Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2019, Az. 2 StR 31/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6636

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Gegenstand

(Verfolgungsverjährung bei betrügerischer Inanspruchnahme einer Heilbehandlung)


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. September 2018 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte hinsichtlich der Tat 3 zum Nachteil der [X.] verurteilt ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen;

b) das vorbezeichnete Urteil

aa) dahin geändert, dass

(1) der Angeklagte wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt ist und

(2) gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 457.059 € angeordnet wird;

bb) aufgehoben hinsichtlich der Anordnung der Einziehung von fünf [X.] Kaliber 12/70 sowie elf Patronen Kartuschenmunition 7,62 x 51 mm; diese Anordnung entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 462.943,18 € angeordnet, die in der [X.] bezeichnete Munition eingezogen und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen der [X.] spiegelte der Angeklagte der Zeugin [X.]der Wahrheit zuwider vor, er sei Mitarbeiter einer „übergeordneten Dienststelle“ bzw. des [X.]. Er schilderte der Zeugin immer wieder frei erfundene Umstände, aus denen ihr oder ihrer Familie negative Konsequenzen drohten. Sodann zeigte er auf, dass er in seiner Position als Mitarbeiter der „übergeordneten Behörde“ oder seiner sonstigen Kontakte wegen das Erforderliche veranlassen könne, um diese negativen Folgen von der Zeugin bzw. ihrer Familie abzuwenden. Jeweils brauche es eines bestimmten Geldbetrages, den er in ihrem Interesse einsetzen müsse. Die Zeugin, die seinen Ausführungen Glauben schenkte, übergab ihm in der [X.] von August 2009 bis Januar 2010 zunächst 11.990 € (laufende Nr. 1 der tabellarischen Urteilsauflistung) und von März 2010 bis Juli 2014 an jeweils unterschiedlichen Tagen unter den Nummern 2 bis 636 der Urteilsauflistung einzeln ausgewiesene Barbeträge zwischen 100 € und 11.000 €. Die Beträge verbrauchte der Angeklagte, wie von Anfang an geplant, für sich. Die [X.] hat die Summe aller Zahlungen auf insgesamt 441.739 € addiert, die Tathandlungen als natürliche Handlungseinheit bewertet und den Angeklagten insoweit wegen eines gewerbsmäßigen Betruges zu einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt (Tat 1 der Urteilsgründe).

3

Der Angeklagte war zudem ein Vertrauter der betagten Zeugin [X.]. Deren Klage gegen ihren Zahnarzt wegen eines vermeintlichen Behandlungsfehlers war in erster Instanz abgewiesen worden. Der Angeklagte spiegelte [X.]wahrheitswidrig vor, ihr Rechtsstreit gegen den Zahnarzt werde beim „[X.]“ fortgeführt. Hierfür benötige er Geld. Die Zeugin, die auf die Richtigkeit seiner Angaben vertraute, gab ihm die verlangten Beträge. Zudem erklärte er einmal, gegen sie sei ein Verfahren wegen Kinderpornographie anhängig. Er benötige 1.000 €, um das Verfahren gegen sie abzuwenden. Die Zeugin, die ihm wiederum glaubte, zahlte den geforderten Betrag. Insgesamt übergab sie dem Angeklagten in der [X.] vom 30. August 2010 bis 24. März 2014 an elf unterschiedlichen Tagen insgesamt 15.320 € ([X.] zwischen 100 € und 4.500 €). Die [X.] hat den Angeklagten - wiederum in Annahme einer natürlichen Handlungseinheit − wegen eines gewerbsmäßig begangenen Betruges zu einer weiteren Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt (Tat 2 der Urteilsgründe).

4

Am 13. Januar 2010 unterzeichnete der Angeklagte, der bereits am 15. Februar 2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, im Diakoniekrankenhaus [X.]eine Leistungsvereinbarung als Selbstzahler, obwohl er nicht willens und in der Lage war, seine Zahlungspflichten zu erfüllen. Den für die Behandlung im Januar 2010 entstandenen Rechnungsbetrag von 5.884,18 € beglich er nicht. Die [X.] hat ihn deswegen wegen Betruges zu einer Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je fünf Euro verurteilt (Tat 3 der Urteilsgründe).

II.

5

Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt zur Einstellung des Verfahrens (§ 206a Abs. 1 StPO) im Fall 3 der Urteilsgründe und hierdurch bedingt zur Korrektur des Schuldspruchs und der Entscheidung über die Wertersatzeinziehung sowie ferner zur Aufhebung der weitergehenden Einziehung der Munition. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.

6

1. Die Verurteilung wegen Betruges im Fall 3 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil [X.] eingetreten ist. Die Verjährungsfrist für eine Betrugstat beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Ihr Lauf begann nach § 78a StGB mit der vollständigen Entgegennahme der Behandlungsleistung durch den Angeklagten im Januar 2010 (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 232/00, [X.], 159, 166; SSW-StGB/[X.], 4. Aufl., § 263 Rn. 335 mwN). Sie endete demnach spätestens am 30. Januar 2015 (vgl. Senat, Beschluss vom 2. März 2011 - 2 StR 275/10, juris Rn. 3 mwN). Die erste Handlung, die den Lauf der Verjährungsfrist für diese Tat unterbrechen konnte, war die staatsanwaltschaftliche Anordnung vom 13. August 2015, den Angeklagten zu allen Tatvorwürfen zu vernehmen, mithin auch demjenigen zum Nachteil der [X.], nachdem sich erste Hinweise auf die Tat zum Nachteil dieser Geschädigten erst aus der Auswertung von Unterlagen ergeben hatten, die aufgrund der am 12. August 2014 richterlich angeordneten Durchsuchungsmaßnahme wegen der Tat zum Nachteil der Geschädigten [X.]   sichergestellt worden waren. Im [X.]punkt der ersten Unterbrechungshandlung (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB) am 13. August 2015 war der Betrug zum Nachteil der [X.] damit bereits verjährt.

7

2. Die nicht unbedenkliche Annahme des [X.]s von lediglich zwei Betrugstaten (Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe) beschwert den Angeklagten hier nicht. Mit Blick auf die Vielzahl der täuschungsbedingten [X.] ist ausgeschlossen, dass die [X.] eine Gesamtfreiheitsstrafe von unter vier Jahren ausgesprochen hätte, wenn sie den Angeklagten aufgrund der Tathandlungen zum Nachteil der Geschädigten [X.] wegen 634 tatmehrheitlicher Betrugstaten - in der Auflistung des [X.]s fehlen Feststellungen zu den Auszahlungen Nr. 602 und Nr. 617 - mit einer jeweiligen Mindeststrafe von sechs Monaten (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) und einem tatsächlichen Gesamtschaden von 526.229 € sowie wegen der Tathandlungen zum Nachteil der Geschädigten [X.] zu elf weiteren Einzelstrafen mit gleicher Strafuntergrenze und einem weiteren Gesamtschaden von 15.320 € verurteilt hätte (vgl. zur Änderung des [X.], Urteil vom 6. April 2001 - 2 [X.], juris Rn. 35; [X.], Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 5 StR 478/96, juris; [X.], 8. Aufl., § 354 Rn. 15; [X.] in NStZ 1997, 423). Da die [X.] bei den Taten zum Nachteil der Geschädigten [X.] lediglich von einem Gesamtschaden in Höhe von 441.739 € − statt tatsächlich 526.229 € − ausgegangen ist, gilt dies angesichts des unveränderten [X.] auch für den nach den Feststellungen nicht ohne Weiteres auszuschließenden Fall, dass die von der [X.] unter der laufenden Nummer 1 ihrer Urteilsauflistung berücksichtigte Summe von Auszahlungen in Höhe von 11.990 €, deren Einzelzahlungen die Geschädigte [X.]zwischen dem August 2009 und dem Januar 2010 erbrachte, teilweise oder ganz zwischen dem 1. August 2009 und dem 13. August 2009 und damit, angesichts der erstmaligen Unterbrechung der Verjährung am 12. August 2014 durch die richterliche Anordnung der Durchsuchung wegen dieser Tat, bei Annahme von Tatmehrheit möglicherweise in verjährter [X.] erfolgt wären.

8

3. Die Teileinstellung des Verfahrens zieht die Änderung des Schuldspruchs nach sich. Ferner war der vom [X.] in diesem Fall festgestellte Schaden in Höhe von 5.884 € von dem eingezogenen Betrag in Abzug zu bringen. Die Gesamtstrafe kann gleichwohl bestehen bleiben; der Wegfall der Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen lässt diese unberührt. Der Senat schließt angesichts des nahezu unveränderten Schuldumfangs aus, dass das Tatgericht unter Außerachtlassung der Einzelgeldstrafe auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

9

4. Die Einziehung der sichergestellten Munition hat keinen Bestand. Diese unterlag zwar zunächst als Beziehungsgegenstand des von der Anklage umfassten Vorwurfs des unerlaubten Besitzes von Munition (§ 52 Abs. 3 Nr. 2b [X.]) der Einziehung (vgl. MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., [X.], § 54 Rn. 2). Dieser Rechtsfolge steht hier im subjektiven Verfahren allerdings entgegen, dass die [X.] das Verfahren hinsichtlich dieses [X.] nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juni 2018 - 3 StR 28/18 Rn. 4 mwN). Die Einziehung der Munition hatte deshalb zu entfallen.

III.

Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Franke     

        

Krehl     

        

Meyberg

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 31/19

04.06.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Marburg, 17. September 2018, Az: 2 Js 10891/14 - 12 KLs

§ 53 StGB, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 78 Abs 4 StGB, § 78a StGB, § 263 StGB, § 206a Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2019, Az. 2 StR 31/19 (REWIS RS 2019, 6636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6636

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