62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF, nicht aber der Haftgrund des §
62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] aF. Auf-grund der Umstände seiner Flucht aus [X.] bestehe bei dem Betroffenen die begründete Gefahr, dass er sich der Zurückschiebung entziehen wolle. Das nach §
72 Abs. 4 Satz 1 [X.] notwendige Einvernehmen der Staatsan-waltschaft sei erteilt, da eine generelle Zustimmung
vorliege.
Die Beteiligte
zu 2 habe auch nicht gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen.
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III.
Dies
hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. nur [X.], Beschluss vom 29. Juli
2010 -
V
ZB 29/09, [X.]
2011, 27
Rn. 4) und auch im Übrigen nach § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Die Haftanordnung und ihr Vollzug haben den Betroffenen in seinen Rechten
verletzt.
1.
Das Amtsgericht durfte die [X.] nicht anordnen, weil es an einem zulässigen Haftantrag nach §
417 FamFG gefehlt hat.
a)
Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung ([X.], Be-schluss
vom 29. April 2010 -
V
ZB 218/09, [X.] 2010, 210, 211,
Rn. 12; Be-schluss
vom 22. Juli 2010 -
V [X.], NVwZ 2010, 1511, 1512,
Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforder-lich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den [X.], zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbar-keit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzu-lässigkeit des [X.] ([X.], Beschluss
vom 29. April 2010 -
V
ZB 218/09, [X.] 2010, 210, 211,
Rn. 14;
Beschluss
vom 22. Juli 2010 -
V
[X.], NVwZ 2010, 1511, 1512,
Rn. 8).
Die Begründung des [X.] muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein ([X.], Beschluss vom 27.
Oktober 2011 -
V
ZB
311/10,
Rn. 13, juris). Denn durch den Antrag soll dem Gericht eine hin-reichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung zugänglich gemacht und dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag gegeben werden ([X.], Beschluss 4
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6
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5
-
vom 27.
Oktober 2011 -
V
ZB
311/10,
Rn. 13, juris). Die notwendigen [X.] dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prü-fung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
September 2011 -
V [X.], [X.]
2011, 317
Rn. 9).
b) Diesen Anforderungen genügt der von der Beteiligten zu 2 gestellte Haftantrag nicht.
Er enthält keine Tatsachen
zu der notwendigen Dauer der be-antragten Haft
nach §
417 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FamFG. Die Erklärung, die bean-tragte Freiheitsentziehung sei zur Sicherung der Zurückschiebung erforderlich, weil der Betroffene ohne Vollzug der Haft im Gebiet der [X.] untertauchen werde, mag
das Begründungserfordernis nach §
417 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FamFG
erfüllen, weil die Beteiligte
zu 2 auf diese Umstände den
von ihr
in dem Haftantrag genannten
Haftgrund der Entziehungsabsicht nach §
62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]
stützt. Sie sagen aber nichts
über die [X.] in dem konkreten Fall innerhalb der beantrag-ten Haftdauer aus
(vgl. [X.], Beschluss vom 27.
Oktober 2011 -
V
ZB
311/10,
Rn. 13, juris). Damit fehlen in dem Haftantrag jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 [X.]
hätte treffen können.
2. Im Übrigen hat der Haftrichter eben diese Prognose nach §
62 Abs.
3 Satz
4 [X.] auch nicht angestellt.

a) Die [X.] ist unzulässig, wenn feststeht, dass die Zurück-schiebung
aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht inner-halb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Die Prognose hierzu hat sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Zurückschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können ([X.], Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB 29/10, [X.] 2011, 27, 8
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10
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6
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29,
Rn. 22; Beschluss vom 8. Juli 2010 -
V
ZB 89/10,
Rn. 8
juris). Diesen An-forderungen genügt die Entscheidung des Amtsgerichts nicht.
b) Dass die gebotene, aber unterlassene Prognose die Haft gerechtfertigt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Juli 2010
-
V
ZB
29/10,
[X.]
2011, 27, 29,
Rn. 24), kann hier im Hinblick auf die schon am 9.
März 2011 erfolgte [X.] nicht festgestellt werden.
Zwar hat der [X.] entschieden, dass bei [X.] nach der [X.] II-Verordnung [Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.
Februar 2003, [X.]. L
50/1 vom 25.
Februar 2003] bei normalem Verfahrensgang davon auszugehen ist, dass die Zurückschie-bung in einen Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten seit der Haftanordnung wird erfolgen können, wenn festgestellt ist, dass der Mitgliedsstaat zur Rück-übernahme verpflichtet ist
([X.], Beschluss vom 29.
September 2010 -
V
ZB
233/10,
Rn. 13, juris; insoweit nicht abgedruckt in
NVwZ 2011, 320). So liegt der Fall hier jedoch nicht.
Feststellungen zur
Rückübernahmeverpflichtung [X.]s nach der [X.] II-Verordnung fehlen.
c) Die Ausführungen des [X.] zu den von der Behörde ergriffenen Maßnahmen sind für die Beachtung des Beschleunigungsgebots, erforderlich. Sie ersetzen jedoch nicht die Prognose zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung.
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7
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs.
1 Satz 1 und 2, §
83 Abs.
2, § 430 FamFG. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger
[X.]
[X.]

Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.02.2011 -
7 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 11.05.2011 -
5 [X.]/11 -

13

Meta

V ZB 127/11

31.01.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2012, Az. V ZB 127/11 (REWIS RS 2012, 9621)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9621

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V ZB 28/10

V ZB 123/11

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