Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.11.2010, Az. 27 W (pat) 57/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 1386

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr – Einzugsermächtigung für falsches Bürokonto – Beschwerdegebühr wurde zunächst per Lastschrift eingezogen, dann wieder zurückgebucht - Verschulden ist Widersprechender zuzurechnen – Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags – Kostenauferlegung - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 395 32 492

(hier: Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr),

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 15. November 2010 durch [X.] [X.], [X.] und Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

1. Der Antrag der Widersprechenden auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Widersprechende zu zahlen.

4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 8. August 1995 angemeldete Wortmarke 395 32 492 ist am 17. Juli 1996 für Dienstleistungen der [X.] in das Markenregister eingetragen und am 19. Oktober 1996 veröffentlicht worden.

2

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. November 1996 hat [X.]… Widerspruch erhoben aus der am 7. September 1994 angemeldeten und am 30. November 1995 für [X.] und [X.] eingetragenen Wort-/Bildmarke 2 912 542. Gegen die für Waren und Dienstleistungen der Klassen 32, 33 und 42 eingetragene Widerspruchsmarke war ebenfalls ein Widerspruchsverfahren anhängig, das seit dem 17. Januar 2007 abgeschlossen ist.

3

Die Anteile an der Widerspruchsmarke wurden in der Vergangenheit mehrfach übertragen, letztmals wurde die Widerspruchsmarke am 13. Mai 2007 vollständig auf die Widersprechende umgeschrieben.

4

Die Markenstelle für Klasse 43 des [X.] hat den Widerspruch mit Beschluss vom 8. Januar 2010 als unzulässig verworfen, weil es zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung am 28. November 1996 an der erforderlichen Aktivlegitimation des Widersprechenden E… gefehlt habe. Am 5. April 1996 habe der anwaltliche Vertreter von [X.] die Übertragung des Anteils von [X.] an der Marke auf seine Eltern E1… unter Beifügung einer Übertragungs- sowie einer Annahmeerklärung angezeigt und die Umschreibung auf die neuen Marken(mit)inhaber beantragt. Dieser Schriftsatz sei am 9. Oktober 1996 beim [X.] eingegangen. Folglich sei [X.]… nicht aktiv legitimiert gewesen, was einen von Amts wegen jederzeit zu beachtenden Zulässigkeitsmangel darstelle. Der Beschluss der Markenstelle wurde den Bevollmächtigten von [X.] am 26. Januar 2010 per [X.] zugestellt.

5

Mit am 18. Februar 2010 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz vom 16. Februar 2010 haben die Bevollmächtigten der Widersprechenden namens der Widersprechenden sowie des Rechtsvorgängers [X.] Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle eingelegt. Dem Schriftsatz vom 16. Februar 2010 beigefügt war eine Einzugsermächtigung über die [X.].

6

Die [X.] in Höhe von 200,00 € wurde zunächst von dem in der Einzugsermächtigung angegebenen Konto per Lastschrift eingezogen, dann jedoch wieder zurückgebucht. Ausweislich eines Aktenvermerks der Rechtspflegerin des Senats hat diese den Bevollmächtigten der Widersprechenden am 20. April 2010 telefonisch darauf hingewiesen, dass die [X.] bisher noch nicht gezahlt worden sei. Die [X.] wurde daraufhin ebenfalls am 20. April 2010 gezahlt.

7

Mit am 23. April 2010 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz vom 20. April 2010 hat die Widersprechende Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der [X.] beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, das Büro ihres Vertreters habe zwei Bürokonten, eines bei der [X.] und ein zweites bei der [X.] Das [X.] Büro sei zum 1. März 2010 von der S.-Straße 1 in 10..... B. zu der Adresse [X.] in 13507 B. umgezogen. Aus diesem Grund sollten gemäß einer internen Anweisung des Vertreters während der [X.] vom 1. Februar 2010 bis zum 31. März 2010 keine Einzugsermächtigungen für das Konto der [X.], sondern nur von dem Konto der Volksbank in [X.] erstellt werden. Die Anweisung habe dazu gedient, auch die vom [X.] Büro zu tätigenden Zahlungen während der [X.] über das Büro in [X.] laufen zu lassen, um diese besser kontrollieren zu können. Die vorliegende Einzugsermächtigung sei irrtümlicherweise aber dennoch für das Konto bei der [X.] erteilt worden.

8

Aufgrund des in der ersten Märzwoche erfolgten Umzugs des Büros B. habe es im Vorfeld des [X.] Abweichungen von dem gewöhnlichen Bürobetrieb gegeben. Obwohl auch im Vorfeld und während des Umzugs größte Sorgfalt im laufenden Bürobetrieb sichergestellt worden sei, wären die äußeren Begleitumstände einschließlich der Bürokommunikation über einige Tage gestört gewesen. Diesem Umstand sollten die über das Büro in [X.] bzw. das Konto der Volksbank in [X.] umgeleiteten Zahlungswege Rechnung tragen. Die ordnungsgemäße Einzahlung der [X.] falle genau in diesen Zeitraum.

9

Die Einzugsermächtigungen seien in der Buchhaltung als Vorlage abgelegt. Versehentlich sei routinemäßig und entsprechend der üblichen Büroorganisation für den dem [X.] Büro zuzuordnenden Vorgang eine Einzugsermächtigung für das Konto der [X.] B. ausgestellt worden. Das entspreche ganz dem üblichen Vorgehen, in diesem Fall aber nicht der für die [X.] ausnahmsweise geltenden Anweisung. Aus diesem Grunde sei das [X.] versehentlich ermächtigt worden, die [X.] von dem Konto bei der [X.] B. einzuziehen. Das Versehen sei auch innerhalb der Frist nicht aufgefallen, so dass eine Korrektur innerhalb der Beschwerdefrist nicht habe erfolgen können.

Der Umzug sei abgeschlossen, der "normale" Bürobetrieb sei wieder aufgenommen und die übliche Routine wieder hergestellt. Aufgrund der Tatsache, dass ein Büroumzug eine Sondersituation zum täglichen Bürobetrieb darstelle, liege bei allen Beteiligten nur ein geringer Grad des Verschuldens vor, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerechtfertigt erscheine.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der [X.] zu gewähren.

In der Sache beantragt sie,

den Beschluss der Markenstelle des [X.] vom 8. Januar 2010 aufzuheben, die angegriffene Marke zu löschen und der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Hilfsweise hat sie beantragt,

den Beschluss vom 8. Januar 2010 aufzuheben, die [X.] zurückzuerstatten und die Sache an die Markenstelle zurückzuverweisen.

Die Markeninhaberin beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen, hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Wiedereinsetzungsantrag sei zurückzuweisen, da die nicht fristgemäße Zahlung der [X.] auf einem Verschulden der Vertreter der Widersprechenden beruht. Von dem Vertreter seien offensichtlich keinerlei Kontrollen über die Einzahlung und ordnungsgemäße Verbuchung durchgeführt worden. Auch die Rückbuchung des Betrages sei ersichtlich nicht überprüft worden. Das Vorbringen der Widersprechenden, die Frist sei aufgrund Umzugs des Büros ihres Vertreters und Verstoßes eines Mitarbeiters gegen interne Anweisungen versäumt worden, sei angesichts der fehlenden Überprüfung der Zahlung und sogar der Rückbuchung nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden an dem Fristversäumnis zu begründen.

Die Beschwerde sei unzulässig, da die Widersprechende an dem Widerspruchsverfahren nicht beteiligt gewesen sei. Im Übrigen verteidigt die Markeninhaberin den Beschluss der Markenstelle.

II.

Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet, weil ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliegt. Im Hinblick auf die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind aus Billigkeitsgründen der Widersprechenden aufzuerlegen. Die Rückzahlung der [X.] war anzuordnen.

1. Nach § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, § 66 Abs. 2 [X.] war die [X.] innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle zu bezahlen. Die Widersprechende hat den mit [X.] (§ 5 Abs. 2 [X.]) zugestellten Beschluss am 26. Januar 2010 erhalten. Die Frist zur Zahlung der [X.] endete demnach am 26. Februar 2010. Die [X.] wurde jedoch erst am 20. April 2010 und damit verspätet gezahlt, nachdem die Rechtspflegerin dem Bevollmächtigten der Widersprechenden am 20. April 2010 telefonisch mitgeteilt hatte, dass die [X.] nicht gezahlt worden sei.

2. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Zahlung der [X.] bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil ein Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 91 Abs. 1 [X.] nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden ist. Nach dem Vorbringen der Widersprechenden kann nämlich nicht festgestellt werden, dass sie ohne Verschulden an der rechtzeitigen Zahlung der [X.] gehindert gewesen ist.

Grundsätzlich ist dem Verfahrensbeteiligten nicht nur eigenes Verschulden, sondern auch dasjenige seiner Vertreter zuzurechnen. Soweit es sich wie hier um Rechts- oder Patentanwälte handelt, sind an deren Sorgfaltspflichten, welche auch die Büroorganisation umfasst, nach der Rechtsprechung hohe Anforderungen zu stellen. Soweit Hilfskräfte mit Tätigkeiten betraut werden dürfen, muss es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handeln.

Nach dem Vorbringen der Widersprechenden muss hier von einem Verschulden ihrer anwaltlichen Vertreter ausgegangen werden. Der anwaltliche Vertreter der Widersprechenden hat zur Begründung des [X.] vorgetragen, das Fristversäumnis habe auf einem Büroversehen beruht. Obwohl er die Anweisung erteilt habe, Einzugsermächtigungen während der [X.] der [X.] Anwaltskanzlei von Anfang Februar 2010 bis Ende März 2010 nur für das Konto der Volksbank [X.] und nicht für das Konto der [X.] B. zu erteilen, sei die Einzugsermächtigung aufgrund eines [X.] irrtümlicherweise für das Konto der [X.] [X.] erteilt worden.

Dieser Vortrag genügt nach der Auffassung des Senats nicht den hohen Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Anwalts zu stellen sind. Gerade während der [X.] bestand aufgrund der Abweichung im üblichen Bürobetrieb Anlass, die Rechtzeitigkeit von Zahlungen zu überprüfen und zu kontrollieren. Dass die ordnungsgemäße Zahlung im Büro des Anwalts geprüft und kontrolliert worden ist, lässt sich dem Vortrag des Anwalts jedoch nicht entnehmen.

Der Bevollmächtigte der Widersprechenden hat auch nicht vorgetragen, wer für die Nichtzahlung verantwortlich war. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, ob es sich bei dieser Person um ein geschultes, zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal gehandelt hat.

Dem Vorbringen des Anwalts ist auch nicht zu entnehmen, warum in seinem Büro niemandem die Rückbuchung der Gebühr aufgefallen ist. Dies spricht für eine nicht ausreichende Kanzleiorganisation beim Vertreter der Widersprechenden, da das vorangegangene Versehen der fehlerhaften Zahlung spätestens bei der Rückbuchung hätte auffallen müssen.

Das Versäumnis der Frist zur Zahlung der [X.] beruht damit auf einem Verschulden der Bevollmächtigten der Widersprechenden, so dass ein Wiedereinsetzungsgrund nicht gegeben ist.

3. Aufgrund der nicht rechtzeitigen Zahlung der [X.] und der Zurückweisung des [X.] war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingereicht gilt.

4. Da die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren allein durch die unzulässige Beschwerde veranlasst war, entspricht es der Billigkeit, der Widersprechenden abweichend von dem Grundsatz, dass die Beteiligten an einem Beschwerdeverfahren vor dem [X.] ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§71 Abs. 1 Satz 2 [X.]) nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Verfahrenskosten einschließlich der der Markeninhaberin erwachsenen notwendigen Kosten aufzuerlegen. Die dafür maßgebliche Sorgfaltspflichtverletzung ergibt sich aus den unter 2. genannten Gesichtspunkten.

5. Die Rückzahlung der [X.] war anzuordnen, da für die als nicht eingelegt geltende Beschwerde eine Gebühr nicht geschuldet und daher die verspätet gezahlte Gebühr ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist ([X.]/Hacker, [X.], 9. Aufl., § 66 Rdn. 47).

Meta

27 W (pat) 57/10

15.11.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.11.2010, Az. 27 W (pat) 57/10 (REWIS RS 2010, 1386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1386

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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