Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.09.2015, Az. B 13 R 97/15 B

13. Senat | REWIS RS 2015, 4798

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Durchführung der mündlichen Verhandlung vor Beginn der eigentlich mitgeteilten Terminstunde


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 26. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die im Jahr 1972 geborene, an spinaler Muskelatrophie leidende Klägerin begehrt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Versorgung mit einer Treppensteighilfe als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Die Beklagte lehnte den darauf gerichteten Antrag der Klägerin ab, weil das Hilfsmittel auch ohne [X.] zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehöre und überdies bei ihrem Arbeitgeber ein Fahrstuhl vorhanden sei (Bescheid vom [X.]). Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom [X.], Urteil des [X.] vom [X.], Urteil des L[X.]-Brandenburg vom [X.]). Im Urteil des [X.] ist ausgeführt, das Hilfsmittel sei zur Erreichung des Arbeitsplatzes nicht mehr erforderlich, denn die Klägerin verfüge nach Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses bei einem Steuerberater zum 31.12.2014 (zutreffend: 31.1.2014) und - ungeachtet der noch beim [X.] anhängigen Kündigungsschutzklage - nicht erfolgter Weiterbeschäftigung derzeit nicht mehr über einen Arbeitsplatz, den sie nur mit einer Treppensteighilfe erreichen könne. Zudem hat das [X.] der Klägerin "Missbrauchskosten" in Höhe von 337,50 Euro auferlegt, weil sie den Rechtsstreit trotz Belehrung über die völlige Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung fortgeführt habe.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] rügt die Klägerin als Verfahrensmangel eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG).

4

II. [X.] ist unzulässig. [X.]begründung der Klägerin vom 9.6.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 [X.] 160a Abs 2 [X.] SGG).

5

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten [X.] begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss - von bestimmten Ausnahmen abgesehen (insbesondere bei absoluten [X.] gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 547 ZPO) - aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4, [X.] Rd[X.] 4 - jeweils mwN; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], Rd[X.] 202 ff).

6

Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Sie trägt vor, das [X.] habe sie und ihren Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung am [X.] um 11.45 Uhr geladen. Ausweislich des [X.] habe die mündliche Verhandlung jedoch von 11.00 Uhr bis 11.30 Uhr stattgefunden, ohne dass sie darüber informiert worden sei. Aufgrund dieses Verstoßes gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren liege der absolute Revisionsgrund des § 202 SGG iVm § 547 [X.] 4 ZPO vor, sodass "unwiderruflich" vermutet werde, dass die Rechtsverletzung für die Entscheidung des [X.] ursächlich geworden sei.

7

Damit hat die Klägerin zwar schlüssig dargestellt, dass das Berufungsgericht die Regelung in § 110 Abs 1 S 1 SGG missachtet hat, der zufolge den Beteiligten der Ort und die (zutreffende) Zeit der mündlichen Verhandlung in der Regel zwei Wochen vorher mitzuteilen ist ([X.] vom [X.] - Juris Rd[X.] 14 ; BSG Beschluss vom [X.] - B 5 R 440/09 B - Juris Rd[X.] 5). Ihrem Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, inwiefern die Entscheidung des [X.] hierauf beruhen kann. Dies gilt in gleicher Weise, soweit sie mit der Rüge der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der festgesetzten und ihr mitgeteilten Terminstunde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) geltend macht. Zwar ist die Darstellung, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann, entbehrlich, wenn nach den vorgetragenen Umständen ein absoluter Revisionsgrund iS von § 202 S 1 SGG iVm § 547 ZPO vorliegt (stRspr - vgl [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.] 14; [X.] vom 10.12.1992 - 11 [X.] - Juris Rd[X.] 12 ff; [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.] 11; BSG Beschluss vom 9.4.1997 - 9 RV 17/96 - Juris Rd[X.] 11 f; BSG Beschluss vom [X.] - B 5 R 440/09 B - Juris Rd[X.] 6). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

8

Der absolute Revisionsgrund nach § 202 S 1 SGG iVm § 547 [X.] 4 ZPO (bis zum 31.12.2001: § 551 [X.] 5 ZPO) liegt vor, wenn ein Beteiligter in dem Verfahren nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten war, sofern er nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Das kommt in der hier zu beurteilenden Konstellation, in der das [X.] die Terminstunde vorgezogen und die mündliche Verhandlung noch vor dem in der Terminmitteilung genannten Zeitpunkt ihres Beginns vollständig abgeschlossen hat, aber nur dann in Betracht, wenn gerade die Vorverlegung der Terminstunde dazu geführt hat, dass ein Beteiligter nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (so ausdrücklich [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.] 16: dort verneint, weil der Prozessbevollmächtigte zuvor mitgeteilt hatte, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen). Auch den Entscheidungen des BSG, die bei entsprechenden Sachverhalten das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds bejaht haben, lagen jeweils Fallgestaltungen zugrunde, in denen einem Beteiligten gerade wegen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Ladung die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verunmöglicht worden war ([X.] vom 15.10.1986 - 5b [X.] - Juris Rd[X.] 9 <"wenn deshalb">; [X.] vom 10.12.1992 - 11 [X.] - Juris Rd[X.] 13; [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.], 10; [X.] vom 9.4.1997 - 9 RV 17/96 - Juris Rd[X.] 2, 11; BSG Beschluss vom [X.] - B 5 R 440/09 B - Juris Rd[X.] 6; in diesem Sinne auch BVerwG Urteil vom [X.] - 4 C 2/86 - NJW 1987, 2694 - Juris Rd[X.] 9). Soweit im Urteil des BSG vom [X.] ([X.] SB 3/97 R - Juris Rd[X.] 12) hiervon abweichend und ohne nähere Begründung ausgeführt ist, es komme auf einen etwaigen Ursachenzusammenhang zwischen der Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung und einer unterbliebenen Änderung der Ladung nicht an, war das für die dort getroffene Entscheidung nicht tragend; eine Anfrage beim 9. Senat nach § 41 SGG ist daher nicht erforderlich.

9

Kann mithin im Fall einer vor Beginn der eigentlich mitgeteilten Terminstunde durchgeführten mündlichen Verhandlung das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds nach § 202 S 1 SGG iVm § 547 [X.] 4 ZPO nur angenommen werden, wenn die Nichtteilnahme eines Beteiligten auf der fehlerhaften Terminmitteilung beruht, so muss ein Beschwerdeführer zur hinreichenden Bezeichnung eines solchen [X.] auch Umstände vortragen, aus denen sich dieses Beruhen ergibt (vgl [X.] vom [X.] - Juris Rd[X.] 16 am Ende). Dem ist jedenfalls Genüge getan, wenn vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer zu dem in der Terminmitteilung genannten späteren Zeitpunkt bei Gericht erschienen ist und feststellen musste, dass seine Sache bereits entschieden war (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 95/09 B - Juris Rd[X.] 4; BSG Beschluss vom 16.12.2014 - [X.] SB 56/14 B - Juris Rd[X.] 6).

Im hier zu beurteilenden Fall fehlen entsprechende Darlegungen. Der Beschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, ob die Klägerin und/oder ihr Prozessbevollmächtigter zu der in der Terminmitteilung benannten Terminstunde um 11.45 Uhr bei Gericht erschienen sind, um der mündlichen Verhandlung beizuwohnen, sie aber gerade wegen der unzutreffenden Mitteilung an einer Teilnahme gehindert worden sind. Inhalt und Grundlage ihres Vorbringens sind vielmehr allein die Angaben zu Beginn und Ende der mündlichen Verhandlung in der Niederschrift; dass sie trotz ihres am 25.2.2015 um 17.30 Uhr dem [X.] übermittelten Befangenheits- und Terminaufhebungsantrags an der mündlichen Verhandlung am [X.] habe teilnehmen wollen, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin jedoch nicht. Damit ist das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds nicht schlüssig aufgezeigt. Ebenso fehlen - dann jedenfalls erforderliche - Darlegungen, inwiefern die Entscheidung des [X.] auf den gerügten [X.] beruhen kann (§ 160a Abs 2 [X.] iVm § 160 Abs 2 [X.] Teils 1 SGG).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Meta

B 13 R 97/15 B

25.09.2015

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 23. August 2012, Az: S 1 R 5126/10, Urteil

§ 62 SGG, § 110 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.09.2015, Az. B 13 R 97/15 B (REWIS RS 2015, 4798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4798

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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