Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2009, Az. V ZB 148/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 88

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.] vom 16. Dezember 2009 in der [X.]: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bei Anordnung von [X.] gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] muss der Haftrichter auch dann eigenverantwortlich prüfen, ob der Ausländer infolge unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist, wenn die [X.] Verwaltungsbehörde eine auf diesen Tatbestand gestützte, nicht bestands-kräftige Zurückschiebungsverfügung erlassen hat. [X.] § 50 Abs. 1 Ist ein Ausländer ohne gültigen Reisepass in die [X.] eingereist, kommt ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen [X.]/[X.] oder aufgrund der in dem dazu vereinbarten Zusatzprotokoll vom 23. November 1970 enthaltenen "[X.]" nicht in Betracht. [X.], [X.]uss vom 16. Dezember 2009 - [X.] 148/09 - [X.] - 2 - Der [X.] hat am 16. Dezember 2009 durch [X.] [X.], [X.] Lemke und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 25. September 2009 wird auf Kos-ten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene, der am Vortag aus der [X.] in das [X.] eingereist war, wurde am 15. September 2009 als Beifahrer ei-nes auf einer Bundesautobahn in Richtung [X.] fahrenden Kraftfahrzeugs von einer Streife der gemeinsamen [X.] überprüft. Der [X.] Pass, mit dem er sich auswies, wurde von den Beamten als Fälschung angese-hen. Der Betroffene wurde daraufhin festgenommen. Am selben Tag erließ die Bundespolizeidirektion [X.] eine Verfügung über seine Zurückschiebung in die [X.] und beantragte die Anordnung von [X.]. 1 Eine erste Haftanordnung des Amtsgerichts wurde im Hinblick auf die eingeleitete Zurückschiebung des Betroffenen in die [X.] wieder aufgehoben. Nachdem die [X.] Behörden seine [X.] - 3 - nahme abgelehnt hatten, ordnete das Amtsgericht auf Antrag der [X.] am 16. September 2009 erneut die [X.] an. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen ist, von der [X.] der Höchstdauer der Haft abgesehen, ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt er weiterhin die Aufhebung der Haftanordnung. 3 I[X.] Das Beschwerdegericht meint, die Anordnung der Abschiebehaft sei rechtmäßig, weil die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 [X.] vor-lägen. Es könne offen bleiben, ob der Betroffene als [X.]r Staatsbürger berechtigt gewesen sei, ohne Visum einzureisen. Er sei jedenfalls deshalb voll-ziehbar ausreisepflichtig, weil er mit einem gefälschten Pass eingereist sei. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene einer Zurückschie-bung in die [X.] nicht stellen werde. Er wolle zwar freiwillig ausreisen, jedoch nicht in die [X.]. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Zurückschiebung voraussichtlich bis zum 16. Oktober 2009 durchgeführt wer-den könne, verstoße die Haftanordnung nicht gegen den Grundsatz der [X.]. 4 II[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthafte, frist- und form-gerecht (§ 71 FamFG) eingelegte Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. 5 - 4 - 1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der [X.] nach den Vorschriften der §§ 57 Abs. 3, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] in [X.] genommen werden durfte, weil er aufgrund unerlaubter [X.] in das [X.] vollziehbar ausreisepflichtig ist. 6 a) Diese Voraussetzungen ergeben sich, was das Beschwerdegericht auch nicht verkennt, nicht schon bindend aus der - mit der unerlaubten Einreise des Betroffenen und seinem fehlenden Aufenthaltsrecht begründeten - [X.] der gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.] zuständigen [X.] zu 2. Zwar hat der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die zu-ständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt (Senat, [X.] 78, 145, 147; 98, 109, 112; [X.], [X.]. v. 1. April 1999, 2 BvR 400/99, juris Rdn. 3; BVerwGE 62, 325, 328), denn die Tätigkeit der [X.] unterliegt allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichts-barkeit. Bei einer auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] gestützten Haftanord-nung liegt dies insofern anders, als die sofort vollziehbare Ausreisepflicht auf-grund unerlaubter Einreise den unmittelbaren Haftgrund bildet. Ergibt sich diese weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. [X.] noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der [X.] die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (vgl. KG NVwZ 1997, 516; [X.], Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 [X.] Rdn. 13). Es würde der [X.] bei Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 GG; vgl. [X.]E 105, 239, 248; [X.]K 7, 87, 98) und den Anforderungen in Bezug auf die tatsächlichen Grundlagen richterlicher Haftentscheidungen (vgl. [X.], 297, 308) nicht gerecht, wenn dem Haftrichter im Rahmen des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] durch eine noch nicht bestandskräftige Verfügung über die Zurückschiebung nach § 57 [X.] bereits die wesentlichen Vor-aussetzungen für die Haftanordnung vorgegeben wären. 7 - 5 - b) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht von einer unerlaubten Einreise des Betroffenen aus. Die Einreise eines Ausländers ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] dann unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 [X.] nicht besitzt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach den - von der Rechtsbeschwerde nicht mit einer Rüge im Sin-ne des § 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG angegriffenen und damit das [X.] bindenden (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO) - Feststellungen des [X.] war der Betroffene bei seiner Einreise nach [X.] nicht im Besitz eines gültigen Passes oder [X.]. 8 c) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Beschwerdegericht ferner die - hier gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] vollziehbare - Ausreisepflicht des Betroffenen an. Nach § 50 Abs. 1 [X.] ist ein Ausländer zur Ausreise ver-pflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr be-sitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen [X.] / [X.] nicht oder nicht mehr besteht. So liegt es hier. Ein - allein in Betracht kommen-des - Aufenthaltsrecht des Betroffenen nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der [X.] und der [X.] vom 12. September 1963 ([X.], 509) besteht nicht. Auf ein solches Aufenthaltsrecht kann sich nur berufen, wer rechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitglied-staates eingereist ist (vgl. [X.], [X.]. [X.]/98, [X.], 569, 572 [X.]. 59 [[X.]]; [X.]. [X.]/01 u. [X.]/01, [X.] 2004, 32, 34 [X.]. 65 [[X.]]; [X.], Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 4 Rdn. 74). Ist die [X.], wie hier, unter Verwendung eines falschen Passes und damit unter [X.] gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfolgt, fehlt es an dieser Ausgangslage. 9 Entsprechendes gilt, soweit sich der Betroffene auf die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen [X.] / [X.] vom 23. [X.] - 6 - vember 1970 ([X.] [X.], 385 nachfolgend: ZPAss[X.]-TR) enthaltene "[X.]" beruft, in der sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, un-tereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen (Art. 41 Abs. 1 ZPAss[X.]-TR; vgl. dazu [X.], [X.]. [X.]/06, [X.], 513 [[X.]]). Der Betroffene gehört schon nicht zu dem dadurch privilegierten Personenkreis. Die damals in der [X.] [X.] geltende, sich aus § 2 Abs. 3 AuslG a.[X.]. § 1 Abs. 2 Nr. 1 [X.] 1965 ergebende Befreiung [X.]r Staatsangehöriger, die sich nicht länger als drei Monate in der [X.] aufhalten und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen wollten, von dem Erfordernis der [X.] war nämlich von dem Besitz eines (gültigen) Nationalpasses abhängig (vgl. [X.], Ausländergesetz [1966], § 2 [X.]. C.1. i.V.m. § 3 [X.]. A., B.1.). Die Einreise ohne gültigen - im Streitfall gar mit einem gefälschten - Pass war schon vor Inkrafttreten von Art. 41 Abs. 1 ZPAss[X.]-TR nicht privilegiert. d) Die Anordnung der [X.] verstößt nicht gegen den im Rah-men der Prüfung des [X.] zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 11 aa) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Betroffene keine konkreten Umstände dargelegt hat, aus denen sich entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.] (vgl. [X.], Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 62 Rdn. 39; [X.], Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 15) ergibt, er werde sich der Zurückschiebung nicht entzie-hen. Soweit der Betroffene auf seine Bereitschaft verweist, nach Erhalt eines gültigen Passes in die [X.], hilfsweise in einen anderen visumsfreien [X.] auszureisen, stellt er nicht die Verhältnismäßigkeit der - seine Zurückschiebung in die [X.] sichernden - Haft in Frage. Vielmehr wendet er sich gegen die von der Beteiligten zu 2 vorgenommene Bestimmung 12 - 7 - des [X.], in das er zurückgeschoben werden soll und damit gegen die - nicht von dem von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfende - Rechtmäßigkeit der Zurückschiebungsverfügung. [X.]) Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Der Haftrichter hat auf Grundlage einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage und unter Berücksichtigung der Möglichkei-ten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes eine Prognose zum Zeitpunkt der möglichen Zurückschiebung zu treffen (vgl. [X.] NJW 2009, 2659, 2660). Dass die von dem Beschwerdegericht getroffene Prognose diesen Anforderun-gen nicht genügt, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Soweit sie, bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdebegründung, rügt, die [X.] habe bislang keine Maßnahmen zur Beschaffung der notwendigen [X.] ergriffen und damit die gebotene [X.]eunigung des Verfahrens unterlas-sen, handelt es sich um neuen, im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berück-sichtigungsfähigen Tatsachenvortrag. 13 2. Ob das Beschwerdegericht auch die Voraussetzungen des [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] zu Recht angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung. 14 - 8 - IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. 15 [X.]Stresemann Czub Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 16.09.2009 - 23 [X.]/09 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 2 T 780/09 -

Meta

V ZB 148/09

16.12.2009

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2009, Az. V ZB 148/09 (REWIS RS 2009, 88)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 88

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZA 9/10 (Bundesgerichtshof)

Abschiebehaftverfahren: Haftanordnung bei vollziehbarer Ausreisepflicht wegen unerlaubter Einreise trotz Asylfolgeantrags; Verlängerung der Haftdauer über drei …


V ZB 13/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 3/10 (Bundesgerichtshof)

Freiheitsentziehungsverfahren: Pflicht des Beschwerdegerichts zur erneuten Anhörung des Betroffenen; Anforderungen an die Anhörung durch den …


V ZA 9/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 3/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.